[B] Viel (heißer) Wind um Nichts? - Prozess am Amtsgericht

Furzkissen

Viel (heißer) Wind um Nichts? - Pressemitteilung zum kommenden Prozess wegen Beleidigung im Berliner Nordkiez... aufgrund von Flatulenzen // Berlin, 30. Mai 2017

Am 23 Juni verspricht eine Verhandlung vor dem Amtsgericht Tiergarten (Berlin) die Auswüchse polizeilicher Willkür, die die Anwohner*innen und Besucher*innen des im vergangen Jahr zum Gefahrengebiet ausgerufenen Nordkiezes in Berlin-Friedrichshain zu erleiden hatten, auf geradezu komödienhafte Weise zur Schau zu stellen.

 

Die polizei-rechtliche Einrichtung des Gefahrengebietes stellte eine Machtdemonstration des Staates gegenüber der im Viertel etablierten links-alternativen Szene dar, die nicht zuletzt im Kontext des Wahlkampfes des damaligen Berliner Innensenators Henkels stand. Der Senator inszenierte sich dabei als Hardliner bei der Durchsetzung der Rechtsstaatlichkeit gegenüber den Autonomen und seinem Intim-Feind dem Hausprojekt in der Rigaer94. Diese Inszenierung verkam letztendlich auch in den Augen der gut-bürgerlichen Öffentlichkeit zur Posse, da Senator und Polizei bei der zeitweiligen Räumung von Räumlichkeiten des Erdgeschosses der Rigaer fernab des eigenen rechtlichen Rahmens handelten. Für das Viertel blieb das Gefahrengebiet eine Episode des ständigen Belagerungszustand durch die Polizei, der alltäglichen verdachtsunabhängigen Kontrollen und einer überhaupt unerträglichen Einschränkung des Lebens im Kiez. Nicht vergessen sind dabei auch die Gewalt und Repression gegen diejenigen, die sich gegen das Vorgehen der Polizei wehrten.


Der nun zur Verhandlung anstehende Fall geht bei alledem schon ins Absurde, zeigt damit aber nur die selbstgefällige Willkür der Staatsmacht: An einem Abend Ende Februar 2016 wurde eine Personen-Gruppe durch ein massives Polizeiaufgebot in der Rigaerstraße angehalten und ohne erkennbaren Grund kontrolliert. Das beinahe eine ¾ Stunde in klirrender Kälte andauernde und zudem durch ständige Videoaufnahmen begleitete Prozedere, beinhaltete die Feststellung der Personalien, umfangreiche Taschenkontrollen und eine konstant begleitende verbale Schikane. Eine unangenehme und äußerst stressige Situation, wie sie viele andere auch erlebt haben.

Der angebliche Strafbestand ist dabei von kurioserer Natur: Einer Person der Gruppe wird vorgeworfen durch Flatulenzen eine Polizistin beleidigt und somit in ihrer Ehre verletzt zu haben. Der sich als Gruppenleiter zu erkennen gegebene Beamte will wahrgenommen haben, wie die Person zwei mal in der Nähe der Geschädigten gefurzt haben soll. Sichtlich erzürnt drohte er dem Delinquenten mit einer Anzeige wegen Beleidigung und, als dies mehr Unverständnis oder auch Amüsement hervorrief, damit zu direkter körperlicher Gewalt überzugehen. Wie das einen weiteren Darmwind verhindern könne, bleibt der Phantasie der Berliner Polizei überlassen. Sein Kollege verdeutlichte zudem die soziale Schwere des Vergehens in Anwesenheit mehrerer Frauen zu furzen. Eine Frage des „männlichen Anstands“ gegenüber dem „zarten Geschlecht“ also.

Nach zirka einem Jahr erhielt der Beschuldigte einen Strafbefehl über satte 900€, für jemanden mit geringfügigem Lebensunterhalt ein erheblicher Betrag. Im Zweifel daran dass die Berliner Staatsanwaltschaft und Richter*in tatsächlich die Muße besäßen sich mit derlei Dingen zu beschäftigen wurde Widerspruch eingelegt, wobei u.a. auf Folgendes hingewiesen wurde: Der Strafbefehl sei auch unter dem Gesichtspunkt der Fürsorgepflicht gegenüber den Polizeibeamt*innen, sowie unter dem Gesichtspunkt der Wahrung der Seriosität der Gerichtsverhandlung zurück zu nehmen. Eine Befragung der Polizeibeamt*innen in der Hauptverhandlung wird dazu führen, dass diese Gefahr laufen sich und die Gerichtsverhandlung der Lächerlichkeit preiszugeben.


Die Schwere der Tat macht es jedoch offenbar notwendig, die Angelegenheit vor Gericht zu klären. Anhand stichhaltiger Beweisführung soll nun nachgewiesen werden, dass es sich beim eher flüchtigen corpus delicti um einen intentionalen Akt und nicht etwa höchstens einen natürlich-körperlichen Vorgang handelte. Die Berliner Polizei, Staatsanwaltschaft und die verantwortliche Richterin unterstellen dem Beschuldigten also dass er auf Knopfdruck furzen könnte.


Zweifelsohne erscheint es banal mit was sich die Staatsapparate hier beschäftigen, tatsächlich dürfte es ihnen dabei jedoch grundsätzlicher um den Mangel an Respekt gegenüber staatlicher Autorität gehen, welche es selbstredend in jedem Fall rigoros zu bestrafen gilt. In diesem Sinne besteht ein Zusammenhang zwischen der Polizei, die einen linken Kiez über Monate besetzt hält und dabei alle, die ihn betreten, drangsaliert; den juristischen Organen, die scheinbar jeden Furz der Polizei mitmachen und im unerschütterlichen Glauben an jedwede Anschuldigung der Beamt*innen einschneidende Repressalien aussprechen; sowie einer Politik die es noch für notwendig hält spezifische Strafmaßnahmen zu erhöhen um die bedrohte Polizei vor Übergriffen oder schmählicher Missachtung zu schützen.

Keinen Cent an den Staat, für Flatulenzen!

Kommt am 23. Juni 2017 um 10:30 Uhr zum Amtsgericht Tiergarten in den Raum 370 (Turmstraße 91 in Berlin) zum Prozess und unterstützt den Beschuldigten. Zeigt euch solidarisch und seid kreativ. Zeigen wir dem Gericht wie lustig wir so etwas wirklich finden!

Hinweis: Einlasskontrollen bei Gericht sind nicht unwahrscheinlich.

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Hinweis: Einlasskontrollen bei Gericht sind nicht unwahrscheinlich.

Nicht nur nicht unwahrscheinlich, sondern finden ganz sicher statt. Ein normaler Vorgang am amtsgericht Tiergarten. Viel Glück und Spaß beim Prozess.