Zum G20-Gipfel ... Qualität statt Bekenntnisse: Die Frage „Gewalt – ja oder nein?“ ist falsch

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Die überwältigende Mehrheit aller an den Auseinandersetzungen der vergangenen Tage in Hamburg beteiligten Personen und Organisationen hat sich bekenntnishaft über die Legitimität von Gewalt als Mittel des politischen Protestes oder als Mittel der uniformierten Sicherung stattlicher Macht geäußert. Das gilt sowohl für die dort versammelten Politiker*innen als auch für Journalist*innen und die meisten der Aktivist*innen und Führungspersonen politischer Organisationen und Netzwerke. Die Frage nach der Qualität politischer Protestaktionen blieb dabei auf der Strecke.

 

Kaum eine Stimme war hörbar, die sich mit der Art militanter Aktionen auseinandersetzte. Das Gleiche gilt für die sogenannten friedlichen Proteste, die ihre einzige Legitimation aus der Ausgrenzung zur dogmatischen Ablehnung von Gewalt zu ziehen schien. Dabei war vor allem auffällig: Fast alle Aktionen in Hamburg, die öffentlich sichtbar wurden, waren stumpf, inhaltsleere, ritualhaft und wenig von der Kreativität der Einzelnen geprägt. Stattdessen wurden sowohl Militanz als auch Gewaltfreiheit fetischisiert. Befürwortung und Ablehnung erfolgten als Bekenntnis und verdeckten, dass bei fast allen Aktionen Inhalt und Qualität mangelhaft waren. Die öffentliche Berichterstattung reduzierte sich in der Folge auf die Nachricht „friedlich“ oder „gewalttätig“. Damit haben sowohl die plakative Gewaltfreiheit wie auch die plakative Militanz die Inhalte verdeckt.

 

Statt der Fortsetzung der dogmatisch orientierten Debatte um Militanz oder Gewaltfreiheit rufen wir zu mehr Qualität auf:

  • Aktionen müssen so ausgerichtet sein, dass sie unsere Inhalte und Forderungen sichtbar machen.
  • Aktionen müssen die Unterschiedlichkeit unserer Auffassungen und Vorlieben zum Ausdruck bringen. Statt vereinheitlichender Schulungen und Aktionsstrategien gilt es, uns viele unterschiedliche Ausdrucksformen anzueignen und in die Praxis umzusetzen. Demos mit Tausende von Menschen, die sich weitgehend gleichförmig verhalten, sind immer eine Verschwendung unser Möglichkeiten – egal ob gewaltfrei oder militant. 1000 ausdrucksstarke Gruppen a 10 Leute mit eigenen Ideen sind viel mehr wert als ein geschlossener Zug von 10.000 Menschen.
  • Kriterium für die Bewertung von Aktionen muss deren emanzipatorische Qualität und Ausdrucksstärke sein. Die Ohrfeige von Beate Klarsfeld gegen Kurt-Georg Kiesinger oder der militante Kampf der Roten Zora gegen den frauenausbeutenden Adlerkonzern sind nicht das Gegenteil der Sitzplatzwahl von Rosa Parks oder der Besetzung von Genversuchsfeldern, sondern sie sind sich hinsichtlich der relevanten Qualitätsmerkmale vor allem ähnlich. Nur die Bekenntnisdebatte um Militanz und Gewaltfreiheit macht sie zu Gegenteilen.
  • Um einen Qualitätssprung sowohl bei militanten als auch bei sogenannten gewaltfreien Aktionen zu erreichen, muss die Macht derer gebrochen werden, die an bekenntnishaften, ritualisierten und dadurch leicht führbaren Protestformen Interesse haben. Dieses sind die Sicherheitsbehörden des Landes, aber auch die Vorstände, Sprecher*innen usw. der politischen Bewegungen – wie auch immer sie ihre Kreise nennen, die andere Menschen vereinnahmen, steuern, um Spenden erleichtern oder für sie sprachen wollen.

Die entscheidende Frage ist nicht: Gewalt – ja oder nein? Die entscheidende Frage ist die nach der Qualität unserer Aktionen. Die Gewaltdebatte verschleiert, dass hier ein riesiger Nachholbedarf besteht.

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Die Frage ist nicht wie der Protest stattfindet. Man kann seine Meinung extrem oder friedlich kund tun, aber wichtig ist doch dass man eine Aussage hat, diese Aussage sollte im Mittelpunkt stehen - nicht die Gewalt - es geht doch schließlich darum seine Ansichten zu vertreten. Gewalt ohne Aussage ist zielos.

Soweit ja richtig, ich glaube bloß dass die Einordnung des Riots als "militante Aktion(en)" falsch ist. Ein Riot ist eben genau das: keine Aktion, ungeplant und ziellos. Es ging hier doch hauptsächlich um die Befreiung von den Bullen (die seit Monaten als Aggressor auftreten) und die Aneignung von Eigentum, also konkrete Umverteilung. D.h. dass das ganze nicht in die Kategorien passt die ihr hier aufmacht sondern eben eine Aktion der Beteiligten für sich selbst war. So ungefähr denke ich sieht die Lage halt aus wenn sich die sogenannten "Abgehängten" nicht mehr alles gefallen lassen. Das ist keine linke Aktion der es um Außenwirkung und Agitprop geht.

"warum wir keine forderungen stellen"-text von crimethinc mal lesen ...

Schön, dass es auch noch einen Theoriezirkel gibt, auf den mensch sich bei der Denkfaulheit und bei der Durchführung niveauloser Aktionen stützen kann. Wie wäre es mit dem alten Klassiker: Es gibt nichts Richtiges im Falschen - und daraus ableiten, dass es dann auch egal ist, ob bzw. was wir machen. Ich finde eher, dass politische Aktion ein direkter Eingriff in die Herrschaftsverhältnisse sein sollte und wir deshalb sowohl einer guten Herrschaftsanalyse bedürfen als auch einer Widerstandskultur, die nicht als Begleitfolklore des Unabwendbaren daherkommt. Genau das aber sind sowohl die meisten Riots als auch die albernen, karnevalesken Umzüge der "Friedlichen" gewesen. Von GlobalCitizen ganz zu schweigen, dass war ja eher der Protest gegen den Protest.

Zur G e w a l t f r a g e

von Clara Zetkin

Gegen den Pazifismus (Auszug)

“Der Pazifismus ist seinem Wesen nach bürgerliche Sozialreform, ist eine spezifische Form der bürgerlichen Sozialreform und ebenso ohnmächtig wie diese, die Widersprüche, Gegensätze und Übel des Kapitalismus zu überwinden.“

“Um sich von der Ausbeutung und Unterdrückung zu befreien, muss die Arbeiterklasse der Bourgeoisie nicht bloß die Produktionsmittel des Lebens entreißen, sondern auch die Produktionsmittel des Todes. Gewalt lässt sich nicht wegdisputieren und nicht wegbeten. Gewalt kann nur durch Gewalt gebrochen werden. Das sprechen wir Kommunisten offen aus, nicht weil wir ‘Anbeter der Gewalt’ sind, wie sanfte bürgerliche und sozialdemokratische pazifistische Gemüter uns beschuldigen. Nein, wir beten die Gewalt nicht an, jedoch wir rechnen mit ihr, weil wir mit ihr rechnen müssen. Sie ist da und spielt ihre geschichtliche Rolle, ob wir wollen oder nicht.

Es fragt sich nur, ob wir sie widerstandslos erdulden oder ob wir sie kämpfend überwinden wollen.“

Quelle: Clara Zetkin, Gegen den Pazifismus. Aus der
“Kommunistischen Fraueninternationale“ 1922, S. 13/14.

  • Aktionen müssen so ausgerichtet sein, dass sie unsere Inhalte und Forderungen sichtbar machen.

Sollte man schon als absolutes Minimum etablieren, falls das noch nicht so ist...

  • Aktionen müssen die Unterschiedlichkeit unserer Auffassungen und Vorlieben zum Ausdruck bringen. Statt vereinheitlichender Schulungen und Aktionsstrategien gilt es, uns viele unterschiedliche Ausdrucksformen anzueignen und in die Praxis umzusetzen. Demos mit Tausende von Menschen, die sich weitgehend gleichförmig verhalten, sind immer eine Verschwendung unser Möglichkeiten – egal ob gewaltfrei oder militant. 1000 ausdrucksstarke Gruppen a 10 Leute mit eigenen Ideen sind viel mehr wert als ein geschlossener Zug von 10.000 Menschen.

Stell ich mir ziemlich schwierig zu koordinieren vor.

Außerdem sind ein paar Kernthemen mit einheitlichen Positionen einfacher vermittelbar, als dutzende sich widersprechende Anliegen und Meinungen.

Guck dir die Mahnwachen für den Frieden a.k.a. Wahnmachen an, das war total Plemplem, wer da alles sein Dünnes unter die Leute bringen durfte.

https://www.youtube.com/watch?v=6VKLXuDSZUA

Kann natürlich auch sein, dass du auf kognitive Dissonanz und Fragmentierung stehst.

  • Um einen Qualitätssprung sowohl bei militanten als auch bei sogenannten gewaltfreien Aktionen zu erreichen, muss die Macht derer gebrochen werden, die an bekenntnishaften, ritualisierten und dadurch leicht führbaren Protestformen Interesse haben. Dieses sind die Sicherheitsbehörden des Landes, aber auch die Vorstände, Sprecher*innen usw. der politischen Bewegungen – wie auch immer sie ihre Kreise nennen, die andere Menschen vereinnahmen, steuern, um Spenden erleichtern oder für sie sprachen wollen.

Sorry, aber ohne Organisation gibt es auch keine Koordination. Dann wird dich dein Gegner einfach nur an die Wand klatschen.

Denn der ist organisiert und koordiniert.

Das ist dann zwar auch ein Qualitätssprung, aber eben ein fataler.

https://www.youtube.com/watch?v=yRO0XcevFOs