Vor dem Landgericht Karlsruhe - Auswärtige Jugendkammer Pforzheim - endete am gestrigen Freitag den 20.02. die Berufungsverhandlung gegen den Anmelder einer Kundgebung am 23. Februar 2007 "Für Frieden und Völkerverständigung" in Pforzheim. Der Anmelder war vor dem Amtsgericht Pforzheim des Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz zu 50 Tagessätzen a 20 Euro verurteilt worden. Vorgeworfen wurde ihm nicht entschlossen genug gegen Kundgebungsteilnehmer die, entgegen der Auflagen, Alkohol aus Glasflaschen konsumierten vorgegangen zu sein.
Bereits im Laufe des ersten Verhandlungstages am 30. Januar zeigte sich, wie albern die erhobenen Vorwürfe sind. Dort bestätigte der damalige Einsatzleiter der Polizei, dass der Anmelder mehrmals auf das Alkoholverbot hinwies und auf einzelne Personen zuging - wohlgemerkt bei einer Kundgebungsdauer von 40 Minuten.
Nach weiteren drei Zeugen und einem 30 minütigen Beweisvideo hatte sich an diesen "Tatsachen" trotz aller Bemühungen der Staatsanwaltschaft immer noch nichts geändert. Auch der Leiter des Ordnungsamts Kühn konnte zum Sachverhalt keine weiteren Erkenntnisse beisteuern und unterstrich mit seinem Sprachstil lediglich die Tatsache, dass er ein reaktionäres Arschloch ist.
Bereits am ersten Verhandlungstag merkte die Richterin an, dass derartige Verfahren für gewöhnlich eingestellt werden. Der zuständige Staatsanwalt lehnte dies allerdings vehement ab. Begründung war die politische Bedeutung, die seine Behörde dem 23. Februar, im Zuge der generellen Stimmung in der Stadt Pforzheim, als Lokaltrauertag beimisst. Eine fatales Signal, dass eine kritische antifaschistische Intervention anlässlich regelmäßiger Naziauftritte und geschichtsrevisionistischer bürgerlicher Trauerzeremonien zum zentralen Angriffspunkt der Repressionsorgane an diesem Tag wird.
Das Urteil der 1. Instanz wurde in soweit abgeändert, dass das verhängte Urteil nun "eine Verwarnung mit Strafvorbehalt" auf ein Jahr Bewährung nach §59 StGB ist. Damit muss der Verurteilte nun die Strafe von 1000 Euro zwar vorerst nicht zahlen, die Gerichtskosten und eigenen Auslagen bleiben aber und die liegen mit Anwalts- und Gerichtskosten bei 3 Verhandlungstagen (in beiden Instanzen) deutlich höher als die eigentliche Strafe.
Das Verfahren reiht sich in eine allgemein zunehmende Repression gegen Demonstrationsanmelder ein. Dabei müssen immer absurdere Begründungen zur Kriminalisierung legaler politischer Arbeit herhalten: Zu schnelles Rennen, unerlaubtes Musikabspielen und Alkoholkonsum aus Glasflaschen sind nur wenige aktuelle Beispiele aus Baden-Württembergs Gerichtssälen.
Die zermürbende Taktik der Repressionsorgane muss im Sande verlaufen!
Solidarisiert euch mit den Betroffenen, spendet an die Rote Hilfe!
Das schreibt die Pforzheimer Zeitung
PZ vom 31. Januar 2009
Wo Trinker eine Demo unterwandern
Anti-Rechts-Kundgebung am 23. Februar vor zwei Jahren beschäftigt erneut die Gerichte
marek klimanski
PFORZHEIM. Ein Video der Polizei sowie als Zeugen der städtische Ordnungamtsleiter Wolf-Dietmar Kühn und der mittlerweile in den Ruhestand gegangene damalige Polizeichef Holger Trunk sollen Klarheit bringen: Das Jugendschöffengericht hat gestern entschieden, einen weiteren Termin anzusetzen.
Es geht darum, den Fall eines 20-Jährigen zu verhandeln, der am Jahrestag des Pforzheimer Bombardements eine Kundgebung auf dem Marktplatz gegen rechtes Gedankengut angemeldet hatte. Diese sei ihm, so der Vorwurf der Behörden, aus dem Ruder gelaufen. Es habe trotz gegenteiliger Auflagen Alkohol und Alkoholisierte gegeben, Getränke in Glasflaschen und auch Vermummte.
Der Organisator sei nicht ausreichend gegen die Verstöße auf der von ihm zu verantwortenden Kundgebung vorgegangen, so zeigte sich auch im März vergangenen Jahres das Gericht überzeugt, und verurteilte den jungen Mann zu 50 Tagessätzen à 20 Euro. Dagegen legte er Berufung ein. Seine Argumentation: Vermummte habe es nicht gegeben, selbst der verantwortliche Polizeibeamte habe sie nicht gesehen, sondern nur von ihnen gehört. Der Alkohol und die Glasflaschen wiederum hätten einer Gruppe gehört, die sich offenbar immer am Marktplatz aufhielten. Das sei auch der Stadtverwaltung bekannt. "Herr Kühn hat es ja so abwertend als das Trinkerproblem auf dem Pforzheimer Marktplatz bezeichnet", sagte der Angeklagte.
Keine Ordner benannt
Der zuständige Polizist konnte sich in der gestrigen Verhandlung an Vermummte nicht mehr erinnern. Aber der Kundgebungsveranstalter habe im Vorfeld auch nicht wie gefordert Ordner benannt. Zudem habe er die Auflagen der Behörden lächerlich gemacht, indem er sie lachend und kichernd vorgelesen habe. Überhaupt sei es gar keine Kundgebung gewesen, weil es keinen Redner mit einer inhaltlichen Botschaft gegeben habe. Und nicht nur die Trinker vor dem Rathaus hätten Alkohol getrunken und Glasflaschen dabei gehabt, sondern auch Leute, die eindeutig Kundgebungsteilnehmer waren. In der gestrigen Verhandlung wurde bekannt, dass die polizeilichen Videoaufzeichnungen der Kundgebung noch existieren. Sie sollen in die Beweisaufnahme einfließen.
PZ vom 21.2.09
Geldstrafe nach Demo
am 23. Februar
Roger Rosendahl
PFORZHEIM. Ein 19-jähriger Angeklagter hat gestern in einer Berufungsverhandlung vor der Auswärtigen kleinen Jugendstrafkammer des Landgerichts Karlsruhe in Pforzheim einen Schuldspruch mit einer Geldauflage auf Bewährung in Höhe von 20 Tagessätzen zu 20 Euro erhalten. Der Anklagevorwurf lautete auf "Verstoß gegen das Versammlungsrecht", weil er als Versammlungsleiter bei einer Kundgebung am 23. Februar auf dem Marktplatz nicht auf Angetrunkene geachtet hatte, die gegen das Alkohol- und Glasflaschenverbot verstoßen hatten.
Erstinstanzlich war der Angeklagte zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 20 Euro verurteilt worden. Der Vorwurf: Der Angeklagte habe die Ermahnungen der Polizei und des Amts für öffentliche Ordnung auf die leichte Schulter genommen. Gegen das Urteil hatte er Berufung eingelegt.
Die Vorsitzende Richterin Sabine Salomon erklärte, dass ein im Gerichtssaal betrachtetes Video von der Versammlung die Ausführungen der Verteidigung widerlegt habe, dass sich fremde Personen in die Kundgebung eingeschlichen hätten, für die der Angeklagte nicht verantwortlich sei. Was den Vorwurf wegen eines Verstoßes gegen das Vermummungsverbot betraf, wertete das Gericht die Kleidungsstücke als jugendtypische Mode und nicht, dass die Baseball-Kappen zum Zweck der Vermummung ins Gesicht gezogen worden seien.