Der aufhaltsame Aufstieg der "Burschenschaftlichen Gemeinschaft"

Protokoll 2. Verbandsratssitzung 16.04.2011 "Deutsche Burschenschaft"

Wenn manche Menschen Max Liebermann adaptieren, dann möchten wir einfach nur kotzen. Florian Reuter, 36, Rechtsanwalt in Karlsruhe, ist so ein Mensch. Denn Florian Reuter ist Burschenschafter. Genauer gesagt ist er AH e.s.v. B! Marchia Bonn in der DB. Ausgeschrieben verströmt der Titel den elitären Dünkel eines anachronistischen Korporationswesens: Florian Reuter ist "Alter Herr einer sehr verehrlichen Burschenschaft im Dachverband der Deutschen Burschenschaft". Doch die DB macht Reuter in letzter Zeit viel Kummer, denn er sieht den Dachverband im Widerspruch zu seinem Wahlspruch: "Ehre, Freiheit, Vaterland". Deshalb wurde Florian Reuter zum Verräter, zumindest in den Augen seiner Verbandsbrüder.

 

Ausgerechnet dem Spiegel lieferte Florian Reuter eine Steilvorlage für dessen Angriffe gegen die "Deutsche Burschenschaft". Am ersten Tag des Burschentages 2011, dem alljährlichen Familientreffen der Bünde in Eisenach, trat das Hamburger Magazin mit einem Artikel und einem Interview über die Verschärfung der sowieso schon rassistischen Aufnahmeregeln des Verbandes eine wahre Presselawine los. In Eisenach stritt die "Deutsche Burschenschaft" gerade über den Antrag der "Alten Breslauer Burschenschaft der Raczeks zu Bonn". Während die Burschenschafter darüber diskutierten, ob denn ein "deutscher Staatsbürger, dessen Eltern nicht beide dem deutschen Volk angehören, Mitglied einer deutschen Burschenschaft werden kann", trat Reuter nach. Am 17. Juni ätzte er auf Spiegel Online über den "unappetitlichen" Dachverband: "Ich kann gar nicht so viel trinken, wie ich kotzen möchte."

Nun droht Reuter ein internes Verfahren wegen Verletzung des Conventsgeheimnisses. Zwar werden kleinere Verfehlungen unter Verbandsbrüdern üblicherweise mit Strafzahlungen, sogenannten "Beireitungen", vergolten. Im Haushaltsjahr 2010 wurden 9.000 Euro "Beireitungen" fällig, was bei einem Jahresbudget von 291.100 Euro lediglich rund 3% ausmacht. Doch auch unter Ehrenmännern ist die Zahlungsmoral bei lediglich 3.634 Euro eingegangener Bußen, also rund 40% der vehängten Strafen, nicht eben hoch. Aber die Verletzung des Conventsgeheimnisses ist keine Verfehlung, die durch eine Strafzahlung bereinigt werden könnte.

Das Conventsgeheimnis ist eines der fundamentalen Prinzipien der Burschenschaften. Es soll "eine freundschaftlich-vertrauensvolle und zugleich kritische Atmosphäre ermöglichen, ohne dass die kritisierten Mitglieder ihr Gesicht verlieren", schreibt der Lasalle-Kreis. Das "Netzwerk der Korporierten in der SPD" ist benannt nach Ferdinand Lassalle, einem der Gründerväter der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands. Lasalle war wie Reuter Burschenschafter in Bonn. Allerdings nicht wie dieser bei der Marchia, sondern bei den Raczeks.

Einige Burschenschafter halten diese Heimlichtuerei jedoch für intransparent und schädlich, da sie lediglich dem rechten Flügel innerhalb der "Deutschen Burschenschaft" nütze. Diese extrem rechten Burschenschaften haben sich zur "Burschenschaftlichen Gemeinschaft" (BG) zusammengeschlossen, nachdem 1961 die Fusion der deutschen und österreichischen Burschenschaften gescheitert war. Die BG erreichte 1971 mit dem so genannten "historischen Kompromiss" die Verankerung des "volkstumsbezogenen Vaterlandsbegriffs" in der "Verfassung" der "Deutschen Burschenschaft". Nach der Abspaltung einiger konservativer Bünde und der anschließenden Gründung der "Neuen Deutschen Burschenschaft" (NDB) 1996 stellt die BG rund ein Drittel der Bünde in der DB. Die BG dominiert spätestens seit der Gründung der NDB die Diskurse in der DB, was zu einem nachhaltigen Rechtsrutsch innerhalb der "Deutschen Burschenschaft" geführt hat. Um diesem Trend aktiv entgegen zu wirken, haben einige Burschenschafter nun ihr Schweigen gebrochen.

Nicht nur wurden hunderte interne DB-Dokumente ausgerechnet auf dem linken Internetportal Indymedia linksunten veröffentlicht. Auch gelangen immer mehr interne Informationen des Geheimbundes in die Hände von Journalisten. Nach der Durchsicht interner Unterlagen ist das vergiftete Klima innerhalb der "Deutschen Burschenschaft" offensichtlich. Der "Antrag der Burschenschaft Thessalia zu Prag in Bayreuth auf Amtsenthebung von Vbr. Korell als Vorsitzender des Rechtsauschusses der Deutschen Burschenschaft", der maßgeblich von "Verbandsbruder" Oliver Trapper von der "Thessalia Prag" gegen Heinz-Uwe Korell von der "Frankonia zu Heidelberg" ausgeheckt wurde, erinnert eher an eine klassische Intrige, denn an eine Gemeinschaft, die "stets zu Schutz und Trutze brüderlich zusammenhält".

Auch die gezielte Weitergabe einer Studie des "gewesenen Verbandsobmanns für Politik und Kultur" 2010 der Burschenschaft "Hilaritas Stuttgart" zum Thema "Bekenntnis zum Burschenschafterdasein" ist ein Zeichen des Protests gegen die Kultur des Verschweigens unangenehmer Wahrheiten innerhalb der "Deutschen Burschenschaft". Die Studie geht der Frage nach, warum die Mitgliedschaft in der "Deutschen Burschenschaft" von den "53 Verbandsbrüdern die Mandate auf Bundes-, Länder-, und kommunaler Ebene innehaben" eher verschwiegen als erwähnt wird. Von den Politikern haben "65% die Befürchtung, dass die Erwähnung der Mitgliedschaft in einer Burschenschaft, zu beruflichen Problemen führen könnte" und "25% haben die Befürchtung, dass die Erwähnung der Mitgliedschaft in einer Burschenschaft Ihnen ernsthaft politisch schaden könnte".

Ernsthaften Schaden nimmt das Ansehen der "Deutschen Burschenschaft" regelmäßig durch die braunen Brüder in ihren Reihen. Die jüngst via YouTube verbreitete Erklärung von Jürgen W. Gansel, seines Zeichens "Alter Herr der Burschenschaft Dresdensia-Rugia zu Gießen", vor allem aber sächsischer Landtagsabgeordneter der NPD, hat einige Verbandsbrüder in Rage versetzt. Zwar wurde der Antrag auf Ausschluss der "Burschenschaft Hansea zu Mannheim" wegen ihres "chinesischstämmigen" Sprechers Kai Ming Au kurz vor dem diesjährigen "Burschentag" zurückgezogen. Doch Gansel kritisierte die nicht-öffentlichen Ergebnisse des "Burschentages" in aller Öffentlichkeit und verkündete zudem, dass Au auf den Häusern der extrem rechten Burschenschaften innerhalb der DB nicht willkommen sei. Jörg Haverkamp beantragte daraufhin als Vorstand des "Alte Herren Verbandes" der Freiburger "Burschenschaft Saxo-Silesia" DB-intern "die Einleitung eines Untersuchungsverfahrens gegen die Mitgliedsburschenschaften der DB, denen Herr Verbandsbruder Gansel angehört".
 
Um die Wogen der Empörung über den offenkundigen Rassismus innerhalb der "Deutschen Burschenschaft" zu glätten, wurde noch am 15. Juni auf dem "Burschentag" in Eisenach ein mit heißer Nadel gestricktes neues Rechtsgutachten vorgelegt. In dem vom "Rechtsausschuß der Deutschen Burschenschaft in der Besetzung Heinz-Uwe Korell, Christian Balzer und Karsten Rausch" beschlossenen Rechtsgutachten heißt es: "Die Deutsche Burschenschaft [bekennt sich] zum deutschen Vaterland als der geistig-kulturellen Heimat deutschen Volkes. Dieses Bekenntnis verpflichtet die Deutsche Burschenschaft und ihre Mitgliedsvereinigungen dazu, die Identität des deutschen Volkes zu wahren und das Bewußtsein der gemeinsamen Volkszugehörigkeit aktiv zu pflegen. Die Mitgliedsvereinigungen können nur solche Bewerber aufnehmen, die geeignet sind, jederzeit für das deutsche Volk und Vaterland einzutreten. Die Mitgliedsvereinigungen können daher grundsätzlich nur Bewerber aufnehmen, die dem deutschen Volk angehören."

Die "Deutsche Burschenschaft" träumt noch immer von einem Großdeutschland, die jetzigen Außengrenzen werden jedenfalls nicht akzeptiert: "Aufgrund der besonderen Lage des deutschen Volkes, dem es nicht gelungen ist, eine einheitliche Staatsnation zu bilden, sowie vor dem Hintergrund der derzeitigen Bevölkerungsentwicklung ist der Besitz der Staatsangehörigkeit der Bundesrepublik Deutschland oder der Republik Österreich lediglich Indiz für das Vorliegen der deutschen Volkszugehörigkeit. Die Staatsangehörigkeit kann aber kein entscheidendes Kriterium sein." Mitnichten wurde das Abstammungsprinzip verworfen: "Eine Überprüfung hat nach dem Ermessen des Rechtsausschusses in folgenden Fällen stattzufinden: 1. Bei einem Bewerber, der nicht die Staatsangehörigkeit der Bundesrepublik Deutschland oder der Republik Österreich besitzt. 2. Bei einem Bewerber, der von Eltern abstammt, die beide nicht dem deutschen Volk angehören oder die beide nicht die vorbezeichneten Staatsangehörigkeiten besitzen."

Für eine mögliche Aufnahme von "nicht deutschstämmigen" Männern in eine "Deutsche Burschenschaft" ist also zukünftig eine obligatorische Überprüfung durch den Rechtsausschuss festgelegt. Ungewiss jedoch ist, wie lange die nicht zur "Burschenschaftlichen Gemeinschaft" gehörenden Bünde ihr Mitbestimmungsrecht innerhalb der "Deutschen Burschenschaft" angesichts der jüngsten Machtverschiebungen behalten werden. Doch die Zeit der Zurückhaltung ist vorbei, vereinzelt wird der Corpsgeist bewusst durchbrochen. Es bedarf auch weiterhin solcher internen Informationen, um die völkischen Rassisten in den Reihen der "Burschenschaftlichen Gemeinschaft" zu identifizieren und zu bekämpfen.

Ihr aber lernet, wie man sieht statt stiert
Und handelt, statt zu reden noch und noch.
So was hätt einmal fast die Welt regiert!
Die Völker wurden seiner Herr, jedoch
Dass keiner uns zu früh da triumphiert
Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch!

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Gegen den Festkommers der Burschenschaftlichen Gemeinschaft
Bash Back!
Gegen Nationalismus, Rassismus und Sexismus

 

Am 15. und 16. Juli findet in München ein Festkommers1 zum 50jährigen Bestehen der rassistischen, sexistischen und deutschnationalistischen Burschenschaftlichen Gemeinschaft (BG) statt. Gegen diese Veranstaltung rufen wir zu Protesten auf!

Die Burschenschaftliche Gemeinschaft ist ein 1961 in München gegründeter Zusammenschluss verschiedener rechter Burschenschaften aus Österreich und Deutschland, wobei sie in ihrem völkischen Nationalismus Österreich sowie einige Gebiete in Polen und Tschechien als Teile eines Großdeutschlands begreifen. Ihre Vorstellung von Nation gründet dabei in der rassistischen Blut-und-Boden-Ideologie, die systematisch nicht-weiße Menschen, Jüd_innen, Sint_izza, Romni_ja und viele andere ausschließt. Aber auch ihr Geschlechterbild ist von sexistischen und heteronormativen Ideologien geprägt. Konkret heißt dies, dass Frauen* einzig als Mütter und Ehefrauen betrachtet werden und nur den Männern* öffentliche Bereiche wie etwa die Sphäre der Politik oder die elitären, männerbündlerischen Burschenschaften selbst offenstehen. Dies sehen sie begründet in einem biologischen Unterschied von Mann und Frau, aus dem heraus die Gesellschaft organisiert werden soll. Dass sich Menschen jenseits dieser binären Geschlechternormen oder heteronormativer Begehrensstrukturen verorten, erscheint den „Burschenschaftlern“ als der ultimative Angriff auf die „natürliche Ordnung der Gesellschaft“.

In der BG sind 42 „farbentragende“ und „schlagende“ Burschenschaften organisiert. „Farbentragend“ bedeuet, dass sie als Erkennungszeichen eine Kappe auf dem Kopf und ein Band um den Oberkörper in den jeweiligen Farbe ihrer Burschenschaft tragen. “Schlagend“ heißt, dass sie Wert auf den Zweikampf im Fechten legen. Nach innen sind die einzelnen Burschenschaften straff hierarchisch und autoritär organisiert. Wer in eine solche Burschenschaft eintritt, muss ihre Ideologien sowie Geschlechterbilder verinnerlichen. In ritualisierten Besäufnissen und dem Mensurfechten soll eine „ideale Männlichkeit“ ausgebildet werden. Wer sich einer Burschenschaft anschließt geht einen Bund fürs Leben ein. Die Mitgliedschaft endet nicht mit dem Verlassen der Uni. Auf diese Weise ist gesichert, das Werte und Normen erhalten bleiben und das die sog. „alten Herren“ ihren Verbandsbrüdern in einflussreiche Stellungen in Wirtschaft oder Politik verhelfen. Burschenschaften verstehen sich selbst als Ausbildungsstätten der „gesellschaftlichen Elite“ und möchten sich abheben vom Rest der Studierenden, die sie als abzuwertende und ungebildete Masse ansehen.

Aber die „Burschenschaftler“ sind nicht einfach eine Gruppe vernachlässigbarer Hanseln, sie können an gesellschaftliche Ideologien und Diskurse anknüpfen und diese auch in ihrem Sinne beeinflussen. Die rassistischen, antisemitischen, sozialchauvinistischen, elitaristischen und heteronormativen Ideologien, die die Burschenschaften vertreten, haben auch in vielen breiteren gesellschaftlichen Debatten ihren Ausdruck. Beispielsweise in der sog. Sarrazindebatte, in der sich der Hass gegen sozial Ausgegrenze mit dem Hass auf (vermeintliche) Muslim_innen verband, die Polemiken gegen Forderungen Überlebender der nationalsozialistischen Verfolgung auf Entschädigungszahlungen in denen die Ressentiments vom „raffgierigen Juden“ aufgewärmt werden oder im antifeministischen Backlash.

Burschenschaften, insbesondere die in der Burschenschaftlichen Gemeinschaft organisierten Gruppen, agieren zudem oftmals als wichtige Schnittstelle zwischen militanter Neonaziszene und konservativer Rechter. Bei der Burschenschaft Danubia trat z.B. am 6. Mai diesen Jahres der neonazistische Publizist Jürgen Schwab auf, am 30. April traten in der Burschenschaft Cimbria der Redakteur der neu-rechten Wochenzeitung „Junge Freiheit“ Felix Krautkrämmer und Erik Lehnert vom rechten „Institut für Staatspolitik“ auf. 2001 fand der flüchtige Neonazi Christoph Schulte bei der Danubia Unterschlupf nachdem er bei einem rassistischen Übergriff in der Zenettistraße beteiligt war. Martin Graf (FPÖ) von der Burschenschaft Olympia Wien ist 3. Nationalratspräsident  in Österreich. Alle diese Burschenschaften gehören der Burschenschaftlichen Gemeinschaft an.

Deshalb rufen wir – ein Bündnis verschiedener antirassistischer, antifaschistischer und antisexistischer Gruppen aus München und Umgebung – dazu auf, den Festkommers zum Desaster zu machen.

Gegen Nationalismus, Sexismus, Rassismus und Elitarismus!
Für eine befreite Gesellschaft!

Antifaschistische Demo: 16.07.2011, 16.30 Uhr, Prinzregentenplatz
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1 Ein Kommers ist eine hochoffizielle Feier von Studentenverbindungen oder -burschenschaften, bei dem traditionellerweise Lieder gesungen und  Reden gehalten werden.

 

 

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