Vielfältige Aktionen zum Zapfenstreich?

Maqui

Mit dem Einsickern von Marketing-Sprech in den linksradikalen Sprachgebrauch ist man ja versucht, alles, wo nur ein kleines bisschen mehr ging, als angeblichen „Erfolg“ abzufeiern. So dürfte es vielen auch anlässlich der Proteste gegen den „Großen Zapfenstreich“ vor dem Reichstag zum 60. Geburtstag der Bundeswehr gehen. Mit Hilfe des Werkzeuges der „Medienschau“ soll hier versucht werden, den „Erfolg“ der Proteste zum Zapfenstreich vor dem Reichstag 2015 zu „messen“.

 

 

Vielfältige Aktionen?

Auf den ersten Blick ist die Liste an Aktion ganz beeindruckend. Bereits zwei Wochen vorher tauchen in Berlin die Bundeswehr kritisierende Adbustings auf. Und explizit auf den Zapfenstreich verweisend veröffentlichten anonym auftretende Leute ein Video, in dem sie zeigen, wie man Werbung der Militärs im Öffentlichen Nahverkehr entfernt. Am Wochenende vor der Geburtstagsfeier verschönerten unerkannt Gebliebene mit sehr viel Farbe den „Show Room“ der bundesrepublikanischen Militärs am Bahnhof Friedrichstraße. Zwei Nächte vorher wurden in Berlin mit Verweis auf den Zapfenstreich Autos von Militärdienstleistern angezündet. Am Morgen des 11.11. fanden sich u.a. vor dem Reichstag sogenannte Adbustings, die die Bundeswehr und die Militärparade kritisierten. Und zur Demo fanden schließlich etwa 300-400 Leute ihren Weg. Bis auf den für Berlin selbstverständlichen Polizeiübergriff sind die VeranstalterInnen der Demo laut ihrer Pressemitteilung mit ihrer Aktion auch ganz zufrieden.

 

Medienecho?

Doch das Medienecho sollte kritisch stimmen. In den allermeisten Artikeln, die bundesweit erschienen sind, spielt der Protest keine Rolle.

 

Exemplarisch dafür dürfte der in Berlin erscheinende Tagesspiegel sein. Im Vorfeld der Zapfenstreiches hatte die Redaktion dort vor allem die durch die Straßensperren in Mitte provozierten Verkehrsstau interessiert. Wie intensiv dazu recherchiert wurde, zeigt, dass in der Überschrift zunächst statt „Zapfenstreich“ unzutreffenderweise von einem „Gelöbnis“ die Rede war. Dies wurde mittlerweile stillschweigend korrigiert.In der Berichterstattung über die Farb-Aktion am Bundeswehr-“Show-Room“ am Bahnhof Friedrichstraße beschränkte sich der Tagesspiegel darauf, zu berichten, wie angeblich souverän die Militärs mit der Kritik umgehen würden. In der Berichterstattung zum Zapfenstreich dominiert dann auch massiv die kritiklose Übernahme des Propaganda-Blabla der Militärs. Die Demo die Demo und der Show-Room bekommen einen Absatz. Als einziger Demo-Inhalt wird das Motto genannt. Und na klar werden brav die Cops zitiert: „Sie verlief ohne Zwischenfälle.

 

Noch krasser ist die Berichterstattung der Berliner Zeitung. Hier geht man mit „200 Menschen demonstrieren“ in der Überschrift auf LeserInnenfang. Und dann kommt fast wie im Tagesspiegel haufenweise unkommentiertes Propaganda-Blabla und ein Absatz zur Demo. Ähnlich macht es die zum selben Medienkonzern gehörende Frankfurter Rundschau. Der rbb berichtet ganz ähnlich, erwähnt aber immerhin die Polizeigewalt auf der Demo.

 

Überraschend kritisch hingegen kommt die BILD- Berichterstattung daher. Vermutlich unfreiwillig ironisch heißt hier die Überschrift: „Großer Zapfenstreich zum 60.Geburtstag. So feiert sich die Bundeswehr selbst“. Eine seltsame Stilblüte liefert Florian Rötzer auf Telepolis. Es wirft die unterschiedlichen Protest-Akteure rund um das Gelöbnis skurilerweise ohne jede Differenzierung schwungvoll in einen Topf.

 

Und die Taz erklärt heute, warum das deutsche Militär „nicht militaristisch“ ist, und es deswegen vollkommen ok sei, sich vom Kriegsministerium für das Veröffentlichen von Militär-Werbung kaufen zu lassen. Einzig die „Junge Welt“ räumt dem Protest gegen den Zapfenstreich ausgiebig Raum ein.

 

Resümee: Alles nicht so dufte.

Als Resümee muss man leider sagen, dass das alles eher dürftig ist. Antimilitaristische Inhalte in die Massenmedien oder anderweitig in den gesellschaftlichen Diskurs zu bringen, ist fast nicht gelungen. Und auch die Aktionsbilanz ist eher mittelmäßig. 400 Leute auf einer Demo, ein paar Brandanschläge, ein bisschen Farbe auf den Showroom, Vandalismus an Bundeswehr-Werbung und eine gute Adbusting-Aktion ist ein Niveau, dass auch Kleinstädte am Rande der linksradikalen Scheibenwelt wie z.B. Hannover hinbekommen.

 

Mehr Infos:

 

Adbusting gegen Zapfenstreich am Reichstag:

http://maqui.blogsport.eu/2015/11/12/adbusting-aktion-in-berlin-anlaesslich-zapfenstreich/

 

B: Adbustings gegen Nationalismus zum Nationalfeiertag

http://maqui.blogsport.eu/2015/10/04/berlin-adbusting-zur-einheitsfeier/

 

Analyse zur Rolle des „Handels“ bei der Rechtfertigung von deutschen Militär-Expeditionen:

http://maqui.blogsport.eu/2015/11/10/von-deutschen-supermaerkten-darf-nie-wieder-krieg-ausgehen/

 

Mehr Aktionsanalysen:

http://maqui.blogsport.eu/theoretisches-praktisch/

 

 

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ich köönt jetzt ja schreiben, mach es besser, wenn möglich tu das auch, aber recht hast du!

Wenn schon Marketing- und sonstiger Neu-Sprech, dann stellt sich die Frage, ob der "Return on Investment" all den Aufwand gelohnt hat.

 

Zudem stellt sich die Frage, wie denn die gesellschaftlichen Verhältnisse aussehen, wenn selbst im "linken" Berlin gerade mal 300 bis 400 Leutchen demonstrieren, das Thema also trotz all der Mobi gerade mal 0,01% der Menschen auf die Straße bringt.