[FR] Flugblatt zur Städtepartnerschaft Freiburg - Isfahan beim "Partnerschaftsmarkt" verteilt

Kriegsgerät versenken!

Heute fand in Freiburg der sogenannte "Partnerschaftsmarkt" statt, wo vor dem Rathaus die verschiedenen Freundeskreise von Freiburgs Städtepartnerschaften ihre Stände aufgebaut hatten. Darunter auch der zur seit 2000 bestehenden Partnerschaft Freiburgs mit Isfahan. Obwohl das Mullah-Regime im Iran unverändert menschenverachtend agiert, finden sich an diesem Stand keinerlei Hinweise auf die Niederschlagung des Aufstandes 2009, die höchste Hinrichtungsquote der Welt und die legitimierende Rolle, die die Freiburger Delegationsreisen für die Diktatur der Mullahs spielen. Aus diesem Anlaß haben wir das folgende Flugblatt verteilt.

 

Wie Freiburg das Mullah-Regime im Iran unterstützt und sich nicht für diejenigen interessiert, die aufbegehren


Seit nunmehr 15 Jahren betreibt Freiburg eine Städtepartnerschaft mit Isfahan. Neben der Stadt Freiburg ist der Freundeskreis Freiburg-Isfahan e.V. hauptsächlich an der Aufrechterhaltung dieser offiziellen Beziehung beteiligt. Laut dessen Website ist das Ziel des Vereins, „diese Freundschaft auf allen möglichen Ebenen zu beleben“. Was bedeutet es, eine offizielle Beziehung mit der zweitgrößten Stadt im Iran zu betreiben? Laut der Stadt Freiburg und des Freundeskreises gehe es darum, kulturellen Austausch zu betreiben und Kontakte mit den Menschen zu pflegen. Außerdem habe man keine Partnerschaft mit dem Iran, sondern mit der Stadt Isfahan.


Freiburg im Iran


Doch bei den Delegationsreisen, zuletzt 2014, schütteln die VertreterInnen Freiburgs dort die Hände der lokalen Repräsentanten des islamistischen Mullah-Regimes und verhandeln über wirtschaftliche Kooperation, insbesondere jetzt, wo ein Ende der Sanktionspolitik und eine iranische Atombombe in Reichweite sind. In den staatlichen iranischen Nachrichtenportalen wird regelmäßig freudig berichtet, wenn wiedermal FreiburgerInnen Isfahan besuchten. Die Bilder passen gut in die scheinbare Öffnung des Irans unter Präsident Rohani. Nach der letzten Delegationsreise 2014 berichtet OB Salomon von entspannten Gesprächen mit Isfahans regimetreuem Bürgermeister Mortéza Saghaiannejad. Dieser wäre unter Ahmadinedjad fast Energieminister geworden, ein klares Zeichen für seine direkte Unterstützung der Repressionspolitik des iranischen Regimes und dafür, dass die Stadt Isfahan politisch deckungsgleich mit dem iranischen Regime zu bewerten ist. Dies wurde besonders deutlich im Jahr 2009, als die Menschen, die im Iran um ihre Freiheit kämpften, vom Westen im Stich gelassen und in Isfahan wie anderswo von den iranischen Revolutionsgarden mit brutaler und oft tödlicher Gewalt niedergeschlagen wurden.


Barbarei und schöner Schein


Im September 2014 sagte Salomon der Badischen Zeitung, die Vertreter des Regimes „sind sehr bemüht, das Bild der Intoleranz, für das ihr früherer Präsident mitverantwortlich ist, zu korrigieren.“ Das ist so wahr wie fatal: Es sind offizielle Besuche wie die der Freiburger Delegierten, die eine Korrektur dieses Bildes unterstützen.

Doch leider geht es in der Tat nur um das Bild. Aus Sicht der iranischen Bevölkerung kann von einer Verbesserung keine Rede sein. Weiterhin werden Proteste zerschlagen, Frauen brutal unterdrückt, nationale und religiöse Minderheiten, Homosexuelle und RegimegegnerInnen verfolgt. Hinrichtungen und Folter sind an der Tagesordnung, staatliche Willkür und Korruption allgegenwärtig. Der Iran ist laut Amnesty International der Staat, der relativ zu seiner Bevölkerung weltweit die meisten Menschen hinrichtet. In absoluten Zahlen liegt er auf dem zweiten Platz hinter der Volksrepublik China. Auch Jugendliche unter 18 Jahren werden im Iran zum Tode verurteilt und hingerichtet, obwohl der Iran den UN-Zivilpakt unterzeichnet hat, der dies verbietet. Die Zahl der Hinrichtungen hat auch nach der Übernahme des Präsidentenamtes durch Hassan Rohani nicht abgenommen, das Gegenteil ist der Fall. Wurden nach Zahlen der UN in den Jahren 2004 und 2005 noch 99 bzw. 94 Todesurteile vollstreckt, waren es 2012 580 und 2013 sogar 687 (http://shaheedoniran.org/wp-content/uploads/2014/09/A-69-356-SR-Report-I...). In Isfahan wurden im Jahr 2014 mindestens fünf Menschen nach entsprechenden Urteilen die Hände amputiert, mehrere Diebe wurden hingerichtet. Ebenfalls 2014 verübten die regimetreuen Basij-Milizen mehrere Säureattentate aufjunge Frauen in Isfahan. Ein offizieller Vertreter Rohanis rechtfertigte die grausamen Attacken.


Nichts neu unter Rohani


Dass auch unter Rohani keine Rede von einer Öffnung des iranischen Regimes sein kann zeigt auch ein Blick in Rohanis Kabinett. Als Beispiel hierfür kann Mostafa Pour-Mohammadi dienen. Pour-Mohammadi wurde im August 2013 von Staatspräsident Hassan Rohani als Justizminister nominiert, und am 15. August 2013 in Teheran zum Justizminister gewählt. Pour-Mohammadi war bereits von 2005 bis zum 2008 unter Präsident Ahmadineschad Innenminister des Iran. Internationale Menschenrechtsgruppen, der aus Exil-IranerInnen bestehende „Auswärtige Ausschuss des nationalen Widerstandsrates Irans“ (AAdnWI) und das U.S. State Departement weisen ihm eine Mitverantwortung an Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu. Zu diesen zählen die Massenhinrichtungen von tausenden politischen Gefangenen im Jahr 1988 und die gezielte Ermordung prominenter Dissidenten und Intelektueller 1998.


Den Gottestaat reformieren?


Doch was ist mit dem Argument, man wisse um die schrecklichen Verhältnisse, doch mit der Städtepartnerschaft könne man sich für Toleranz, Reformen und Verbesserungen einsetzen? Leider funktioniert der Iran so nicht. Das Regime, das ist seit Rohani offensichtlich, ist geübt darin, einerseits gegenüber VertreterInnen des Westens sich eine Maske von Offenheit und Toleranz aufzusetzen und gleichzeitig, nach innen, die Repressionspolitik ungebrochen fortzusetzen. Eine wirkliche Veränderung im Sinne der Menschen im Iran kann es nur durch einen Sturz des Mullah-Regimes geben. Das politische System des Iran (Velayat-e Faqih - Herrschaft des obersten Rechtsgelehrten), das ein totalitäres System ist, erlaubt keine Reformen. Die totalitäre Diktatur ist nicht reformierbar. Es ist ein Hohn, von Chancen auf Reformern zu sprechen. Das System wurde in den vergangenen 36 Jahren nicht reformiert, obwohl in Europa immer die Hoffnung der Reformierbarkeit und des demokratischen Prozesses aufrechterhalten wurde, um die wirtschaftlichen Beziehungen mit der Diktatur zu legitimieren. Seit seiner Gründung zeichnet es sich durch eine unangreifbare theokratische Grundlage, einen wahnhaften Antisemitismus und eine grausame Repressionspolitik gegen jede Form progressiver oder gar linker Bestrebungen aus. Es ist nicht zu erwarten, dass sich hieran etwas ändert: Die Mullahs wissen, dass die Mehrheit der iranischen Bevölkerung entschieden gegen sie steht, und dieser Umstand ist nichts neues. Seine vermeintliche Legitimität zieht das Regime aus einem wahnhaft fundamentalistischen Glauben an die Rückkehr des Mahdi, des sogenannten verborgene zwölfte Imams, als dessen Stellvertreter sich der Revolutionsführer sieht. Diese apokalyptische Staatsreligion des Iran lässt keine Reformen zu.


Solidarität mit den Menschen im Iran - Nieder mit der Islamischen Republik!


Wenn es der Westen und auch Freiburg ernst meinen würde mit der Solidarität mit den Menschen im Iran, dann müssten sie das tun, was Oppositionsgruppen im Iran seit Jahren fordern: Eine Isolation des Regimes anstreben, aufständische Tendenzen im Iran unterstützen und nicht auf Rohanis gemäßigte und weniger konfrontative Rhetorik hereinfallen.


Freiburg, den 12.06.2015


Ein kleiner Rückblick ins Jahr 2009 verdeutlicht die Scheinheiligkeit der Freiburger „Solidarität“ mit den vom Regime Verfolgten:


Aus: Matthias Künzel, Ökostadt Freiburg und das iranische Raketenzentrum (2010)


Im Dezember 2009 setzte sich der Terror der Isfahaner Spezialeinheiten fort. In diesem Monat ließ die Stadtverwaltung die Trauerfeier für den verstorbenen Großajatollah Hossein Ali Montaseri, einen der prominentesten Kritiker des Regimes, verbieten. „Ordnungskräfte und Basidschi-Milizen hatten in den frühen Morgenstunden die Türen der Moschee abgeriegelt und die umliegenden Straßen gesperrt“, berichtete Baham Nirumand. Bei dem Versuch von tausenden Gläubigen, die Sperren zu durchbrechen, kam es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen mit den Sicherheitskräften. „Nieder mit der Diktatur“, „Monaseri lebt“, skandierten Anhänger der oppositionellen ,Grünen Bewegung der Hoffung’. Die Polizei setzte Tränengas und Knüppel ein.


Spätestens jetzt konnte von „den“ Isfahanern keine Rede mehr sein, spätestens jetzt hätte Freiburg Partei ergreifen müssen: entweder für die „selbstbewusste und gegenüber westlichen Werten sehr aufgeschlossene Bürgerschaft“, die Freiburgs Bürgermeister einst so in den Himmel hob, oder für die Stadtverwaltung, die jene Bürgerschaft gewaltsam unterdrückt. Die Ökostadt ergriff Partei: Im März 2010 empfing sie einen der Verantwortlichen für die Repression, den Direktor für internationale Angelegenheiten der Stadt Isfahan, Ezzatollah Roustazadeh, der u.a. mit Freiburgs Oberbürgmeister sprach.


Kritik bleibt bei so viel „Partnerschaft“ auf der Strecke. „Der Lebensstandard und das kulturelle Angebot Isfahans liegen weit über dem Landesdurchschnitt“, freut man sich auf der Homepage der Freiburger Stadtverwaltung und schwärmt von den „zahlreichen Parkanlagen und Grünflächen“ und davon, dass die Universität von Isfahan „ein breites Spektrum von Fächern der Natur- und Geisteswissenschaften“ anbiete.“ Isfahan sei „für uns Freiburgerinnen und Freiburger auch ein Stück Zuhause.“ Hätte es die iranische Botschaft in Deutschland schöner formulieren können?


Eine Botschaft muss sich den Interessen des Regimes unterwerfen, Freiburg nicht. Es gäbe also eigentlich für das Rathaus und für die zivilgesellschaftlichen Vereine, die diese Partnerschaft protegieren, keinen Grund, die Wirklichkeit zu beschönigen. Es sei denn, man sorgte sich um bestimmte weltanschauliche Prämissen, die man gegen die Wirklichkeit zu verteidigen sucht.


Stichwort Antiimperialismus.

Wer der Überzeugung anhängt, dass der Iran wie alle Länder der Dritten Welt gegen den Westen in Schutz zu nehmen sei, wird wenig Interesse daran haben, genau hinzuschauen. Dann nämlich müsste man die proamerikanische Stimmung vieler Iranerinnen und Iraner zur Kenntnis nehmen und die Tatsache, dass sie ihr Regime hassen.


Stichwort Paternalismus.

Wenn Freiburg jetzt den Dialog abbricht, schadet dies den Reformkräften mehr als den Machthabern.“ So lautet die magische Formel der Anhänger dieser Städtepartnerschaft. Hängt also das Wohl der iranischen Reformer vom guten Willen der Freiburger ab? Zumindest scheint man das zu glauben. Vielleicht weigert man sich deshalb, die zehnjährige Partnerschaft einer nüchternen Bestandsaufnahme zu unterziehen.


Stichwort Kultur.

Wenn die Wirklichkeit wenig Anlass zur Freude bietet, tröstet immer noch das Gefilde des Wahren, Edlen und Schönen, die Kultur. Nicht nur dem Oberbürgermeister von Isfahan liegt „vor allem der Kulturaustausch sehr am Herzen“. Auch sein Freiburger Kollege hebt den „kulturellen Austausch“ hervor.“ Als irrelevant gilt, dass das iranische „Ministerium für islamische Kulturwegweisung“ entscheidet, welche Künstler nach Freiburg dürfen und welcher nicht.


Und so kam es, dass auf dem Freiburger Rathausmarkt ein gewisser Morteza Sanayei die iranische Holzflöte blies und Hossein Ghorbani Shahkouchaki auf die Rahmentrommel schlug, um des zehnjährigen Jubiläums der Städtepartnerschaft zu gedenken. Neben diesen Musikern hatte Isfahans Oberbürgermeister einen Spezialisten für Holzintarsien mit Elfenbein und Kupfer, einen Fachmann für Türkis-Arbeiten in Kupfer sowie einen Teppichknüpfer nach Freiburg geschickt.


Das Jubiläumskonzert, ein „Persischer Liederabend“ trug den poetischen Titel „Träume aus 1001 Nacht“ und fand im Kaisersaal des Freiburger Historischen Kaufhauses statt. Wer wird bei so viel Glanz und Idylle schon an die Gesichter der fünf Isfahani denken, die wegen ihrer Proteste zum Tode verurteilt worden sind?


Freiburg führt vor Augen, wie dicht gute Gesinnung und Gleichgültigkeit beisammen liegen können.

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Deutschland, selbst seit 1945 und auch in Freiburg, hat genau nichts worüber es andere Länder belehren kann.

In Freiburg wird neue Munition an der Uni erforscht und ausserhalb der Stadt produziert, Raketensteuerung von Litef in Haslach gebaut, und, und und.

Der Tod bleibt ein Meister aus Deutschland. Lass uns mal nicht Heuchler sein. Kümmer dich lieber mit dem was die Regierung in deiner greifbarer Nähe, in deinem Namen, und mit deinem Geld und deine Kinder anstellt.