Fürs kollektive Zentrum ist am 7.10.16 vom Verwaltungsgericht in St. Georg ein Räumungsurteil ergangen. Dieser Räumungstitel ist nach Zustellung des schriftlichen Urteils jederzeit vollstreckbar, was heißt, dass direkt ein_e Gerichtsvollzieher_in beauftragt werden kann. Diese_r gibt dann einen Termin zur Vollstreckung der Zwangsräumung bekannt. Ein Sprecher der Finanzbehörde kündigte an, dass die Stadt die Räumung vorbereite: „Wir haben jetzt Rechtssicherheit, auch wenn der Verein in Berufung gehen sollte, und wir werden unser Recht auch durchsetzen.“
Es folgt ein Einblick in folgende Themen:
1.
Wie das kollektive Zentrum entstand
2.
Bericht über das Gerichtsverfahren zum Räumungstitel
3.
Wie war das letzte Jahr und wie sieht's gerade im Haus aus?
4. Was
erwartet uns als Nutzer_innen?
5. Was ihr tun könnt, worüber wir uns
freuen.
6. Wie es so oder so weiter geht.
1. Wie das kollektive Zentrum entstand
Das kollektive Zentrum im Hamburger Münzviertel entstand aus langjähriger Arbeit nachbarschaftlicher Viertel-Initiativen, dem Bemühen um eine legale Zwischennutzung durch Anmietung lange leerstehender Schulgebäude, der Ignoranz von Behörden gegenüber Viertelbewohner_innen und Quartiersbeirat und aus einem großen Besetzungs-Festi der anliegenden Schule am 12. Juli 2014. Ab September 2014 gab es einen monatlich kündbaren 70m²-für-70€-Nebenkosten-Vertrag zwischen Stadtteilverein (Kunst Naher Gegenden, KuNaGe e.V.) und LIG (untersteht der Finanzbehörde) fürs Erdgeschoss. Der Rest (andere Räume wie Küche sowie erster und zweiter Stock und Keller) wurden nach schriftlicher Ankündigung an den LIG, dass man dies jetzt Mitnutzen würde auch genutzt, ebenso der gesamte Schulhof. Diese Besetzung wurde stillschweigend geduldet. So entstand eine ¼-legal-gemietet-und-¾-besetzt-Situation.
Der Hof wurde in einer Repressions- und Kriminalisierungswelleii im Sommer 2015 geklaut, der Erdgeschoss-Mietvertrag wurde zum 31.März 2016 gekündigt. Wir blieben drin.
Das gesamte städtische Schulgelände wird von der Stadt Hamburg an die Privatwirtschaft verkauft, also privatisiert, um Geld in die Hamburg-Kasse zu kriegen und gleichzeitig beim Wohnungsbauprogramm zu punkten . Aufgrund eines „Rahmenprogramms Integrierte Stadtteilentwicklung“ (RISE) hätte das Quartier Münzviertel unter Bürger_innenbeteiligung in den Prozess der Neubebauung des ehemaligen Schulgeländes einbezogen werden müssen. Es gibt auch eigene Pläne von einem studentischen Wettbewerb und einen Viertelentwurf Münzviertel PLUS wie die Neubebauung aussehen sollte. Doch die Verwaltung des „Fachamts für Stadt- und Landschaftsplanung“ hatte diesen Umstand beim Verkauf des Schulgeländes an den Investor „HBK Hanseatische Baukonzept GmbH & Co. KG“ (HBK) schlichtweg übersehen. Als ob das nicht skandalös genug wäre, werden HBK und Stadtpolitik nicht müde zu behaupten der Neubau wäre sozial : Die geplanten 200 „Studentenappartments“ kann sich bei einer Miete von ca. 500 Euro für 17 bis 30m2 kaum eine_r leisten. Das weiß auch die HBK: die Räumlichkeiten sind mitnichten Studierenden vorbehalten, denn ein Studierendennachweis muss beim Einzug nicht erbracht werden. Zusätzlich besteht der überwiegende Anteil des 60% öffentlich geförderten Wohnungsbaus aus Kleinwohnungen, nix für WGs oder Familien, nur was für Individualist_innen. Eine Mietpreisbindung gibt’s nur für 15 Jahre, spätestens dann steigt auch hier die Mieter_innenfluktuation. Während die Investierenden auf Durchlauf setzen, haben Anwohner_innen des Münzviertel ein Interesse an einer nachhaltigen Stadtteilentwicklung und langfristiger Identifikation ihrer Nachbar_innen mit dem Quartier.
Um das koZe vom Schulgelände und aus der dort stehenden Kita loszuwerden hat der LIG Klage gegen den gekündigten Mieter, den Stadtteilverein, eingereicht und am 16.09.2016 war die Verhandlung. Das koZe hat gemeinsam mit dem Stadtteilverein KuNaGe, mit Asmara's World, der Schanzenini, Lampedusa in Hamburg und Grußadresse vom bedrohten Potse/Drugstore aus Berlin eine Kundgebung vorm Verwaltungsgericht in St. Georg abgehalten und den Verhandlungsraum proppevoll belegt.
2. Bericht über das Gerichtsverfahren zum Räumungstitel
+++ In Kürze: Am Freitag, den 16. September 2016 fand vor dem Verwaltungsgericht Hamburg im Stadtteil St. Georg ein Verfahren statt, um einen Räumungstitel für Räume der ehemaligen Kita zu erwirken, in der sich das kollektive Zentrum befindet. Nachdem am 16.9. es zu keinem einvernehmlichen Ergebnis kam, hat der Richter am 7.10. ein Urteil gefällt und verkündet. Ergebnis: Räumungstitel wurde erteilt.+++
Einen Räumungstitel braucht ein_e Hauseigentümer_in, um eine_n Mieter_in, der_dem zuvor gekündigt wurde, juristisch abgesichert zwangsräumen zu lassen. Als Eigentümer im Rechtsstreit trat in diesem Fall der Stadt-Hamburg-eigene LIG, der „Landesbetrieb Immobilienmanagement und Grundvermögen“ gegen den Stadtteilverein KuNaGe e.V. an. Der LIG verkauft das Schulgelände (samt der Kita in dem sich das koZe befindet) gerade an Investoren. Der LIG gehört zur Finanzbehörde und war neben der Polizei auch für die „Hofinvasion“ am 27.7.2015 verantwortlich. Die Investierenden (Dietrich von Stemm, Chef von „HBK Hanseatische Baukonzept GmbH & Co. KG“ und eine „Nord Project Immobilien und Beteiligungsgesellschaft mbH“iii) wollen auf dem Gelände teure Apartmentblocks bauen und nennen das wie bereits oft erwähnt lustigerweise Studierendenwohnungen und Sozialwohnungen.
Dass wir nicht genau wissen wer Eigentümer_in ist liegt daran, dass das Haus einmal schon als verkauft galt, einmal nicht. Dann war die Finanzbehörde zuständig, dann wieder nicht und dann niemand, und plötzlich doch ein Investor (HBK) und jetzt seit der Gerichtsverhandlung ist es wieder die Behörde und der LIG. Transparenz sieht anders aus. Nichteinmal der mietende Stadtteilverein bekam Bescheid. Niemand redet mit dem Plenum des kollektiven Zentrums, und Verhandlungen letzten Sommer wurden seitens der Finanzbehörde abgebrochen, aber gleich zwei verschiedene Unternehmen haben den im Erdgeschoss bestehenden Mietvertrag zum 31.März insgesamt drei Mal gekündigt: zunächst nur der LIG, später dann nochmal der LIG und eine „Studentisches Wohnen GmbH“.
In der Verhandlung hieß es zunächst seitens der Finanzbehörde „Auszug Mitte November!“, worauf der Statteilverein mit änwältlicher Unterstützung widersprach. Der Vertrag sei abgeschlossen worden, um die Räume bis zu einem Abriss sinnvoll zu nutzen, und sie würden erst dann rausgehen „wenn die Bagger kommen“. Vorm Winter raus zu gehen gehe nicht, schon allein „wegen der vielen Leute und Geflüchteten im Haus, die nichts anderes haben wo sie hinkönnten“. Das städtische Winternotprogramm nebenan hat von insgesamt 900 hamburgweiten Schlafplätzen 450 in den Containern auf unserem ehemaligen Schulhof sowie in einem denkmalgeschützten Schulgebäude installiert und bleibt bis zum 31.März 2017 definitiv dort stehen. Daher würde man im Stadtteil erst nach dem 31. März mit einem Baubeginn rechnen. Belege für eine angebliche Notwendigkeit, das Haus im November zu räumen, gab es nicht und der Vorwand eine angebliche „Schadstoffbelastung“ zu beseitigen wurde im Gerichtssaal mit Gelächter quittiert: Das „Argument“ der angeblichen Asbestbelastung der Schulgebäude wurde schon letzten Sommer angeführt und schon damals öffentlich als dreiste Lüge entlarvt. Sie wollten es wohl doch nochmal versuchen. Was denken die eigentlich wie blöd alle sein müssten das nicht zu merken - alle schütteln den Kopf. Es gibt schließlich auch auf richterliche Nachfragen keine Bau- oder Abrissmaßnahmen, die im Winter oder gar im November anstehen müssten oder schon vertraglich geplant sind. Den Winter über unser Haus leer stehen zu lassen werde vom Stadtteilverein nicht akzeptiert.
Seitens des Stadtteilvereins wurde gesagt, man unterstütze dieses Bauvorhaben nicht da es nicht den Wünschen des Viertels entspricht. Doch wenn denn Baubeginn sein sollte, wolle man sich auch nicht in den Weg stellen, aber halt bis dahin drin bleiben. Sie unterstützen dieses Neubauprojekt nicht. Sie haben als Stadtteil bereits eigene Projekte vorgelegt. Als die Kündigung zum 31.3.2016 einging, wurde seitens des Stadtteilvereins versucht Gespräche stattfinden zu lassen zwischen KuNaGe e.V., Behörde und koZe-Plenum, doch das koZe sei für die Finanzbehörde kein Gesprächspartner. Das habe sich der Stadtteilverein immer wieder anhören müssen. Der Vertreter des Stadtteilvereins und der Anwalt legen nochmal öffentlich dar, dass die Gespräche verweigert wurden und dass der Verein sogar schriftlich nachweisen kann, ein Angebot gemacht zu haben, worauf ohne Begründung nie eingegangen wurde: Als noch vorm Sommer 2016 bekannt wurde, dass das Winternotprogramm auf dem Schulhof bis 31.3.2017 wie im Winter zuvor wieder stattfindet und Verträge bereits unterschrieben sind, wurde gefordert auch bis 31.3.2017 das Kitagebäude nutzen zu können. Der Stadtteilverein legt außerdem dar, dass auch die regierenden SPD und die Grünen sich zwar mal bei ihm als Vereinsvorsitzenden gemeldet haben und froh waren, dass er da ist, die zugesagten Gespräche aber auch nach mehreren Nachfragen nicht ermöglichten.
Der Richter versuchte, den LIG dazu zu bewegen das Angebot 31.3.2017 als Auszugstermin anzunehmen, doch die sperrten sich. Der Anwalt erklärte, er habe nur ein Mandat bis zum 30.11.16 zu verhandeln. Herr Singh von der LIG saß neben ihm und versuchte selbstsicher dem Richter zuzunicken, so wie „da gibt’s nichts dran zu rütteln“, blickte aber oft verschreckt zu seinem Chef der neben dem Sprecher der Finanzbehörde, dem unerzogenen Daniel Strickeriv, in der ersten Reihe im Publikum saß. Nachdem der Richter nochmal auf die Behörde einredete, von wegen soziales Projekt, und ob sie sich da nochmal Gedanken machen könnten, kam nach einer kurzen Pause der 15.Januar als letztes Hoch der Gefühle seitens der Behörde. Sie bräuchten einfach Planungssicherheit. Nochmals Nachfragen, warum nicht 31.3. - Antwort, es solle der Abriss beginnen. Ungläubigkeit seitens des Stadtteilvereins und dessen Anwalts, denn wenn die Container mit Bewohner_innen zwei Meter entfernt stehen wird das unrealistisch. Die reine Willkür wird deutlich.
Außerdem will der LIG eine Garantie, dass dann auch wirklich ausgezogen wird. Ob der Stadtteilverein das garantieren könne. Und dass Sie wollen, dass der Stadtteilverein, bzw. letztlich der Vorsitzende persönlich dafür haftet, dass das Haus leer ist. Richter und Anwalt vom Stadtteilverein erklären, dass hier über einen Räumungstitel verhandelt wird, Räumungstitel sei Räumungstitel und beinhalte keine Privathaftungserklärung. Der Stadtteilvereinsanwalt weist darauf hin, dass er verstehen kann, dass auch die Behörde unglücklich damit ist, dass Politik keine Entscheidungen zu ihrer Zufriedenheit trifft, es gehe hier jedoch um ein rechtliches Verfahren, nicht um die politischen Entscheidungen, die zuvor nicht gefällt wurden. Damit sollten sie sich an andere wenden. Auch der Richter erklärt, eine Privathaftung für eventuell entstehende Schäden oder Verzögerungen sei nicht Teil eines Räumungstitels.
Der Anwalt des Stadtteilvereins erklärt, wenn ein Urteil auf Januar fallen würde, würden sie in die nächste Instanz gehen und weiter Klagen, was eine Entscheidung noch weiter zeitlich verzögern würde. Der Anwalt des LIG/ der Finanzbehörde erwiderte, kein Problem, weil dann würden sie einfach mit dem vorläufigen Titel vollstrecken. Das Publikum ist kurz baff aufgrund dieser direkten offenen Dreistigkeit: Sie sagen damit, dass sie, wenn wir als koZe und Stadtteilverein in die zweite Instanz gehen, einfach räumen lassen und damit in Kauf nehmen, dass diese Räumung dann eventuell in der höheren Instanz als rechtswidrig verurteilt wird. Der wirkliche Schock bleibt wohl deswegen aus, weil man von der LIG schon nichts anderes als Alleingang und Hau-Ruck und Hau-Drauf mit der Polizei erwartet.
Dem Richter wird das Gefeilsche um wenige Wochen zu bunt, er sieht den Versuch eine einvernehmliche Lösung auszuhandeln für gescheitert und entscheidet daher die Verhandlung zu beenden und ein Urteil zu fällen. Die Verkündung eines Urteils setzt er auf den 7. Oktober fest. Das Ergebnis: Räumungstitel erteilt, das Gebäude kann geräumt werden.
Wenn dann festgestellt werden sollte, ein Auszug sei nicht geschehen, könnte der Eigentümer eine_n Gerichtsvollzieher_in bestellen und die zuvor gemieteten Räume ggf. mithilfe der Polizei zwangsräumen lassen.
3. Wie war das letzte Jahr und wie sieht's gerade im Haus aus?
Das koZe besteht nun seit zwei Jahren. Seither hat es sich in seiner Nutzer_innen-Struktur, in den Angeboten und der Zusammensetzung des Plenums geändert, einige Projekte sind weitergezogen, neue sind hinzugekommen. Wir haben nicht alles was so los war ins Internet geschrieben, warum auch, doch die Prozesse waren im Haus stets transparent. Wie alle Projekte erlebt unser Haus auch GZSZ, Gute Zeiten, Schlechte Zeiten oder wie wir ab und an sagen Gutes Zentrum, Schlechtes Zentrum. Über die Guten Zeiten schreibt man ja so selten, aber wir haben z.B. auf der Webseite ein paar Fotos und Videos wo das in Ansätzen rüberkommen könntev.
Die Repression vom letzten Sommer begann mit der Hofinvasion am 27.7.15 mit darauffolgender siebenwöchiger 24/7-Polizeibelagerung auf unserem Schulhof, ging weiter mit der zweiten Hofinvasion am 2.9.15 mit der weiteren Vertreibung, dem Abriss vom Spielplatz, den Bäumen, den Schulgebäuden. All das hat Spuren hinterlassen, hat Angst gemacht, Ohnmachtsgefühle produziert, Individualisierung vorangetrieben und Freund_innen des Hauses (und) aus der Nachbarschaft verschreckt. Das ist schade. Dies aufzufangen war uns nur bedingt möglich, aber wir haben zusammen mit denen die mit uns im Haus blieben und neu dazu kamen einen Weg gefunden. Neben Nachtwachen gegen die immer in Sichtweite präsenten Polizist_innen auf dem Hof gab es (neben den montaglichen Hausplena) tägliche Besetzer_innen-Plena mit vielen Gästen, die aufgrund offener Mobilisierung das Haus zu unterstützen da waren. Wir haben derzeit mehrfach neue Organisationkonzepte ausprobiert und mit viel Spontanität Altes an neue Gegebenheiten angepasst. Auch Demos fanden stattvi. Flexibilität war gut, erforderte aber auch große Bereitschaft unbrauchbare Strukturen und Gewohnheiten über Bord zu werfen. Dabei an unseren anfänglichen Grundsätzen festzuhalten war manchmal eine Herausforderung und Grundsätze immer wieder zu erläutern gehörte zu vielen Diskussionen. Dazu gehörte z.B. das offene Konzept des Hauses und das (Nicht-)Schlafkonzept. Dieses wurde nicht zuletzt beim neu entstandenen Refugee-Transit-Support-Projekt umgeworfen. Hier wurden zunächst täglich und später an drei Tagen die Woche ca 20 Menschen vom Hauptbahnhof aufgenommen, mit durch Containern und Spenden über die Hauptbahnhof-Struktur bereitgestelltem Essen und frisch bezogenen Betten, mit Infos von der möglichen weiteren Reiseroute, Internetcomputern und Übersetzungsmöglichkeit, aber auch mit offenen Ohren und viel Einsatz beim täglichen Putzen und Waschen wenn die Gäste weiterzogen. Wir haben als koZe neben der Moschee in St. Georg und dem Schauspielhaus eine der wenigen direkten Support-Anlaufstellen für Geflüchtete und die Hauptbahnhofstruktur gestellt, die es gab bevor staatliche Strukturen sich irgendwann bemüht haben. Wir haben uns auch eine Zeit lang am bürgerlich-weißen Netzwerk Refugees Welcome St. Georg beteiligt, und uns mit anderen über unsere Arbeit ausgetauscht. Viel Support gabs von der Seite nur einzeln, im Großen aber nicht, nicht einmal Spendenweiterleitungen wovon die „reichlich“ hatten. Im Hamburg-weiten „Solidarische Raumnahme“ Netzwerk saßen und sitzen wir auch. Die damaligen Diskussionen im Haus zum Thema Räume für Geflüchtete und zum Welcome-Hype sind in Ansätzen z.B. in Texten auf der koze-Webseite und dem einen oder anderen FSK-Radiobeitrag nachzuvollziehen.
Es entwickelte sich die Idee, das ganze Größer zu denken und aus dem koZe, bzw. im koZe das Collective Welcome Center zu gründen. Bereits am 1.Mai 2014 wurde im Karoviertel eine leere Schule als „Welcome Center“ besetzt, damals leider nicht erfolgreich. Die Idee eines „Collective Welcome Center“ wurde am 12.8.15 auf einer Pressekonferenz zusammen mit dem Projekt „Solidarisches Wohnprojekt“ und „koZe-Erweiterung“ öffentlich als Konzept für die leere Schule nebenan präsentiert („Eine Schule für Alle!“), da waren die Gebäude und der halbe Schulhof aber leider schon wegen des gelogenen Vorwands des Asbestbefalls von Polizei belagert (Stichwort „Hofinvasion“). Die Idee des Collective Refugee Welcome Center (so war der Arbeitstitel) war jedoch nach August nicht vom Tisch, so machten wir eine VV (Einladungstext auf deutsch und englisch) mit Freund_innen anderer Projekte, um erste Schritte zu gehen.
Das koZe hat sich nicht in Collective Refugee Welcome Center umbenannt, doch an verschiedenen Punkten waren wir das. Wir haben Räume neustrukturiert und Platz geschaffen für selbstorganisierte Refugee- und Supportprojekte wie das Lampedusa-Office, Deutschunterricht und freie Beratung. Nachdem Schlafplätze für Geflüchtete Transitreisende vom Hamburger Hauptbahnhof nur für eine Nacht benötigt wurden gab es Leute, die gerne länger bleiben wollten. Unsere Niemand-schläft-im-Haus-Politik war von Beginn an klare Linie, um den Charakter als Soziales Zentrum garantieren zu können, wurde gerade dadurch jedoch herausgefordert. Selbst diejenigen, die die Besetzer_innen waren nahmen sich nicht heraus Räume zu privatisieren. Aber Wohnungslose Leute abends rausschmeißen wenn bei uns doch nachts Platz ist fanden wir scheiße. Unsere Plena waren geprägt von Diskussionen, ob wir nun davon abweichen oder nicht, ob wir und wenn ja wie wir Räume für Menschen, die Schlafpläze brauchen zur Verfügung stellen können oder nicht. Die Entscheidung, dass „ja“ war für manche ein großer Kompromiss.
Die damalige Lösung sah so aus, dass Menschen, die woanders nix zum Schlafen haben auf dem Plenum anfragen können für zwei Wochen. Ein Teil einer Etage wurde Schlafbereich, es wurden Stockbetten gebaut und sah aus wie in einem Hostel. Wir haben gesagt die Schlafplätze sind vor allem für illegalisierte Geflüchtete und dies bei Anfragen immer transparent dargelegt, aber wir haben nie nach Status oder Papieren gefragt. Und wir haben festgelegt, dass Frauen bevorzugt werden und ggf. den Schlafplatz wählen dürfen. Einen richtigen FLTI*- oder Familien-Schlafraum hatten wir nicht aber ein anders genutzter Raum konnte bei Bedarf dafür temporär umgenutzt werden. Ob Hunde mitgebracht werden konnten entscheiden diejenigen, die jeweils dort geschlafen haben von Hund zu Hund neu.
Das funktionierte gut. Straßenpunx und Geflüchtete mit unterschiedlichem Status schliefen seitdem gemeinsam im Haus, engagierten sich gemeinsam und wir alle haben voneinander und uns gegenseitig kennen gelernt.
An einem Punkt im Frühjahr haben wir festgestellt, dass wir als Plenum die Regelung verbessern wollen und nicht dieses prekäre alle-zwei-Wochen-Anfragen aufrecht erhalten wollen. Auf mehreren Hausplena, die wir übrigens stets in deutsch und englisch oder wenn möglich nur auf englisch machten, teils mit weiteren Flüster-Übersetzungen, haben wir gemeinsam über Möglichkeiten diskutiert wie denjenigen, die Schlafplätze brauchen, mehr Autonomie zuteil werden könne. Solche Diskussionen gehen nur gemeinsam. Mehr brauchen und wollen wir aber in diesem Moment zu diesem Prozess nicht veröffentlichen.
Bei manchen Aktivitäten hat sich über die Zeit weniger verändert und sie sind kontinuierlich dabei: Die Küche war zwar mit mehr Nutzung, u.a. durch verschiedene KüFA- und VoKü-Gruppen, besser anzusehen aber sie ist noch da, und die Kneipe hat seit jeher Donnerstags geöffnet. Anfangs rein als Solikneipe für die Prozesskosten der Besetzer_innen der Schule, aus der das koZe entstanden ist, später mussten die geringen Einnahmen dieser Spenden-Kneipe zur Grundfinanzierung des Hausbedarfs und der Instandhaltung herhalten. (Solikohle wird trotzdem noch gebraucht! Bitte Sammelt!) Der Sportraum wurde von mindestens zwei all-gender und refugees-welcome Sportgruppen und einem FLT-Angebot genutzt, die Siebdruckwerkstatt im Kreativraum und das Fotolabor sind aktiv und der kostenlose selbstorganisierte Deutschunterricht vom Projekt Asmara's World - RefugeeSupport fand erst dreimal wöchentlich statt, jetzt zweimal die Woche im Plenums-/Seminarraum. Dort ist manchmal auch Kulturprogram, und z.B. wenn der deutsch-kurdische Kulturverein in St. Georg Parallelveranstaltungen hat, kann für Band- und Theaterproben aufs koZe ausgewichen werden. Unseren toll ausgestatteten Kinderspace haben wir seit Anfang an, doch scheinbar gibt es im Viertel und unter den Nutzer_innen nur sehr wenig Kids im Kleinkindalter, sodass er wenig genutzt wurde – trotzdem waren wir immer froh ihn erhalten zu können. Zu Beginn hatten wir zwei Fahrradwerkstätten und mit dem Hof viel Platz für Bikeschrauberei und -lager, ein Projekt zog nach der Hofinvasion weiter, das zweite Projekt aus dem Viertel ist zunächst geblieben und gerade in den Winterschlaf gegangen. Die Bibliothek (namens BUS – Bücher und Sofas) ist noch da aber nicht mehr immer offen, sondern derzeit v.a. bei Interesse bzw. nach Absprache.
Die Nutzer_innenstruktur hat sich gewandelt, je nachdem welche Jahreszeit war, und ob wir einen Garten und einen Spielplatz hatten, und ob nebenan in den städtischen Containern das staatliche Winternotprogramm untergebracht war oder eine Zentrale Erstaufnahmestelle oder nichts.
Der Spielplatz und der Schulhof waren sozusagen unser Hauptverbindungspunkt mit unseren Nachbar_innen, mit dem Viertel. Als alles noch da war sprangen die jüngeren Kids auf dem Spielplatz und im ganzen Haus rum, und im Sommer auch mal wir alle zusammen im Planschbecken. Mit den Eltern und großen Leuten aus unserem Umfeld nutzten wir den Hof, hatten ein Gartenprojekt („Schwarze Beete“) und sie hatten auch einen eigenen Hausschlüssel. Nachbar_innen haben Kindergeburtstage bei uns veranstaltet und beispielsweise eine Tanz-Choreografie für eine Hochzeitsfeier eingeübt, aber auch am Mieter_innencafé teilgenommen, was sich zeitweise gegen Investorenvermieter_innen im Viertel organisierte.
Da wir bis auf einen grauen Zweimeterstreifen ums Haus mit zwei Meter hohem Holzzaun zur Containerunterkunft quasi keinen Außenbereich mehr haben ist das alles futsch. Die sommerliche Polizeipräsenz auf dem Hof letztes Jahr hat leider tatsächlich Angst und Schrecken vor unserer unklaren Situation verbreitet und in Teilen Individualisierung und Distanzierung im Viertel befördert.
Wir würden uns über wieder mehr Verbindungen im Stadtteil freuen. Doch als isoliert kann man uns auch nicht bezeichnen, immerhin ist der das Erdgeschoss mietende Stadtteilverein KuNaGe e.V. (Kunst Naher Gegenden), der im Viertel ein weiteres Projekt hat, nämlich das Werkhaus, und in der Organisation des jährlichen Viertelstraßenfests drinsteckt, seit jeher an unserer Seite. Unsere Nachbarschaftszeitung „Cosy Times“ wird inzwischen schon vermisst, weil wir zu sehr mit Hausrettung zu tun haben müssen und uns leider nur wenig um Außenwirkung kümmern. Der Stadtteilverein hält mit den Nutzer_innen des kollektiven Zentrums zusammen und lässt sich nicht einfach von den Regierungsparteien um den Finger wickeln. Während diese mit dem koZe nie redeten haben sie beim Stadtteilverein angeklopft um sich dann wieder zu verpissen. Sollen wir uns darüber noch wundern?
Als das staatliche Winternotprogramm zum Winter 2015 in die Container einzog, die auf unseren vorherigen Schulhof und Spielplatz gestapelt wurdenvii, hat sich wieder was verändert: Im Winternotprogramm wird man morgens rausgeschmissen und kann erst ab 17Uhr wieder rein – bei Kälte, bei Regen und Schnee und alles, außer man ist mit Attest krank. Einige Leute, die das Winternotprogramm nutzten kamen ins Haus und man lernte sich kennen, unterstützte sich. Vielleicht ist hier die Stelle kurz Peter zu danken, der mit seinem Putzfimmel so viel Ordnung geschaffen hat, dass selbst wir manchmal nicht mehr wussten was wo in der Küche zu finden ist – Danke! Und das war nicht einfach, denn die Küche war viel genutzt. Derzeit wurde so viel containern gegangen, dass wir ziemlich immer Essen im Haus hatten. Wir hatten auch ein Formular, dass wir einen gemeinnützigen Verein haben, wodurch Leute bei Supermärkten was bekommen haben und sogar quasi Abholtermine vereinbart wurden. Ohne diese Arbeit hätten wir (v.a. während des Transit-Support-Projekts) nicht so viele Menschen mit Essen beherbergen können. Und ab und zu kam noch eimerweise Restessen einer nahe gelegenen Großküche dazu. Nochmal danke an alle Spendenden.
Dass manchmal plötzlich morgens das Haus voller unbekannter Leute war, die irgendwie reingekommen waren, war somit wieder eine neue Erfahrung. Wir führten Öffnungszeiten ein, um einem möglichen Ausufern von Abhängerei und Dreckproduktion zuvorzukommen. Abhängen machen bekanntlich alle gerne, das mit dem Putzen is nicht so beliebt. Aber wir wehrten uns auch bis zuletzt gegen Putzpläne. Die Unverbindlichkeit, mit der Leute ins Haus kommen können war ein großer Einstiegsfaktor für viele. Informell haben sich doch Hausmeistereiaufgaben an Einzelnen ungewollt festgesetzt, wer viel da war hat halt mehr gemacht als andere.
Als der Winter vorbei war wurde eine Erstaufnahmestelle für Asylbewerber_innen in den Containern mit 300 Plätzen untergebracht (offiziell wurden nur „Männer“ aufgenommen). Wir diskutierten natürlich, den Zaun zwischen unserem und ihrem Gelände nieder zu reißen und besprachen dies auch mit den nebenan Wohnenden, den Arbeitenden und den Securitys, um die man nicht herum kommt. Die kontrollieren tatsächlich jede_n wer auf das Containergelände will. Da diese Durchlasskontrollen allerdings auch den Effekt haben tatsächlich ungebetene Leute draußen zu halten und den Bewohner_innen einen gewissen Schutz zu bieten, hatte der Zaun zwischen unserem und dem Containergelände somit den gleichen Zweck. Unser Haus war immer offen, außer als wir eine Zeit lang offizielle Öffnungszeiten von 11 bis 23 Uhr eingeführt haben. Aber wenn wer klingelte wurde er_sie ohne großes Misstrauen hereingelassen, konnte Räume nutzen oder im Café oder in der Kneipe abhängen, kochen, arbeiten oder anders Zeit vertreiben. Somit konnten wir als Plenum definitiv nicht garantieren, dass nur Leute reinkommen, die nicht nebenan Stress machen, klauen oder ähnliches – wir hatten selbst oft Problemchen mit Leuten, die uns und das Haus, vor allem Türen und Fenster angriffen. Teils völlig zugedrogt, mit Steinen, Stangen, Mett und Fäußten. Wir mussten lernen Leute aufgrund nicht verantwortbarer Bewusstseinszustände oder wegen unangenehmsten Verhaltens rauszubeten und auch rausschmeißen zu müssen. Mehrfach wurde ins Haus eingebrochen, nachts Türen aufgehebelt und verbogen, über Balkone reingeklettert, Menschen versteckten sich im Haus (z.B. vor der 23-Uhr „Schlafmenschchen-Runde“, die Gäste zum Zumachen raus bat), um andere später reinzulassen und zu klauen oder auch nur um ungefragt im Haus zu schlafen.
Das sind Gegebenheiten, die zweifellos mit der Hauptbahnhofnähe und den Umliegenden Anlaufstellen für Wohnungslose und Drogen konsumierende zusammenhängen. Sie gehörten zum Stadtteil und somit zu unserem Alltag. Aufgrund der Erfahrungen, die wir im Haus gemacht haben war es klar, dass wir, sollten wir den Zaun zwischen uns und dem Containergelände abreißen, nicht garantieren können, dass wir im Blick haben wer durchs Haus aufs Gelände gelangt. Diejenigen, mit denen auf dem Gelände gesprochen wurde fanden die Idee auch nicht gut, somit steht der Zaun bis heute vor ihren und unseren Nasen, ist aber u.a. durch die Graffiti AG bunt bemalt.
4. Was erwartet uns als Nutzer_innen?
Uns erwartet zunächst, dass der Stadtteilverein einen Auszugstermin per Räumungstitel bekommt und wir uns als Hausplenum wohl leider vom Stadtteilverein werden offiziell trennen müssen. Wir haben als koZe-Plenum und KuNaGe e.V. seit jeher gemeinsam das Haus gemeinsam genutzt und erhalten, gemeinsam selbstorganisierte solidarische Stadtteilarbeit gemacht (z.B. Straßenfest, Konzerte, Hoffeste, Tage der offenen Tür), uns gegen Spaltungen gewehrt und auf gute Zusammenarbeit hingewirkt. Die andauernde permanente Räumungsbedrohung, die faktisch auch immer ohne Räumungstitel da war, nagt an Nerven. Doch Im Viertel war man sich über die Bedeutung des koZe klar. Ein Aufruf, der schon über ein Jahr alt ist formulierte so: „Das kollektive Zentrum geht uns alle was an und verbindet die Kämpfe in dieser Stadt und über sie hinaus auf eine Art und Weise, auf die wir nicht verzichten können. Wir müssen dieses Haus erhalten, in dem Flüchtlingsgruppen auf Pfadfinder_innen stoßen und Bastler_innen auf politisch Aktive, Nachbar_innen auf Straßenmusiker_innen. Wir müssen diese Chance nutzen, unsere jeweiligen Perspektiven um die all der unterschiedlichen Menschen hier um uns herum, zu erweitern. Wir erhoffen uns Solidarität aus den verschiedensten Strömungen. Für uns heißt Solidarität nicht, alles gut finden zu müssen, um gemeinsam zu kämpfen.“
Letztes Jahr haben wir als Plenum und Stadtteilverein versucht die Mietsituation zu ändern, dass der Stadtteilverein aus der Verantwortung kommt und ein extra gegründeter gemeinnütziger Verein vom kollektiven Zentrum (koZe e.V.) an dessen Stelle tritt. Dass der Senat (SPD & Grüne) und die Finanzbehörde das koZe-Plenum nie als Gesprächspartner akzeptierten, ist für den Verlauf der „Verhandlungen“, die man wohl nicht einmal als Gespräche bezeichnen kann, ausschlaggebend gewesen. Das koZe hat einmal die Forderungen vorgetragen1, das Plenum hat mit viel Zähneknirschen aber ohne Vetos eine kurze von Lärm und Konfetti überschwemmte Gebäudebegehung mit Verhandlungstisch-Vertretern akzeptiert und ermöglicht (unter der Bedingung, dass diese im Vorfeld eine Liste mit Namen und Funktion abgeben) und damit seine Seite der Bedingungen erfüllt. Dies hätte zur Umsetzung der Forderungen durch Senat oder Finanzbehörde oder wer auch immer in der Position war diese umzusetzen führen müssen. Dass dies nicht geschah und folgenlos bleiben konnte haben wir bereits an mehreren Stellen beschrieben, darauf brauchen wir nicht weiter eingehen.
Wichtig ist dies jedoch immernoch, da das Resultat weiterhin war, dass das Plenum des kollektiven Zentrums in der realpolitischen Landschaft nicht als Gesprächsparner oder Akteur akzeptiert wurde . Der Stadtteilverein alleine war nicht stark genug, das koZe als eigenständigen Akteur zu präsentieren, doch ein weiterer Grund spielt in diese Phase mit rein: Vor allem die Anarchist_innen unter uns hatten kein Interesse an diesen sogenannten Verhandlungen mit der Stadt und der Behörde, daher haben sich Teile des Hauses auch nicht an diesen Bemühungen beteiligt und sagten ihr Scheitern voraus. Für diejenigen, die Hoffnungen in die Gespräche steckten war deren klangloses Ende durch fehlende Neuterminierung durch die Senatsmitgleider, trotz etlicher Nachfragen des Stadtteilvereins und der Anwält_innen, eine große Enttäuschung und produzierte Unverständnis und das Gefühl, nicht gerecht behandelt zu werden. Wir arrangierten uns als Haus mit der Situation in der komischen Erdeschoss-Teil-für-70€-Nebenkosten-Mietvertrag-und-alle-anderen Räume-und-Stockwerke-besetzt-Konstellation.
Aber wie wir bereits schrieben: Wir scheißen auf die Kündigung , sie kann nur mehr Freiheit bedeuten als ein sogenannter Mietvertrag, der immer zum Ende des Folgemonats gekündigt werden kann – und ja schon zum 31.3.16 gekündigt wurde. Unsere 2-Jahres-koZe-Geburtstags- und zugleich Prä-Räumungsverhandlungs-Feier lief unter dem Motto „Ohne Verträge squatted sichs besser!“. So ist es.
Wie das mit dem besetzten geht wissen wir schon, sonst gäbe es das koZe nicht, die Flora nicht, die Hafenstraße nicht, das Gängeviertel nicht, und so viele heute legalisierte Projekte und Hausprojekte Hamburgs nicht. Köpi, Rigaer94, Potse/Drugstore, Friedel45, M99/HG, Kanal in Berlin, Altes Sportamt in Bremen, OM10 in Göttingen, Zülpi in Köln, La Datscha in Potsdam, all die Wagenplätze und die alten Autonomen Zentren, von denen manche über 30 Jahre alt sind, all das und viele Häuser mehr sind wichtige Orte für tausende von Menschen, die besetzt sind oder mal aus Besetzungen entstanden sind. Und uns im kollektiven Zentrum - was soll uns schon erwarten. Eine Räumung, ja. Vielleicht. Wir werden es sehen. Anderswo in Europa sagt man „Jede Räumung bedeutet eine weitere Besetzung“. Von uns aus sollten jeden Tag besetzte Räume eröffnet werden, mit oder ohne koZe. Am besten bekommt jeder Kiez ein koZe.
5. Was ihr tun könnt, worüber wir uns freuen.
Lest online, z.B. auf www.koze.in , ob wir Neuigkeiten veröffentlichen. Kommt ins Haus und fragt wo wir Unterstützung gebrauchen können, kommt donnerstags in die Hausbar oder montags 19:30 Uhr zum Plenum. Erzählt weiter wie die Situation aussieht, diskutiert eure Antworten auf Wohnungslosigkeit und Leerstand und drohende Räumung. Bringt euch ein, helft beim Übersetzen, schafft neue Räume, sammelt Geld – denn wir müssen noch einiges bezahlen: Repressionskosten, Wasser und Strom bezahlen wir selber und Anwält_innen. Wir freuen immer uns über Statements, Solibilder Transpis, Fotos und Grüße. Und Kuchen.
6. Wie es so oder so weiter geht.
Häuser und Plätze zu besetzen ist eine gute Sache, es ist richtig und wichtig. Wir hören so oft, es sei ja nicht mehr die Zeit, wir hätten ja nicht die 80er Jahre und diese Squattingsachen würden doch niemanden interessieren. Na und? Bewertet ihr etwa eure Kämpfe danach, ob sie „in“ sind?
Klar sehen auch wir, dass sich Wahrnehmung von und die Formen der linksradikalen Konfrontation seit den 80ern verändert haben , aber wir sehen daraus kein Argument irgendetwas sein zu lassen. Eher es an aktuelle Verhältnisse anzupassen und neu zu erfinden.
Die Verteidigung gegen Räumungen ist nicht gleich Besetzung, sondern eine andere Sache. Hier sollte inzwischen erkannt worden sein, dass sich Polizeitaktiken geändert haben und auch zur „Verteidigung“ andere Konzepte bestehen als sich in militärisch schlecht verteidigbaren Häusern ohne jeglichen militärischen Schutz eines Stadtteils einzubunkern und nur zeitliche Verzögerungen der Räumung zu produzieren. Wobei auch das selbstverständlich seine Legitimität hat. Die Räumung der Liebig14 ist wohl noch so einigen im Hinterkopf, und die aktuelle Situation um die Rigaer94 hat Diskussionen um Räumungsverhinderungen wieder neu auf die Bildfläche gebracht. Das Konzept heißt Dezentral. Es gilt nicht nur gefühlt ohnmächtig zentralisiert vorm Haus abzuhängen, sondern die Wut solcher Momente gezielt nutzbar zu machen und überall zu sein. Was das übersetzt für Hamburg heißen würde sei euch überlassen.
Wir sehen die letzten Jahre wieder mehr Besetzungen im deutschsprachigen Raum und freuen uns über jede neue Besetzungsaktion . Jede für sich ist ein erneuter Versuch dem Eigentumsprinzip vor den Latz zu rotzen und staatlich geschützten Leerstand anzuprangern, Wohnungsnot praktisch zu beantworten und in gewisser Art „Freiräume“ aufzubauen, auch wenn der Begriff hinterfragt gehört. Grüße und viel Kraft an dieser Stelle an all jene, die andernorts soziale und autonome Zentren erkämpfen und verteidigen.
Wir sahen außerdem zahlreiche Angriffe auf selbstverwaltete Häuser und Strukturen in Hamburg, in Berlin, in Lübeck, in Leipzig, Münster, Frankfurt, Mannheim, München, Salzwedel, Flensburg, Hannover und darüber hinaus. Die Angriffe richten sich gegen autonome Zentren, besetzte Räume und gegen Menschen, die für deren Entstehung und Erhalt kämpfen, mit Ermittlungen und Durchsuchungen, Räumungen, Festnahmen und Brandanschlägen. Bis auf wenige Ausnahmen (z.B. in Potsdam, Göttingen (OM10), Köln (Zülpi), Hamburg (Gängeviertel) oder Bremen (Altes Sportamt)) wurden, soweit uns bekannt, alle langfristig angedachten Besetzungsaktionen der letzten Jahre im deutschsprachigen Kontext – um Partybesetzungen hier mal auszunehmen – durch den Staat kriminalisiert und geräumt. In Hamburg laufen derzeit immernoch Prozesse und Ermittlungsverfahren gegen Beschuldigte der Besetzung und Verteidigung der Häuser in der Breiten Straße 114/116 vom August 2014 während der Squatting Days. Mehr z.B. zum Hintergrund und Prozessberichte zu 1,5 Jahren Verhandlungen auf https://breitesoli.noblogs.org . Außerdem laufen Strafverfahren gegen vier Personen vom koZe vom Tag der Hof-Invasionen vom Sommer 2015 wegen angeblicher Nötigung, Widerstand und Körperverletzung, zunächst auch wegen schweren Hausfriedensbruchs, und gegen ca. 40 Leute wegen Hausfriedensbruchs wegen der Blockade einer Zwangsräumung in Wilhelmsburg.
Bei all den Besetzungsaktionen deutschlandweit gaben Leute jedoch selten nach der ersten Räumung auf, sondern machten weiter. Das galt auch für Hamburger Zusammenhänge. Verwundert stellen wir fest, dass die Schulbesetzung im Juli 2014, aus der das koZe hervorgegangen ist, die vorletzte Besetzung in Hamburg war, und die letzte war die Breite Straße im August 2014. An all die unregelmäßigen öffentlichen Besetzungen von davor könnte ja mal wieder angeknüpft werden. Spätestens wenn das koZe geräumt ist wäre es vielleicht wieder an der Zeit.
Selbstorganisierte Räume werden schließlich nicht geschenkt, und Räumlichkeiten in einer Größe zu mieten, die über eine Kneipenecke oder einen Infoladen hinaus gehen ist nur selten finanzierbar. Besetzen ist ein Kampf für sich, dessen Werkzeuge, Strategien und Methoden in Vergessenheit geraten sind. Die Legalisierungsstrategie der neunziger Jahre mag damit zusammen hängen, dass wir heute so wenig davon wissen. Damals haben viele besetzte Häuser Mietverträge bekommen, von den Metropolen bis in die Kleinstädte. Wenn der Wunsch da ist, neue Orte zu schaffen und neue Strukturen aufzubauen, dann soll man das machen und sich nicht von Gerede aufhalten lassen, wir hätten nicht mehr die 80erviii. Wir wissen schon, dass heute 2016 ist.
Umsomehr teilen wir Einschätzungen zur Notwendigkeit solidarischer Nachbarschaften und rebellischer Räume und Kieze, zur Selbstverwaltung und Autonomie. Gerade weil diese als Basis revolutionärer Prozesse funktionieren (können) werden sie auch so stark angegriffen. Das Thema Wohnräume schaffen für Geflüchtete haben wir noch nicht extra angeschnitten, aber machen das jetzt nochmal kurz: Es sollte hier im deutschen Kontext genauso selbstverständlicher Teil antirassistischer linksradikaler Bewegung und von Recht auf Stadt-Fans sein wie z.B.in Italien oder in Griechenland. Das sollte bei aller Unterschiedlichkeit der örtlichen Verhältnisse als Analyse auch schon reichen. Wir können viel von den Freund_innen dort vor Ort über die Praxis der Besetzungen lernen, man braucht nur die Augen offen halten oder hinzufahren und sich das anzugucken.
Wir freuen uns über Diskussionsansätze in verschiedenen deutschen Städten, die genau das Thema „Wohnräume schaffen für Geflüchtete“ oder „Soziale Zentren zusammen aufbauen und nutzen“ diskutieren und sind gespannt auf die weitere Praxis. Private dauerhafte Ferienwohnungen enteignen und Geflüchteten zur Verfügung stellen? Super Aktion! Still besetzen und einfach einziehen? Super Aktion! Rebellische Kieze erstrahlen lassen? Super Aktion! Lokale Selbstverwaltungsstrukturen entwickeln? Dran bleiben! Sand ins Getriebe der Gentrifizierung? Überall. Immer.
Whatever they say – Squatting will stay .
Grüße von einigen aus dem kollektiven Zentrum.
Forderungen vom koZe: 1. Nach dem Grundsatz des Hamburg-weiten Netzwerks Solidarische Raumnahme: „Nebenkosten und sonst nix!“ 2. Unser neuer Verein koZe e.V. tritt an die Stelle vom Stadtteilverein KuNaGe e.V. im bestehenden Erdgeschoss-Mietvertrag. 3. Dauerhaften Mietvertrag fürs ganze Haus.
https://www.youtube.com/watch?v=yOIsPRWpMyY Video „Besetzung Schule Münzviertel“ von Hamburg Mittendrin
Hofinvasions-Texte zu Juli 2014: https://linksunten.indymedia.org/de/node/149668 mit Video „Vertreter des kollektiven Zentrums zum Polizeieinsatz am 27.07.15“ https://www.youtube.com/watch?v=1nu2XM1cedE und Video „27.07.15 | Polizeieinsatz am kollektiven Zentrum in Hamburg“ https://www.youtube.com/watch?v=8g5IVdoqFZs, sowie einer Pressemitteilung zur Entkräftung der vorgeworfenen Hausfriedensbrüche http://koze.in/wp-content/uploads/2015/06/PM-230316.pdf und zu September 2014: http://koze.in/wp-content/uploads/2015/06/PM-koZe-Polizei%C3%BCberfall-2.9.pdf mit Redebeitrag: http://koze.in/wp-content/uploads/2015/06/Redebeitrag-2.9.pdf
„Ab 2017 sollen im Münzviertel, auf dem ehemaligen Areal der Gehörlosenschule auf einer Bruttogeschossfläche von mehr als 20.000 qm geförderter und freifinanzierter Wohnungsbau sowie Studentenapartments entstehen. In Zusammenarbeit mit der HBK Hanseatische Baukonzept GmbH & Co. KG werden wir das Gebiet entwickeln. Geplant sind u.a. Mikroapartments und ein SMARTments student. Der städtebauliche Wettbewerb wurde Ende vergangenen Jahres abgeschlossen, den ersten Preis erhielt das Architekturbüro Spengler.Wiescholek. 2. Sieger wurde Winking Froh Architekten. Mit dem Erst- und Zweitplatzierten wird nun das Bauvorhaben realisiert.“ http://www.np-immobilien.de/unternehmen/newsarchiv/meldung/article/staedtebaulicher-wettbewerb-entschieden.html
Daniel Stricker, Pressesprecher LiG, übers koZe: „Die sind auf Krawall aus und außerdem einfach schlecht erzogen.“ vgl. taz vom 31.7.15
Einen Bericht über die kollektive Tage: https://de.indymedia.org/node/4720. Und Fotos aus dem Haus: https://linksunten.indymedia.org/de/node/138582 und ein Video: https://www.youtube.com/watch?v=XcOqHTcwwUA. Oder auch dieses Video https://www.youtube.com/watch?v=0FAEpYg62Yk&spfreload=10.
Zum Beispiel https://linksunten.indymedia.org/de/node/149995 und https://sandimgetriebe.noblogs.org/post/2015/08/08/koze-kollektives-zentrum-in-hamburg-ruft-auf-die-strasse-rathaus-raumen-koze-bleibt/
„Nun lässt die Sozialbehörde verlauten, auf dem Schulhof sollten Wohncontainer für 400 Obdachlose im Rahmen des Winternotprogramms gebaut werden. Dies ist ein mieser Versuch, die Interessen von obdachlosen Menschen gegen die der Anwohner_innen des Münzviertels und der Aktivist_innen des koZes auszuspielen.“ http://koze.in/wp-content/uploads/2015/06/Redebeitrag-2.9.pdf Dagegen haben wir uns stets bestmöglich gewehrt: http://koze.in/wp-content/uploads/2015/06/Rede-koZe-WP.pdf
Vor einigen Tagen war übrigens 35ster Todestag von Klaus-Jürgen Rattay: https://de.indymedia.org/node/10777 & http://www.umbruch-bildarchiv.de/bildarchiv/ereignis/220981klaus_juergen_rattay.html
Dezentrale Konzepte
Erstmal Kompliment zu eurem sensiblen und selbstkrischen Text; ein echtes highlite im Autonomen Umfeld! Viele Dinge und Ereignisse um das KoZe werden jetzt klarer für uns! Und mit Vielem habt ihr recht: Dezentrale Konzepte können der richtige Weg sein wenn man die direkte Konfrontation wie in den 80er am Hafen nicht führen will oder nicht gewinnen kann!
Soweit so gut, aber dezentrale Konzepte benötigen auch eine klare Ansage wie jüngst in der Rigaer94 wo klar gemacht wurde was die Erwartung war. Wochenlang brannten die Autos in Dunkeldeutschland und am ende wurde das System mürbe!
Was ist denn jetzt eurer Konzept, das vermissen wir! Wozu ruft ihr auf, 10Mio€ Sachschaden wir in der R94? Wir sind zutiefst solidarisch mit dem KoZe und möchten gerne helfen, aber auch zutiefst verunsichert! Was können wir, bitte schön, jetzt dezentral für euch tun?
Solidarität!
aus der Friedel54!