Protestaktion bei der Vertretung der Europäischen Kommission in Bonn

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Demonstrant/-innen bekunden Solidarität mit den Aufständischen in Nordafrika, entrollen vom Dach des Gebäudes in der Bonner City ein Transparent und fordern Aufnahme von Flüchtlingen sowie die Abschaffung der europäischen Grenzschutzagentur FRONTEX

In ihrem Flugblatt heißt es:

„Mich beschäftigt nicht so sehr, wer der nächste Präsident wird, weil so lange, wie das System dasselbe bleibt, wird der Präsident verdorben. Sogar ich würde korrumpiert, sollte ich zum Präsident in diesem System gewählt werden. Wir müssen also das System ändern.“ 

Nawal al-Saadawi, 2010 (ägyptische Feministin) 

Der Tod des jungen Tunesiers Mohammed Bouazizi, der sich im Dezember aus Verzweiflung über Behördenwillkür und Perspektivlosigkeit selbst angezündet hatte, wurde zum Fanal für eine Aufstandsbewegung, die sich in der gesamten arabischen Welt ausbreitete und bis heute andauert. Von Tunesien über Ägypten, Libyen bis nach Bahrein kämpfen Menschen für Brot, Würde, Gerechtigkeit und Freiheit. Dabei riskieren sie ihr Leben indem sie sich Polizei und Militär widersetzen.

Millionen in Europa verfolgen die Aufstände beinah live über die Medien, bleiben aber Zaungäste. Dabei verdienen die Aufständischen unseren Respekt und unsere aktive Unterstützung. Es gibt Grund genug sich zu empören: über die brutale Gewalt, den Terror, die Armut, den Raub der Ressourcen, vor allem aber über die Heuchelei und Doppelmoral westlicher Politik. Nach langem Schweigen äußert sich neuerdings auch die EU-Kommission „besorgt“ über Menschenrechtsverletzungen in Libyen. Das Land ist eines der wichtigsten Öl- und Gaslieferanten Europas, außerdem seit einigen Jahren wichtiger Verbündeter in Sachen Flüchtlingsabwehr. Das Mittelmeer zwischen Marokko, Libyen, Spanien und Italien gehört zum Operationsgebiet der EU-Migrationspolizei Frontex. MigrantInnen müssen damit rechnen, auf ihrem Weg nach Europa erschossen, im Meer versenkt oder in der Wüste in Lager gesperrt zu werden. Das Gaddafi-Regime wurde zudem mit modernsten Waffensystemen aus Europa aufgerüstet, ein lukratives Geschäft. Die Einkünfte deutscher Rüstungsexporte nach Ägypten und andere nordafrikanische Staaten lagen 2009 bei 175 Millionen Euro.

 

Nun fordern westliche Politiker plötzlich Sanktionen und ein militärisches Eingreifen der NATO. Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass ein militärisches Eingreifen Europas sich nur an eigenen Interessen orientiert und nicht am Wohl der Menschen im Süden. Die westeuropäischen Länder haben weite Teile Afrikas bis in die sechziger Jahre des letzten Jahrhunderts kolonisiert. Bis heute profitieren sie von Zerstörung und ungerechten Wirtschaftsstrukturen. „No Foreign Intervention! Libyen People Can Manage It Allone!“ forderten Aufständische Ende Februar in Benghazi. Auch wenn die Aufständischen inzwischen militärisch mehr und mehr unter Druck geraten, ist eine Intervention der NATO abzulehnen. Denn sie bedeutet Krieg.


Stattdessen ist die Solidarität Europas gefragt: bedingungslose Aufnahme von Flüchtlingen und Abzug der Frontex-Schiffe aus dem Mittelmeer, keine Geschäfte mit Despoten. Aber es geht nicht nur um Präsidenten, sondern um das System einer ungerechten Weltwirtschaftsordnung, das der Mehrheit der Menschen ein Leben in Würde versagt.

Die Aufstände im Maghreb machen Mut und geben uns Anlass zur Hoffnung, dass Widerstand gegen Unterdrückung und Ausbeutung möglich ist. In den Revolten wird sichtbar, dass Geschichte von unten gemacht wird.
Gesellschaftliche Machtverhältnisse sind endlich! Empört Euch!

FLÜCHTLINGE AUFNEHMEN – ABSCHAFFUNG VON FRONTEX – SOZIALE REVOLUTION!

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Und weil die Menschen, die in Libyen gerne in einer Demokratie leben würden, dermaßen gegen eine irgendwie geartete Intervention sind und im Zweifel halt lieber sterben als sich helfen zu lassen, waren gestern nach der Abstimmung im Sicherheitsrat in Bengasi auch Frankreichfahnen zu sehen. Mal im ernst, so richtig es ist auch und gerade in diesem Zusammenhang die europäische Flüchtlingspolitik zu kritisieren, so wenig kann man es ernst meinen, dass die Menschen, die es selbst fordern, sich lieber ohne Hilfe einer nach dem anderen erschießen zu lassen, weil eine Intervention "imperialistisch" wäre.

So ist das mit den Brillen, die man ungern absetzt. Meist kommt ein arg verzerrtes Bild dabei raus.