[OF] Neue Rechte in „Linken Läden“ - Das Multiversum und die Gruppe Contre-Critique in Offenbach

Im Herbst letzten Jahres fand im Café KoZ, das sich selbst als emanzipatorischer Raum darstellt, eine offen rassistische Veranstaltungsreihe der Gruppe Thunder in Paradise statt, von der sich bis jetzt weder der ASTA noch das Café KoZ-Kollektiv distanziert hat [1]. Da alle dazu vorhanden Artikel nach dem Beginn der Veranstaltungsreihe veröffentlicht wurden, war es zu spät, um sie bereits im Vorfeld zu stoppen. Aus diesem Grund veröffentlichen wir nun diesen Artikel, um auf eine ähnlich geartete Veranstaltungsreihe hinzuweisen und die Möglichkeit einer rechtzeitigen Intervention seitens progressiver Kräfte zu geben. Diesmal soll sich das ganze aber nicht in Frankfurt abspielen, sondern in Offenbach im selbstorganisierten Zentrum Multiversum. Das Multiversum wird von vielen Menschen besucht die sich selbst als links bezeichnen und gibt auch selbst auf seiner Webseite an, ein Ort zu sein an dem sich mit emanzipatorischer [2] Politik auseinandergesetzt werden soll. OrganisatorIn ist hier wiederum der Offenbacher Ableger von Thunder in Paradise – die angeblich ideologiekritische Gruppe Contre-Critique. [3]

 

Jene Gruppe bewirbt nun auf Facebook eine Veranstaltungsreihe mit dem Titel: „Islamismus und Alltag Über die Attraktivität des Islams in Zeiten des permanenten Ausnahmezustands “. Die Titel der insgesamt drei Veranstaltungen, die allesamt im März stattfinden sollen, zeigen klar auf in welch absurde Richtung es Mittwochs um 19 Uhr gehen soll. So lässt der Titel „'Islamische Wirtschaft – eine Männerwirtschaft?' und Frauenrechte im Islam am Beispiel Iran“ [4] die Frage offen was eine „Islamische Wirtschaft“ sein soll. Vermutlich soll mit der Veranstaltung nicht das im Islam vorhandene Zinsverbot oder die Zakat-Abgabe als Besonderheit hervorgehoben werden, denn das wäre ein materialistisches Anliegen, mit dem diese vorgeblichen Ideologiekritiker, die eigentlich eher Ideologieproduzenten sind, nun wirklich nichts gemein haben. Da der direkte Zusammenhang mit der Gender-Frage hergestellt wird, dient der Vortrag ähnlich der Thunder in Paradise-Veranstaltung ,,Sex und Terror. Zur Kritik des islamischen Phallozentrismus‘‘ [5] eher dem Anliegen, Gesellschaften mit muslimisch-kultureller Prägung als rückständig und barbarisch zu brandmarken. Dabei wird die tatsächlich vorhandene Unterdrückung von Frauen, Homosexuellen und Trans-Menschen instrumentalisiert, um genau diese Unterdrückung, die im Westen strukturell eben genauso stattfindet [6], aber hinter der Ideologie von Menschenrechten verborgen ist, unsichtbar zu machen.


Die zweite Veranstaltung mit dem Titel „Wiederkehr des Nationalsozialismus? Zur kritischen Theorie des Islamismus“ hofiert alle (rechten) Bürgerlichen und Bellizisten, die mit der Begleitmusik der neuen deutschen Staatsräson a la Joschka Fischer [7] mit der Begründung der Menschenrechte und der deutschen historischen Verantwortung, Auschwitz für Kriegspolitik und ein neues Großdeutschland instrumentalisieren. Auch hier ganz Ideologieproduzenten interessiert es die Kriegshetzer von Contre-Critique sicherlich nicht, dass der deutsche Faschismus eben in dieser Form nur in Deutschland entstehen konnte, da er, wie u.a. zahlreiche namhafte Faschismusforscher und Soziologen [8] aufgezeigt haben, auf einer bestimmten kulturellen, historischen und ökonomischen Gesellschaftsform und auf bestimmte europäische Kontinuitäten aufgebaut hat. Der Islamismus dahingegen ist eine reaktionäre Spielart der antikolonialen Bewegungen des 20. Jhts. und konnte und kann, eben weil er ein Produkt der nicht-industrialisierten kolonialen und nicht (!) der hoch-industrialisierten kolonisierenden Welt ist, gar nicht zu einem solch quantitativ wie qualitativ brutalen Gemetzel mit Millionenopfern, wie es der II.Weltkrieg oder gar die organisierte industrielle Vernichtung von Menschen, wie es der Holocaust war, fähig sein. Ihm fehlen die Ressourcen (an Waffen), die Organisation (die Infrastruktur/Logistik) und die Technik (Industrie). Er muss schon aufgrund dessen, der ganz anderen Historie, der andere kulturellen Kontinuitäten und ökonomischen Strukturen einen ganz anderen materiellen Charakter annehmen. Allein die Frage eines direkten Vergleichs ist falsch.

 

„Warum wir über den Islam nicht reden können“ liest sich schließlich als letzter Veranstaltungstitel in Anbetracht des derzeitigen gesellschaftlichen Diskurses, der von den Herrschenden, wie organisierten rechtsradikalen Kräften und relevanten Teilen der Presse gefahren wird, wie blanker Hohn. Weiter im Ankündigungstext der Veranstaltungsreihe: „Darum bekommt man alles mögliche über ihn (den Islam – Anm. d. Verf.) zu hören, nur keine Kritik.“ Offensichtlich leben die OrganisatorInnen vollkommen hinterm Mond - wir nehmen uns heraus, das nicht weiter kommentieren zu müssen. Damit nicht genug, ist der Ankündigungstext zur Veranstaltungsreihe gespickt mit bürgerlicher Extremismustheorie. So erdreisten sich die VerfasserInnen zu behaupten, dass die Unterscheidung zwischen links und rechts doch eher eine zufällige Einordnung basiere, da diese ja auf den gleichen Mechanismen beruhen würden: „Stets wird Respekt vor der eigenen oder fremden Kultur eingefordert, um den Respektverweigerer als Nazi oder Gutmensch ausfindig zu machen. Darin sind sich AfD und Linke einig. Worauf die Wahl letztendlich fällt, ist dann nur noch eine Frage des Standes.“ [9] Am Ende ihres Textes „Einleitende Bruchstücke“ [10], das so etwas in der Art eines Selbstverständnis der Gruppe Contre-Critique darstellen könnte, heißt es: „Diese wenig bescheidene Aufgabe begleitet diese Gruppe in ihrer Konsequenten Gegnerschaft zu den Feinden einer freien Gesellschaft, ob in Gestalt von islamischer, linker, oder rechter Gegenaufklärung.“ Besser hätte das der Verfassungsschutz auch nicht auf den Punkt bringen können.

 

Es geht also gar nicht um die Formulierung einer Kritik, die revolutionäre Praxis wird, sondern um die Denunzierung von AktivistInnen, die sich in einer revolutionären Tradition verorten. Entsprechend erfolgt die Feindbestimmung: „Wo die falsche Kritik am Gegebenen der Normalfall ist, darf radikale Kritik nicht den ersten Schritt machen, sondern muss vor allererst Kritik an den Kritikern üben, um ihre Möglichkeit zu erhalten.“ Gegen wen geht es also primär? Gegen die Linke! Was ist daran radikal? Höchstens die Worthülsen der kritischen Kritiker. Wenn sie dann noch ebenda davon schreiben, dass „Wohlstand und Autonomie“ nicht als bloße liberale Lügen verworfen und diese doch „im Namen der befreiten Gesellschaft“ eingefordert werden sollten, stellen sie ganz klar, dass es um die Verteidigung des Kapitalismus und dessen Barbarei und nicht um dessen revolutionäre Überwindung geht. Denn im Kapitalismus ist die Ideologie von Wohlstand und Autonomie eben immer nur der Wohlstand von wenigen bei der Armut der Vielen und die Autonomie ein Privileg der Minorität gegenüber einer geschundenen Majorität im Weltmaßstab.

 

Eine solch reaktionäre Vortragsreihe hat in einem Laden der sich selbst als emanzipatorisch bezeichnet und in dem Linke mit eben diesem Verständnis ein und ausgehen nichts verloren. Wir fordern deswegen die linken/progressiven Menschen im Multiversum-Plenum dazu auf, diese Veranstaltungsreihe zu stoppen und den eigenen Ansprüchen gerecht zu werden.

 

- Kommandoaktion gegen AfD-Uboote [Sektion Offenbach]


 

Anmerkungen:

[1] http://lowerclassmag.com/2016/12/wenn-ehemalige-linke-neue-rechte-werden/

[2] http://multiversum.blogsport.de/multiversum/

[3] facebook.com/contrecritiqueOf/

[4] facebook.com/events/263620107376904/

[5] facebook.com/events/191454034616343/

[6] Ein anschauliches Beispiel sind die Zahlen von vergewaltigten Frauen in Deutschland. So der Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe exemplarisch an: 16 % der in Deutschland lebenden Frauen wurden seit ihrem 16 Lebensjahr Opfer sexueller Gewalt, d.h. jede 7. Frau. Die Dunkelziffer ist hoch: 47% der Frauen zeigen Vergewaltigungen nie an. Allein 8000 Vergewaltigungen wurden zwischen 2001 und 2008 jährlich angezeigt, was lediglich 5% der tatsächlich stattfindenden Vergewaltigungen beträgt.

[7] Fischer legitimierte mit Auschwitz den ersten deutschen Militäreinsatz im Ausland nach der Wiedervereinigung mit der Bombadierung Jugoslawiens: ,,Auschwitz ist unvergleichbar. Aber ich stehe auf zwei Grundsätzen, nie wieder Krieg, nie wieder Auschwitz, nie wieder Völkermord, nie wieder Faschismus. Beides gehört bei mir zusammen (…) Ich halte um jetzigen Zeitpunkt eine einseitige Einstellung - unbefristet - der Bombenangriffe für das grundfalsche Signal. Milosevic würde dadurch gestärkt und nicht geschwächt. Ich werde das nicht umsetzen, wenn Ihr das beschließt, damit das klar ist. ... ‘‘

[8] Beispielhaft in Kühnl, Reinhard (1975): ,,Der deutsche Faschismus in Quellen und Dokumenten‘‘ oder Adorno, T.W. (1973): ,,Studien zum autoritären Charakter‘‘

[9] facebook.com/contrecritiqueOf/posts/384392988582639

[10] facebook.com/notes/contre-critique-ideologiekritische-gruppe/einleitende-bruchst%C3%BCcke/272500829771856

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Dabei wird die tatsächlich vorhandene Unterdrückung von Frauen, Homosexuellen und Trans-Menschen instrumentalisiert, um genau diese Unterdrückung, die im Westen strukturell eben genauso stattfindet [6], aber hinter der Ideologie von Menschenrechten verborgen ist, unsichtbar zu machen.

Diese Unterdrückung findet im Westen auch statt, aber nicht "genauso" und auch nicht "strukturell genauso". Warum zur Hölle betrachtet ihr Menschenrechte als eine Ideologie. Und inwiefern soll diese Unterdrückung dahinter "verborgen" sein?

Ab dem Begriff "Bellizisten" konnte man den Text nun wirklich nicht mehr ernstnehmen.

Ja wir haben verstanden ihr hated Antideutsche und setzt euch pseudomäßig mit ihren Themen auseinander um möglichst zu beweisen das sie rechte sind.

Get over it.

habt ihr mal die referentinnen und referenten gegoogled bevor ihr dieses pamphlet verfasst habt?

Man muss kein Freund der Antideutschen sein um diese Gleichsetzung mit AfD und ähnlichen zum Kotzen zu finden. Bei der Islam-Liebhaberei, die in der Linken sonst so üblich ist wird mir auch manchmal schwindelig. Trotzdem setzte ich entsprechende Gruppen nicht mit Islamisten gleich.

" Offensichtlich leben die OrganisatorInnen vollkommen hinterm Mond - wir nehmen uns heraus, das nicht weiter kommentieren zu müssen."

Doch. Genau das müßt ihr. Denn Kritik am Islam gibt es eben tatsächlich wenig. Was es gibt ist auf der einen Seite Rassismus und auf der anderen Seite die totale Verweigerungshaltung sich überhaupt kritisch zu betätigen.

"Vermutlich soll mit der Veranstaltung nicht das im Islam vorhandene Zinsverbot oder die Zakat-Abgabe als Besonderheit hervorgehoben werden, denn das wäre ein materialistisches Anliegen" - Weshalb sollten Zinsverbote ein materialistisches Anliegen sein? Kapitalismus abschaffen heißt mehr als Zinsen kritisieren! Letzteres ist tatsächlich eher Ausdruck zu kurz geratener Kapitalismuskritik alla AFD und Schlimmeren.

Arbeit ist und bleibt Scheiße und das materialistische Problem der Welt Nummer 1!

Mit diesem Artikel habt ihr mir viel Hoffnung wieder gegeben, es gibt also doch noch unterstützenswerte linke Gruppen die sich noch zu denken trauen: Thunder in Paradise.

wo wird denn da gedacht? da ist doch kein neuer gedanke bei. das ist ein trauriges szeneritual, dass mensch in ffm die letzten 15 jahre immer wieder beobachten konnte. ganz ganz radikale, junge studenten auf identitätstrip, die sich mordsmäßig was auf die fahne schreiben, gruppen gründen und sich an "den linken" abarbeiten um dann 3-4 jahre später sang und klanglos zu verschwinden weil sie keine politische praxis entwickeln können. oder da landen wo sie eh hingehören - in der bürgerlichen mitte. und andere müssen dann wieder die scherben aufkehren die sie hinterlassen haben. thunder in paradise ... der gruppenname sagt doch schon alles...

Wenn die Verfasser dieses Textes jegliche Kritik an linken Bewegungen als "Extremismustheorie" abblocken, so also das reflektions- und emanzipationsvermögen linker Kritik gegen 0 laufen lassen, bin ich wirklich froh, dass es Gruppen gibt, die sich nicht in der "revolutionären Tradition", von der in dem Text die Rede ist, sehen. Man kann die Sturrköpfigkeit, mit der die Verfasser auf der Unantastbarkeit linker Politik und linken Meinungen beharren, kaum ernst nehmen. Wollt ihr die Linke nicht reflektieren und kritisieren, passt ihr bestens in das Bild des "unverbesserlichen, rückwärtsgewandten Kommunisten", das die bürgerliche Mitte der ganzen Linken überstülpen will. Man kann davon ausgehen, dass, wenn die Rede von einer "Zufälligkeit" der Einordnung in Rechts und Links ist, die "Kommandoaktion" ganz großes Glück hat, sich bei ihrem Maße an Selbstkritik und Selbstreflektion links nennen zu dürfen und nicht schon längst den einfacheren Weg des "Lügenpresse"-brüllens gewählt haben.