(Artikel aus der aktuellen Ausfabe) Lug und Trug um den neuen Hochsicheits-Gerichtssaal in Stadelheim - Herzlichen Glückwunsch, ihr werdet nach Strich und Faden verarscht! Der fertiggestellte Hochsicherheitsgerichtssaal im Knast Stadelheim, in dem gerade der Probebetrieb anläuft, und dessen aufwändige Konstruktion, die sich samt ihren explosions sicheren Decken und mit ihren gegen Hubschrauberausbrüche gewappneten, überall gespannten, Stahlseilen als anschlags- und fluchtsicher rühmt, wurde nicht nur, wie angekündigt, für Terroristen und Mafiosi errichtet, sondern auch für jeden einzelnen von euch!
Dienten Prozesse, wie der nun schon seit drei Jahren stattfindende NSU-Prozess, der sich nicht zuletzt durch seine regelmäßigen vom Knast zum Gericht rasenden Kolonnen schwer bewaffneter und vermummter Polizisten einiges an Aufmerksamkeit sicher sein kann, als Rechtfertigung für den Bau dieses Hochsicherheitsgerichtssaal, so kommt nun ans Licht, dass dieser Prozess und eigentlich die im Straf- und Justizzentrum arbeitenden Richter allgemein keine Lust haben nach Stadelheim zu pendeln. Ihr wisst schon, die schweren Akten und so... Nun, da der NSU-Prozess ja nun eigentlich der einzige in den letzten Jahren in München abgehaltene Prozess gegen waschechte „Terroristen“ ist, und die aufwändigen Gefangenentransporte anscheinend doch erträglicher als ein Umzug des Prozesses in die eigens für ihn erbauten Räumlichkeiten ist – wird nun der Millionen-teure Bau wieder abgerissen? Und wenn nicht, gegen welche Mafiosi und Terroristen wird dort verhandelt werden? Wer sind die Schwerkriminellen, die zu so viel bereit sind, dass uns nur ein Gerichtssaal im Knast und ein Glaskäfig im Gerichtsaal vor ihnen schützen kann – mit wem wird dort kurzer Prozess gemacht? Richtig geraten, werter Leser, womöglich jedem von uns. Da in München nun mal so gut wie nie „anti-terroristische Prozesse“ stattfinden, kann dort in Zukunft jedes Verbrechen verhandelt werden. Na, wenn man vom Teufel spricht... und er doch nicht kommt, kann man ja auch aus einem Raubüberfall, einem Drogendeal, ein paar Sprüherein oder gar einer Schlepperaffäre einen terroristischen, fast schon teuflischen Akt machen. Man muss kein durchgeknallter Nazi oder blutrünstiger Mafiapate sein um auf einer„antiterroristischen Glaskasten-Anklagebank“ zu landen – esreicht aus, das Potential dazu zu haben. Und das haben wir alle. Zumindest theoretisch. Die Angst vor dem allgegen- wärtigen Terror ist ja berechtigt und hat Gründe und überhaupt, vor irgendwas muss uns das Gesetz ja schließlich schützen, nicht wahr? Zum Beispiel vor dir. Wenn schon mal so einen Bombenstimmung in Europa herrscht, kann man ja auch schon mal mit Eierdieben für die zukünftigen Anti-Terror-Prozesse üben... die Terroristen werden schon kommen. Sie sind unter uns, genauso wie diejenigen, die Hubschrauberausbrüche planen. Überall... sie halten sich nur verdeckt. Und wenn jemand schon mal in so einem Glaskasten steckt, dann sieht er bestimmt auch ganz furchteinflößend aus... und das gibt uns dann wieder ein bisschen Gewissheit, wie nötig doch all die neuen Gerichtssäle und Knäste sind... genauso wie die Grenzzäune und Abschiebelager, wie die Vorratsdatenspeicherung und die tausenden neu-eingestellten Soldaten, samt ihrer neuen Waffen und ihren bestens ausgerüsteten Kollegen, den Polizisten und Grenzschützern, den Securities und Wärtern... denn schließlich schützen uns diese ja alle vor den Kriminellen, den illegalen Einwanderern und Terroristen, du weiß schon, den Bösen halt. Uns betrifft das ja alles nicht, es geht ja nur um die anderen. Wir – wir sind doch deutsche Staatsbürger, uns können die Grenzen doch nicht eingrenzen, und Polizisten können uns ja nichts anhaben, solange wir nichts verbrechen und uns ruhig verhalten. Und das Militär, das ist doch unser Militär, das soll doch uns schützen, vor dem Terror, vor dem Krieg woanders, ganz weit weg, und überhaupt ist das ganz was anderes, wir haben damit ja nichts zu tun, wir sind ja schließlich keine Terroristen... nicht wahr?
Absätze
Auch bei kurzen Artikeln sollte man Absätze einbauen.