[Jena] Ein Kommentar zur "kleinen Anfrage" der AfD und der Antwort des Thüringer Landtags

AFD failed

WIR SIND SO RADIKAL WIE DIE VERHÄLTNISSE.

Ein Kommentar zur "Kleinen Anfrage" der AFD und der Antwort des Thüringer Landtags

Am 28. Januar 2016 erhielt das Thüringer Ministerium für Inneres und Kommunales eine kleine Anfrage des Abgeordneten der Alternative für Deutschland (AfD) Stephan Brandner. In dieser will er wissen, welche Organisationen an Protesten gegen die AfD teilnahmen und welche nach Auffassung der Landesregierung linksextrem, linksradikal oder davon beeinflusst sindi. Das Innenministerium nahm diese Anfrage wohlwollend auf und stufte neben anderen antifaschistischen Zusammenhängen aus Thüringen auch PEKARI prompt als "linksextrem" ein. Wir könnten jetzt „so what?“ denken und einfach das weitermachen, was wir für richtig und zurzeit für notwendiger denn je halten: Antifaschistische Praxis und Organisierung auf verschiedenen Ebenen und mit unterschiedlichen Mitteln vorantreiben. Aber so ganz unkommentiert wollen wir die Geschichte dann doch nicht stehen lassen.

 

Hinter der Anfrage von Brandner steht schließlich mehr, als nur ein bisschen Neugier einzelner Landtagsabgeordneter. Es ist kein bloßes Ausschnuppern der Szene, sondern Teil eines umfassenden Versuches von Seiten der AfD antifaschistischen Protest in Thüringen zu spalten, zu diffamieren und zu kriminalisieren. Zivilgesellschaftliches Anti-Nazi-Engagement soll fein säuberlich von anderen Formen des gesellschaftlichen Antifaschismus getrennt werden. Ein billiger und gefährlicher Delegitimierungsversuch, der darauf abzielt uns und andere unliebsame Gegner*innenii aus dem gesellschaftlichem Diskurs zu kicken. Und es geht weiter: Schon drei Monate später am 26.04.2016 reichte Stephan Brandner eine weitere kleine Anfrage beim Innenministerium für Inneres und Kommunales einiii. Diese richtete sich mit der gezielten Nachfrage nach einer Beobachtung durch den Verfassungschutz gegen das zivilgesellschaftliche „Aktionsnetzwerk gegen Rechts - Jena (ANW)“. Auch diese war sicher nicht die Letzte.

 

Die Brandstifter*innen in Nadelstreifen fühlen sich im Thüringer Landtag offensichtlich pudelwohl und wollen es nun allen, die sie als parlamentarische Speerspitze einer neuen völkischen Koalition bekämpfen, unbequem machen. Diesen Spieß gilt es umzudrehen und mit einem entschlossenen gesellschaftlichen Antifaschismus zu beantworten.

 

Linksextremiv – So what?


Zunächst ein paar Sätze zu unserm neuen Label „linksextrem“. Die Kategorisierung ist ein alter Hutdes bürgerlichen Rechtsstaates und seit jeher ein Versuch, linke und emanzipatorische Positionen zu delegitimieren. Es wird eine vermeintlich „neutrale Mitte“ konstruiert, die es vor extremistischen Auswüchsen auf beiden Seiten zu schützen gelte. Links- und Rechtsextremismus werden in einen Topf geworfen und gleichgesetzt. Der irreführende Extremismus-Diskurs ist wie ein Schutzpanzer fü den Status-Quo gegen seine grundlegende Kritik und verschleiert seine Gewaltförmigkeit und den rassistischen und sexistischen Normalzustand. Durch dieses sogenannte Hufeisenmodell werden emanzipatorische, aber auch rechte Kräfte von der „neutralen Mitte“ entfernt, sodass ein gesellschaftliches Bild der politischen Lager entsteht und nicht eine Situation, die alle angeht und auf die Straße treiben sollte. Aber diese Verhältnisse, jener vermeintliche und unveränderliche Alltag unserer Gesellschaft, der sich für eine große Anzahl von Menschen extrem falsch anfühlt, erfordert eine radikale Infragestellung und entschiedene Mittel, um seine Falschheit aufzuzeigen. Radikalität wo Radikalität benötigt wird! Rassismus, Sexismus, Klassismus und weitere Diskriminierungen müssen angeprangert werden. Das Partei-Programm der AfD ist zu diesem Normalzustand keine „Alternative“, sondern eine Zuspitzung von Diskriminierungen und zurzeit vor allem rassistische Propaganda im Mantel des Parlamentarismus.

 

Linke Politik heißt für uns: Immer wieder deutlich zu machen, wie sehr uns der Kapitalismus und seine Fans auf den Senkel gehen und gemeinsam und entschlossen gegen Rassismus, Sexismus, Antisemitismus und Faschismus vorzugehen - egal, ob auf der Straße oder in den Parlamenten, in der Uni oder im Alltag, Zuhause, auf der Arbeit oder bei der Party. Also: radikale linke Politik und antifaschistische Praxis sind nicht extremistisch, sondern extrem wichtig!

 

AfD & Völkischer Mob sind keine Alternativen!


Wir werden uns deshalb weiter gegen eine menschenverachtende Politik, rassistische und sexistische Hetze, wie sie die Möchtegern-Alternative verbreitet, zur Wehr setzen. Die AfD ist keine harmlose Partei von Protestwähler*innen, sondern ein gefährliches rechtes Projekt und vereint in ihrem Programm viele Stränge reaktionären Gedankenguts. Ein kurzer Einblick:

 

Die AfD steht für eine abendländische, christliche Kultur ein. Sie will ein souveränes Deutschland als Nationalstaat mit einer historisch-kulturellen Identität des deutschen Volkes erreichen. Das Kernstück ist die patriarchale Kleinfamilie, die sie durch ihre "Deutschland für Deutsche" Familienpolitik formen will. Die AfD beschwört ein Szenario der Bedrohung herauf, eine vermeintliche Sorge um die deutsche Leitkultur, um deutsche Frauen, den deutschen Wirtschaftserfolg und was sonst noch alles an nationalstaatlichen ekelhaft patriotischen Bedrohungen herbei phantasiert werden kann. Diese werden in den Kontext von Migration und Zuwachs von Geflüchteten gesetzt und ein Zusammenhang wird je nach passendem Szenario herbei konstruiert. Die so einfache Problemdiagnose der AfD schlussfolgert - schuldig sind die anderen, die Nicht-Deutschen und ein bevorzugter Gegner ist dabei „der“ Islam. Der ideologische Hintergrund ist die Vorstellung, dass nur ethnisch homogene Gesellschaften stabil sind. Die deutsche Identitätspolitik ist der Kern der AfD und die Migration wird als Angriff auf diese gewertet. Nicht nur gegen Menschen anderer sozialer Herkunft oder anderer Glaubensrichtungen richtet sich die AfD, sondern auch gegen alle Lebensentwürfe die ihrem konservativen Familienbild widersprechen.

 

Neben dem Islam ist die "Gender-Ideologie" zentrales Feindbild der AfD. So unterstützt diese, in Personalunion von Beatrix von Storch, die Bewegung der "besorgten Eltern" oder die fundamental christlichen Abtreibungsgegner*innen der „1000 Kreuze Märsche“. Auch auf universitärer Ebene wird die Wissenschaft der "Gender Studies" hart verurteilt und Forderungen nach dem Entzug finanzieller Mittel sind im Parteiprogramm verankert. Die Erfolge der Alternative für Deutschland begründen sich auf einer rechtspopulistischen ethnisch-völkischen Gegenüberstellung von "wir hier unten" ("wir sind das Volk") und "denen da oben" (Politik, "Lügenpresse" usw.). Die AfD versteht sich als grundlegende Alternative für die schweigende Mehrheit. Der Teil der Bevölkerung, der nicht schweigen will, der soll dazu gebracht werden - nicht mit uns!

 

Muster der Repression und Einschüchterung


Die kleinen Anfragen der AfD sind nur weitere Akte der Einschüchterung von rechts, wie wir sie in ganz Deutschland sehen und zu spüren bekommen. Sie versucht sich als bürgerliche Partei zu etablieren und antifaschistische, antirassistische und antisexistische Praxis zu delegitimieren. Hier ist ein klares Muster erkennbar: Sie nutzt die erschreckend hohen Wähler*innenstimmen der letzten Landtagswahlen und richtet sich heimisch in ihrem Image als vermeintlich bürgernahe Partei ein, die jetzt auch noch die Vorzüge der Demokratie ausnutzen kann (und darf). Die gewonnenen Bequemlichkeiten, als im Landtag vertretene Partei, eröffnen neue Möglichkeiten der Schikane gegen unerwünschte Stimmen in der Gesellschaft. Beispiele hierfür sind nicht nur die Kriminalisierung der Anti-AfD Proteste in Stuttgart am Wochenende des 1. Mai 2016, sondern auch die Ende Januar quasi hermetisch abgeriegelte Innenstadt Jenas, um den Aufzug der geistigen Brandstifter*innen der AfD gewährleisten zu können. In Stuttgart wurde uns ein weiteres Mal gezeigt, dass Staat und Polizei die Wegbereiter*innen für einen völkischen Nationalismus sind. Wenn Hunderte Antifaschist*innen über Stunden in Turnhallen ohne Essen, Trinken und Toiletten schikaniert werden, bleibt Antifaschismus Handarbeit!

 

Eine so bereitwillig erfolgte Antwort der Thüringer Landesregierung auf die Anfrage der AfD ist nicht nur ein Zeichen für die Verkennung der Bedrohungen, die von ihr ausgehen, sondern auch eine klare Abgrenzung der politischen Parteien von linken Bewegungen und zivilgesellschaftlichem Handeln. Informationen, die solch eine Anfrage hergibt, sind eine Gefahr für antifaschistisches Engagement, dies hat die Vergangenheit zur Genüge gezeigt. Die Weitergabe von Ermittlungsakten oder die Verkennung der Bedrohung durch den NSU durch das Thüringische Innenministerium sind nur Symptome für ein und dasselbe Problem - die Blindheit auf dem rechten Auge (z.B. durch die Behinderung der Ermittlung gegen den NSUv und Weitergabe der Namen von Antifaschist*innen an die NPD Erfurt, die an Übergriffen auf ein Lokal beteiligt gewesen sein sollenvi). Ob noch von Blindheit oder aktivem Wegschauen gesprochen werden kann, ist nach den Reaktionen von Politik und Polizei der letzten Wochen und Monaten klar beantwortet (wir erinnern an: Stuttgart, Plauen, Jena usw.). Es darf nicht übersehen werden, dass die AfD mit ihren Einzügen in die parlamentarische Politik maßgeblich Mitbestimmung erhält und schon jetzt klar erkennbar ist, wen die zunehmende Repression am ehesten trifft. Die Reaktionen der restlichen großen Parteien wie SPD und CDU sind Teil des Problems. Anstatt sich von der AfD und deren Forderungen abzugrenzen, sie politisch zu bekämpfen, laufen sie wie ein Esel der Möhre hinterher. Wie Angela Merkel es neulich bezeichnend formulierte, die CDU müsse wieder konservativer werden, um nicht noch mehr Wähler*innenstimmen an die AfD zu verlieren. Ist das also die Lösung der Regierung? Linke emanzipatorische Kräfte schwächen, zum Schweigen zu bringen und sich immer weiter der AfD anzugleichen?

 

Wir wissen, dass unsere Politik ein Dorn im Auge all derer ist, die diese gewalttätigen und traurigen Verhältnisse verwalten und natürlich auch derer, die ihren kapitalistischen, sexistischen und rassistischen Kern weiter zu spitzen wollen. Dafür brauchen wir keine AfD-Anfragen und auch keinen thüringischen Staat, der uns in die "linksextremistische" Schublade steckt. Dieser Einschüchterungsversuch ist fehlgeschlagen: Wir machen weiter! Wo Verhältnisse extreme Bedingungen für Menschen zur Realität machen, braucht es auch eine entsprechende Positionierung dagegen. Die lassen wir uns, durch eure Versuche, linke Kämpfe zu delegitimieren und zu spalten, bestimmt nicht nehmen.

 

Wir bleiben so radikal wie die Verhältnisse.

AUF DIE STRAßE GEGEN DIE AFD UND IHRE FANS - FÜR EINEN GESELLSCHAFTLICHEN ANTIFASCHISMUS!

 

PEKARI - Linke Basisgruppe, Mai 2016

pekari.blogsport.de


ii Wir legen Wert auf eine geschlechtergerechte Schreibweise. Für uns ist Geschlecht keine rein biologische Determinante, sondern ein soziales Konstrukt (gender), das Personen durch Sozialisation ein bestimmtes Rollenbild vermittelt. Wir möchten mit der Schreibweise des Gender-Sternchen weiblich als auch männlich sozialisierte Personen, aber auch alle Personen, die sich nicht in diesen Kategorien verorten möchten, ansprechen. Der Sternchen zwischen der männlichen und der weiblichen Form eines Wortes erweitert die Schreibweise des Binnen-I um all jene, die sich nicht in den Kategorien Mann/Frau verorten wollen.

iv Distanzierung von Extremismustheorie/Hufeisenmodell: Wenn im Folgenden von "extrem" oder "extremistisch" die Rede ist, ist das nicht unsere eigene Einkategorisierung. Wir teilen die Kritik am Extremismusbegriff wie sie bspw. Hier: http://www.avanti-projekt.de/sites/default/files/extremismusbroschuere-o... nachgelesen werden kann. Die Gleichsetzung linker und rechter Kräfte in Abgrenzung zur "neutralen" Mitte, ist nicht nur vereinfachend, sondern verschleiert auch bspw. rassistisches und sexistisches Verhalten der "Mitte" und verschiebt dieses auf die beiden herbeikonstruierten Pole.

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Es ist erstaunlich, wie ihr geflissentlich an den politischen Verhältnissen in Thüringen vorbeischreibt, Wer ist denn verantwortlich für Polizeieinsätze und Auskünfte an Rechte in eurem Bundesland, warum wird das nicht thematisiert, woran liegts.

eure Kritik an der AfD hat einen Mangel: sämtliche -ismen sind von ihr natürlich abgedeckt, aber sehr wichtig finde ich auch, dass sie eine neoliberale Kraft ist. Statt Hartz IV, das sie sofort senken wollen würden, gibt es dann aber einen "Bürgerdienst" (ich verwende mal das Wort Zwangsarbeit), die Gewerbesteuer soll abgeschafft werden, ein 20-25% Steuern für alle eingeführt werden (man weiß ja, wer davon profitiert) und der mickrige Mindestlohn abgeschafft werden. Ich glaube, es ist sehr wichtig, das heraus zu stellen. Viele prekär lebende Menschen wollen ja glauben, dass der völlige Rückzug auf den Nationalstaat eine Lösung für sie wäre. Dass das völliger nonsens ist, zeigt ja wirklich allein dieses Parteiprogramm - bürgerliche Ideologie mit krass rechtem Anstrich - nichts anderes ist die AfD!

Ich denke die Ost-AfD wird erkennen, dass sie auf den Pöbel-Mob angewiesen ist. Und da reicht es am Anfang einen guten Grund für die prekäre Situation zu präsentieren (teure Flüchtlinge, US-Kapital, Russlandsanktionen, GEZ-Gebühren,...). Eine echte Lösung müssen die ja erst haben wenn sie regieren, und spätestens da stehen sie dann vor dem Problem eines jeden Populisten. Und im Moment ist die AfD auch noch im Findungsprozess. Da gibt es innerhalb der AfD einen großen Graben zwischen dem neoliberalem Flügel (eher im Westen) und dem völkisch-nationalem Flügel (eher im Osten). Und im Detail sind es noch mehr "Interessengruppen" innerhalb der einzelnen Flügel.

Die Leute in Thüringen und den anderen ostdeutschen Bundesländern sollten sich mal eher damit auseinandersetzen was ein AfD-Innenminister für mögliche Konsequenzen hätte. Da gibt´s dann keine Anfragen mehr, sondern den kurzen Dienstweg...