Russland-Verbindungen der AfD – Achse der Vaterländer

Anhänger der Alternative für Deutschland setzten ihre Hoffnung auf Putin: Im Februar demonstrierten sie mit einem Schild in Erfurt gegen die Asylpolitik der Bundes- und Landesregierung.
Erstveröffentlicht: 
18.07.2016

Für die AfD wird Russland immer wichtiger. Mitglieder wie Markus Frohnmaier reisen nach Moskau und fordern ein Ende der Sanktionen. Doch nicht jedem in der Partei gefällt das.

 

An einem Dienstagnachmittag im Juni betritt Markus Frohnmaier, 25, ein junger Mann in Sneakers, Jeans und Pullover, einen russischen Supermarkt im Stuttgarter Norden. Zuerst tigert er zwischen Malosolnije-Gurken, Makrelen im eigenen Saft, Sprottenaufstrich und Bier Baltika hin und her. Dann verlangt er an der Fleischtheke den Geschäftsführer. Frohnmaier will über Wirtschaftssanktionen gegen Russland sprechen, jetzt.

 

Frohnmaier ist nicht irgendein Lokalpolitiker. Frohnmaier ist die junge Hoffnung der AfD, Russlandversteher, Russlandreisender. Überhaupt steht Frohnmaier für alles mit Russland in der AfD. Der Geschäftsführer kommt angeschlurft, ein maulfauler Russe, der nicht weiß, was man von ihm will. Frohnmaier: "Haben Sie Probleme mit den Wirtschaftssanktionen gegen Russland?" Geschäftsführer: "Nein." Dann ist das Gespräch zu Ende, Frohnmaier geht in Richtung Ausgang.

 

Auch wenn es hier im Mix Markt nicht so recht klappen mag: Die AfD sucht die Nähe zu Russland und kokettiert, provoziert und polarisiert mit allem, was russisch ist. Das Russland-Thema gehörte zur DNA der AfD seit Anbeginn. Aber je radikaler und greller die Partei wird, desto wichtiger wird auch das Thema Russland. AfD-Politiker besuchen die russische Botschaft in Berlin, reisen nach Moskau und auf die Krim, fordern das Ende der "polarisierenden" Russlandberichterstattung und das Ende der Sanktionen, treffen sich mit Vertretern der orthodoxen Kirche und umgarnen die deutsch-russische Community. Russland hat viele Anhänger in der AfD. Die Frage ist: Was bringt das der Partei?

 

Markus Frohnmaier hat für das Gespräch eine Shisha-Bar in Stuttgart vorgeschlagen, er bestellt Cappuccino und eine Wasserpfeife, Geschmacksrichtung Blueberry Minze. Er war gerade in Moskau, seine Freundin besuchen, eine russische Staatsbürgerin. Er sagt: "Wir können viel von den Russen lernen, zum Beispiel von ihrem Traditionsbewusstsein oder ihrer Wertschätzung der Familie."

 

Russlandfreunde gibt es viele in der Partei: AfD-Vize Alexander Gauland zum Beispiel, Georg Pazderski, Berliner Landesvorsitzender, oder Andreas Kalbitz, stellvertretender Fraktionsvorsitzender im brandenburgischen Landtag. Aber niemand ist so umtriebig und vernetzt wie Markus Frohnmaier, die vielleicht zentrale Figur für AfD-Verbindungen nach Russland und Osteuropa. Er sammelt Adressen und Kontakte, besucht Konferenzen. Im Flugzeug in Richtung Osten sitzt er fast so häufig wie in der Uni-Bibliothek in Tübingen, Frohnmaier studiert dort noch Jura.

 

Zur Konferenz "Neue Anführer für ein neues Europa" kommt Frohnmaier nach Belgrad

 

April 2014: Frohnmaier besucht Belgrad, Titel der Konferenz: "Neue Anführer für ein neues Europa", zu der Miroslav Parović eingeladen hat, Präsident der religiös-nationalistischen serbischen Partei "Drittes Serbien". Im Oktober ist Frohnmaier gleich wieder für eine Konferenz in Belgrad. Im Oktober fliegt er auch zum ersten Mal nach Russland.

 

In diesem Takt geht es weiter. März 2015: Frohnmaier besucht eine Konferenz in Paris, an der auch der Putin-Vertraute Wladimir Jakunin teilnimmt. Oktober 2015: Frohnmaier reist nach St. Petersburg, Gauland und Kalbitz sind auch dabei, eine kleine AfD-Delegation, die sich mit Duma-Abgeordneten trifft und mit Alexander Dugin spricht, dem umstrittenen Kreml-Ideologen. Ende 2015: Georg Pazderski besucht die russische Botschaft. April 2016: Markus Pretzell, der AfD-Chef von NRW, reist auf die russisch besetzte Krim, Frohnmaier ist dabei. Der ukrainische Botschafter in Deutschland tobt.

 

Und schließlich, vorläufiger Höhepunkt, 20. April 2016: Frohnmaier bespricht sich in Berlin mit Robert Schlegel, Duma-Abgeordneter und Mitglied der Kreml-Partei Einiges Russland, der Putin-Partei. Schlegel soll Frohnmaier helfen, Putins Nachwuchsorganisation "Junge Garde" kennenzulernen.

 

Frohnmaier redet offen über seine Russlandverbindung. Er arbeite an einem "Europa der Vaterländer", und da gehöre Russland eben dazu. Kritik formuliert er höchstens indirekt: "Dass Russland nicht deutschen Vorstellungen von Liberalität und Demokratie entspricht, ist zwar bedauerlich, aber wir sollten nicht so tun, als handele es sich um eine totalitäre Diktatur."

 

Ideologisch sind sich die pro-russischen AfD-ler mit Russland einig, dass Amerika zu viel Einfluss hat, die Macht von Brüssel beschnitten werden muss und Sanktionen Mist sind. Russische Werte wie Patriotismus und Familie sind auch die Werte der AfD, wie es Péter Kréko analysiert, Präsident von "Political Capital Institute", einem Budapester Thinktank. In der AfD redet man die eigene Russlandnähe oft mit der Russlandferne der anderen klein: "Wissen Sie, ich habe das Gefühl, dass die Deutschen unglücklich sind, dass Russland politisch ignoriert wird", sagt Pazderski, Landesvorsitzender der AfD in Berlin.

 

Man kann natürlich auch der Meinung sein, dass gute Kontakte nach Russland weder außergewöhnlich noch besorgniserregend sind. AfD-Vize Alexander Gauland sagt: "Russland ist einer unserer großen europäischen Nachbarn, uns ist es immer gutgegangen, wenn das Verhältnis intakt war." Die russische Botschaft lässt nach mehreren Anfragen mitteilen, man pflege mit verschiedenen Parteien und politischen Institutionen Beziehungen, Grundlage sei das Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen. Aber die AfD hält nicht einfach nur guten Kontakt zu Russland. Mit dem Russland-Thema will die AfD auch an die Macht.

 

Markus Frohnmaier erzählt in Stuttgart, wie er durch die Erfolge der FPÖ auf Russland aufmerksam wurde. Er sagt: "Die FPÖ hat in Österreich sehr erfolgreich Minderheiten-Politik mit Serbischstämmigen betrieben, das war mein Vorbild." Wenn AfD-Politiker also nach Russland fliegen, Frohnmaier und Pretzell auf die Krim reisen und Pazderski die russische Botschaft besucht, haben sie es auch auf neue Wählergruppen abgesehen. Frohnmaier tritt bei seinen Wochenendbesuchen bei der russischen Freundin immer wieder im Fernsehen auf. Das sensibilisiere auch die Zuschauer in Deutschland für die Themen der AfD, sagt Frohnmaier.

 

Es ist ein Spiel über die Bande, Russlanddeutsche gibt es 2,5 Millionen. Und bei denen läuft im Fernsehen nicht unbedingt nur ARD. In Hochburgen wie Villingen-Schwenningen, Frohnmaiers Wahlkreis, wählten mehr als 40 Prozent bei der Landtagswahl die AfD. Der Koblenzer AfD-Politiker Aleksandr Lejbo gründete sogar ein Netzwerk für Russlanddeutsche.

 

Aus denselben Gründen lud Frohnmaier im Dezember 2015 auch Vertreter der serbisch-orthodoxen Kirche nach Stuttgart, er nennt es seine "kleine Synode". Geladene Gäste: mehrere orthodoxe Geistliche, unter anderem der serbisch-orthodoxe Bischof von Deutschland, Sergije Karanović, eine Delegation des Dritten Serbiens und drei AfD-Politiker aus Baden-Württemberg. Frohnmaier stellte im Anschluss an seine "Synode" mehrere Bilder online. Sie alle trugen die Botschaft: Orthodoxe Gläubige, die AfD ist mit euch. Der evangelische Frohnmaier trägt auch häufig ein Brojanica am Handgelenk, eine orthodoxe Gebetskette. Auf Bildern für die russische Community in Deutschland hält er auffallend demonstrativ die Kette in die Kamera. Auch der FPÖ-Chef macht das so.

 

Frohnmaier ist seit seinem verpassten Einzug in den baden-württembergischen Landtag Sprecher von Frauke Petry, von der er erzählt, sie schätze sein Russland-Engagement. Der pro-russische Kurs scheint also jetzt Chefsache zu sein. Immerhin war auch Petrys Lebensgefährte Marcus Pretzell, NRW-Landesvorsitzender der AfD, mit auf der Krim, auf dem "Yalta International Economic Forum".

 

Die Frage ist aber auch: Was hat eigentlich Russland von dem Ganzen? "Russland lacht sich in Fäustchen", sagt Florian Hartleb, ein in Tallinn forschender Politologe, der sich intensiv mit der Bewunderung der europäischen Populisten für Putin auseinandersetzt. AfD-Auftritte in der Ostukraine und auf der Krim legitimierten auch die russische Annexionspolitik, sagt er.

 

Gleichzeitig bringt die Nähe zu Russland der EU-kritischen AfD viel Aufmerksamkeit, wovon wieder Russland etwas hätte, das lieber ein schwaches als ein starkes Europa haben will - so die Analyse mehrerer Beobachter. Frohnmaier sagt dazu in Stuttgart: "Solange ich sehe, dass wir mit dieser Politik eigene Interessen bedienen, habe ich kein Problem damit."

 

Eine Frage treibt die Kritiker um: Erhält die AfD vielleicht Geld aus Russland?

 

Probleme gibt es aber trotzdem. Es rumort in der Partei, es gärt. "Putin ist eine nicht unumstrittene Figur, die sicherlich auch provoziert. Gerade deshalb muss man vorsichtig mit ihm umgehen", sagt Alice Weidel aus dem AfD-Bundesvorstand, eine noch zurückhaltende Kritikerin. Andere AfD-Politiker, die nicht mit Namen genannt werden wollen, nennen die Russland-Reisen "Blödsinn", Gauland einen alten Mann und Frohnmaier einen Wichtigtuer. Kritiker nennen es: die russische Karte spielen - mit Russland Karriere machen in der AfD. Frohnmaier will es nächstes Jahr in den Bundestag schaffen. Einer sagt: "Wenn's zu bunt wird, muss sich dieser Flügel wohl abspalten."

 

Vor allem eine Frage treibt Russland-Kritiker innerhalb wie außerhalb der Partei um: Bekommt die AfD über verschlungene Pfade Geld aus Russland? Eine Frage, auf die AfD-Schatzmeister Klaus Fohrmann genervt reagiert: "Es gibt definitiv keine russischen Spenden an die AfD", sagt er. Die einzige dubiose Spende, ein hoher Betrag, der nicht zugeordnet werden konnte und deshalb zurücküberwiesen werden musste, sei aus Westeuropa gekommen.

 

Ende September, Anfang Oktober steht eine AfD-Russland-Konferenz in Potsdam an. "Eine Wirtschaftskonferenz", sagt Andreas Kalbitz, stellvertretender AfD-Fraktionsvorsitzender im brandenburgischen Landtag. Es werde um die Sanktionen gegen Russland gehen. Wer genau kommen wird, muss Kalbitz noch sehen. "Gazprom wird's aber nicht sein."

 

Zwei Wochen nach dem Gespräch in Stuttgart ist Frohnmaier wieder in Russland und trifft Vertreter der Gesamtrussischen Nationalen Front in Moskau, einer Organisation von Putins Partei Einiges Russland, auch Volksfront für Russland genannt. Thema des Treffens: die Wirtschaftssanktionen. Auf einem Bild steht er mit Sakko und hochgekrempelten Ärmeln in einer Gruppe von Russen. Frohnmaier lächelt. Er knüpft weiter an seinem Netz "europäischer Vaterländer". Das Netz wird immer engmaschiger - und ein wichtiger Knoten liegt in Moskau.

Zeige Kommentare: ausgeklappt | moderiert

Markus Frohnmaier (...) war gerade in Moskau, seine Freundin besuchen, eine russische Staatsbürgerin.

 

Markus Frohnmaier und Lebensgefährtin

 

Markus Frohnmaier (AFD/JA) und seine aktuelle Lebensgefährtin, ebenfalls AFD/JA, 2016

Russische Nationalistin mit guten Kontakten zur AfD.