Spitzel in der Wissenschaft?!

Geknebelt

Eine Studentin berichtet über einen Spitzelverdacht innerhalb der Wissenschaft. - "Das Gespenst in der Wissenschaft - Die Student_Innen klopfen auf die Tische. Es ist das Zeichen für das Ende der Seminarsitzung – Sachen packen und 'raus. Doch dieses mal ist alles anders: mir zittern die Knie, in meinem Kopf läuft ein sich ständig wiederholender, total widerwärtiger Streifen, meine Magengegend fühlt sich an, als würde sie jemand mit Gewalt knebeln. Mir ist schlecht. Doch was war eigentlich passiert?


In der Sitzung der vorherigen Woche hatte ich ein Referat vorbereitet und gehalten. In dem Seminar selbst geht es um Gesellschafts-konstruktionen und Überwachungs- und Kontrolltechnologien. Es ist ein soziologisches/kriminologisches Vertiefungsseminar. Die Sitzung hatte ein Oberthema: „institutionalisiertes Misstrauen“. Es ging also um ein Bürger-Staat-Verhältnis. Das gehaltene Referat versuchte zwei Aspekte zu beleuchten: einerseits sollte der Legitimierungsmechanismus für Überwachungs- und Kontrolltechnologie aufgezeigt werden, andererseits sollte eine sozialdemokratische Gesellschaftskonstruktion aufgezeigt werden, die diese Technologien benötigt und gebraucht. Dazu wurden in erster Linie historische Quellen aus antikommunistischer Politik verwandt. Insbesondere Eingegangen wurde auf: repressive und ausschließende Maßnahmen gegen kommunistische Politik in Gewerkschaft und Parteien (VVN, FDJ, KPD) sowie kommunistischer Bestätigung nach 1945, auf Totalitarismus- und Extremismusthesen, aus sozialdemokratische Maßnahmen im Umgang mit dem Proletariat nach 1945 (insbesondere ab 1949), auf Terrorismuskonstruktionen im Bezug auf die Rote Armee Fraktion.


Bereits während des Referats hagelte es förmlich Gegenwind (insbesondere von einer Person). Ich bekam das Gefühl, als hätte ich einen Fehler gemacht und ging auch aus dieser Sitzung mit gemischten Gefühlen. Direkt im Anschluss an diese Sitzung erzählte mir eine Kommilitonin auf dem Weg über dem Campus, sie hielte die Diskussionen in diesem Seminar seit dem Beginn für „komisch“ im Gegensatz zu vergangenen Seminaren. Außerdem erwähnte sie, dass die Person, von der auch die vielen Gegenäußerungen kamen, irgendwie Polizistin sei. Ich hatte nun viel zum drüber nachdenken. Noch am gleichen Nachmittag suchte ich eine vertraute erfahrene Dozentin auf. Sie berichtete mir, dass auch sie regelmäßig glaubte, dass auch in ihren Seminaren V-Leute sitzen würden. Ich hatte nun damit schwer zu kämpfen. Ich ließ etwas sacken, machte mich aber schließlich einige Tage später daran, meine Quellen zu prüfen. Könnte man das, was ich behauptete wirklich deduzieren? Stimmen die Quellen? Habe ich einen Fehler gemacht? Ich zweifelte und machte nun dran, meine Quellen mehrmalig zu bestätigen. Nach einigem relativ intensivem Buddeln fand ich Bestätigungen und begriff, dass ich nicht falsch gelegen hatte. Ich war mir an dieser Stelle sicher, dass ich dazu erneut im Seminar Stellung nehmen müsste. Einige Tage vergingen wieder bis zur nächsten Seminarsitzung. Ich stellte mir dann doch die Frage, ob eine erneute Stellungnahme nicht überflüssig sei. Vielleicht würde ich ja nur Gespenster sehen – alles nicht so schlimm?


Ich entschied mich aber dennoch, erneut das Thema in dem Seminar aufzugreifen und Stellung zu beziehen. Klar war natürlich, dass dies mit der Dozentin abgesprochen werden musste und es war dabei auch klar, dass ich einen Verdacht auf Spitzel in diesem Seminar nur durch eine Outingaufforderung voran treiben konnte – egal was dabei rum kam. Um das vorwegzunehmen, ich war und bin mir immer noch nicht hundertprozentig sicher, ob in diesem Seminar Staatsschutzleute sitzen. Klar war und ist aber, dass das Unterlassen einer Aussprache dieses Verdachts dem Kontrollmechanismus weiterhin freien Lauf geben würde. Die Teilnehmer des Seminars und ich selbst also weiterhin Kontrolle unterworfen sind. Also sprach ich mit der Dozentin vor Beginn des Seminars. Sie fiel aus allen Wolken, wollte es eigentlich gar nicht glauben, dass so etwas sein könne. Sie wusste aber auch, dass sie Bespitzelung nicht ausschließen konnte. Mit ihrem abschließenden Kommentar: „Ich glaub, mir ist schlecht.“ beendeten das Gespräch und vereinbarten, dass ich am Ende der Sitzung Zeit bekäme.


Mit dem Kommentar: „Ich glaub, heute komme ich mal zu Dir.“ setzte sich die Person neben mich, die in den ganzen 10 Wochen vorheriger Vorlesungszeit nicht einmal neben mir gesessen hatte: die vermutete Polizistin. Ich muss an dieser Stelle kreideweiß geworden sein, war sie es doch, die mich eine Woche zuvor mit Halbargumenten und Common-Sense-Behauptungen über Kommunistenverfolgung und Terrorismusexklusion der Roten Armee Fraktion vorgeführt hatte! Auch in dieser Sitzung ging es wieder um Überwachung und Vertrauen in den Staat. Und auch diesmal ging sie gegen die diesmal andere Referenten gegen an: Niemand würde in diesem Staat einfach so ohne richterliche Genehmigung überwacht, geschweige denn überwacht. Niemand würde in diesem Staat einfach so verhaftet (!). Ich hielt die Klappe, obwohl dieses Seminar sehr mochte. Ich mochte die Texte und konnte mich tatsächlich mit Inhalt und Lehre identifizieren. Ich hatte auch während den Sitzungen immer etwas zu diskutieren, zu überlegen oder zu fragen. Doch in dieser Sitzung sagte ich NICHTS, nicht einmal zu formalen Dingen. Gegen Ende der Sitzung war es dann aber so weit: Ich wollte das Maul aufmachen.


Zunächst äußerte ich meinen Unmut, der sich ergeben hatte und sprach meine gefundene Evidenz aus. Ich hob weiter vor, dass ich nicht Verbotenes, nicht Prekäres getan hatte, um dann schließlich die Aufforderung zum Outing von verdeckten Ermittlern, Informaten oder eben spitzeln kundzutun. Mir war absolut klar, dass mein Verdacht nicht wasserdicht war und dass ich auch gar keine Beweise hatte. Ich stand mit leeren Händen da – ganz klar. Aber es nicht zu sagen, widerte mich in jedem Fall viel mehr an! Also raus damit! Natürlich outete sich keiner. Die ungewisse Polizistin jedoch war die Erste, die sich überhaupt äußerte – ihre Bemerkung: „Wie kommst du auf so was?“ Natürlich gab ich keine Antwort (mach mich ja nicht zum Löffel).


Ich bin mir relativ sicher, dass ein solches Verhalten, solche Überlegungen für Außenstehenden abstoßend wirken, dass das, was ich getan habe, abgewunken werden könnte. Und vielleicht stimmt es ja auch. Vielleicht habe ich tatsächlich paranoide Züge – wer weiß? Aber Überwachung, Bespitzelung sind leider unsichtbare Dinge. Niemand kann sagen, wann Sanktionen kommen, wann aus Überwachung etwas folgt, wann wieder jemand dran ist. Was wir aber sagen können, ist dass wir überwacht werden. Deshalb scheint mir auch im Nachhinein in einer sozialdemokratischen Gesellschaft eine Outingaufforderung ein mehr als legitimes Mittel zu sein, solche Kontrollmechanismen anzuprangern. Solche Ausschlussmechanismen durch Überwachung sind anzuprangern, offenzulegen und abzustellen!


Der Gedanke im Übrigen, die Wissenschaft (auch die bürgerliche), ihre Lehre und Forschung würde überwacht, widert mich zu tiefst an! Denn, das muss dann noch hinzugefügt werden, die Möglichkeit, dass wissenschaftliche Tätigkeiten und Überlegungen überwacht würden, führt dazu, dass „unnormale“, „ungewöhnliche“ Phänomene aus diesem Betrieb verschwinden. Und wer was anderes macht, wird überwacht – im Zweifel entfernt! Das kann keine Vorstellung von Wissenschaft sein! Die Infiltration der Wissenschaft darf für repressive Parteien keine praktische Möglichkeit darstellen! Der Staat hat nichts in unserer Wissenschaft zu suchen! Raus mit staatlichen Überwachungen aus dem Wissenschaftsbetrieb!"

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Ist eine schwierige Situation. Keine Ahnung was ich da machen würden... vielleicht versuchen über die potentielle Polizistin mehr raus zu bekommen... offensichtlich ist sie ja zumindest scheiße... da hätte ich nicht so die großen Bedenken ihr mal auf den Zahn zu fühlen.

Es ist ein soziologisches/kriminologisches Vertiefungsseminar

 

Mal darüber nachgedacht, dass die vielleicht einfach Bulle ist und die Seminare für ihre Beamtenlaufbahn besucht oder aus Interesse? Hab schon Soldaten in Seminaren gehabt, die aus Afghanistan kamen und sich durch paar Jahre Uni auf ihre Nato-Laufbahn vorbereiten wollten. Und aus Erfahrung kann ich sagen, dass 'ne Menge normaler Leute, die keine Zivis/V-Personen sind, auch so argumentieren würden.

also die Polizei hat eigentlich ihre eigene hochschule

Ich kenne auch Fälle von Polizist_innen in normalen Hochschulseminaren, beispielsweise für die "Sozialen Dienste in der Justiz", bei dem Studiengang hast du nur Bullen und Schlieszer_innen in den Seminaren (die wiederum auch von anderen Studiengängen bspw. Soziale Arbeit besucht werden).

Liebe/r Kamerawinkel, Danke erstmal, dass Du das Ganze veröffentlichst. Ich persönlich halte Deine Empfindungen keineswegs für Paranoia. Wäre nicht das erste mal, dass die Repressionsbehörden versuchen die universitäre Lehre zu infiltrieren. Magst Du uns noch mitteilen um welche Uni/ Hochschule es sich handelt? Und leite den Sachverhalt ruhig an die Rote Hilfe weiter, dann gibt es in der nächste "Rote Hilfe Zeitschrift" vielleicht einen (wie meistens) interessanten Artikel zur Thematik...

 

Solidarische und studentische Grüße aus dem Norden...

In deinem Text finden sich folgende belastbare Argumente für einen Spitzelverdacht:

- Die Person hat dich und andere von einem rechten Standpunkt anscheinend unsachlich kritisiert.

- Die Person hat danach überraschend die Nähe zu dir gesucht.

Alles andere ist zu vage recherchiert (soll irgendwie bei der Polizei sein...), oder kann gar nicht beweiskräftig sein (X glaubt, dass...).

 

Die wahrscheinlichste Erklärung ist ganz einfach, dass du einE rechte KommilitonIn im Seminar sitzen hast. Kommt immer wieder vor, ist immer wieder unerfreulich aber mit haltlosen Verschwörungstheorien macht mensch sich die Situation noch unangenehmer.

Das ist nichts ungewöhnliches, dass es rechte Menschen auf der Welt gibt. Bei meinem Realschulabschluss hatte ich vermutlich auch einen rechten Lehrer unter den Prüfern.

Ein Spitzel zeichnet sich gerade dadurch aus, dass er/sie sich NICHT kritisch gegenüber linksradikalen Positionen äußert. Vielmehr ist von solchen Leuten eher das Nachplappern linker oder linksradikaler Positionen zu erwarten. Genau so viel, um Anschluss zu finden, aber nur so viel wie nötig, um sich nicht zu verplappern und als "Nicht-Linker" zu outen. Ist so oder ähnlich in jeder Broschüre zum Thema Spitzel/V-Leute zu lesen.

 

Und schon gar nicht ist zu erwarten, dass über einen Spitzel greifbare Gerüchte kursieren, dass er/sie Bulle sei. Denn wenn solche Gerüchte kursieren, werden sie sofort abgezogen, denn ihre Arbeit ist ab dem Punkt sinnlos und dann wird es schnell gefährlich. Die Staatsschutz-Dezernate sind nicht ganz blöde, da sitzt im Regelfall die Elite der Kripo und nicht irgendwelche (Standard-)Knüppelbullen.

 

Vermutlich also irgend ne Polizei-Anwärterin oder ähnliches, die extern von der Bullenhochschule Kriminolgie-Scheine macht oder ähnliches.

 

Insofern eine ganz schwache Nummer von dir @ Autorin.

 

Du bist (wie Du selbst geschrieben hast) nicht in der Lage, einfachste bürgerliche Argumentationen bzw. Staatsaffirmation zu widerlegen. Blabla, Rechtsstaat, Gesetze, Richtervorführung etc.pp. Tja, schon blöd, wenn man außerhalb der universitär-linksradikalen Peergroup auf die reaktionäre Normalgesellschaft trifft und argumentativ für das eintreten muss, was man sich da im soziologischen Elfenbeinturm ausgedacht hat.

 

Und dann ist das Gegenüber möglicherweise sogar Repräsentantin der Staatsgewalt selbst und Du kriegst direkt Schweißausbrüche.

 

Als aktiver Antifaschist/Antirassist im Osten find ich das nicht nur etwas befremdlich - ich hab ständig mit ziemlich fiesen Gestalten zu tun. Nazihools, die mir auf's Maul hauen wollen, Prügelbullen, die nur einen Vorwand zum Zuschlagen suchen, Staatsschutz-Arschlöcher, die mich auf Demos in Hörweite von Nazis mit vollem Namen ansprechen, normalrassistischer Volksmob an jeder Ecke - Leitungsbeamte von Ausländerbehörden, die mich beim unterstützen von Refugees verhöhnen und mir ihren AfD-Ausweis präsentieren.

 

Und Du verfällst hier ins Wehklagen, weil sich bei deinem Uniseminar eine (mögliche) Bullette neben dich setzt und PLAUDERN will.

 

Meine Güte schick sie halt weg oder laber über's Wetter?!

 

Ich komm mir irgendwie verarscht vor.