(CO) Jeder Stadt das Spektakel, das sie verdient

Coburg

„Ich hab mehr gegen euch als gegen die Rechten.“ 

Dieser Satz eines Beamten des Coburger Staatsschutzes bringt die politische Stimmung im oberfränkischen Coburg zu Pfingsten wohl ganz gut auf den Punkt. Geäußert wurde er gegenüber antifaschistischen Gegendemonstranten beim CC-Pfingstkongress 2012, wohlgemerkt ein halbes Jahr nachdem die Taten des Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) öffentlich wurden, die nachweislich auch Kontakte zum von Coburg aus operierenden V-Mann des Verfassungsschutzes Tino Brandt und der durchaus im Einzugsgebiet des Coburger Staatsschutzes liegenden Naziszene im Umland hatten. Kann man ja mal übersehen, wenn man das ganze Jahr über damit beschäftigt ist, sich auf die Proteste gegen den Pfingstkongress vorzubereiten und die mickrigen linken Strukturen in Coburg auszuspähen – der eigene Arbeitsplatz braucht Legitimation.

 

Ebenso legitimiert werden, und zwar mit Festnahmen, muss der immense Aufwand, der von Seiten der Polizei jedes Jahr zum Schutz der Teilnehmer des Pfingstkongress betrieben wird und die ansonsten an Tristesse wohl nur von ostdeutschen Dörfern übertroffene Kleinstadt für einige Tage in eine Law-and-Order-Hochburg verwandelt. In der an jedem Eck gepanzerte Bereitschaftspolizei und USK stehen die vermuten lassen, es fände gerade ein Hochsicherheitsfußballspiel statt und in der man als verdächtige, d.h. junge und irgendwie alternativ aussehende Person willkürlich kontrolliert werden und bei einem falschen Blick oder Kommentar auch mal für eine Nacht in der Zelle landen kann.

 

Was hat es eigentlich mit dieser Stadt auf sich, dass sie sich jedes Jahr für ein Spektakel von Studentenverbindungen nicht nur hergibt, sondern herausputzt, das ob seines offenkundigen Anachronismus - Horden fechtender Männer aus dem ganzen Land treffen sich, um in bunten Uniformen, Clownskostümen nicht unähnlich, militärischen Ritualen wie Heldengedenken, einem Fackelmarsch und ähnlichem nachzugehen, hauptsächlich jedoch, um sich zu betrinken - in der restlichen Republik und international für Verwunderung sorgt?

Liegt die Akzeptanz des CC in der Stadt tatsächlich bloß an wirtschaftlichen Motiven (wie den sicheren Mehreinnahmen durch den exzessiven Alkoholkonsum der Chargierten) oder lässt sich eine Kontinuität der Offenheit für reaktionäre Ansichten vermuten in dieser Stadt, die 1929 die erste war, in der die NSDAP eine absolute Mehrheit erreichen konnte? Und in der es niemanden stört, dass beim „Totengedenken“ des CC eine Gleichmacherei aller „Opfer des Krieges“ und ein Geschichtsrevisionismus betrieben wird, der sonst nur vom Bund der Vertriebenen übertroffen wird, und dass mit dem jährlichen Fackelmarsch des CC das wohl gruseligste politische Ereignis der BRD in Coburg stattfindet?

 

Man kann nur spekulieren über das seltsame Klima in dieser Stadt, deren Bauwerke an längst vergangene Tage erinnern, als Coburg mehr war als eine irrelevante Kleinstadt an der bayerisch-thüringischen Grenze, die heute nicht einmal ans Fernverkehrsnetz angeschlossen ist und der alle halbwegs weltoffenen Menschen zügig den Rücken kehren. Wir richten uns hiermit an alle Menschen die bedauernswerter Weise noch in Coburg leben und mit dem Pfingstkongress des CC nichts anfangen können: Auf die Straße gegen die Melange an deutschnationalen Männerhorden und rückwärtsgewandten Ritualen!

 

Infos zu Gegenaktivitäten unter http://coburgerconvent.blogsport.de

Vielsagender Ausschnitt aus dem Film "Deckname Dennis" zum Pfingstkongress: https://www.youtube.com/watch?v=8DhRV8w6xZE

BR-Doku: https://www.youtube.com/watch?v=9rpoMPxtI1w

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