Der Befehl wurde bereits ausgeführt

antifaresistance.org

Rom, 15:51, 23. März 1944. Ein Straßenkehrer nähert sich einem kleinen Karren am Wegesrand mitten im Zentrum der Stadt. Er beugt sich darüber und verschwindet nach wenigen Augeblicken. Fünfzig Sekunden später wird die 11. Kompanie des 3. Batallions des SS Polizeiregiments Bozen von der Explosion des Dynamits erschüttert, das in dem Müllkarren deponiert war. Es ist eine wer wichtigsten Guerillaaktionen, die während der Nazibesatzung Italiens durchgeführt wurde.


Die Reaktion der Nazis war maßlos. Am nächsten Tag, dem 24. März, wurden 335 ItalienerInnen zufällig von den Straßen und von den Gefängnissen in die Ardeatinische Höhlen verschleppt und durch Genickschuss exekutiert.

Lange Zeit haben Neofaschisten und verschiedene Typen von RevisionistInnen versucht, die PartisanInnen für die Exekution der vielen Unschuldigen verantwortlich zu machen. Diese hätten sich geweigert auf die Aufforderung der Nazis, die Verantwortlichen mögen sich stellen, zu reagieren. Damit hätten sie es versäumt, das Leben vieler Unschuldiger Menschen zu retten. Die Wahrheit ist, dass die deutschen Behörden niemals eine Aufforderung machten, sondern lediglich die Vergeltung bekannt gaben, nachdem sie bereits ausgeführt worden war: „Der Befehl wurde bereits ausgeführt!“  

Der 24. März verbindet die mit einem Blutstrom der Unterdrückung die nazifaschistische italienische Diktatur mit jener von Videla in Argentinien. Der Putsch der Triple A (Alianza Anticomunista Argentina) fand am gleichen Tag statt.

Unter den vielen antifaschistischen Aktionen in diesen Tagen, möchten wir die Worte einer jungen argentischen Organisation betonen: „Obwohl die Diktatur besiegt wurde, geht der 'Prozess' weiter.“ Wir sind noch immer mit dem gleichen Maß an Ausbeutung der ArbeiterInnenklasse, der Repression und des Elends konfrontiert.

Wie wir in dem vorherigen Artikel schrieben, werden die reaktionären Elemente (Parteien, Assoziationen, Zeitungen, etc.) benutzt, um den immer weiter verbreiteten Unmut auf schwache Ziele wie ImmigrantInnen zu lenken. Es ist offensichtlich, dass solche reaktionären Kräfte vom Staat mit besonderer Aufmerksamkeit geschützt werden. Von dem gleichen Staat, der auf der anderen Seite mit allen Mittel gegen alle kämpft, die sich ihm widersetzen.

Diese Woche wollen wir uns mit der Verfolgung auseinandersetzen, die jedeR AntifaschistIn in Europa erfährt. Außerdem wollen wir die Strategien der Repression erörtern, die sich gegen alle richten, unabhängig davon, ob sie irgendeine Art von Aktion machen oder nicht.

Eine Liste all Verfahren aufzustellen, die gegen AntifaschistInnen angestrengt wurden, wäre unmöglich. Deshalb werden wir einige symbolische Fälle betonen, die – wie wir hoffen – die Gesamtsituation erhellen werden.

Beginnend auf Mallorca können wir eine Idee bekommen, wie sich Dynamiken immer wiederholen. In der Sylvesternacht wartet eine Gruppe AntifaschistInnen auf einen Bus, um nach Hause zu fahren. Ein Nazi beginnt sie zu beleidigen und bedroht sie mit einem Schraubenzieher. Nach einem verbalen Schlagabtausch greift der Nazi die Gruppe an und versucht mehrmals einen der GenossInnen zu verletzen. Sofort intervenieren die AntifaschistInnen mit der Hilfe einiger Menschen, die ebenfalls darauf warten, heim zu fahren, gegen den Nazi.

Nach 20 Tagen taucht die Polizei bei vier GenossInnen auf und verhaftet sie. Die Art und Weise, wie die Polizei, die Justiz und die Presse mit dem Ereignis umgehen, ist beschämend. Nachdem die Polizei erfolglos nach Waffen in den Wohnungen der GenossInnen gesucht hat, schlägt sie eine andere Richtung ein...
Anhand der gefundenen Flaggen und Materialien wird eine neue Anklage erhoben, die sie versuchen über die Propagandakanäle als glaubwürdig darzustellen. Die Antifas werden als Mitglieder einer Gruppe linker Hooligans dargestellt, die sich vorsätzlicher zufälliger Gewalt verschrieben hat.

Das ist nicht alles. Das würde noch nicht ausreichen. In der Wohnungen eines der Genossen findet die Polizei Beweise eines Briefwechsels zwischen ihm und politischen Gefangenen von ETA und GRAPO. Die Zeitschrift „Ultima Hora“ schreibt: „Wir können nicht behaupten, dass es eine Zusammenarbeit zwischen den vier Typen und den Mitgieder der bewaffneten Banden gibt. Aber wir haben klare Belege für die Unterstützung, die Solidarität und die Sympathie für die gleiche Art radikaler Ansichten.“
Nicht einmal der belegbare Fakt, dass der Naziprotagonist des Angriffs, Carlos “Charlie” Ordonez Ripoll, bereits mehrere Anzeigen wegen Rassenhass, Agressionen und Gewalt gegen ImmigrantInnen hatte, konnte die Anschuldigungen abwehren. Tatsächlich ist es so wie Gianluca Iannone, Präsident der faschistischen Organisation „Casa Pound Italia“ sagte: „Wer zuerst den anderen anzeigt, gewinnt den Prozess.“
Wir möchten noch einmal die Tatsache betonen, dass Mallorca der Schauplatz so vieler Naziagressionen gegen GenossInnen und ImmigrantInnen ist (Hakenkreuze, die mit Messern auf die Körper von 15jährigen geritzt werden, eine Aggression, aufgrund der ein Kolumbianer im Koma liegt und viel mehr), aber keiner der Täter wurde in irgendeiner Weise verfolgt. In der Zwischenzeit gehen Naziprovokationen und -gewalt auf den Balearen auf ganzer Linie weiter.
Wenn auch der spanische Faschismus seine Propaganda um die Erhebung der KastilierInnen über die anderen sprachlichen Minderheiten zentriert hat, so erklären auch heute noch extrem rechte Gruppen wie Espana 2000 oder Democracia Nacional die gemeinsame Sprache zur einem der Hauptkämpfe. Sie werden darin ohne Zögern durch die reaktionärsten Elemente der PPE unterstützt.

Aber folgen wir weiter dem Weg der Verfolgungen.

Dieses Mal wollen wir in Stuttgart Halt machen, wo am 19. April eine Anhörung im Prozess gegen sieben Antifaschisten stattfinden wird. Sie werden angeklagt, fünf Nazis der NPD während eines von der Partei organisierten „Fasnachtskonzerts“ in Sindelfingen bei Stuttgart angegriffen zu haben. Die Genossen wurden in ihren eigenen Autos in der Nacht des Angriffs verhaftet.

Einmal mehr möchten wir eine Nebenbemerkung machen. Im Jahre 2009 haben deutsche Nazis fast zwanzigtausend Verbrechen begangen; das ist die höchste Zahl seit 2001. So eine traurige Anzahl zeigt klar die Absicht der Merkel-Regierung, der extremen Rechten viel Aktionsfreiheit zu gewähren, und stattdessen antifaschistische Initiativen auf eine immer härte Art niederzuschlagen. Das wurde auch durch den Versuch sichtbar, eine Mobilisierung gegen die Nazidemonstration in Dresden am 13. Februar zu verhinden. Die deutschen AntifaschistInnen machten einen Demonstrationsaufruf für den Tag des Prozesses sowohl um gegen die Verfolgung der GenossInnen zu protestieren, als auch, um ihnen ihre volle Solidarität zu zeigen.

Schließlich kommen wir zu Italien.

Wieder einmal kommt der 24. März zurück, der Tag, an dem die Urteile gegen zwei AntifaschistInnen aus Verona, Luca und Pasquale, gesprochen werden. Sie werden bei zu acht Monaten verurteilt. Freiheit für Luca, nach vier Monaten Hausarrest, wegen der Aussetzung der Strafe; Pasquale hat weiterhin Hausarrest, er muss noch einige Monate im Haus aushalten. An beide geht unsere Solidarität.

Wir möchten versuchen, ihre Geschichte aus einer anderen Perspektive zu erzählen. Wir möchten versuchen, diese weitere Episode bourgeoiser Ungerechtigkeit zu durchdringen. Was für eine strategische Linie in der Unterdrückung von Kämpfen liegt, jenseits der speziellen Hartnäckigkeit gegen die AntifaschistInnen, deren Beispiele wir bisher aus ganz Europa aufgegriffen haben. Luca und Pasquale wurden am 17. November 2009 verhaftet. Sie werden beschuldigt, einen berüchtigten Faschisten aus Verona angegriffen zu haben. Der gleiche Typ, der eine medizinische Untersuchung verlangte und dann zu einem Urlaubstrip verschwand. Der gleiche Typ, der beide einige Jahre zuvor mit einem Messer verletzte, ohne dafür mit rechtlichen Konsequenzen rechnen zu müssen.

Die beiden Genossen wurden zuerst ins Gefängnis gesteckt, danach unter Hausarrest (Luca wie bereits erwähnt bis zum 24. März) unter Anwendung der präventiven Haft. Wir möchten die Betonung genau auf diesen Punkt legen, auf die willkürlichen Maßnahmen, die bereits vor dem endgültigen Urteil getroffen wurden – dem häufigsten Mittel diejenigen zu unterdrücken, die sich auflehnen. Das ist es, was GenossInnen präventive Konterrevolution genannt haben, die aus all jenen Entscheidung besteht, welche die für vorläufige Ermittlungen und Überwachung verantwortliche Justiz anordnet. Es ist der Umstand, dass es keine Unschuldsvermutung gibt und alle Beschränkungen angewandt werden. Es ist die Strategie, die aus der „Fortsetzung des Prozesses“ besteht, auf die wir uns oben bezogen haben.

Die Bourgeoisie verfeinert mehr und mehr die Werkzeuge in ihrem Besitz und wenn es einmal nicht möglich ist das zu benutzen, was durch das Strafgesetzbuch oder der öffentliche Ordnung (ganz zu schweigen von dem beschämenden Gesetz 41bis [Gesetz zur Verschärfung der Haftbedingungen von organisierten Verbrechern, Terroristen und vor Allem Mafia-Bossen] verstärkt durch das jüngste Sicherheitsgesetz) ermöglicht wird, werden die Instrumente der sogenannten „Prävention“ benutzt, die aus der Inhaftierung in Gefängnissen oder Warnungen sich an Demonstrationen zu beteiligen, bestehen – alle werden als sozial gefährlich gebrandmarkt, die Widerstand leisten und kämpfen. Und wenn all das nicht ausreicht, dann ist die Zeit gekommen für die faschistische Reaktion, unterstützt durch die Institutionen und dem ganzen Staatsapparat, vom Richter bis zum Lokalbullen, die alle GenossInnen kriminalisieren, die sich für eine revolutionäre Alternative engagieren. Die Provokationen werden kontinuierlich und erschöpfend.

Wir können das, was Luca und Pasquale passierte, als Beispiel verstehen. Während ihrer Zeit im Gefängnis mussten sie unter einer Reihe Provokationen leiden, die nicht nur gegen sie, sondern auch auf ihre Familien und Freunde gerichtet waren. Provokationen, wie die Aussetzung ihres Rechts auf Ausgehzeit oder der Verweigerung von Gesprächszeiten, die zuvor zugebilligt wurden. Wo auch immer das bourgeoise Gesetz nicht ausreicht, helfen seine treuen ErfüllungsgehilfInnen. Weil, wie schon immer, die Stadt durch die FaschistInnen ihr gewalttätigstes Gesicht zeigt und es dann ihr oberstes Ziel ist, jeglichen Widerspruch zu verstecken und all jene zu unterdrücken, die einen solchen Prozess grundlegend umsetzen.

Es ist leider sehr schwierig in diesem Punkt umfassend zu sein. Wir hoffen, wir werden besser in naher Zukunft; jedoch ist es uns wichtig, dass unsere Absicht, die generellen strategischen Elemente der Unterdrückung von Kämpfen aufzuzeigen, während wir tatsächlich die Ereignisse und Gerichtsprozesse gegen unsere GenossInnen nicht zu tief erörtern, klar hervortritt.

Wir behaupten nicht, dass der Staat faschistisch wird, aber dass es eine Strategie der dominanten Klasse der präventiven Unterdrückung gibt, die unabhängig davon angewandt wird, ob tatsächlich etwas passiert oder nicht.

Auch in diesem Fall wurde der Befehl bereits ausgeführt.

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