Der 1. Mai in Berlin: Wider dem Elend-Wieder das Elend

Der 1.Mai in Berlin steht wieder vor der Tür, aber lohnt es sich überhaupt aufzustehen?

 

"Der Mai macht alles neu!" Nur die Rituale am 1. Mai in Berlin nicht. Im Gegenteil: Sie werden immer schlimmer und grotesker. Wenn der 1. Mai (in Berlin) ein Schaufenster "linker" bzw. "anarchistischer" Politik bzw. Handlungsfähigkeit sein soll, dann ist das Schaufenster schön bunt geschmückt, aber leer. In diesen Tagen überbieten sich Linke mit Zahlenjongliererei. 20.000, 25.000 oder gar 30.000 Menschen werden zur 18 Uhr Prozession erwartet. Die schiere Zahl, die Masse an sich wird gefeiert. Als überwältigender Erfolg linker Politik. Im Lichte der mörderischen Abschottungspolitik seitens der EU im Mittelmeer könnte die Zahl der Teilnehmenden in der Tat erheblich steigen. Wer sich etwas vormachen will, darf das Erscheinen dieser Masse ruhig feiern. Aber mit Politik hat das wenig bis gar nichts am Hut. Die 18 Uhr Demo ist zu einem Event verkommen. Zu einer Party mit repressiven Gästen in Uniform. Zu einem mobilen MyFest mit allem drum und dran. Dauermusikbeschallung und Alk bis zum Abwinken. Wenn selbst schwarzgekleidete Haufen an jedem Späti entlang der Demoroute Halt machen, um ihre Biervorräte aufzufüllen und im hinteren Teil Cocktails aus Plastikbechern geschlürft werden, dann ist wieder 1. Mai in Berlin. Wie das vom Bezirk organisierte MyFest, erfüllt die 18 Uhr Demo ebenfalls den Zweck der Befriedung eines Tages, der einst für Selbstorganisation und rebellisches Aufbegehren gegen jede Autorität stand. Die letzten drei Jahre lief die 18 Uhr Demo auf Wunsch jener Kräfte, die die Orga an sich gerissen haben, in das "Herz der Bestie". Mit jedem Jahr wurde sich mehr an die Wünsche der Bullen angebiedert. Es geht ja um die Sache und um den eigenen Ruf als Speerspitze einer angeblichen Revolution.

 

Der Startpunkt (Spreewaldplatz) der 18 Uhr Demo in diesem Jahr ist u.a. ein Grund, warum es die unangemeldete Demo um 17 Uhr in dieser Form nicht mehr geben wird, geben kann. Der Spreewaldplatz als Startpunkt spielt den Bullen mit ihrer Taktik in die Hände. Der Endpunkt (Schlesisches Tor) liegt dieses Jahr in Kreuzberg. Das mag vielleicht ein Eingeständnis sein, dass es ein grober Fehler war, die Deckung des Kiezes zu verlassen, aber mit dem Rücken zur Spree ist dieser Ort wie gemalt für die Bullen. Wobei es stark zu bezweifeln ist, ob der scheinpolitische Karnevalsaufzug Kreuzberg überhaupt wieder erreichen wird und nicht schon in Neukölln zerschlagen wird, wie es vor einigen Jahren schon einmal geschah und die Bullen dann die Brücken über dem Landwehrkanal besetzen, um zu verhindern, dass die Leute zurück nach Kreuzberg kommen. Alles was das staatliche Konzept der Befriedung von Kreuzberg am 1. Mai verhindert, muss aus deren Sicht unterbunden werden. Aber das ist allgemein bekannt und allzu viel jämmerliches Geklage über die elende Lage politischen Protestes sollte hier vermieden werden. Wer sehen will, kann das Elend sehen.

 

Gibt es Alternativen, werden sich jetzt viele Fragen? Die Alternativen existieren in euren Köpfen und euren Herzen und nur dort können sie wachsen, gedeihen, um in das Licht der Welt hinauszutreten. Der Aufruf, dass am 1. Mai Häuser besetzt werden sollen, war inhaltlich und in den Zielen nicht allzu überzeugend, kann

aber durchaus eine gangbare Alternative sein. Genauso denkbare wäre mit dem Rad in kleinen Gruppen durch die Stadt zu fahren und Unruhe zu stiften. Oder macht das MyFest unsicher, denn wenn die Staatsmacht gezwungen wäre mit ihrer unifomierten Knüppelgarde durch die Reihen feiernder Menschen zu fegen, dann platzen alle Befriedungsträume von Bezirk, Senat und Bullerei und für einen kurzen Moment wäre es wieder da: Jenes rebellische Dorf namens Kreuzberg, das sich nicht alles gefallen lässt und gegen die Autorität und die Macht des Staates aufbegehrt.

 

Oder überlegt, ob eine Fahrt ins Grüne sinnvoll sein könnte. Am Wannsee kann es bei gutem Wetter ebenfalls sehr schön sein. Oder am Tegeler See. Oder am Müggelsee. Schaut euch doch einmal Tröglitz an. Diese braune Pestbeule am braunen Arsch von Deutschland. Vielleicht bleibt ihr auch im Bett. Ja, so elendig ist die Lage, dass ein im Bett bleiben ein wahrhaftig revolutionärer Akt wäre. Nicht als Zählvieh hinter der scheppernden Musik und den schlechten Reden voller Pathos hinterherzulatschen. Oder geht zu den Touristenfestspielen, die nach Sonnenuntergang am Kotti beginnen. Vielleicht ist das der letzte Ort in Kreuzberg, an dem am 1. Mai noch die Revolution, eher die Revolte, wenn auch eine ganz kleine, versucht wird.

 

Am Ende müsst ihr euch entscheiden, wie ihr diesen Tag gestaltet und vor allem wie ihr die restlichen 364 Tage verbringt. Die Zeit ist reif für ein Ende der Rituale und eine aktionistische Neuausrichtung des 1. Mai in Berlin. Eine Auflösung der als elendig empfundenen Situation kann und soll nicht angeboten werden. Es gibt kein Patentrezept. Vielleicht läuft es so, wie es läuft, für viele ja richtig. Wer weiß?

 

Früher wurde vor dem 1. Mai folgendermaßen gegrüßt: "Wir sehen uns auf den Barrikaden!" Heute ist ein "Wir sehen uns am Bierstand!" geworden. Das Elend ist greifbar und es schmeckt nach billigem Alk und riecht nach Kotze und Pfefferspray.

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Ich stimme der Analyse der charakterlosen Entpolitiserung des 1.Mai an sich ja zu, wobei spannend abzuwarten ist, ob die gespuckten großen Töne hin zu einer neuen aktionistischen Form der Demonstration ausnahmsweise in Berlin auch mal von Ernsthaftigkeit zeugen.

 

Aber irgendwie fällt es mir auch schwer, dieses ewige Lamentieren noch ernst zu nehmen.

Aus dem anarchistischen, bzw. selbstorganisierten Spektrum kam die letzten Jahre in Berlin was genau? Achja: Nichts.

Da gab es die eine gute Aktion von einer kleinen Zahl Organisierter am Hermannplatz, dann gab es 2013, das Jahr in dem tatsächlich, achja ,die achso* kritisierte Demonstration genutzt wurde, um sich 100 Meter aktionistisch Spaß zu gönnen und dann komplett "in Luft" aufzulösen.

 

Irgendwie könnte ich dieses durchgehende Gemecker  gerade in Berlin wesentlich ernster nehmen, wenn dem auch mal konkrete Taten (zum Beispiel auch von dir!) folgen würden.

Selbstorganisation heißt nämlich eben nicht, immer zu zetern, das nichts mehr geht, andere kaputt zu kritisieren und dann im Internet tolle Vorschläge zu unterbreiten. Sondern heißt vielmehr und mühevoller, die Fehler** zu analysieren und daraus eine EIGENE PRAXIS abzuleiten.

 

Abgegessene Internettexte gehören da in meinen Augen irgendwie nicht dazu...

 

 

*mit Recht!

**die eigenen und die der Anderen...

***Das aus dem anarchistischen und  selbstorganisierten Milieu "nichts" kam, bezog sich - in grober Verallgemeinerung - natürlich auf den 1.Mai und nicht die Gesamtsituation.

Meckern, wo ein meckern notwendig ist, erscheint stets besser als zu schweigen.

 

Sicherlich: "Aus dem anarchistischen, bzw. selbstorganisierten Spektrum kam" wahrlich nicht viel. Woran das liegt bedarf auf jeden Fall einer gründlichen und kritischen Analyse. Vielleicht mehr Events mit prominenten Leuten an der Spitze? Eher nicht. Das Elend beklagen, schließt das eigene Elend mit ein. Auf die pk13 Demo spielst du ja an: Sie war ein Beleg dafür, dass es zwar möglich ist einen schwarzen Block von 1.000 oder mehr auf die Straße zu bekommen, sich dieser aber nicht einmal gegen ein kleines Häuflein Bullen durchzusetzen vermag.

 

Wie soll etwas, das längst kaputt ist, "kaputt kritisiert" werden? Deine Perspektive mag eine andere sein. Es sei dir gegönnt. Ohne Kritik und daraus abgeleiteter Praxis, sind "wir" nur eine Herde Schafe, die Demos und Aktionen konsumiert, statt sie selbst zu gestalten. Die Gestaltungsmöglichkeiten innerhalb des mobilen MyFest sind gleich Null.

 

Neue Aktionsformen können und müssen von unten kommen und nicht von oben herab vorgegeben werden. Dazu sollte jedoch erst einmal die Notwendigkeit erkannt werden. Wer sie erkennt, möge sich Gedanken dazu machen, wie sie umgesetzt werden können. Wer meint. dass alles so ok ist, soll eben so weiter machen.

Für alle, denen die 18 Uhr Demo zu langweilig ist oder denen einfach vor der 18 Uhr-Demo langweilig ist:

https://linksunten.indymedia.org/de/node/141189

Aus dem anarchistischen, bzw. selbstorganisierten Spektrum kam die letzten Jahre in Berlin was genau? Achja: Nichts.

 

Und was war mit der 17-Uhr-Demo durchs Myfest? Das war doch der einzige Versuch, am 1. Mai mal was Neues auszuprobieren und das Festgebiet zu repolitisieren. Und das kam genau aus diesem Spektrum.

 

Das einzige, was aus dem Großgruppenspektrum kam, war doch Marcus Staiger auf nem Truck.

 

Aber ganz ehrlich: Angesichts der sozialen Lage in dieser Stadt ist diese "Debatte" auch völlig wurscht.

!

dann latscht man nicht bis zum endpunkt, sondern zack zack, gibt es 1, 2, 3, 4 usw. demos und dann ja dann passiert was jeder denkt was zu passieren hat!

Nach den erfolgreichen Aktionen In Frankfurt zur EZB Eröffnung werden die Linksradikalen und Arbeiotermassen in Berlin Hamburg Ruhr-Gebiet und vielen anderen Städten aktiv auf der straße sein. Es wird sich zeigen wer am Mai das sagen hat, es wird nicht so sein wie im Text angekündigt. Die Kritik angesichts der erfolgreichen Proteste in Frankfurt kann ich daher nicht teilen. Dann ist es falsch den Leuten zu sugerieren das ganze wäre nur eine party - Demo ohne Politischen Charakter. Ruft nicht dazu auf am 1 Mai  Baden zu gehen....

Sondern ruft auf dazu 1 Mai auf die Straße mit den organisierten Arbeitern gegen den Kapitalismus zu kämpfen

Überlege einmal warum die Aktionen in Frankfurt ein "Erfolg" waren? Fand das im Rahmen einer angemeldeten und organisierten Demo statt? Oder wurde das Konzept der Bullen vollständig unterlaufen?

dass die Aktionen in Frankfurt nicht von diesen Indymedia-Postern hier ausgingen, weiß auch jeder. Dass sind dieselben, die auch Blockupy ablehnten, weil zu "uncool". Wie der Kollege unten geschrieben hat: Riots brauchen eine kritische Masse von entschlossenen Leuten. Nicht oberradikale Indy-Beiträge.

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Wenn du keine Kritik an der Blockupytrümmertruppe hast, dann ist ja alles gut. Die Riots gingen ja auch nicht von den Blockupy Leuten aus. Da schau an! Zum Glück ist dein Indy-Beitrag alles andere als radikal. Haste du noch mal Glück gehabt.

schon seltsam: ihr beklagt die entpolitisierung des "events 18-uhr-demo", macht aber selber keinen einzigen (!) politischen handlungsvorschlag. stattdessen spielt ihr taktische was-wäre-wenn-szenarien gegen die bullen durch. wenn mensch riots will, ist weniger die lage der demoroute zu taktisch günstigen orten wichtig, sondern vielmehr die kollektive motivation möglichst vieler leute, an den sozialen und politischen verhältnissen was zu ändern. diese motivation schafft die 18-uhr-demo nicht (mehr), keine frage - die autonomen hobby-clausewitze aber auch nicht.

Wo sind denn deine Vorschläge? Siehste!

...meine vorschläge in einen indy-kommentar passen würden, hätten wir schon längst keine sorgen mehr ;-)

Bei der Demoroute geht es NICHT darum eine günstige Ausgangslage für Riots zu schaffen, sondern es geht darum die politischen Inhalte und die Ausrichtung der Demonstration zu thematisieren: z.b. indem an bestimmte Orte/symbolische Orte vorbeigegangen wird oder indem in bestimmten Bezirken gelaufen wird. Darüberhinaus ist es in der Regel auch notwendig die Demoroute so zu wählen dass im Falle von Bullenübergriffen eine günstige Ausgangslage besteht, die Demo zu verteidigen (für die Sicherheit der TeilnehmerInnen zu sorgen). In der Regel ist eine gute Demoroute eine Kombination aus diesen beiden Abwägungen: symbolische Orte (inhaltlich), Widerstand gegen Angriffe der Bullen (technisch).

 

Natürlich spricht nichts dagegen sich für "die Barrikaden" zu verabreden, jedoch sollten die Leute dann, falls es andere nicht gemacht haben, sich diese Barrikaden auch gegebenenfalls selbst errichten können ;-)

 

http://erstermai.nostate.net/wordpress/?p=1181

Weiss jemand, ob es dieses Jahr wieder eine unangemeldete Demo am 1. Mai um 17 Uhr gibt?

Die Situation in Berlin ist wirklich nicht überzeugend! Kommt doch einfach alle nach Hamburg:

 

              1.Mai, 18:00, Revolutionäre Demo, Hamburg, Feldstrasse

 

Letztes Jahr ging es hier derbe ab und wir werden dieses Jahr die Verhältnisse zum tanzen bringen. Tanzt doch einfach mit!

Die Situation in Berlin ist wirklich nicht überzeugend! Kommt doch einfach alle nach Hamburg:

 

Realsatire at its best!

Also Humor habt ihr immerhin. Wenn auch nur unfreiwillig.

was ist denn daran so Lustig? Wir meinen das ganz ernst!

 

Kommt nach Hamburg!

gegen die üblichen scheiss 1.Mai Latschdemo's, den Bullen auf's Maul!

 

Für die Revolution!

Naja, das ist schon leicht trollig Dein Beitrag.

Wenns ne Barrikade oder Ausschreitungen am 1. Mai gibt, wird Dir bestimmt auch noch was einfallen, warum genau das auch in das Aufstandskonzept der Herrschenden passt. Und das Feierabend Bier nach getaner Arbeit gönnst Du den Autonomen GenossInnen wohl auch nicht... ;-)

Nach getaner Arbeit: Dagegen ist nichts zu sagen, aber dir ist vielleicht schon einmal aufgefallen, dass vor und während dieser Demo reichlich Alkohol genossen wird. Wenn das politisch oder gar revolutionär sein soll: Bitte schön.

Immer wieder gerne,aber nicht am 1.Mai.Es gibt genug was uns nicht gefällt auch in Berlin und wegen einer Prognose:das es in Hamburg abgehen könnte erst recht nicht.Hier in Berlin wie auch in anderen Städten ist es wichtig die Verhältnisse zum Tanzen zu bringen.und ob uns das gelingt hängt von jedem ab der sich an der Demo beteiligt.Also lasst uns hier in Berlin dafür sorgen das die Revolutionäre 1.Mai Demo dem Namen gerecht wird . Her mit dem Sozialen Zentrum Refugees Welcome Für eine Stadt von unten Hartz IV abschaffen Gegen Repression Solidarität mit den Sozialen Bewegungen in anderen Ländern usw .Es gibt genug zu tun,packen wird an

Wir freuen uns wenn ihr kommt, wir hoffen sehr das es hier so abgeht wie letztes Jahr! Aber wir freuen uns auch wenn ihr die Verhältnisse in Berlin zum tanzen bringt.

 

Für die Revolution, für einen kraftvollen, kämpferischen 1.Mai!

Ach ja und her mit dem sozialen Zentrum in Bärlin!