Rund 20 Personen sind am heutigen Montag einem Aufruf zur Kundgebung vor dem Amtsgericht Tiergarten gefolgt. Anlass ist die fortwährende Kriminalisierung und molekulargenetische Erfassung von Antifaschisten aus Berlin. In einem Verfahren wegen des Vorwurfs einer gemeinschaftlichen Körperverletzung zum Nachteil eines Neonazis umgehen das Berliner LKA und die zuständige Staatsanwaltschaft jeden Ansatz von Verhältnismäßigkeit. Beamte des Berliner Staatsschutzes durchsuchten Ende Februar mindestens zwei Wohnungen in Kreuzberg und Berlin-Mitte. Zusätzlich versuchten sie zwei Beschlüsse zur DNA-Entnahme zu vollstrecken. In einem Fall kam bei der Durchsuchung auch ein SEK zum Einsatz.
Trotz dieses Aufwandes haben die Behörden auch nach eineinhalb Jahre andauernden Ermittlungen keinerlei Beweise gegen die Beschuldigten zur Hand. Aus einer internen Ermittlungsnotiz der Staatsanwaltschaft geht hervor, dass sie sich mindestens darüber bewusst sind, dass auch ein zuletzt angeordneter DNA-Abgleich nicht dazu geeignet ist, die Frage der Täterschaft zu klären. Trotzdem bestehen die Behörden weiterhin auf diesen erheblichen Grundrechtseingriff und weigern sich seit mehr als zwei Monaten fortlaufend, entlastenden Ermittlungsansätzen nachzugehen. Hinweise auf ein Alibi werden nicht überprüft.
Auf den Tag genau vor zehn Wochen sollte ein Beschuldigter seine DNA abgeben, obwohl er für die Tatzeit ein Alibi hat. Seitdem droht die zwangsweise Vollstreckung. Entgegen jedem Prinzip der Verhältnismäßigkeit versuchen die Ermittlungsbehörden vollendete Tatsachen zu schaffen. Denn die Chancen sich rückwirkend gegen eine DNA-Entnahme zu wehren, stehen schlecht: Selbst wenn sich Verdachtsmomente als haltlos erweisen, ein Alibi wasserdicht ist und das Verfahren später eingestellt wird, verbleiben bereits entnommene DNA-Proben bei einer Verfahrenseinstellung in den polizeilichen Datenbanken. Damit handelt es sich um einen gezielten Versuch, Aktivisten der sozialen Bewegungen durch die Erfassung ihrer DNA nachhaltig einzuschüchtern.
Etwa zwanzig Personen haben sich am heutigen Tage zur Kundgebung eingefunden. Gut eine dreiviertel Stunde lang wurde gegenüber dem Amstsgericht mit zwei Transparenten, Flugblättern und Redebeiträgen auf das Verfahren aufmerksam gemacht. Neben Passant*innen zeigten sich auch mehrere Pressevertreter*innen an den Hintergründen des Verfahrens interessiert. Die Polizei war widerum mit drei Mannschaftswagen und mehreren Staatsschützern in zivil vor Ort. Gemessen am Anlass und der Uhrzeit unter der Woche, betrachten wir die Kundgebung als Erfolg. Nicht zuletzt wurde damit auch ein kritisches Presseecho hervorgerufen (1, 2).
Hintergründe:
13.4.2017: DNA – Worthless or Almighty? – Zur Kritik am „genetischen Fingerabdruck“
Anlässlich eines aktuellen Falles zweier DNA-Entnahmen gegen Antifaschisten aus Berlin, möchten wir uns in dem folgenden Beitrag näher mit den gesellschaftspolitischen und kriminalistischen Hintergründen, den Dunkelfeldern der Debatte und dem repressiven Potential dieser vergleichsweise noch recht jungen Ermittlungsmethode auseinandersetzen. Immerhin machen unterschiedlichste Behörden mittlerweile schon reichlich davon Gebrauch, und die kritische Debatte hierüber führt abseits traditioneller Antirepressions- und Bürgerrechtsstrukturen noch immer ein Schattendasein.
27.3.2017: DNA um jeden Preis – Ermittlungsbehörden verschleppen Alibi
Einen Monat nach den Durchsuchungen bei Berliner Antifaschist_innen ist die zuständige Staatsanwaltschaft noch immer keinen entlastenden Spuren nachgegangen. Statt das Alibi eines Beschuldigten zu überprüfen, hält sie daran fest, weitere Zwangsmaßnahmen zu initiieren. Um sich vor weiteren Übergriffen zu schützen, musste sich der Betroffene dem behördlichen Zugriff zwischenzeitlich bis auf Weiteres entziehen. Vier Wochen nach dem Bekanntwerden der Ermittlungen, geben wir nun einen aktuellen Überblick zum Stand des Verfahrens.
15.3.2017: DNA-Entnahme verweigert - Interview mit einem Beschuldigten
Am Morgen des 28. Februar drangen Beamte des Berliner Staatsschutzes in mindestens zwei Wohnungen in Mitte und Kreuzberg ein. Neben Durchsuchungsbeschlüssen wurde auch eine DNA-Entnahme umgehend vollstreckt, eine weitere scheiterte daran, dass der Beschuldigte zum Zeitpunkt der Durchsuchung nicht zu Hause war. Den Betroffenen der polizeilichen Maßnahmen wird vorgeworfen im Dezember 2015 in Berlin-Kreuzberg in eine Auseinandersetzung mit einem Neonazi verwickelt gewesen zu sein. Wir haben mit einem der Beschuldigten im jüngsten Verfahren gesprochen. Er schildert seinen Umgang mit den bisherigen Ermittlungen und legt dar, weshalb er den Aufforderungen zur DNA-Entnahme bis auf Weiteres nicht nachkommen wird.
28.2.2017: Nach Auseinandersetzung mit Neonazi - Hausdurchsuchungen in Berlin
Heute morgen drangen Beamte des Berliner Staatsschutzes in mindestens
zwei Wohnungen in Kreuzberg und Mitte ein. Im Raum steht der Vorwurf der
gemeinschaftlichen gefährlichen Körperverletzung zum Nachteil des
Neonazis Peter Brammann. Brammann, Sänger der Neonaziband Deutsch, Stolz, Treue
(D.S.T.), soll laut Durchsuchungsbeschluss im Dezember 2015 in der
Köpenicker Straße »mittels eines gefüllten Strumpfes (…) diverse
Prellungen« erlitten haben.
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Verwendungszweck: whentheykick
Kontakt:
PGP-Key (Print: ED3A 68CD 91FD A379 3E64 A2DA 8CBB 03D2 457F 6C5E)
Presse: Neues Deutschland
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1051894.verdaechtigt-trotz-alibi.html
Presse: die taz
https://www.taz.de/Archiv-Suche/!5408136&s=DNA&SuchRahmen=Print/
Zum Glück eine antifaschistische Landesregierung?
Es regt mich immer wieder wahnsinnig auf, mit welcher Penetranz an den politischen Gegebenheiten vorbei geschrieben und geredet wird.
Niemand hinterfragt die Haltung dieser ach so fortschrittlichen und antifaschistischen Landesregierung (aber auch ähnliche Konstrukte in anderen Bundesländern) in Fällen von Verfolgung von Antifaschisten.
Solche Elemente können ihr pseudolinkes BlaBla oftmals unkritisiert verbreiten, bis hinein in Veranstaltungen und Foren mit linksradikalem Anspruch.
Selbst, wenn man mal voraussetzt, dass die zarten Gemüter der Pseudolinken ein ernstes Problem damit haben, wenn ein Faschist zur Rechenschaft gezogen wird, das könnte man ja noch ein Stück weit verstehen. Aber nicht einzugreifen, wenn ihre Büttel in zumindest vollkommen überzogener Weise, vielleicht aber sogar nach ihrem eigenen Recht illegitim gegen einen Antifaschisten Vorgehen, sagt doch einiges über diese Bande aus.
So weit so klar, das ist für einen kritischen Betrachter weder neu noch erstaunlich. Dass aber Linke und Antifaschisten solche Verhaltensweisen nicht anprangern und genau in diesem Zusammenhang massiv in die Öffentlichkeit tragen, ist schon ein trauriger Umstand.
Bei der nächsten antifaschistischen Demo dann wieder mit solchen Kroppzeug Arm in Arm gegen Nazis demonstrieren wollen und sich wundern, dass solch eine Szene von der Bevölkerung allein gelassen wird.
Vielleicht doch mal ein paar unangenehme Fragen an Mitglieder von Staatslinken Organisationen stellen, wenn sie sich mal wieder als grosse Antifaschisten gerieren.
Und natürlich gibt es da auch ehrliche Antifaschisten, keine Frage, aber deren Ehrlichkeit wird sich eben auch daran erweisen, wie sie mit dem scheinbar schizophrenen Verhalten nicht weniger ihrer (angeblichen) Mitstreiter umgehen.
Etwas random...
Dass mit einer Regierung oder legalistischenParteien kein konsequenter Antifaschismus zu machen ist, ist wohl wahr. Die Kritik daran wäre aber besser dort aufgehoben, wo man sich über R2G und deren Anhang tatsächlich noch Illusionen macht. Von der (manchmal zu unkritischen) Bündnispolitik einiger auf alle zu schließen trifft auch nicht den Kern. Deine Kommentare klingen jedenfalls so, als würdest du den Vorwurf ausgrechnet denen machen, die sich hier konkret gegen Repression einsetzen und dabei gar nicht erst den Eindruck erwecken (wollen), als hätte man von einer vermeintlich linken Regierug etwas anderes zu erwarten. Vielleicht ist das auch so ein Generationdending, dass man sich den Hinweis "ausgrechnet unter R2G!" schenkt, schließlich hatten wir in Berlin von 2002-2011 schon eine Rot-Rote Koalition und was unter dieser Regierung an Repression gelaufen ist, geht auf keine Kuhhaut.