Die Kommentare zu unserem – als Antwort auf den „Plan A“-Text von Thomas Seibert vom 10./13.12. angelegten – „Dilemma“-Papier vom 21.12. (linksunten.indymedia, scharf-links, Ema.Li und Linke Zeitung) beziehen sich vor allem auf zwei mit einander zusammenhängende Themen: Den Klassenbegriff und die Frage des bzw. der revolutionären Subjekte –, und wir empfinden damit einen wichtigen Aspekt unseres Artikels als kritisch gewürdigt.
Kulturalistischer Proletkult und subjektivistischer Voluntarismus – zwei Formen des Abschiedes von materialistischer Gesellschaftsanalyse als Grundlage revolutionärer Praxis
Wir möchten die Kommentare zu unserem Text hier nutzen, um eine doppelte Unterscheidung zu treffen. Wir möchten unsere Position nämlich
sowohl von einem Subjektivismus und Idealismus, der da meint, der Vorstandsvorsitzende von Daimler-Benz könne genauso gut bzw. leicht Kommunist werden, wie
– die Bandarbeiterinnen in den Werkhallen von Daimler (falls es denn bei Daimler überhaupt noch Fließbänder gibt)
oder
– auch die Ingenieure oder auch Ingenieurinnen (die zusätzlich zu ihrem Lohneinkommen nicht noch ein Vermögen in Millionen-Höhe [1] besitzen, von dessen Ausschüttungen, sie auch ohne Lohnarbeit leben könnten) in den Planungsabteilungen des Daimler-Benz-Konzernes
KommunistInnen werden können,
als auch einem Proletkult, der statt von einem marxistischen von einem soziologisch-kulturalistischen Klassenbegriff ausgeht: „Unsere Klasse“ sind dann nicht alle Lohnabhängigen, sondern ausschließlich die handarbeitenden Lohnabhängigen mit schlechter Schulbildung und besonders schlechter Bezahlung.
a) Die subjektivistische Position scheint uns in dem Kommentar von Montag, den 21.12.2015 (18:37 h) bei inksunten.indymedia artikuliert zu werden. Unter der Kommentar-Überschrift „bitte keine 0/1-Logiken“ wird dort zunächst der Kritik an der essentialistisch-geschichtsdeterministischen Auffassung, „...die Lohnabhängigen sind schon ‚das revolutionäre Subjekt’, das den Kapitalismus – früher oder später – abschaffen wird...“, zugestimmt.
Anschließend wird sich aber darüber hinausgehend auch gegen die Auffassung gewandt, dass „Lohnabhängige als Gruppe auch bei guten Gehältern leiden würden und Sehnsucht nach Veränderung haben...“ [2] . Unseres Erachtens handelt es sich dabei um eine Antwort auf eine schlecht gestellte (formulierte) Frage.
Die Frage ist nämlich unseres Erachtens – jedenfalls zunächst einmal – nicht, ob sie
++ leiden,
++ widerständig
++ oder glücklich
sind (was ja alles nur – unterschiedliche – subjektive Verarbeitungsformen eines objektiven Zustandes sind), sondern ob sie zur beherrschten und ausgebeuteten Klasse der Lohnabhängigen gehören – und Letzteres tun sie (sie gehören dazu), da sie ihre Arbeitskraft als Ware gegen Lohn tauschen.
Das Spezifische der kapitalistische Produktionsweise ist nämlich nicht die Existenz von Privateigentum (auch nicht – genauer –: von Privateigentum an Produktionsmitteln) und auch nicht die Existenz von Waren und Warentausch. Denn Privateigentum an Produktionsmitteln und Warenförmigkeit von Gütern (Produkten) war – wenn auch der Warentausch nur als untergeordnete Form – auch schon in Gesellschaftsformationen, in denen die kapitalistische Produktionsweise noch nicht herrschte, zu finden.
Das Spezifische der kapitalistischen Produktionsweise ist vielmehr die Ausweitung (Erstreckung) der Warenform auch auf die Arbeitskraft. Arbeit wurde in vor-kapitalistischen Gesellschaften nämlich entweder als Subsistenzproduktion oder als unfreie Arbeit (Sklaverei, Fronarbeit, …) sowie von selbständigen Handwerkern [3] verrichtet, deren Gesellen keine freien Lohnarbeiter waren, sondern dem Regime der Zunftordnungen und einem reichsgesetzlichen Koalitionsverbot unterlagen, verrichtet. Die Arbeitskraft war noch keine Ware, die auf einem Arbeitsmarkt gegen Lohn getauscht werden konnte; die gesellschaftliche Form „Lohnarbeit“ war noch nicht ‚erfunden’ (entwickelt).
Die Zugehörigkeit zur Klasse der LohnarbeiterInnen ist in diesem Sinne (zunächst einmal nur) eine sozial-ökonomische Tatsache ist, die keine Auskunft darüber gibt, wie eine objektive (soziale) Lage subjektiv verarbeitet wird (das Gleiche gilt für die Zugehörigkeit zu einem bestimmten „Geschlecht“ oder einer bestimmten „Rasse“. [Diesem Satz stimme ich nur bedingt zu. [4] Anm. v. systemcrash]).
Verallgemeinert gesagt: Aus einer sozialen Lage ergeben sich nicht automatisch politische Rückschlüsse. Die Bestimmung des Bewusstseins durch das Sein ist keine direkt deterministische, sondern eine indirekte; und zwar vermittelt durch die theoretische Reflexion (oder aber das „spontane“, ideologische Bewusstsein [5]), die das Objektive auf den Begriff bringt (oder aber im anderen – nur allzu häufigen – Fall: verfehlt). Erst aus der begrifflichen Analyse (aus dem Begriffenhaben) ergeben sich die strategischen Konsequenzen. [6]
Trotzdem spielt die objektive Lage eine Rolle – und zwar nicht nur für die Analyse, dessen was ist, sondern auch im Hinblick auf die eventuelle Herausbildung eines Interesses, an der Lage etwas zu ändern (oder nicht): Sicherlich können auch KapitalistInnen (Weiße, Schwarze, ...)
aus gänzlich altruistischen Motiven
oder
weil im kapitalistischen Konkurrenzkampf zu bestehen, nicht nur auf Seiten der Lohnabhängigen, sondern auch auf der kapitalistischen Seite nicht immer nur ein Zuckerschlecken ist (und auch patriarchale und rassistische ‚Rollen’erwartungen an Männer und Weiße nicht immer und überall ausschließlich angenehm sind)
privat (durch Verschenken des Vermögens; individuelle Verhaltensänderung [soweit durch persönliche ‚Entscheidung’ möglich] [7]; …) und durch politische Organisierung / politisches Verhalten mit ihrer vorherigen sozialen Lage brechen.
Aber dies ändert nichts daran, dass Herrschen und Ausbeuten grosso modo ein bequemeres/vorteilhafteres Leben bedeutet als beherrscht und ausgebeutet zu werden. Und: Auch wenn eine ausgebeutete und beherrschte gesellschaftliche Lage keineswegs eine Garantie für oppositionelles Verhalten ist, so ist es doch typischerweise so, dass herrschende und ausbeutende gesellschaftliche Schichten die bestehenden gesellschaftlichen Verhältnisse und ihre Stellung darin bis hin zum Einsatz von Gewalt zu verteidigen pflegen, während es – wenn überhaupt in größerer Zahl – dann Angehörige der beherrschten und ausgebeuteten Schichten sind, die – in der einen oder anderen Weise – unzufrieden mit ihrer Lage sind.
„In der einen oder anderen Weise unzufrieden mit ihrer Lage sind“ kann dabei die Spannbreite von
individueller, unsolidarischer Aufstiegsaspiration
Schielen auf Belohnung für Wohlverhalten (mal durchaus gegenüber den Herrschenden und Ausbeutenden; mal durchaus gegenüber erfolgreichem Widerstand)
kollektive Bestrebungen zur Verbesserung innerhalb der bestehenden Verhältnisse
bis hin zu Umwälzung dieser Verhältnisse
annehmen.
b) Ein soziologisch-kulturalistischer Klassenbegriff wird dagegen in den Kommentaren von Montag, den 21.12.2015 (17:48 h mit der Überschrift „Das Problem der Linken...“ und Dienstag, den 22.12.2015 (12:50 h mit der Überschrift „Du sprichst mir aus der Seele“) deutlich.
aa) In dem ersten Kommentar heißt es u.a.:
„seit '68ff. sind nicht mehr Arbeiter*innen die soziale Basis der Linken, sondern das (junge) Bürgertum. Das latente Unbehagen, das das studierende Bürgersöhnchen verspürt, weil er ganz begeistert im Marx-Lesekreis sitzt und dadurch natürlich weiß, dass es Papis Mercedes und Mamas Zweitwagen eigentlich an den Kragen gehen müsste“.
Diese pseudo-proletarische Polemik übersieht zweierlei:
Zum Einen: Mittlerweile beträgt die Studierendenquote in der BRD 56 %, während sie noch 1950 bei nur 5 %, noch in der ersten Hälfte der 1980er Jahre bei unter 25 % und im Jahr 2000 bei gut 33 % lag (https://de.wikipedia.org/wiki/Abiturientenquote_und_Studienanf%C3%A4ngerquote).
Hat die bürgerliche Klasse also – nach der Ansicht des/r Kommentar-AutorIn vom 21.12.2015 um 17:48 h – mittlerweile einen Bevölkerungsanteil von 56 %? Wie passt das zu Marx’ These von der Konzentration und Zentralisation des Kapitals – von der Vernichtung der kleinen durch große Einzelkapitale, weil erstere nicht in den Genuss der Skalenvorteile der Letzteren kommen bzw. nötige Investitionen für bestimmte industrielle hochtechnologische Produktionsmittel nicht aufbringen können?
Ist die Haupttendenz der kapitalistischen Produktionsweise – trotz neuer (neoliberaler) Formen von (Schein)Selbständigkeit – die Ersetzung von selbstständiger und kleinkapitalistischer Produktion und ebensolchem Handels durch Großhandel- und Großproduktion (und in Folge dessen die Proletarisierung eines Teil der Selbstständigen und KleinkapitalistInnen), oder ist vielmehr umgekehrt der massenhafte Aufstieg von angestellten TellerwäscherInnen zu KapitalistInnen die Haupttendenz?
Wie dem auch sei – Lenin war jedenfalls der Ansicht, dass Angehörige der Intelligenz, wenn sie nicht Selbständige, sondern Angestellte sind, zum Lager der Arbeiterklasse gehören: Die „Intelligenz [...] schließt sich […] in dem Maße, wie der Kapitalismus den Intellektuellen immer mehr und mehr seiner selbständigen Stellung beraubt, ihn in einen abhängigen besoldeten Angestellten verwandelt und sein Lebensniveau zu senken droht [...] den Lohnarbeitern [an].“ (LW 4, 196) [8]
Zum Zweiten: Wegen der Klimakatastrophe müsste es den PKW (egal welcher Marke) vielleicht schon an den Kragen gehen, aber nach keiner marxistischen Klassenanalyse verläuft die Klassengrenze zwischen Mercedes-FahrerInnen einerseits und andere Marken-FahrerInnen andererseits.
Das ist also glatt an unserem Plädoyer für einen „Durchbruch zu einem marxistischen Begriff von ‚Lohnabhängigen’“ vorbeipolemisiert; es ersetzt das marxistische Klassenkriterium der gesellschaftlichen Stellung im Produktionsprozess (= Produktion von Gütern & Erbringung von Dienstleistungen) durch kulturalistisch-soziologistische Kriterien wie Ausbildungsniveau und Konsummuster.
bb) In die gleich Kerbe schlägt auch der Kommentar „Du sprichst mir aus der Seele“ [9] von Di, 22.12.2015 (12:50 h):
„Transgender-Toiletten oder Debatten über Critical Whiteness [... als] regelrecht Hassthemen“
Auch dieser Kommentar bedient nur die kulturalistischen Ressentiments eines Teils der Lohnabhängigen und eines Teils der kapitalistischen Klasse, aber leistet weder einen Beitrag zur marxistischen Klassen- noch erst recht zu umfassender Analyse der gesellschaftlichen Verhältnisse, die durch eine Mehrzahl von sich überlagernden Herrschafts- und Ausbeutungsverhältnissen charakterisiert sind.
Wenn es die ArbeiterInnenbewegung nicht versteht, neben ihren eigenen Themen des ökonomischen Kampfes nicht auch die Probleme der Frauen-, Schwarzen-, Homo- und Transgender-Bewegungen mitzudiskutieren, bekommt der an sich „ultralinke“ Vorwurf, dass die ArbeiterInnenbewegung nur die Kehrseite des Kapitalverhältnisses sei, tatsächlich eine gewisse Berechtigung.
Wenn die ArbeiterInnenbewegung ihren Beitrag zu einer Strategie der gesellschaftlichen Umwälzung leisten will, wird sie auch die anderen sozialen Bewegungen mit auf dem Schirm haben müssen. Der (machistische) Kult der „schwieligen Faust“ mit Blaumann und Schiebermütze, gegen den sich schon Lenin wandte (LW 5, 478), hat jedenfalls inzwischen definitiv sein endgültiges Ende erreicht – und das ist auch gut so.
Ergebnisse und Lehren aus der Essential-Diskusion des NaO-Prozesses
Die Frage eines angemessenen Klassenbegriffs und einer adäquaten Bestimmung des bzw. der potentiell revolutionären Subjekts/Subjekte war auch bereits Gegenstand der Diskussionen im NaO-Prozeß, an dem wir 2011 ff. zeitweilig beteiligt waren.
Bis ein Teil der Beteiligten es vorzog, statt dessen ein thematisch breit angelegtes Manifest ohne revolutionäre Tiefe zu verfassen, war das Ziel zunächst, einen Konsens über einige revolutionäre Grundsatzpositionen (sog. „Essentials“) zu erzielen.
Dabei gab es zwei Bearbeitungsschritte. Der erste Teil der Diskussion wurde im internet als Blog-Diskussion geführt; danach gab es eine Arbeitsgruppe mit gewählten Gruppen-VertreterInnen. Außerdem gab es damals einen Versuch der beiden VerfasserInnen des vorliegenden Artikels, zu einigen Aspekten zu gemeinsamen Thesen zu gelangen. (Die jeweiligen Diskussionsstände sind in den drei Anhängen zu diesem Artikel dokumentiert.)
Wir würden heute die damaligen Diskussionen wie folgt resümieren:
a) Einigkeit konnte zwischen den beteiligten Gruppen und Einzelpersonen in der Ablehnung eines verengten Begriff von „Arbeiterklasse“ oder „Proletariat“ erzielt werden. In dem Ergebnis der Essential-AG des NaO-Prozesses war dieser Konsens wie folgt formuliert worden:
„Diese [die antikapitalistischer] Umwälzung wird von denjenigen getragen werden müssen, die ihre Arbeitskraft verkaufen bzw. ihre Existenz mit Hilfe von Transferzahlungen – zum Teil auf niedrigstem Niveau – sichern müssen.“ [10] Transferzahlungen meinte dabei sowohl staatliche als auch quasi-staatliche Transferzahlungen, wie Renten, Arbeitslosen- und Krankengeld, die an Arbeitsmarkt-Verfügbarkeit bzw. (vormalige) Beitragszahlungen (d.h.: Lohn- bzw. Gehaltsabzüge) der ZahlungsempfängerInnen gebunden sind, als auch inner-familiäre Transfers in Form von Unterhaltszahlungen von direkt Lohnabhängigen (Arbeitervertrags-InhaberInnen) an indirekt Lohnabhängige (Kinder, hausarbeitleistende EhepartnerInnen).
Demgemäß umfasst nach diesem Verständnis „ArbeiterInnenklasse“ „nicht nur das klassische Industrieproletariat, sondern auch Angestellte, LeiharbeiterInnen, RentnerInnen, Auszubildende, Erwerbslose sowie Hausfrauen/Hausmänner bzw. nicht-entlohnte Reproduktionsarbeitende.“ [11]
b) Einigkeit konnte auch darüber erzielt werden, dass es neben dem Klassenwiderspruch noch spezifische Herrschaftsformen, die über das ‚Geschlecht’ und die ‚Rasse’ (Rasse als ideologisches Konstrukt, nicht als ‚Biologie’) vermittelt sind, existieren. In dem Ergebnis der Essential-AG des NaO-Prozesses war dies wie folgt formuliert worden: „Nicht nur die Klassen-, sondern auch das sexistische Geschlechterverhältnis und der Rassismus bestimmen die gesellschaftliche Struktur. [...]. Die konsequente Auseinandersetzung mit Geschlechterstereotypen, Heterosexismus und rassistischen Stereotypen sind ein wichtiger Teil heutiger Politik; dies schließt den Kampf für die Überwindung der geschlechtshierarchischen Arbeitsteilung sowohl im Bereich der Lohn- als auch der Reproduktionsarbeit ein.“ [12]
c) Weder im NaO-Prozess noch zwischen den beiden AutorInnen des vorliegenden Artikels ließt sich allerdings bisher ein Konsens darüber erzielen, ob aus dem Umstand, dass wir es mit mehreren struktur-bestimmendne Herrschafts- und Ausbeutungsverhältnissen zu tun haben, auch folgt, dass wir es auch mit einer Mehrzahl von potentiell revolutionären Subjekten zu tun haben.
Während DGS_TaP von drei potentiell revolutionären Subjekten (Lohnabhängige, Frauen, Schwarzen) und drei Strategien (antikapitalistisch, antipatriarchal, antirassistisch) ausgeht, geht systemcrash von einem transzendenten und zwei zugeordneten Kollektiv-Subjekten aus [13].
Allerdings hindert uns das nicht daran – wie man sieht – gelegentlich mit gemeinsamen Texten in Erscheinung zu treten. Quasi die Praxis einer ‚Blockorganisation’ im ganz kleinen Maßstab vorexerziert. ;) In diesem ganz kleinen (nämlich 2-Personen-) Maßstab ist unsere gemeinsame Textproduktion auch ein Aufeinanderzugehen von szene-linker und organisations-marxistischer Praxis-Prägung. [14]
Tatsächlich glauben wir, dass diese politische Differenz sich im Rahmen einer noch revolutionären Grundlage befindet und daher innerhalb einer gemeinsamen Organisation bestehen könnte, ohne das dies die Handlungsfähigkeit beschädigen müsste.
Das Scheitern der Syriza in Griechenland und des NaO-Prozesses in Deutschland zeigen beide (wenn auch in völlig verschiedenen Größendimensionen), dass die Diskussion der ‚Organisationsfrage’ noch einmal völlig neu aufgerollt werden muss.
Wie weiter mit dem Klassenbegriff und dem Klassenkampf und der politischen Organisierung von Linken nach dem Scheitern der NAO als „breites“ und der SYRIZA als anti-neoliberales Projekt?
Der NaO-Prozess hat (trotz Ergebnissen in der Essential-Diskussion, die wir weiterhin für tragfähig halten) im Kleinen gezeigt, dass voreilige Orientierung auf „Breite“ und Organisationsgründung ohne vorherige Erlangung programmatischer Tiefe auch in der immanenten Logik des „breiten“ Ansatzes nicht tragfähig ist: Die Berliner NAO-Gründung im Feb. 2014 erwies sich bei weitem nicht als der erhoffte Startschuss für bundesweiten Mitgliederzuwachs und Organisationsaufbau; längst ist auch bei den damaligen GründerInnen Ernüchterung eingetreten. [15]
Die Ereignisse in Griechenland haben im Großen gezeigt, dass ein reformistisches/keynesianistisches (Regierungs)projekt innerhalb der EU-Strukturen nicht mehr durchführbar ist. Wenn wir also nicht endgültig vorm Neo-Liberalismus (dem Ende der Geschichte und damit der Alternativen) kapitulieren wollen, werden wir also einen Weg finden müssen, diejenigen Linken, die an einem „revolutionären“ Anspruch festhalten, zu einer größeren Handlungsfähigkeit zu bringen. Das geht nur durch eine Zusammenlegung der (bescheidenen) Ressourcen und eine Einigung in wesentlichen programmatischen Fragen.
Dass dies ein durchaus nicht einfacher Weg ist, hat der NaO-Prozess (leider) in negativer Weise gezeigt. Wir sind aber trotzdem überzeugt, dass die Grundidee des NaO-Prozesses richtig war:
Wir halten an dem URSPRÜNGLICHEN SIB-Konzept fest, dass eine revolutionäre Organisation nur über eine inhaltliche Konvergenz unterschiedlicher linker Spektren entstehen kann, die klar revolutionäre Mindeststandards einhält, aber auch genügend Raum lässt für einen ‚Pluralismus’ auf n o c h revolutionärer Grundlage. Wir halten daher weiter den Vorschlag,
der Bildung eines Blocks [subjektiv] revolutionärer Gruppen,
der sich auf die fünf ursprünglichen SIB Essentials (die ggf. neu formuliert werden müssten) einigt,
eine gemeinsame Praxis in ausgesuchten Feldern entwickelt (je nach Gruppenkapazität)
und
Themen, in denen Differenzen bestehen, systematisch bearbeitet (Workshops, Arbeitsgruppen, Seminare, Diskussionsbulletins etc.),
weiterhin für richtig.“
(https://systemcrash.wordpress.com/2014/03/20/was-bleibt-vom-nao-prozess-als-fliesstext/)
In unseren Thesen für eine europäische revolutionäre Programmatik hatten wir fünf inhaltliche Mindeststandards (in Anlehnung an die ursprünglichen SIB-Essentials) formuliert:
1. Das Konzept des (bzw. die Einsicht in die Notwendigkeit eines) ‚revolutionären Bruch/s’.
2. Die Verweigerung der Mitverwaltung des Kapitalismus (Absage an Regierungsbeteiligungen in bürgerlichen Staaten)
3. Klassenorientierung bzw. antagonistische Orientierung in Bezug auf ‚andere revolutionäre Subjekte’, z.B. Geschlechterverhältnisse, Rassismus, spezifisch diskriminierte Gruppen u.ä.
4. Einheitsfront-Aktionen (oder bescheidener: Aktionseinheiten) auf der Grundlage gemeinsamer (Teil-)Ziele bei voller Freiheit der beteiligten Gruppen, ihre jeweiligen Auffassungen zum Ausdruck zu bringen (nach klassischer Formulierung Lenins ‚Freiheit der Agitation und Propaganda’)
5. eine gewisse organisatorische Verbindlichkeit, auch bereits hinsichtlich organisatorischer Zwischenschritte.“
(http://www.trend.infopartisan.net/trd0815/t400815.html)
Wenn es gelänge auf dieser Basis ein paar Gruppen der revolutionären Linken zu einer vertieften Zusammenarbeit zu organisieren (was wir als „Blockorganisation“ bezeichnen) [16], wäre aus unserer Sicht schon ein großer Schritt getan. Zwar würde so eine Blockorganisation noch nichts an den Kräfteverhältnissen ändern, es wäre aber eine Chance zu einem (kontinuierlichen) Wachstum gegeben. Zumindest glauben wir, dass so eine Blockorganisation attraktiver wäre als die bestehenden Klein- und Kleinstgruppen. Und für eine wirklich gründliche Diskussion der bestehenden (relevanten) inner-linken Differenzen muss man sich ohnehin auf eine langfristige Perspektive einrichten („mehrjährigen Prozess“ [Thomas Seibert]). Geduld und ein langer Atem sind also in der gegenwärtigen Situation die größten revolutionären Tugenden.
Formulierungen zum Thema „Klassen-Begriff und revolutionäre Subjekte“
Anhang 1:
Der erste Teil der Essential-Diskussion im NaO-Prozess führte seitens DGS_TaP in Abschnitten C.1 und C.4. zu folgendem Formulierungsvorschlägen:
„a) Beim revolutionären Bruch handelt es sich in Bezug auf die existierenden Klassenverhältnisse um den Bruch der Macht des Kapitals und die Zerschlagung [17] seines wichtigsten Gewaltapparates – des bürgerlichen Staates – und deren Ersetzung durch Organe der Selbstverwaltung von unten (Räte).
b) Wir halten einen solchen revolutionären Bruch für notwendig, da herrschende Klassen in aller Regel nicht freiwillig auf die Vorteile, die sie aus der Ausübung ihrer Herrschaft ziehen, verzichten.
Einige von uns sind überzeugt, dass im Falle der herrschenden rassifizierten Gruppe (‚Rasse’) – der Weißen – und der herrschenden sexuierten Gruppe (‚Geschlecht’) – der Männer – kaum mehr Anlaß zu Optimismus hinsichtlich freiwilligen Machtverzichts angeraten ist, sodass nach Auffassung dieser GensossInnen auch insofern revolutionäre Brüche zur Überwindung von Herrschaft und Ausbeutung notwendig sind.“
„a) Wir sind gemeinsam davon überzeugt, daß die Lohnabhängigen die Klasse sind, die – aufgrund ihrer zahlenmäßigen Größe und ihrer Stellung im modernen Produktionsprozeß – die kapitalistische Produktionsweise überwinden kann (diese Überzeugung nennen wir ‚Klassenorientierung’). Jene Möglichkeit wird dann zur Wirklichkeit, wenn eine solche Überwindung von der Mehrheit der Lohnabhängigen gewollt und zumindest von großen Teilen von ihnen aktiv vollzogen wird und sie eine solche Stärke haben, die ihnen erlaubt, sich gegen das Beharrungsinteresse der Bourgeoisie durchzusetzen. Analog geht ein Teil von uns davon aus, daß auch die Überwindung von männlicher Dominanz bzw. Rassismus nur möglich sein wird, wenn sie von der Mehrheit der FrauenLesben bzw. Schwarzen gewollt und zumindest von großen Teilen von ihnen aktiv vollzogen wird. Diese Einsicht/en schließt/en jeden Versuch aus, revolutionäre Prozesse in erster Linie gestützt auf eine selbstbezügliche sub-kulturelle Szene oder eine von den ausgebeuteten und beherrschten Massen losgelöste Möchte-gern-Avantgarde, aber auch gestützt auf einen schon immer fragwürdigen Proletkult/Ouvrierismus voranzutreiben.b)Indem wir von Lohnabhängigen sprechen, soll deutlich werden, daß wir, wenn wir von Klassenkampf und Klassenorientierung reden, uns nicht exklusiv oder vorrangig auf die (handarbeitende) IndustriearbeiterInnenschaft beziehen. Vielmehr beziehen sich die allermeisten von uns mit dem Begriff ‚Lohnabhängige’ auf alle, deren Lebensunterhalt – da sie keine (relevanten Mengen an) Produktionsmitteln besitzen – direkt oder indirekt davon abhängt, daß sie oder Angehörige von ihnen ihre Arbeitskraft als Ware verkaufen. Dies schließt auch diejenigen ein, die sich in Vorbereitung auf eine spätere lohnabhängige Tätigkeit noch in Ausbildung befinden oder deren Renteneinnahmen oder Arbeitslosengeld von früherer Lohnarbeit und/oder ihrer Bereitschaft, ihre Arbeitskraft dem kapitalistischen Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stellen, abhängen. Es schließt schließlich auch diejenigen ein, die als Hausfrauen bzw. Kinder nicht nur direkt von den Unterhaltszahlungen ihrer Ehemänner, sondern vermittelt über diese auch von deren Lohnarbeit abhängig sind. All diese Interessen müssen berücksichtigt werden, wenn versucht wird, die Verbindung zwischen den unterschiedlichen Sektoren der Lohnabhängigen und so ihre Kampfkraft zu stärken.
Einige von uns sind aber auch der Ansicht, daß die Verwendung eines weiten Begriffs von Lohnabhängigen, unter Einschluß der indirekt Lohnabhängigen, eine bloß rhetorische Modernisierung darstellt, unter der eine Fokussierung auf Erwerbstätige mit [unbefristeten Voll-]Arbeitsverträgen (Stammbelegschaften + etwas drumherum) leicht vorleben kann. Eine solche Fokussierung sei heutzutage aber analytisch und strategisch nicht mehr angemessen ist. Abhängige von zivilrechtlichen Unterhaltszahlungen und staatlichen Transferleistungen sollten durch Benennung als Nicht-Lohnabhängige sichtbar gemacht und strategisch ernstgenommen werden.
c) Einige von uns ziehen allerdings die klassische marxistische Begrifflichkeit von ‚Arbeiterklasse’ und ‚Proletariat’ vor – sei es, daß sie diese enger definieren; sei es, daß sie diese Begriffe genauso verstehen, wie vorstehend der Begriff der Lohnabhängigen definiert ist. Diese GenossInnen finden es darüber hinaus unzureichend, zu sagen, ‚Wir sind gemeinsam davon überzeugt, daß die Lohnabhängigen die Klasse sind, die – aufgrund ihrer zahlmäßigen Größe und ihrer Stellung im modernen Produktionsprozeß – die kapitalistische Produktionsweise überwinden kann.’ Sie halten es darüber hinaus – sehr wohl wissend, daß die große Mehrheit auch der Arbeiterklasse heute kein revolutionäres Bewußtsein hat – für richtig, zu sagen: ‚Die Arbeiterklasseistdas revolutionäre Subjekt.’ Andere von uns bezweifeln dagegen, (1.) den analytischen und politischen Sinn, in dieser Weise eine (politische) Hoffnung in Form einer (scheinbar faktischen) Behauptung auszudrücken und sind (2.) auch nicht damit einverstanden, die Lohnabhängigen – Männer gleichermaßen wie Frauen, Weiße gleichermaßen wie Schwarze – nicht nur zum (potentiellen) Subjekt der Überwindung des Kapitalismus, sondern auch von Patriarchat/Sexismus und Rassismus zu erklären.“
(http://www.nao-prozess.de/blog/nach-hannover-ii-essential-entwurf-2-2/)
Anhang 2:
Das spätere Arbeitsgruppen-Ergebnisse verzichtet auf eine ausdrückliche Benennung der verbliebenen Dissense und verzeichnete folgenden Konsense (die freilich aus anderen Gründen nie von einem Gesamttreffen des NaO-Prozesses verabschiedet wurden). In dem AG-Ergebnis hieß es zum Thema der „Verschränkung der verschiedenen Ausbeutungs- und Herrschaftsverhältnisse“ [18]:
„Wir sehen in der Klasse der direkt und indirekt Lohnabhängigen wegen ihrer Größe und ihrer Stellung im in einander verwobenen Prozess von Produktion und Reproduktion die entscheidende oder potenzielle Trägerin antikapitalistischer Umwälzung. Diese Umwälzung wird von denjenigen getragen werden müssen, die ihre Arbeitskraft verkaufen bzw. ihre Existenz mit Hilfe von Transferzahlungen – zum Teil auf niedrigstem Niveau – sichern müssen. Weltweit ist die ArbeiterInnenklasse, verstanden als die Klasse der direkt und indirekt Lohnabhängigen, so groß wie nie zuvor. Aus diesen Gründen treten wir für eine klassenorientierte Politik ein und stehen in der Tradition der ArbeiterInnenbewegung.
Unser Verständnis von ArbeiterInnenklasse umfasst nicht nur das klassische Industrieproletariat, sondern auch Angestellte, LeiharbeiterInnen, RentnerInnen, Auszubildende, Erwerbslose sowie Hausfrauen/Hausmänner bzw. nicht-entlohnte Reproduktionsarbeitende. Die ArbeiterInnenklasse ist nicht homogen, sondern von vielfältigen Spaltungslinien durchzogen: Spaltung von Männer und Frauen, Jungen und Alten, MigrantInnen und Einheimischen, prekär Beschäftigten und solchen mit unbefristetem und relativ gut bezahlten Arbeitsvertrag, Erwerbslosen und Erwerbstätigen, Menschen mit hohen Sorgeverpflichtungen für Andere und Menschen, die versorgt werden. Der Kapitalismus lebt von diesen Spaltungen und verschiedenen Formen von Herrschaft und Ausbeutung, auch wenn er sie historisch nicht immer selbst hervorgebracht hat. Für ein erfolgreiches Projekt der Überwindung des Kapitalismus ist es daher erforderlich, diesen Spaltungslinien entgegenzuwirken und sie möglichst aufzuheben.
Nicht nur die Klassen-, sondern auch das sexistische Geschlechterverhältnis und der Rassismus bestimmen die gesellschaftliche Struktur. Deshalb müssen Antisexismus und Antirassismus für eine revolutionäre Organisation nach innen und nach außen schon heute Thema sein. Niemand soll wegen geschlechtlicher Identität oder sexueller Orientierung sowie Ethnie oder Nationalität benachteiligt werden. Die konsequente Auseinandersetzung mit Geschlechterstereotypen, Heterosexismus und rassistischen Stereotypen sind ein wichtiger Teil heutiger Politik; dies schließt den Kampf für die Überwindung der geschlechtshierarchischen Arbeitsteilung sowohl im Bereich der Lohn- als auch der Reproduktionsarbeit ein. Das setzt voraus, für eine gesellschaftliche Aufwertung der bisher überwiegend von Frauen ausgeübten Arbeiten zu streiten.
Die Betonung der Verschränkung (oder Intersektionalität) der verschiedenen Ausbeutungs- und Herrschaftsverhältnisse bedeutet keinen Verzicht auf Klassenkampf. Unser Antikapitalismus ist antisexistisch und antirassistisch, und unser Antisexismus und unser Antirassismus sind antikapitalistisch. Die AntisexistInnen und AntirassistInnen innerhalb des NAO-Prozesses sehen sich auch als Teil des Klassenkampfes. Genauso sehen sich diejenigen, die sich als Teil der ArbeiterInnenbewegung begreifen, als Teil antisexistischer und antirassistischer Kämpfe.
Entsprechend ist also weder Antisexismus eine alleinige ‚Frauenfrage’ noch Antirassismus eine alleinige ‚MigrantInnenfrage’, sondern Anliegen des Gesamtprozesses.“
Anhang 3:
Der seinerzeitige Versuch der beiden VerfasserInnen des vorliegenden Artikels, zu einigen Aspekten zu gemeinsamen Thesen zu gelangen, führte zu folgenden Konsens-Formulierungen:
„Zu den Thesen zur Verflechtung der Kämpfe
These 1: Die Lohnabhängigen sind die Klasse, für die eine Überwindung des Lohn-Arbeits-Kapital-Verhältnisses (der kapitalistischen Produktionsweise) die meisten Vorteile bringen würde; auf Grund ihrer zahlenmäßigen Größe und ihrer Stellung im modernen Produktionsprozeß ist sie zugleich die Klasse, die über die aussichtsreichsten Möglichkeiten verfügt, eine solche Überwindung durchzusetzen.
These 2:Der Widerspruch zwischen Lohnarbeit und Kapital ist aber nicht das einzige Herrschaft- und Ausbeutungsverhältnis in (post)modernen Gesellschaftsformationen. Patriarchat und Rassismus sind relativ eigenständige, aber heute mit den Mechanismen der kapitalistischen Produktionsweise verflochtene Herrschafts- und Ausbeutungsformen; sie können nicht aus dem Kapitalverhältnis ‚abgeleitet’ werden.
These 3: Der Kampf gegen Patriarchat, Kapitalismus und Rassismus sind zwar von einander relativ unabhängige Kämpfe und politische Orientierungen. Aufgrund der Verflechtung dieser Herrschaftsverhältnisse gehen wir aber davon aus, daß die Erfolgsaussichten des Kampfes gegen sie steigen, wenn der Kampf gegen sie nicht getrennt von einander, sondern in wechselseitig solidarischer Bezugnahme geführt wird.
Unser Ziel ist die Überwindung aller Herrschaft und Ausbeutung – oder, um eine Formulierung des jungen Marx auf die Höhe des alten Marx zu bringen: die Überwindung aller Verhältnisse, in denen nicht ‚der Mensch’ (Kollektivsingular), sondern Menschen (Plural ohne Artikel) ‚erniedrigte, […] geknechtete, […] verlassene, […] verächtliche Wesen’ sind!These 4: Um eine solche solidarische Bezugnahme der Kämpfe zu ermöglichen, ist ein entschlossener Kampf gegen Rassismus sowie gegen patriachalen Strukturen und sexistische Verhaltensweisen auch innerhalb der Linken und unter den Lohnabhängigen notwendig. Dies schließt ein Recht auf autonome Organisierung der in diesen gesellschaftlichen Verhältnissen (Patriarchat und Rassismus) Beherrschten und Ausgebeuteten ein.
Damit steht unser Ansatz im Gegensatz zu traditionellen Vorstellungen von ‚Einheit der Klasse’, die Rassismus und Patriarchat – explizit oder implizit – zu ‚Nebenwiderspruch’ erklärten und den Kampf gegen diese dem Klasssenkampf unterordnen (woll[t]en).“
systemcrash befand darüber hinaus (ohne diesbzgl. auf Zustimmung von DGS zu stoßen):
„der satz
Aufgrund der Verflechtung dieser Herrschaftsverhältnisse gehen wir aber davon aus, daß die Erfolgsaussichten des Kampfes gegen sie steigen, wenn der Kampf gegen sie nicht getrennt von einander, sondern in wechselseitig solidarischer Bezugnahme geführt wird.’muss ergänzt werden
und ihnen damit eine wirklich (systemüberwindende) strategische perspektive zu ermöglichen.allerdings – und das ist der dissens! – entsteht die ‚systemüberwindene perspektive’ durch den klassenkampf der arbeiterInnenklasse, dem der antirassismus und der antipatriarchale kampf ZUGEORDNET wird. (während du eine GLEICHRANGIGKEIT siehst)“(http://www.nao-prozess.de/blog/nao-essential-debatte-revolutionaeres-subjekt-und-frauenfrage/#comment-3270)
[1] Zu diesem Punkt (und einige damit in Zusammenhang stehende andere Punkte) wird es demnächst noch einseparates Papier von TaP eingeben – wahrscheinlich unter der Überschrift „Nachtrag zum Klassen-Begriff“.
[2] Wir verstehen dies als Bestreiten überhaupt jedweder Relevanz von Klassenlage (im marxistischen Sinne) – auch dann, wenn diese Relevanz nicht als essentialistischer Zusammenhang von Lage und Bewusstein verstanden wird.
[3] Wir belassen es an dieser Stelle bei den männlichen Formen, da wird nicht wissen, ob bzw. inwieweit Zugang von Frauen zu den Zünften bestand.
[4] Begründung von systemcrash: Im Gegensatz zu Geschlecht und ‚Rasse’ ist der Klassenbegriff tatsächlich rein „sozial“. Beim Geschlechterbegriff handelt es sich um eine ‚Natur/Kulturverschränkung’. Allerdings würde ich das nur für die Kategorie Geschlecht so scharf verwenden; für ‚Rassismus’ nur hilfsweise, da bei der Gattung Mensch die Verwendung des biologischen Rassebegriffs nicht mehr Stand der Wissenschaft ist. Die Gruppenformung ist daher bei der Klasse rein gesellschaftlich und bei Geschlecht (und hilfsweise ‚Rassismus’, da anatomische Besonderheiten und Hautfarbe ja auch biologische Merkmale sind) eine soziale und naturbedingte Angelegenheit, auch wenn das Alltagsbewusstsein nicht auf dem Stand der biologischen Wissenschaft ist – und sicherlich auch nicht sein kann.
Antwort von TaP: M.E. handelt es sich insofern bei der Geschlechter-Kategorie um einen ganz ähnlichen Fall, wie bei der Rasse-Kategorie – nur mit dem Unterschied, dass sich Biologie und Medizin noch nicht zu der Schlussfolgerung, die sich aus deren eigenen Erkenntnissen aufdrängt, durchgerungen haben, auch die Geschlechter-Kategorie als biologische aufzugeben (wie sie es vor einigen Jahrzehnten aber für die Rasse-Kategorie gemacht hatten): So wie der Rassismus in der menschlichen Natur Anknüpfungspunkte in Form von unterschiedlich heller oder dunkler Haut, die sogar mit ebenso helleren oder dunkleren Haaren etc. lose korrelieren mag, findet, findet auch auch der biologistische Sexismus die Korrelation von bestimmten biologischen Merkmalen (z.B. Gebärmutter, Eierstöcke, hohe Östrogen- und geringe Testosteron-Produktion sowie xx-Chromosomen treten häufig zusammen auf) und sogar von bestimmten biologischen Merkmalen und bestimmten Verhaltensweisen (Gebärmutter-Trägerinnen sind vielen Gesellschaften tatsächlich häufiger für Kindererziehung und Klo putzen zuständig als Penis-Träger). Aber – und dies ist entscheidend: Die vom Alltagsverstand erwartete ‚Passung’ von anatomischen, hormonellen und genetischen Merkmalen tritt nicht immer auf (und diese Merkmale sind in der Regel überhaupt nur teilweise bekannt). Dies zeigt, dass die der Individuen zu Geschlechtern (d.h.: die Gruppen-Bildung) sozial und nicht biologisch (ideologisch und nicht wissenschaftlich) ist. Zwar sind die Individuen mit ihren jeweiligen biologischen Merkmalen eine Realität; aber die Vielfalt der individuelle Merkmals-Kombinationen geht nicht in einer strikten biologischen Zwei-Geschlechter-Ordnung auf: dies galt schon immer angesichts Intersexualität, und es gilt angesichts medizinisch-operativer Transsexualität umso mehr.
Einig sind wir uns jedenfalls, dass die Zugehörige zur Gruppe der Frauen bzw. der Schwarzen genauso wenig ein bestimmten (z.B. revolutionär-feministischen bzw. revolutionär-antirassistischen) Bewusstseinsinhalt linear determiniert wie die Zugehörigkeit zu der Gruppe der Lohnabhängigen ein revolutionär-antikapitalistisches Bewusstsein garantiert.
[5] „die spontane Entwicklung der Arbeiterbewegung führt […] zu ihrer Unterordnung unter die bürgerliche Ideologie“ (LW 5, 396).
[6] Daher sollte klar sein, dass es immer gewisse Meinungsunterschiede selbst in der homogensten politischen Gruppe geben wird, da diese theoretische Vermittlung immer auch bis zu einem gewissen Grad von persönlich-subjektiven Besonderheiten abhängt.
[7] Sozialisation / ein ‚erlernter’ Habitus lässt sich allerdings allenfalls teilweise mitten im Leben ablegen und ersetzen.
[8] Der Satz danach („Die labile, widerspruchsvolle Übergangsstellung der hier betrachteten Gesellschaftsschicht kommt darin zum Ausdruck, daß jene zwieschlächtigen, eklektischen Anschauungen unter ihr besonders weit verbreitet sind, jener Mischmasch entgegengesetzter Prinzipien und Ansichten, jenes Bestreben, sich in Worten in die erhabensten Sphären zu erheben und die Konflikte der historischen Bevölkerungsgruppen durch Phrasen zu vertuschen – Anschauungen, die Marx vor einem halben Jahrhundert mit seinen Sarkasmen so schonungslos geißelte.“) mag dann das zwar mehr nach dem Geschmack unserer proletkultlerischen Kritiker(innen?) sein – aber niemand wusste besser als Lenin selbst, dass auch unter den HandarbeiterInnen revolutionär-marxistische Überzeugungen keinesfalls garantiert sind. –
Auch in seinen Anmerkungen von 1902 zu einem Entwurf für das Programm der SDAPR akzeptierte Lenin die Formulierung, daß diejenigen die „keinerlei Produktions- [...]mittel besitzen[,] Proletarier“ sind (LW 6, 49). Eine Einschränkung dahingehend, dass dies nur für HandarbeiterInnen bzw. Menschen ohne Studium gelte, nahm Lenin nicht vor. Und gegen den Entwurf betonte Lenin, dass ProletarierInnen zwar keine Produktionsmitel, aber durchaus „Zirkulationsmittel“ – also Geld, das ihnen den Kauf von Konsumgüten ermöglicht – besitzen.
[9] Bereits in dem zuvor besprochenen Kommentar war von „für die tagtägliche Lebensrelevanz arbeitender Menschen doch eher abwegigen – Themen wie Transgender-Toiletten oder Debatten über Critical Whiteness“ gesprochen worden und damit der Eindruck erweckt worden, Schwarze und Transgender müssten in der Regel nicht arbeiten.
[11] ebd. – Der gleiche Gedanke war in dem vorhergehenden Formulierungsvorschlag von DGS_TaP wie folgt ausgedrückt worden: „Indem wir von Lohnabhängigen sprechen, soll deutlich werden, daß wir, wenn wir von Klassenkampf und Klassenorientierung reden, uns nicht exklusiv oder vorrangig auf die (handarbeitende) IndustriearbeiterInnenschaft beziehen. Vielmehr beziehen sich die allermeisten von uns mit dem Begriff ‚Lohnabhängige’ auf alle, deren Lebensunterhalt – da sie keine (relevanten Mengen an) Produktionsmitteln besitzen – direkt oder indirekt davon abhängt, daß sie oder Angehörige von ihnen ihre Arbeitskraft als Ware verkaufen. Dies schließt auch diejenigen ein, die sich in Vorbereitung auf eine spätere lohnabhängige Tätigkeit noch in Ausbildung befinden oder deren Renteneinnahmen oder Arbeitslosengeld von früherer Lohnarbeit und/oder ihrer Bereitschaft, ihre Arbeitskraft dem kapitalistischen Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stellen, abhängen. Es schließt schließlich auch diejenigen ein, die als Hausfrauen bzw. Kinder nicht nur direkt von den Unterhaltszahlungen ihrer Ehemänner, sondern vermittelt über diese auch von deren Lohnarbeit abhängig sind.“ (http://www.nao-prozess.de/blog/nach-hannover-ii-essential-entwurf-2-2/)
[13] „die ‚systemüberwindene perspektive’ [entsteht] durch den klassenkampf der arbeiterInnenklasse, dem der antirassismus und der antipatriarchale kampf ZUGEORDNET wird“ (http://www.nao-prozess.de/blog/nao-essential-debatte-revolutionaeres-subjekt-und-frauenfrage/#comment-3270).
Bei dieser Formulierung ist zu berücksichtigen, dass die ArbeiterInnenklasse im oben definierten Sinne bei weitem nicht nur aus weißen Männern, sondern mehrheitlich aus direkt und indirekt lohnabhängigen Frauen sowie – im globalen Maßstab – weit überwiegend aus Schwarzen besteht.
Als Kehrseite der gleichen Medaille ist bei der abweichenden Formulierungen von DGS (drei potentiell revolutionäre Subjekte: Lohnabhängige, Frauen, Schwarze) zu berücksichtigen, dass die Mehrheit der Frauen und Schwarzen ihrerseits lohnabhängig ist.
Die verbleibende theoretische Differenz ist also so gering, dass sie dem Finden einer gemeinsamen politischen Linie in konkreten Kämpfen nicht entgegenstehen sollte.
[14] Denn, während wir zwar ein umfangreiches Pensum an Lenin-Lektüre teilen, so war TaP doch nie in einer leninistischen Gruppe organisiert, sondern seit 1990 in unterschiedlichen Szene-Zusammenhängen aktiv (allein die Mitgliedschaft von TaP in der SIB, die aber weder eine leninistische Gruppe war noch sein wollte, von 2011 bis 2013 bildete eine Ausnahme von dieser langjährigen szene-linken Prägung), während systemcrash trotzkistische Organisationserfahrungen hinter sich hat, aber nie in autonomen und antiimperialistischen Szene-Zusammenhängen aktiv war.
[15] S. dazu in trend 8/2015 das Sonderthema: Zwei Jahre „NaO“ und 12/2015 von Georg Heidel: Notwendige Konsequenzen aus einem überzogenen Anspruch ziehen sowie bei scharf-links: Was kann man aus dem Scheitern der NAO lernen?.
[16] Auch zu der Frage, was eine solche revolutionäre Struktur von den bereits bestehenden sich als linksradikal, kommunistisch und/oder revolutionär verstehenden Bündnissen (IL, UG, Perspektive Kommunismus, 3A und – mit dem vermessenen Anspruch, kein Bündnis, sondern eine Organisation zu sein: – NAO) unterscheiden würde, wird es demnächst einen weiteren Text von uns geben.
[17] „Statt ‚die Zerschlagung’ gerne auch ‚das Zerbrechen’, ‚die gewaltsame Ablösung’ oder die ‚vollständige Beseitigung’ oder andere inhalts-gleiche Formulierungen.“ (= Original-Fußnote des Essential-Entwurfs).
[18] Zur Frage des revolutionären Bruchs hieß es dort:
„Um unsere Ziele zu erreichen, ist ein revolutionärer Bruch mit dem bürgerlichen Staat und der Macht des Kapitals notwendig. Wir halten einen revolutionären Bruch für deshalb notwendig, weil die herrschende Klasse nicht freiwillig auf die vielfältigen Vorteile verzichtet, die sie aus der Ausübung ihrer Herrschaft zieht.
Der bürgerliche Staat ist eine politische Form kapitalistischer Klassenherrschaft. Jeglicher Versuch eines schrittweisen und friedliche, meist parlamentarischen Weges zur Überwindung des Kapitalismus hat sich bisher als Desaster herausgestellt. Deshalb halten wir eine politische und soziale Revolution für erforderlich. Die bürgerlichen Gewaltapparate sollen insgesamt mit den dafür notwendigen Mitteln abgeschafft und durch Machtorgane von unten, wie wir sie historisch als Räte kennen, ersetzt werden.
Über bloße Reformen oder sukzessive Ausweitung von Szenefreiräumen, betriebliche ArbeiterInnenkontrolle oder Wirtschaftsdemokratie wird es keine Transformation geben. Den Kampf für wirkliche Reformen lehnen wir nicht ab oder achten ihn etwa gering. Wir sagen nur, dass Reformen und Freiräume den revolutionären Bruch nicht ersetzen können.“
So wird das nix
Euer Unterfangen, die marxschen "Ausgebeuteten" mit den postmodernen "Unterdrückten" zu vermischen, ist ohne Aussicht auf Erfolg. Und zwar weil Ihr die unterschiedlichen Ebenen, auf denen diese Begriffe stehen, nicht seht oder sehen wollt. Ein paar Brocken Marx habt ihr verstanden, nur gelingt es Euch nicht, die strukturellen Differenzen in den Theorien und Begriffen, die Ihr verhandelt, zu sehen.
Die ausgebeutete Klasse bei Marx ergibt sich aus dem Ausbeutungsverhältnis zwischen Kapital und Arbeit, sprich aus dem Wesen des Kapitalismus. Will das Proletariat seine Ausbeutung beenden, muss es die Mehrwertaneignung und damit den Kapitalismus abschaffen.
Die unterdrückten sozialen Gruppen der Postmoderne kämpfen nicht gegen den Kapitalismus. Sie möchten nur seine Anerkennung finden. Endlich leben und arbeiten können mit den gleichen Möglichkeiten wie die europäischen Männer. Dies ist der Traum der Menschen in Kandahar, Täbris und Haiphong. Es ist der Traum der Frauen in Charkow, Agadir und Chan Yunis. Vor 30 Jahren, bevor er in Erfüllung ging, war es auch der Traum der Frauen in Frankfurt, Sevilla und Mailand.
Keine der sozialen Bewegungen hat ein nennenswertes Interesse an der Abschaffung des Kapitalismus, solange sie nur mitspielen darf. In dem Moment, wo es ihr gestattet wird, hört sie auf, eine Bewegung zu sein. Und die vorhandene Kapitalismusablehnung, die es, wenn auch nur schwach ausgeprägt, in jeder dieser Bewegungen gibt, verwandelt sich in Affirmation.
Wenn diese Soziale Bewegungen Herrschaft, Unterdrückung oder Ausbeutung sagen, meinen sie die Hindernisse, die sie selbst von Wohlstand, guten Jobs und Sicherheit abhalten. Wenn sie von Befreiung reden, geht es um das Wegräumen dieser Hindernisse. Emanzipation ist für sie Emanzipation zum kapitalistischen Subjekt. Deshalb hat ihr Begriff von Herrschaft, von Unterdrückung oder Ausbeutung, ihr Begriff von Befreiung und Emanzipation nichts mit diesen Begriffen bei Marx gemein. Und deshalb lassen sie sich auch nicht verknüpfen, wie Ihr es versucht.
nice
sadly damn right
thumbs up
postmoderne vs. marx ?
@ "Euer Unterfangen, die marxschen 'Ausgebeuteten' mit den postmodernen
'Unterdrückten' zu vermischen,"
Nur haben wir gar nicht von "Unterdrückten" gesprochen; TaP lehnt den
Ausdruck ausdrücklich ab:
http://www.trend.infopartisan.net/trd1215/Anm_zur_Prambel_der_IV_Internat_REV_915.pdf,
(S. 11 - 13)
(das soll er aber gern noch selber darlegen :) ) - und ich bin eher postmodernen theorien gegenüber kritisch eingestellt (aber nicht generell ablehnend); soweit ich das überhaupt beurteilen kann, denn ich "kenne" diese theorien nur aus zweiter hand über meine beschäftigung mit der "integralen theorie" (soweit man diese nicht selbst als postmodern ansehen will). die begriffe "unterdrückung" und "unterdrückte" verwende ich aber durchaus, versuche aber möglichst konkret anzugeben, worin diese "unterdrückung" genau besteht. bei den lohnabhängigen (im sinne eines erweiterten begriffs von 'proletariat') scheint mir diese unterdrückung im wesentlichen darin zu bestehen, dass sowohl organisation als auch inhaltliche ausgestaltung des arbeitsprozesses (und arbeitsprozess ist gleichbedeutend mit einem teil des lebensprozesses) nicht von den unmittelbaren produzentInnen selbst bestimmt werden können, sondern von den profitinteressen des kapitals strukturiert werden. (also lohn-arbeit als fremdbestimmt erfahren wird, was wiederum eine form sozialer ohnmacht bedeutet)
@ "Die ausgebeutete Klasse bei Marx ergibt sich aus dem
Ausbeutungsverhältnis zwischen Kapital und Arbeit, sprich aus dem Wesen
des Kapitalismus."
So ungefähr würden wir es auch formulieren - nur ist "der Kapitalismus"
weder das einzige Herrschafts-, noch das einzige Ausbeutungsverhältnis auf
der Welt.
Patriarchat bedeutet z.B. millionenfache unentlohnte (daher: kein Fall von
Kapitalismus!) Aneignung von Frauenhausarbeit durch Männer.(ich möchte aber hinzufügen, dass ich in der frage des geschlechterverhältnisses nicht immer mit TaP einer meinung bin ;) )
@ "Keine der sozialen Bewegungen hat ein nennenswertes Interesse an der
Abschaffung des Kapitalismus, solange sie nur mitspielen darf."
Wir stimmen vollständig zu :-) - und halten diesen Umstand (bzw. diese
Haltung) ebenfalls für kritikwürdig. das ist auch einer der (wesentlichen) gründe, warum wir uns so für das konzept der 'blockorganisation' stark machen.
(ein weiterer text zu diesem thema ist bereits in vorbereitung)
Postmoderne != Marx
Gut, statt von Unterdrückten sprecht Ihr von "beherrschten Schichten". Ich bin nicht ausreichend an den neuesten postmodernen Postulaten interessiert, um zwischen "unterdrückt werden" und "beherrscht werden" eine nennenswerte Differenz zu sehen.
Du meinst also, das wesentliche Problem am Kapitalismus sei also zuwenig Projektarbeit und keine flächendeckende 30-Stunden-Woche? Du wirst die neue Startup-Welt lieben: Fast völlig selbstbestimmte Organisation und inhaltliche Ausgestaltung des Arbeitsprozesses gepaart mit Kickertisch und Bällebad.
Marx und ich sehen das Problem doch eher woanders. Nämlich in der unermesslichen Anhäufung von Reichtum bei gleichzeitiger sprachlos machender Armut. Durch die Aneignung des Mehrwerts können sich manche Kapitalisten eine Boing 757 als Privatjet leisten oder in Deinen Worten: Sie können Hundertausend Arbeitsstunden (Lebensstunden) von Menschen dafür nutzen, um fünf Mal im Jahr ohne nervige Mitreisende über den Atlantik zu fliegen. Oder sie können Tausende Tagelöhner monatelang damit beschäftigen in die gefährlichsten Minen der Welt zu steigen, um einen Diamanten für die Frau Gemahlin herauszuholen. Das ist das Hauptproblem des Kapitalismus und nicht zu wenig freie Entfaltung.
Das hat auch niemand behauptet. Die marxsche These lautet aber, dass es das zentrale ist, weil viele andere Herrschaftsverhältnisse eng an die Ökonomie oder besser an die ungleiche Verteilung von Ressourcen gebunden sind: Frauen müssen nicht mehr abgewertet werden, um ihren Lohn zu drücken, wenn es keinen Lohn mehr gibt. Schwule müssen nicht mehr abgewertet werden, wenn das kapitalistische Hauen und Stechen und damit die eigene Lebensunsicherheit weggefallen ist etc. All diese Unterdrückungsformen in ihrer heutigen Ausprägung sind ganz eng mit dem Kapitalismus verflochten. Und in einer kommunistischen Gesellschaft, wären sie zwar nicht von Heute auf Morgen verschwunden, aber doch deutlich reduziert und würden nach und nach absterben.
Entlohnt sicherlich nicht, aber bezahlt. Hausfrauen werden schließlich von ihrem Gatten ausgehalten. Weshalb es ein einfaches Tauschverhältnis ist, auf das sich beide geeinigt haben und das ersteinmal auch nicht zum Nachteil des einen oder anderen ist:
Tausche tägliches Putzen, essen kochen und Kinder versorgen gegen freies Wohnen, kostenloses Essen, bezahlte Urlaubsreise, eigenes Auto und einen bestimmten Betrag zur freien Verfügung.
Mich interessiert, was Ihr Euch davon versprecht. Ich setze voraus, ihr haltet Euch für revolutionär und wollt ernsthaft den Kapitalismus überwinden. Was bringt dann eine Blockorganisation mit lauter Gruppen, die das nicht oder nicht ernsthaft wollen, oder es nur des Fames wegen von sich behaupten?
Jede dieser Gruppen wird doch wegbrechen, wenn ihr reformistisches Ziel erreicht ist. Und da deren reformistische Ziele nicht die Stufen einer Treppe zum Kommunismus sind, sondern die Verzierung des kapitalistischen Salons, bringt Euch diese Steigbügelhalterpolitik auch keinen Schritt weiter. Also, was versprecht Ihr Euch davon?
Herrschaft vs. Unterdrückung
1. Ich verstehe nicht, was an dem Adjektiv "beherrscht" aus marxistischer Sicht problematisch sein könnte (und wenn ich recht sehe, hast Du bisher ja auch keinen konkreten Einwand gegen den Begriff vorgebracht - oder habe ich etwas überlesen?)
Mir scheint "Klassenherrschaft", "herrschende Klasse", folglich auch "beherrschte Klasse" und "Herrschaft" sind wohl etablierte marxistische Begriffe.
Ich dachte jedenfalls bisher, unter MarxistInnen sei unstrittig, daß "Kapitalismus" nicht nur etwas Ökonomisches (Ausbeutung), sondern auch etwas Politisches (Herrschaft) ist.
2. Genau genommen sprechen wir im übrigen auch nicht von "beherrschten Schichten". Vielmehr pflege jedenfalls ich von "herrschenden und ausbeutenden" einerseits und "beherrschten und ausgebeuteten" andererseits "gesellschaftlichen Gruppen" zu sprechen. ("Gesellschaftliche Gruppen" meint: Klassen, Geschlechter, Rassen; "Schichten" wären dagegen nach der von mir für sinnvoll gehaltenen Begrifflichkeit Teilmengen dieser Gruppen. Und das Adjektiv "gesellschaftlich" soll deutlich machen, daß es sich nicht um irgendwelche Gruppen, sondern um große Bevölkerungsgruppen handelt, deren Grenzen entlang der 'Linien', die von den strukturellen gesellschaftlichen Herrschafts- und Ausbeutungsverhältnissen definiert werden, verlaufen.)
3. Strittig könnte daher m.E. nur sein, wie viele solcher "strukturellen gesellschaftlichen Herrschafts- und Ausbeutungsverhältnissen" es gibt (eines [das kapitalistische] oder mehrere) und in welchem Verhältnis sie zu einander stehen (falls es denn mehrere sind) - zu diesen beiden Fragen siehe sogleich meine nächste Antwort -, aber nicht der Begriff "Herrschaft" als solches.
4.a) Der Ausdruck "Unterdrückung" scheint mir im Unterschied zum Begriff "Herrschaft" mit einer Tendenz zur Individualisierung und Psychologisierung verwendet zu werden.
Ich teile insofern den Eindruck, den Jenny Bourne schon Ende der 1980er Jahre gewonnen hatte:
"Identitätspolitik ist zur Zeit der große Renner. Ausbeutung ist 'out' und gilt als von außen her determiniert. Unterdrückung ist 'in' und gilt als persönlich. Die Frage nach dem richtigen Handeln wurde durch die Frage nach dem Sein ersetzt. Wer bin ich? Die politische Kultur ist von einer Politik des Kulturellen abgelöst worden. Die materielle Welt hat sich ins Metaphysische verflüchtigt."b)
(Homelands of minds, in: Jenny Bourne / A. Sivanandan / Fiz Fekete, From Resistance to Rebellion. Texte zur Rassismus-Diskussion Schwarze Risse / Rote Straße: Berlin/Göttingen, 1992, 109 – 145 [110]).
b) Demgegenüber scheint mir der Begriff "Herrschaft" ein Mindestmaß an Institutionalisierung von Macht zu implizieren und ihm daher eine deutlich stärker gesellschaftlich Konnotation eigen zu sein.
Unterdrückung und Herrschaft sind synonym
Ich halte die Unterscheidung zwischen Herrschaft und Unterdrückung für Wortklauberei. Die Psychologisierungsthese kann ich nicht nachvollziehen. Es mag in postmodernen Zirkeln einen abweichenden Gebrauch des Begriffes "Unterdrückung" geben, bis in den allgemeinen Sprachgebrauch ist der aber meines Erachtens noch nicht vorgedrungen. Die einzige Differenz, die ich sehen würde, geht in die andere Richtung: Der Begriff der Herrschaft wird im Anschluss an Foucault in manchen Kontexten als individualisierter und persönlicher verstanden. Wenn überhaupt wäre also Unterdrückung der politischere Begriff. Da ich aber Foucault nicht weiter interessant finde, verzichte ich darauf, mich an den postmodernen Haarspaltereien zu beteiligen und halte es mit Marx, indem ich die Begriffe synonym verwende:
Wie dem auch sei - jedenfalls gibt es nicht nur Klassenherrschaf
1. @ „Ich halte die Unterscheidung zwischen Herrschaft und Unterdrückung für Wortklauberei.“
Meinetwegen – aber der Debattenverlauf war ja, daß Du uns vorwarfst, „die marxschen ‚Ausgebeuteten’ mit den postmodernen ‚Unterdrückten’ zu vermischen“. Daraus las ich die These, daß Du den Ausdruck „Unterdrückte“ für irgendwie problematisch (da „postmodern“) hältst. Wenn das ein Mißverständnis war, dann hätten wir jetzt zumindest das geklärt.
Ich hatte dann versucht darzulegen, daß Frauen und Schwarze für mich keine „postmodernen ‚Unterdrückten’“, sondern – analog zu den Lohnabhängigen - „Beherrschte und Ausgebeutete“ im marxistischen Sinne sind. Warum ich dieser Auffassung bin, hatte ich versucht, in dem Beitrag Klasse & Geschlecht (Mo, 04.01.2016 – 21:09 h) zu begründen. Insofern sollten wir vielleicht dort die Diskussion fortsetzen (Antwort von mir Deinen Beitrag von Di, 05.01.2016 – 12:40 h zu diesem Thema folgt noch) und die „Wortklauberei“ um „die marxschen ‚Ausgebeuteten’ mit den postmodernen ‚Unterdrückten’ […] vermischen“ beenden. :-)
2. @ „Der Begriff der Herrschaft wird im Anschluss an Foucault in manchen Kontexten als individualisierter und persönlicher verstanden.“
Ich vermute, Du meinst den Begriff „Macht“ von Foucault, den er von „Herrschaft“ unterschied:
Allerdings ist auch „Macht“ für Foucault nicht unproblematisch, sondern bloß institiutionell weniger verfestigt als „Herrschaft“:
Seine These war, daß es „zu viel Macht“ gibt (*). Sein praktisch-kritisches Augenmerk war auf Situationen gerichtet, in denen sich Macht als Herrschaft verfestigt, in denen Macht „Herrschaftseffekte“ (Politik und Ethik. Ein Interview mit Michel Foucault [1983], in: Deutsche Zeitschrift für Philosophie, 4/1994, 703-708, 707; Freiheit und Selbstsorge, a.a.O., S. 26) hervorbringt.
(*) „Wie sehr man uns auch eingeredet hat, daß es unserer gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Organisation an Rationalität mangelt: tatsächlichen fanden wir uns vor – ich weiß nicht, (ob) zu viel oder zu wenig Vernunft – jedenfalls gewiß vor zu viel Macht“. (Was ist Kritik? (1978), Merve: Berlin, 1992, S. 24)
Ausbeutung ist das Problemkind, nicht Unterdrückung
Du liegst knapp daneben: Mein Problem liegt in der Zweckentfremdung des Ausbeutungsbegriffes. Denn Ausbeutung ist ein klassisch marxistischer Begriff, der auf das spezielle Verhältnis abstellt, das zwischen Lohnarbeitern und Kapitalisten besteht. Ein Ausbeutungsverhältnis besteht aber grosso modo nicht in rassistischen oder patriarchalen Verhältnissen. Wenn ein Arbeiter nicht eingestellt wird, weil er schwarz ist, dann wird er gerade eben nicht ausgebeutet, weder im marxistischen noch im alltagssprachlichen Sinne dieses Wortes. Und das Angrabschen einer Frau als Ausbeutung zu bezeichnen, ist doch eine gewagte Formulierung. Die Unterdrückung, wenn man so will, der Diskriminierten zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass sie nicht gebraucht werden. Sie kriegen den Job nicht, werden nicht ins Land gelassen usw. Ausbeutung ist deshalb für diese Phänomene der falsche Begriff, weil er nur einen Bruchteil von ihnen erfasst. Unterdrückte oder Beherrschte sind hingegen so schwammige Begriffe, das sie auf so gut wie jedes ungleiche Verhältnis passen.
Für Macht gilt das natürlich auch. Ich meinte aber schon Herrschaft, als institutionalisierte Macht, die für Foucault ja durchaus auch auf einer Mikroebene wirksam wird:
Ist Ausbeutung kapitalismus-spezifisch?
I.
1. @ "auf das spezielle Verhältnis abstellt, das zwischen Lohnarbeitern und Kapitalisten besteht": Ausbeutung gab es doch wohl auch für den nebenwiderspruchs-theoretischsten Marxismus auch schon vor der Herrschaft der kapitalistischen Produktionsweise - nur dass die Ausbeutung auch zwischen den Klassen damals nicht wert-förmig organisiert war: Es gab zwar ein Mehrprodukt, das von der/den herrschenden Klassen (z.B. Adel und Klerus) angeeignet wurde, aber es war keinen bzw. kaum Mehrwert, weil das Ganze v.a. durch politische Gewalt und persönliche feudale Abhängigkeiten organisiert war (und überwiegend nicht durch Markt und Warentausch).
2.a) Ja, sexuelle/sexualisierte Gewalt (Ausnahme: Zwangsprostitution, wo Aneignung und Gewalt zusammenfallen - i.U. zu als freier Lohnarbeit oder selbstständiger Tätitigkeit geleisteter Sexarbeit) würde ich auch nicht "Ausbeutung" nennen; sie ist ein Symptom von patriarchaler Herrschaft.
b) Die Aneignung weiblicher Haus-, Erziehungs- und Beziehungs- / emotioneller Arbeit durch Männer nenne ich aber schon "Ausbeutung" - dieser Mechanismus entspricht der Aneignung fremder Arbeit unter Klassen-Gesichtspunkten in den vor-kapitalistischen Gesellschaften. Diese Begriffs-Ausweitung ist daher m.E. (1.) in der Sache geboten, (2.) mit der Marxschen Theorie vereinbart, auch wenn sie (3.) über diese hinausgeht / sie feministisch weiter entwickelt.
c) Und mir erscheint auch wahrscheinlich, dass sich rassifizierte Lohnunterschiede nicht allein aus der 'kapitalistischen Logik' (unterschiedliche Ausbildungs- und technologisch bedingte Produktivitätsunterschiede) erklärt lassen, sondern eine spezifische Komponente des rassistischen gesellschaftlichen Verhältnisses zwischen Schwarzen und Weißen enthalten.
3. @ "Die Unterdrückung, wenn man so will, der Diskriminierten zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass sie nicht gebraucht werden. Sie kriegen den Job nicht, werden nicht ins Land gelassen usw."
Oder sie bekommen den Job, werden aber trotzdem schlechter bezahlt... - die Lohndiskriminierung gibt es ja auf allen Hierarchie- und Qualifikationsniveaus. Oder sie bekommen den Job, sind aber auf alle Fälle außerhalb der Erwerbsarbeit (und - jedenfalls z.T. - auch innerhalb der Erwerbsarbeit) trotzdem mit rassistischer und sexistischer Gewalt konfrontiert.
II.
Ja, das ist m.E. aber auch zutreffend. Falsch wird es m.E. erst, wenn eine Reduktion auf die mikropolitischen "kleinsten Verästelungen" vorgenommen wird - und nicht (mehr) gesehen wird, dass die Mirkoebene von Sexismus und Rassismus Symptome der Makroebene (nicht 'des Kapitalismus', sondern) der patriarchalen und rassistischen Struktur der Gesellschaft sind.
Ausbeutung ist aber nicht spezifisch für Rassismus und Sexismus
Das stimmt. Spielt für mein Argument aber keine Rolle. Der Begriff Ausbeutung passt exakt zur Beschreibung des Lohnarbeitsverhältnisses. Er passt auch, um das Lehnswesen zu beschreiben oder die Arbeit einer Hausangestellten in Kuwait zu charakterisieren. Er passt aber nicht, um die Abweisung an der Discotür, das Sterben im Mittelmeer oder das Leben der Hausfrau, die sich mit Freude um die Kinder kümmert, zu charakterisieren. Deshalb kritisiere ich das schwammige und ungenaue Sprechen von beherrschten und ausgebeuteten sozialen Gruppen, weil es alles zu einem Brei verrührt.
Und die Aneignung des männlichen Lohns durch die Frau, die Haus-, Erziehungs- und Beziehungsarbeit, die die Männer leisten, würdest Du auch als Ausbeutung begreifen? Oder ist das praktizierte Herrschaft?
Würden wir Ausbeutung definieren, dann wahrscheinlich so, dass jemand eine Tätigkeit verrichtet ohne dafür einen Gegenwert zu erhalten. Du argumentierst dann, dass die Hausarbeit der Frau generell nicht adäquat kompensiert wird und es sich somit um Ausbeutung handelt. Aber hierfür bringst Du keine Belege oder Argumente, sondern verlässt die analytische Ebene und behauptest einfach nur, dass es so sei. Es ist aber nicht schon deshalb so, weil Generationen von Feministinnen das auch behauptet haben. Um in der Hausarbeit Ausbeutung zu sehen, müsstest Du belegen, dass die tatsächlich geleistete Arbeit der Frauen mehr ist als die der Männer und sie auch nicht gleichviel oder mehr Geld dafür abbekommen. Das sehe ich nicht. Zum einen wird das Haushaltseinkommen in heutigen Partnerschaften relativ gleich verteilt. Zum anderen stelle ich es mir wirklich schwer vor, wenn man nicht gerade Kleinkinder versorgt, acht Stunden pro Tag Hausarbeit zu verrichten. Ich kenne keine Hausfrau, die morgens auf ihre Todoliste guckt und dann bis zur Mittagspause herumrödelt, um am Nachmittag noch einmal vier Stunden am Stück abzureißen plus eventuelle Überstunden. Es geht wohlgemerkt um die reine Arbeitszeit, Hausarbeit ist natürlich fragmentierter als ein Bürojob. Deshalb entsteht bei vielen sicherlich das Gefühl, den ganzen Tag gearbeitet zu haben, nur weil sie die Kinder abends noch vom Sport abgeholt hat.
Antwort...
...gibt es dort (in Teil B.):
Historischer Materialismus (nicht nur für die Analyse der Klassenverhältnisse) oder marxistische Nebenwiderspruchs-Ideologie?
https://linksunten.indymedia.org/de/node/164505 (08.01.2016 - 21:22) -
bevor das hier endgültig sehr lang und die weiteren Antworten allzu stark eingerückt werden.
Arbeitsprozess, Ausbeutung und Unterdrückung
@ Du meinst also, das wesentliche Problem am Kapitalismus sei also zuwenig Projektarbeit und keine flächendeckende 30-Stunden-Woche? Du wirst die neue Startup-Welt lieben: Fast völlig selbstbestimmte Organisation und inhaltliche Ausgestaltung des Arbeitsprozesses gepaart mit Kickertisch und Bällebad.
es mag sein, dass es in der IT branche tatsächlich ein höheres mass an "selbstbestimmung" gibt als am fliessband (da kenne ich mich nicht so aus), aber trotzdem sind auch diese arbeitsplätze nach gesichtspunkten strukturiert, die aus der ökonomischen notwendigkeit erwachsen und nicht aus den individuellen bedürfnissen. da ändern auch kickertische und bällebäder nichts.
@ Marx und ich sehen das Problem doch eher woanders. Nämlich in der unermesslichen Anhäufung von Reichtum bei gleichzeitiger sprachlos machender Armut.
ich glaube, da verkennst du Marx. es ging ihm gerade nicht um verteilung und ihre gerechtigkeit, sondern er entdeckte die gesetze des kapitalismus in der produktion, die wiederrum auf dem wertgesetz beruht.
(d. h dem austausch gleicher wertquanta; das gilt auch für die ware arbeitskraft); dass die kapitalistische produktion auch eine zentralisation des reichtums hervorbringt, ist eher ein symptom als eine ursache. dass wirkliche problem ist die hartnäckige anerkennung des wertgesetzes, dass tatsächlich ein gesellschaftlich wirksames "fetisch"-bewusstsein darstellt.
Nein, nein und nochmals NEIN
Marx war kein frei flottierender Philosoph, dem bei einem Einkauf der Fetischcharakter der Ware auffiel. Nein, Karl Marx war natürlich getrieben von den elenden Verhältnissen seiner Zeit, der bitteren Armut, den unbeschreiblichen Arbeitsverhältnissen. Die wollte er erklären und zwar nicht moralisch, sondern durch Analyse der ökonomischen Gesetzmäßigkeiten. Deshalb kam er auch irgendwann auf den Fetischcharakter der Ware. Nicht umgekehrt. Sein Werk begann mit seiner Kritik des Holzdiebstahlgesetzes, nicht mit dem Kapital.
Die Antwort auf die vorstehende Ergänzung...
...gibt es bei scharf-links.de, um die hiesige Diskussion noch mal an anderer Stelle zu bewerben:
Historischer Materialismus oder ‚Verteilungsgerechtigkeit’?
http://scharf-links.de/48.0.html?&tx_ttnews[tt_news]=54446&tx_ttnews[backPid]=56&cHash=06963ae34d
Klasse & Geschlecht
Na, das ist ja dann immerhin schon mal ein Teilkonsens. :-)
a) Ich würde demgegenüber sagen: Auch die Ökonomie ihrerseits ist nicht nur von Klassenverhältnissen, sondern unter anderem auch von der geschlechtshierarchischen und rassistischen Arbeitsteilung sowie der sexistischen und rassistischen Lohndiskriminierung strukturiert - und diese rassistischen und patriarchalen Strukturen in der Ökonomie sind von den Klassenverhältnissen weder abgeleitet noch verursacht.
Genaueres dazu findet sich in einem Text von mir, der gerade heute der Jan.-Ausgabe von "trend. onlinezeitung" erschienen ist (ich nehme an, systemcrash wird ihm - genauso wie diesem Kommentar - nicht vollständig zustimmen):
Spezifität, Historizität und Materialität des Geschlechterverhältnisses
http://www.trend.infopartisan.net/trd1215/20JahreTREND01.html
Und dazu wird es am Sa., den 30.01. in der K9 in Berlin eine Diskussion mit Georg Klauda geben, dessen These lautet:
"Bis heute werden in linken Spektren diese Kategorien als böse Menetekel aufgerufen, um vor einer angeblich drohenden 'Hierarchisierung der Kämpfe' zu warnen. Dem halten die Kritiker*innen eine Gleichordnung der Kategorien entgegen, die den für die Produktionsweise konstitutiven Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit über den Begriff des 'Klassismus' in eines von vielen unterschiedlichen Diskriminierungsverhältnissen umdeutet."
http://www.trend.infopartisan.net/trd1215/20JahreTREND.html
Ich vertrete meinerseits in der Tat eine "Gleichordnungs"-These, aber ich bin entschieden - und insofern anscheinend in Übereinstimmung mit Georg - der Ansicht, daß der Begriff "Diskriminierung", dem ebenso wie dem Ausdruck "Unterdrückung" eine Tendenz zur Individualisierung und Psychologisierung anhaftet, zur Analyse gesellschaftlicher Herrschafts- und Ausbeutungsverhältnisse völlig unzureichend ist:
http://theoriealspraxis.blogsport.de/2010/07/03/intersektionalitaet-und-gesellschaftstheorie/
Ich halte es nicht für sinnvoll den Begriff "Klassenherrschaft" durch "Klassismus" zu ersetzen, aber ich halte auch nicht für sinnvoll, die Begriff "Geschlechterherrschaft" oder "Patriarchat" durch "Sexismus" zu ersetzen. (Der Begriff "Rassismus" ist demgegenüber immerhin struktureller als „Ausländerfeindlichkeit“, „Diskriminierung“ und "Vorurteile".)
b) Ich würde also statt:
"viele andere Herrschaftsverhältnisse [sind] eng an die Ökonomie oder besser an die ungleiche Verteilung von Ressourcen gebunden" (meine Hv.)
meinerseits in etwa formulieren:
"Patriarchat und Rassismus betreffen auch die Ökonomie - zeigen auch im ökonomischen Bereich Auswirkungen und bedeuten eine ungleiche Verteilung von Ressourcen und Arbeitslasten zwischen Männern und Frauen, Schwarzen und Weißen".
Aber Patriarchate gab es schon, als es noch keine Löhne gab; und Patriarchate bedeuten auch nicht nur eine 'Abwertung' von Frauen, sondern sind eine umfassende gesellschaftliche Herrschafts- und Ausbeutungsstruktur.
Diese Struktur wurde nicht vom Kapitalismus geschaffen, sondern vorgefunden - und die Einzelkapitale nutzen sie aus. Zugleich steht das kapitalistische Prinzip des freien und gleichen Warentauschs aber auch sachfremder Diskriminierung anhand von Kriterien wie Geschlecht und Rasse (tendenziell) entgegen.
Das Verhältnis von Kapitalismus und Patriarchat ist also ziemlich komplex und keinesfalls ein Verhältnis von Ursache und Wirkung.
zu Satz 1: Ja, "mit dem Kapitalismus verflochten", aber - wie gesagt - nicht von ihm verursacht.
zu Satz 2: Ja, wenn eine kommunistische Gesellschaft eine Gesellschaft ohne Herrschaft und Ausbeutung ist, dann ist es auch eine Gesellschaft ohne Patriarchat und ohne Rassismus.
Aber die Überwindung von Patriarchat und Rassismus wird sich nicht aus Überwindung des Kapitalismus (+ ein kleines bißchen Nachhilfe seitens einer männlich/weiblich-, weiß/schwarz-gemischten wohlmeinend Avantgarde) ergeben, sondern wenn dann durch feministische und antirassistische Kämpfe von Frauen und Schwarzen (mit ihren je eigenen revolutionären Avantgarden).
Das Argument übersieht, daß es den Unterhalt nicht als Gegenleistung für die Hausarbeit gibt, sondern nur dann, wenn eine Person kein ausreichendes eigenes Einkommen bzw. Vermögen hat. (*) Und Frauen leisten im Patriarchat auch dann mehr Hausarbeit, wenn beide EhepartnerInnen vollzeit erwerbstätig sind.
Nicht nur die Hausarbeitsbelastung, sondern die Gesamtarbeitsbelastung von Frauen ist höher als die von Männern - und trotzdem haben sie weniger Einkommen und weniger Vermögen. Und das erklärt sich nicht aus kapitalistischen, sondern aus patriarchalen Strukturen.
(*) Auch die Höhe des Unterhalts wird nicht nach dem Umfang der Arbeitsleistung, sondern nach der Höhe des Einkommens des Unterhaltspflichtigen bemessen.
In der Familie oder Lebensgemeinschaft findet kein kapitalistischer Warentausch (Arbeitskraft gegen Lohn), sondern Arbeitsleistung aus Liebe + evtl. Unterhalt statt. Die häusliche Produktionsweise (Zubereitung von Nahrung und Produktion von Sauberkeit für den Eigenbedarf und Produktion von mehr oder minder wohl erzogenen Kindern) ist eine andere Produktionsweise als die kapitalistische Produktionsweise (Einsatz von Arbeitskraft, die gegen Lohn frei und gleich getauscht wird, um Waren produzieren zu lassen, die an dritte verkauft werden).
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Nach Marx' Vorstellung würde durch die Ausweitung der kapitalistischen Produktionsweise Frauen genau wie Männer in den Produktionsprozess eingegliedert und bestehende Unterschiede mit der Zeit nivelliert.
Ich halte diese These für plausibel und dort wo Frauen (oder Migranten) eine vom Kapital benötigte Qualifikation haben, können sie auch genauso viel Geld verlangen wie Männer. Wo Marx sich geirrt hat, ist die Vorstellung, dass alle Länder, Völker und Menschen nach und nach in den kapitalistischen Produktionsprozess gezogen werden. Dies ist nicht geschehen und deshalb halten sich diese patriarchalen und rassistischen Strukturen in diesem Ausmaß. Die Ausformung dieser Strukturen ist somit ganz eng an die Ökonomie gekoppelt. Ansonsten ließe sich nicht erklären, warum der indische Computerspezialist oder die Topmanagerin viel besser entlohnt und behandelt werden, als ein Großteil der deutschen Bevölkerung. Patriarchale und rassistische Strukturen spielen fast ausschließlich beim Hauen und Stechen der geringer Qualifizierten eine Rolle. Also bei denjenigen, die das Kapital nicht wirklich benötigt.
In welcher Beziehung gleichgeordnet? Gleich schlimm? Gleich wichtig? Gleich wichtig für was? Du beantwortest eine Frage, die Marxisten so nicht stellen würden. Für sie geht es nicht um eine moralische Behauptung der Gleichheit der Unterdrückungsformen, damit sich jetzt auch die Schwarzen, die Frauen, die Transsexuellen, die Schwulen, die Asexuellen, die BDSMler ganz dolle unterdrückt fühlen können und mit entsprechenden Stellen und Fördergeldern ausgestattet werden. Diese Ebene ist eher dem Verteilungskampf für das Kapital unbrauchbarer Geisteswissenschaftler zuzurechnen und weniger einer konsistenten Gesellschaftstheorie.
Für Materialisten ist nur die Frage bedeutend, welche Rolle die Diskriminierung einer sozialen Gruppe für die gesellschaftlichen Verhältnisse spielt und dann kommt man eben nie bei der Behauptung einer Gleichheit der Unterdrückung an, sondern bei ihrer jeweiligen Spezifik. Für Marxisten im Speziellen ist die Frage entscheidend, welche Rolle die Ausbeutung oder Diskriminierung einer Gruppe für das Fortbestehen des Kapitalismus hat. Und all diese beklagte Diskriminierung ist dem Kapitalismus nicht wesentlich, sondern gerade ein Zeichen, dass es eher zu wenig Kapitalismus gibt. Es gibt nur eine Gruppe, deren Ausbeutung entscheidend für den Fortbestand des Kapitalismus ist. Und das sind die Lohnabhängigen.
Nein, Patriarchat und Rassismus werden mit dem Wegfall ihrer Ursachen verschwinden, nicht durch den idealistischen Kampf bei weiter bestehenden Ursachen. Wie gesagt, es wird sicherlich Generationen dauern, bis auch die letzten Reste getilgt sind, aber wesentlich ist die Abschaffung ihrer Grundlage.
Ich kann Deine These nicht nachvollziehen, weder empirisch noch durch irgendwelche Statistiken. Kannst Du das irgendwie belegen?
Beispielsweise hat die Hans-Böckler-Stiftung für 2013 festgestellt, dass Frauen im Durchschnitt 30,3 Stunden arbeiten, Männer hingegen 39,6 (s. http://www.boeckler.de/pdf/p_wsi_report_22_2015.pdf). Sie kriegen im Schnitt 1,3 Kinder. Wenn sie in den ersten drei Jahren sich weit mehr als der Mann um das Kind kümmern, sind das nur im Schnitt vier, von 47 Berufsjahren. Selbst wenn Frauen es in Zeiten von Waschmaschinen, Trocknern, Putzrobotern, Einkaufslieferdiensten und Ganztagsschulen schaffen, zehn Stunden mehr Reproduktionsarbeit als der Mann zu leisten, ist das keine höhere Gesamtarbeitsbelastung. Ich stimme der These einer höheren Gesamtarbeitsbelastung zu, für Frauen mit Kleinkindern und Frauen vor 50 Jahren. Aber für heute sehe ich das nicht.
Antwort auch hierzu...
...gibt es dort (in Teil A.):
Historischer Materialismus (nicht nur für die Analyse der Klassenverhältnisse) oder marxistische Nebenwiderspruchs-Ideologie?
https://linksunten.indymedia.org/de/node/164505 (08.01.2016 - 21:22) -
bevor das hier endgültig sehr lang und die weiteren Antworten allzu stark eingerückt werden.
Revolutionäre Blockorganisation
zunächst einmal möchten wir betonen, dass es uns nicht um irgendeinen block von irgendwelchen linken gruppen, sondern um zusammenarbeit in einigungsfähigen fragen bei fortsetzung der diskussion über strittige themen auf der grundlage von revolutionären mindeststandards (essentials) geht.
der wesentliche grund für unser plädyoer für eine revolutionäre blockorganisation als nächsten schritt ist aus unserer sicht, dass die existenz ungezählter klein- und kleinstgruppen eher ein hindernis als ein motor für revolutionäre politik darstellt. natürlich verkennen wir nicht, dass es sehr viele inhaltliche differenzen gibt, die nicht von heute auf morgen auszuräumen sind. auch halten wir die blockorganisation nicht für einen magischen schlüssel, der uns hilft, alle probleme aus dem wege zu räumen. aber wir glauben, dass die inhaltlichen schnittmengen vieler gruppen zumindest so gross sind, dass man sich auf mindeststandards einigen kann und eine gemeinsame praxis in ausgesuchten feldern enftwickeln kann (in griechenland scheint das ja bei ANTARSYA [*] zu funktionieren, auch wenn wir sonst kaum informationen über ANTARSYA haben). zumindest denken wir, dass die blockorganisation die beste von allen chancenlosen optionen der revolutionären linken darstellt ;)
[*] siehe zu ANTARSYA:
http://lowerclassmag.com/2015/08/es-gibt-keine-alternative-in-diesem-system/
Die Einigung über das was Andere betrifft
Ich denke auch das es möglich sein wird das die verschiedenen revolutionären Gruppen sich auf Mindeststandards einigen werden. Aber das ist doch garnicht das zentrale Problem eurer Politik.
An meiner Wortwahl merkt ihr schon, das ich Probleme habe mich als Teil eures Blocks zu sehen. Das geht vielen Anderen auch so und darauf habt ihr viele Jahre hingearbeitet.
Eure sogenannten revolutionären Gruppen faseln von Dingen deren Betroffener sie sich längst entledigt haben. Ihr seid mehrheitlich jung, weiß, männlich und studiert. Ihr wollt weder mit den Alten, noch mit den Kranken, noch mit den prekär Beschäftigten etwas zu tun haben. In euren Gruppen finden sich kaum "nicht-weiße" oder Refugees. Arbeiter und Arbeiterinnen oder "bildungsfernen" Schichten werden von euch seid Jahren systematisch ausgegrenzt und diskriminiert.
Was also soll aus eurer Ideologie erwachsen. Ihr faselt von Problemen, die nicht die euren sind und wollt Lösungen anbieten die Andere betreffen, ohne umfängliches Wissen über Ursachen, Auswirkungen und Folgen. Wie eine Regierung wollt ihr die unumgängliche Herrschaft über alles das was Andere angeht haben.
Ich rate euch: fasst euch mal an eure eigene Nase und regelt lieber das was euch angeht! Wenn ihr unsere Lebensbedingungen mitgestalten wollt, dann kommt erstmal auf unser Niveau herunter.
Wir sind nämlichen nicht die sozialen Studienobjekte für euren neuen Soziologie-Kurs!
Das hast Du immer schonmal sagen wollen
aber bisher noch nicht den Ort dafür gefunden. Und jetzt meinst Du, ohne dich näher mit dem Geschriebenen beschäftigt zu haben, dies sei der Ort? Sorry nein, ist es nicht. Deine Behauptungen sind größtenteils aus der Luft gegriffen, haltlos und haben mit dem Diskutierten nur sehr wenig zu tun.
Die Revolution ist doch nicht ausschließlich für die Alten, Kranken und prekär Beschäftigen da. Abgesehen davon wie dämlich die Annahme ist, Studierte hätten keine Erfahrung mit prekärer Arbeit. Vielleicht klappst Du lieber in Deinem Soziologiekurs den Laptop zu und lauschst der Vorlesung. Danach kannst Du dann einmal den Text lesen. Dabei findest Du dann Textstellen wie diese hier:
die sich mit Deinem Kommentar auseinandersetzen, schon bevor Du ihn geschrieben hattest. Hättest Du den Text gelesen, hättest Du auch den Kommentar so nicht mehr geschrieben oder wärest zumindest auf die Argumente eingegangen, die gegen deinen "soziologisch-kulturalistischen Klassenbegriff" vorgebracht wurden.
Besser spät als nie --- @ "Die Einigung über das was Andere ..."
Wegen 'höherer Gewalt' gibt es hier unsere Antwort auf Medi (Di., 05.01.2016 - 05:28 h) leider mit einiger Verzögerung:
roße Klappe – und was dahinter?
@ „Eure sogenannten revolutionären Gruppen faseln von Dingen deren Betroffener sie sich längst entledigt haben.“
Komisch nur, dass wir selbst „Betroffene“ (nämlich lohnabhängig) sind – und nicht einmal sonderlich gut bezahlte – die Eine als Erwerbslose und der andere als Teilzeit-Beschäftigter in einem Call-Center. Das müsste doch selbst nach proletkulterischen Maßstäben an credibility reichen.
@ „Ihr seid mehrheitlich jung, weiß, männlich und studiert.“
Also wir beide stehen dem Rentenalter deutlich näher als der Volljährigkeitsgrenze... – aber für die Frage, ob unsere Argumente zutreffend sind oder nicht, ist das eh völlig wurscht. Denn die Wahrheit von Aussagen hängt nach materialistischer Auffassung davon ab, ob sie dem Gegenstand, über den sie gemacht werden, adäquat sind – und nicht von der sozialen Lage der Person, die die Aussage macht.
Ja, wir sind beide gesellschaftlich als „weiß“ positioniert, und die meisten GenossInnen in linken Gruppen in Deutschland sind in der Tat ebenfalls als „weiß“ positioniert – nur ist das ja bei der Verteilung von Schwarzen und Weißen im deutschen Bevölkerungsdurchschnitt auch nicht wirklich überraschend...
Und ja, die meisten linken Gruppen bestehen auch mehrheitlich aus Männern. Und das ist ein Problem (verweist auf die patriarchalen Verhältnisse auch in der Linken), da es im Bevölkerungsdurchschnitt etwas mehr Frauen als Männer gibt. Aber uns scheint nicht, dass Gruppen, die einen engen Begriff von „Arbeiterklasse“ / „Proletariat“ vertreten typischerweise mehr Frauen als Mitglieder haben, als Gruppen, die einen weiten Begriff von „Lohnabhängigen“ vertreten.
@ „Ihr wollt weder mit den Alten, noch mit den Kranken, noch mit den prekär Beschäftigten etwas zu tun haben.“
Was bringt Dich zu dieser Überzeugung?!
Aber mal unabhängig vom ‚Willen’: Ja, in der Tat sind (post)autonom-anarchistischen Gruppen überdurchschnittlich viel jüngere Menschen; der NaO-Prozeß, an dem wir längere Zeit beteiligt waren, aber dagegen eher überaltert.
@ Kranke: Nun ja, revolutionäre Politik ist halt (unbezahlte) Arbeit und eine ernsthafte und risikoreiche Sache; und diejenigen, die arbeitsunfähig krank (zumal bettlägerig oder stark psychisch erkrankt sind), können nun einmal nur eingeschränkt politisch aktiv sein.
@ „In euren Gruppen finden sich kaum ‚nicht-weiße’ oder Refugees.“
Ja, das ist zutreffend – und das liegt in der Tat auch daran, dass es in der Linken im allgemeinen nicht nur patriarchale Strukturen, sondern in hiesigen der Linken auch rassistische Strukturen gibt – und wir kritisieren sie.
Eine Rolle spielt aber auch, dass viele politisch aktive MigrantInnen auch hier weiterhin auf die politischen Verhältnisse in ihren Herkunftsländern bezogen sind (was nicht falsch sein muss) und deshalb in Auslandsgruppen politischer Organisationen ihrer Herkunftsländer organisiert sind.
@ „Arbeiter und Arbeiterinnen oder ‚bildungsfernen’ Schichten werden von euch seid Jahren systematisch ausgegrenzt und diskriminiert.“
Revolutionäre Politik ist nun einmal intellektuelle Arbeit. Allerdings sind nicht nur AkademikerInnen in der Lage, intellektuelle Arbeit leisten. Gerade TaP hatte in Bezug auf die Soli-Arbeit wegen der Repression gegen die militante gruppe (mg) bzw. gegen vermeintliche Mitglieder derselben die Verwechslung von „Akademikern“ und „Intellektuellen“ und die Art und Weise, wie in der Soli-Arbeit über „Intellektuelle“ geredet wurde, ausführlich und mehrfach kritisiert:
z.B. http://interkomm.so36.net/archiv/2008-08-30/nse.pdf, S. 26 - 33.
Aber ja: In der Tat gibt es in meisten linken Gruppen nur eine geringe Fähigkeit, neue Leute, die nicht eh schon vorher irgendwie zur linken Szene gehören, zu integrieren und einen Mangel an Bildungsarbeit, um allen Mitgliedern und SympathisantInnen zu erleichtern, an der Bestimmung der politischen Linie der jeweiligen Gruppe mitzuarbeiten.
@ „und regelt lieber das was euch angeht! Wenn ihr unsere Lebensbedingungen mitgestalten wollt, dann kommt erstmal auf unser Niveau herunter.“
Anstatt die Lohnabhängigen auf ihrem bestehenden (möglicherweise) niedrigen „Niveau“ (Dein Ausdruck – nicht unserer!) falsch zu bestärken, sollte sich vielmehr darum bemüht werden, die Fähigkeiten und die Möglichkeiten,
die Lage zu analysieren,
eine Strategie zu entwickeln und zu artikulieren
und
die politische Linie gleichberechtigt mitzubestimmen,
derjenigen, deren Möglichkeiten und Fähigkeiten dazu bisher unterdurchschnittlich sind, zu heben.
„Damit die Partei lebt und Kontakt zu den Massen hat, ist es nötig, daß jedes Parteimitglied ein aktives politisches Element, ein Führungselement ist. Gerade weil die Partei stark zentralisiert ist, ist eine breite propagandistische und organisatorische Arbeit in ihren Reihen erforderlich, ist es notwendig, daß die Partei ihre Mitglieder in organisierter Weise erzieht und ihr ideologisches Niveau hebt. Zentralisierung heißt vor allem, daß alle Mitglieder der Partei in jeder Situation – auch im verstärkten Belagerungszustand und auch, wenn die leitenden Komitees für eine bestimmte Zeit nicht funktionieren oder nicht mit der gesamten Peripherie der Partei verbunden sein sollten – in ihrer Umgebung in der Lage sein müssen, sich zu orientieren und aus der Realität die notwendigen Elemente zu entnehmen, um eine Richtlinie zu erarbeiten, damit die Arbeiterklasse nicht entmutigt wird, sondern spürt, daß sie geführt wird und noch kämpfen kann. Die Ausbildung der Massen auf ideologischem Gebiet ist also eine Notwendigkeit des revolutionären Kampfes, sie ist eine der unumgänglichen Voraussetzungen für den Sieg.“
(Antonio Gramsci, Zur Politik, Geschichte und Kultur, Leipzig, 1980, S. 113 - 121 [121];
http://web.archive.org/web/20070708152308/http://www.marxistische-bibliothek.de/gramscischulung.html)
Mitspielen oder Revolution?
Wir haben noch einen kleinen Nachschlag geschrieben und Werbung für die hiesige Diskussion gemacht:
https://de.indymedia.org/node/7354
dito
Den Text gibt es jetzt auch bei scharf-links:
http://scharf-links.de/48.0.html?&tx_ttnews[tt_news]=54417&tx_ttnews[backPid]=56&cHash=b2c1f50b98.
Und für unsere ausstehenden Kommentar-Antworten gibt es inzwischen Entwürfe; die fertigen Texte kommen am Donnerstag. :-)
Ein Nachschlag aus dem Archiv
Ich habe etwas in alten Texten gekramt und sie mit einer aktuellen Einleitungen versehen:
Die 2011er-Kontroverse über Klassenkampf und Diversity
https://linksunten.indymedia.org/de/node/164219 (06.01.2016 - 13:43).
PS.:
Antworten auf die gestrigen Kommentare folgen noch.
Checkergehabe
was du so alles weißt über die Männer und Frauen in aller Welt - wow!