Wir arbeiten nicht mit Definitionsmacht!

Symbolbild Diskussionen

Wir arbeiten nicht mit „Definitionsmacht“. (1) Dafür gibt es verschiedene Gründe, die wir im Folgenden kompakt darlegen wollen. Nachfragen beantworten wir gerne. Wir hoffen, dass uns auch Feminist_innen zuhören, die „Definitionsmacht“ vertreten. Leider wurden und werden auch ernstzunehmende Kritikpunkte oft als ‚antifeministisch‘ abgeschmettert. Vielleicht hilft uns das Label „feministische Gruppe“. Wir möchten nun allerdings nicht zig alte Argumente auflisten, sondern mit einem neuen Diskussionsbeitrag dazu beitragen, weiter zu kommen.

 

Allgemein ist festzustellen, dass schon seit Längerem eine problematische Ineinssetzung von „Definitionsmacht“ und jeglichen Ansätzen der Parteilichkeit mit und Unterstützung von Betroffenen von Diskriminierung und Gewalt stattgefunden hat. Einige von uns sind selbst über lange Zeit dieser Ineinssetzung erlegen: Wer was gegen DefMa hat, hat auch was gegen Empowerment von Frauen* oder feministische Praxis. Deshalb sind die Auseinandersetzungen so emotional aufgeladen. Das kommt nicht von ungefähr, weil es diese Leute ja auch zuhauf gibt, sowohl gesamtgesellschaftlich als auch in der Linken. Aber diese Leute können nicht gleichgesetzt werden mit allen, die eine bestimmte Herangehensweise kritisieren. Lassen wir das doch endlich. Statt so weiterhin überfällige Diskussionen zu verweigern, wollen wir an dieser Stelle aufzeigen, in welche Richtung die Auseinandersetzung unseres Erachtens gehen müsste:

Die Diskussion wird dadurch erschwert, dass niemand weiß, wie „Definitionsmacht“ eigentlich zu definieren wäre, bzw. alle Interessierten sich eine eigene Definition zusammenzimmern. Was man aber beobachten kann, sind die Praxen, die bisher unter Bezugnahme auf den Ansatz umgesetzt wurden.

- Wenn Menschen von Veranstaltungen oder Camps fliegen, weil sie einen unterschiedlichen Wissens- und Erfahrungsschatz haben, Szenecodes nicht kennen oder Pfui-Wörter benutzen,

- Wenn Menschen (bundesweit) aus allen Szenenzusammenhängen ausgeschlossen werden,

- Wenn Menschen keine Möglichkeit haben, sich zu erklären,

- Wenn Menschen, die mit Aggressor_innen (2) arbeiten, automatisch zu „Täterschützern“ werden,

- Wenn Menschen Angst haben, sich in Diskussionen einzubringen, weil sie einer hegemonialen Gruppe zugeordnet werden,

- Wenn Menschen persönliche Entwicklungspotentiale abgesprochen werden,

- Wenn Menschen mit Samthandschuhen gezwungen werden, sich hegemonialen Gegendiskursen anzugleichen,

- Wenn politische Differenzen auf dem Rücken von Betroffenen ausgetragen werden – oder gar nicht,

 

..dann fragen wir uns: Wie konnte das geschehen? Wir sind der Meinung: Wenn das alles aus „Definitionsmacht“ gemacht wurde bzw. gemacht werden konnte, dann lässt es sich nicht mit der Aussage retten, einige würden das eben eigenartig oder falsch umsetzen – sondern dann muss es irgendetwas mit dem Wesen des „Konzepts“ zu tun haben.

Um überhaupt über „Definitionsmacht“ und mit ihr verknüpfte Praxen diskutieren zu können, lautet unsere Arbeitsdefinition: „Definitionsmacht heißt, dass die Tat-Definition der Betroffenen allgemein anerkannt wird. Dies soll erreicht werden durch parteiliche Verbündete, die diese Definition vertreten. Es schließt nicht unbedingt die Macht über Konsequenzen bzw. Sanktionsmacht mit ein.“ In letzterem Punkt gibt es nämlich sehr unterschiedliche Ansichten. Nicht zu umgehen ist allerdings der erste Punkt: Es geht bei Definitionsmacht nicht nur um die Verteidigung der simplen – wenn auch häufig leider nicht selbstverständlichen – Tatsache, dass jede Person subjektiv wahrnimmt und empfindet. Niemand anders kann mir beispielsweise sagen, wie intensiv oder nicht ich etwas erlebt haben soll.

Bei „DefMa“ aber geht es (wie der Begriff verrät) um eine Definition, also eine allgemeine Bestimmung. Es geht darum, das subjektiv Besondere zum Allgemeinen zu machen. Wenn ich das Erlebte als XYZ begreife, dann WAR ES (objektiv) XYZ.

 

Der Kampf um Definitionen ergibt dort Sinn, wo der Ansatz entstanden ist – nämlich im juristischen Kontext und in Bezug auf sexualisierte Gewalt. Vor Gericht sind Definitionen von Taten wichtig, da an diese das jeweilige Strafmaß geknüpft ist. Zudem geht es dort um Beweise, die z.B. bei einer Vergewaltigung meist schwer zu erbringen sind – mal ganz abgesehen von dem Spießrutenlauf durch Polizeiverhöre u.ä. für Betroffene im Vorhinein. Bei Schuldzuschreibungen an (meist weibliche) Betroffene und ständigen Zweifeln an deren Glaubwürdigkeit war und ist ein solcher Ansatz wichtig. Die Macht, die Tat bspw. als Vergewaltigung zu definieren, muss hin zu den Betroffenen verschoben werden. Das muss nicht bedeuten, die Errungenschaften des hiesigen bürgerlichen Rechtssystems wie Verteidigungsrecht und Unschuldsvermutung auszuhebeln. Allerdings sind die Bedingungen für eine tatsächliche Gleichberechtigung nicht gegeben. Eventuellen Stigmatisierungen, Ohnmachtserfahrungen, Traumata und der schwierigen Beweisbarkeit u.a. in Fragen der Glaubwürdigkeit muss Rechnung getragen werden.

Der juristische Umgang mit von sexualisierter Gewalt Betroffenen ist weiterhin zu skandalisieren und anzugreifen. Die vergangenen Kämpfe in diesem Bereich waren genauso wichtig, wie auch die aktuellen darum, nicht einvernehmliche sexuelle Handlungen ahnden zu können, die vom Strafrecht bisher nicht abgedeckt sind. (3)

 

Will man aber, wie wir, selbst nicht auf einen Katalog von Sanktionen (wenn das, dann das) hinaus, so braucht man nicht unbedingt eine Definition. Eine allgemein akzeptierte Übereinkunft darüber, wie das Geschehene benannt wird, verliert an Relevanz gegenüber dem, was Betroffene brauchen, um wieder handlungsfähig zu werden und Selbstbestimmung (zurück) zu erlangen. Auch für den Umgang mit dem_der Aggressor_in ist nicht die Tatdefinition entscheidend, sondern vor allem dessen_deren Zugänglichkeit, wie auch die je individuellen Bedürfnisse, Wünsche, Wissensstände, Situationen und Forderungen im Kontext gesellschaftlicher Herrschaftsverhältnisse.

 

Darüber hinaus können bestimmte, im Kontext von Definitionsmacht aufgekommene Praxen hinderlich sein für eine gute Unterstützungsarbeit. Beispielsweise sind sich Betroffene sowohl in ihrer Situationswahrnehmung als auch ihren Bedürfnissen häufig unsicher. Der Prozess einer – parteilichen – Auseinandersetzung hierüber hilft beim Sortieren und Aufarbeiten. (4) Statt einer festen Definition der betroffenen Person braucht es folglich Unterstützer_innen, die mit einer „jazzy method“ im Sinne CARAs verschiedene Handlungsmöglichkeiten haben, die sie je nach Bedürfnis und Situation anbieten können.5

 

Die Gleichsetzung von Nachfragen mit einem generellen Anzweifeln verhindert eine sinnvolle Unterstützung, die auch den Abgleich von Wahrnehmungen beinhalten können muss, um den Prozess der Bearbeitung des Erlebten begleiten zu können. Eine Benennung ist dabei wichtig, sie muss allerdings ein Teil des Prozesses sein und es gibt keinen Grund, sie zum Dreh- und Angelpunkt von Unterstützung zu machen.

 

Auch in der Arbeit mit gewaltausübenden Personen kann das Festhalten an Definitionsmacht hinderlich sein. Hier wird nämlich eine Auseinandersetzung davon abhängig gemacht, ob der_die Aggressor_in die Definition der betroffenen Person_en übernimmt. Gerade wenn es nicht um sexualisierte Gewalt geht, kann durchaus auch diese_r die Situation anders wahrgenommen haben. Dann ist es wenig hilfreich, die Übernahme der Definition der betroffenen Person zu fordern, sondern es sollte zuerst um eine Anerkennung von deren Wahrnehmung – also ein Problembewusstsein – gehen. Ziel der Arbeit wäre eine Beendigung von diskriminierendem und/oder gewaltvollem Verhalten.

 

Zudem darf in der Auseinandersetzung mit gewaltausübenden Personen hinter den Schutz der körperlichen Unversehrtheit vor Willkür oder Rache nicht zurückgegangen werden. Ebenso nicht hinter die Möglichkeit, als ‚Beschuldigte_r‘ gehört zu werden und sich gegebenenfalls auch zu verteidigen. Das heißt natürlich nicht, dass dies öffentlich geschehen muss, dass in einem solchen Gespräch die Parteilichkeit mit der betroffenen Person über Bord geworfen werden müsste oder dass es dabei um eine ‚Beweisaufnahme‘ ginge.

Auch der Frage, was eine gewaltausübende Personen für ihre soziale Rehabilitierung leisten müsste, muss sich gestellt werden. Denn es kann ja nicht darum gehen, dass einfach (!) immer jemand aus politischen Zusammenhängen „entfernt“ wird.

 

Die genannten Schwierigkeiten verschärfen sich noch, wenn eine Situation uneindeutig ist, sich im Licht späterer Informationen anders darstellt, oder sich herausstellt, dass auf beiden Seiten Gewalt oder Diskrimierung ausgeübt wurde.

 

Womit wir zum nächsten Problemkomplex kommen.

Der „Definitionsmacht“-Ansatz hat sich in den letzten Jahrzehnten immens ausgeweitet: Er verbreitete sich in (queer-)feministischen Szenen sowie in der linken Szene allgemein. Es ging um immer mehr Diskriminierungsformen, es konnte sich nun auch auf sprachliche Äußerungen bezogen werden. Der Ansatz wurde zum ‚Konzept‘, häufig inklusive der Bestimmung von Betroffenen über Konsequenzen. Stichwort Rauswurf. Wird ein Ansatz, der Personen soviel Macht in die Hand geben soll, jedoch auf so weite Bereiche ausgeweitet, wird es letztlich vollends autoritär.

 

Vor dem Hintergrund der dargestellten Probleme braucht es Diskussionen, die über „Definitionsmacht“ hinausgehen. Grundlage jeder Diskussion wäre für uns Folgendes:

- Die Anerkennung dessen, dass jeder (!) Mensch Situationen subjektiv wahrnimmt.

- Parteilichkeit mit Menschen in gesellschaftlich(!) benachteiligter, also diskriminierter Position statt pseudo-Unparteilichkeit.

- empowernde Unterstützungsarbeit mit Betroffenen von (sexualisierter) Gewalt und/oder Diskriminierung

- Arbeit mit diskriminierenden und/oder gewaltausübenden Personen, mit dem Ziel der Verhaltensveränderung

- politische Arbeit, die auf eine Veränderung der Strukturen zielt

 

Dabei sind die englischsprachigen Diskussionen um „Community Accountability“, „Transfor-mative Justice“ und „Accountability Processes“ allgemein spannend. (6) Hier wird das Blickfeld erweitert: Die gewaltausübende Person ist zwar verantwortlich für ihr Verhalten, aber natürlich nicht allein. Welche Strukturen haben dieses Verhalten begünstigt, legitimiert oder attraktiv gemacht? Es wird versucht, abseits von Strafe eine Verantwortungsübernahme aller zu befördern. Hiermit ließen sich nicht nur Herrschaftsverhältnisse und Kontexte komplexer einbeziehen, sondern auch mit Situationen umgehen, in denen es nicht nur „den Täter und das Opfer“ gibt.

 

Weitere Aspekte, die aus unserer Sicht wichtig sind, bzw. diskutiert werden müssen:

- Informieren/Bewusstwerden über diverse vorhandene, professionelle Institutionen, die Arbeit mit Betroffenen und Ausübenden (und vieles mehr) anbieten. Verhältnis zu diesen und Unterschiede, Ressourcen, Vor- und Nachteile im Vergleich zu selbstorganisierten Gruppen klären.

- Wer hat die Legitimation, einen Plan für Konsequenzen zu machen vs. Verantwortlichkeit aller - Stellenwert des Anspruchs auf grundlegende Veränderung von gesellschaftlichen Struk-turen.

- Verbesserung des Vorhandenen (juristischer Rahmen) vs. längerfristiges Ziel (staatsun-abhängige Strukturen)

- Was kann Aufklärung (nicht) leisten? - Leid von Betroffenen öffentlich machen und anprangern (Hollaback, #hashtags, ..)

- Reflektieren der eigenen gesellschaftlichen Funktionen (Elendsverwaltung) - genereller Sinn von Awareness- und Unterstützungsgruppen

- wichtig: wenn konkrete Hilfe, dann mit politischer Arbeit verbinden (Voraussetzungen und Umstände anprangern), nur dann könnte es mehr sein als nur unbezahltes Lücken stopfen - Einordnung feministischer Praxen in Beziehung zu allgemein gesellschaftlichen Tenden-zen

- Wie verhält sich der Focus auf Veränderung individuellen Verhaltens zu neoliberalen Anforderungen an Arbeitskräfte?

- Wo sind die durch Herrschaftsverhältnisse gesetzten Grenzen der Verhaltensänderung und wie viel Raum soll das in feministischer Praxis einnehmen?

- Wie kann der Kapitalismus mitsamt allen mit ihm verbundenen Herrschaftsverhältnissen überwunden werden? Über alle genannten Punkte laden wir herzlich zur Diskussion ein.

 

e*space

e_space@riseup.net

http://evibes.blogsport.de/2014/11/18/wir-arbeiten-nicht-mit-definitions...

 

* Obwohl wir Geschlechterkategorien als Konstruktion erkennen, ist die Zweigeschlechlichkeit mitsamt ihren „natürlichen“ Zuschreibungen eine gesellschaftliche Realität, mit der wir immer wieder konfrontiert sind. Aus diesem Grund verwenden wir zwar die Bezeichnung „Frauen“, markieren diese aber mit einem Stern.

 

Fußnoten:

1. Wir beziehen uns hier auf den Definitionsmachtsbegriff, wie er innerhalb der (akademisierten) feministischen radikalen Linken in Bezug auf den Umgang mit sexualisierter Gewalt verwendet wird. ‚Definitionsmacht‘ setzen wir in Anführungszeichen, um zu verdeutlichen, dass es den einen Definitionsmachtsansatz nicht gibt, s.u. [zurück]

2. Wir sind uns durchaus bewusst, dass in der übergroßen Mehrzahl der Fälle Menschen, die sexualisierte Gewalt ausüben, Männer* sind und betroffene Personen Frauen*. Um jedoch die Betroffenen im umgekehrten Fall nicht noch weiter zu marginalisieren, werden wir in diesem Text beide Gruppen gendern. [zurück]

3. Vgl. bspw. Bundesverband der Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe in Deutschland: Vergewaltigung verurteilen – Für eine Reformierung des §177 StGB.https://www.frauen-gegen-gewalt.de/vergewaltigung-verurteilen.html [zurück]

4. Vgl. No Lager Bremen (2014): Definitionsmacht neu ausbuchstabiert. Stichworte zum kollektiven Umgang mit sexualisierter, rassistischer und anderer Gewalt in sozialen Bewegungen, S.11f. In: Transact 6: Wie ist meine Freiheit mit deiner verbunden? Stichworte zu gemischter Organisierung, Definitionsmacht und Critical Whiteness,S. 11-15. [zurück]

5. Vgl. Communities against Rape and Abuse (CARA) (2010): Taking risks: Implementing grassroots community accountability strategies. In: The revolution starts at home. Confronting Partner Abuse in Activist Communities, S. 64-79. www.transformativejustice.eu/wp-content… .

6. Zum Thema Glaubwürdigkeit und Aufarbeitung: s. S.76f. [zurück]

7. Ähnlich interessant sind auch Diskussionen um „Safer Spaces“, bei denen es grundsätzlicher um Fragen von (persönlicher) Sicherheit geht. [zurück]

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kritik ist ja gut und nötig, aber der text reiht sich in eine summe von auseinandersetzungen ein, die alle paar monate aufs neue auf indy auftauchen und alle folgendes gemeinsam haben:

1. sie haben definitionsmacht und ihre ansprüche und mechanismen, insbesondere ihre aufgabe als kommunikationsstiftenden akt, nicht verstanden.

2. sie verstehen nicht, dass eine macht, die nicht an eine einzelne gruppe, sondern an alle menschen verteilt wird, nichts autoritäres, sondern etwas antiautoritäres, emanzipatives ist.

3. sie reflektieren - trotz ihres eigenen vorsatzes, genau das zu tun - keine hegemonialen machtverhältnisse und blenden somit sexismus und rassismus als häufigste ursachen für grenzüberschreitendes verhalten aus. die schuld an dem übergriff wird somit auf die betroffenen geladen, die verantwortlichen werden freigesprochen, weil sie halt nicht "den richtigen erfahrungshorizont" haben.

4. sie gehen davon aus, dass feminist_innen alles rachsüchtige charaktere wären, nicht in der lage, mal bei kleineren sachen (wie worten) nachzufragen, was die scheiße eigentlich soll, und so jemenschem zu erklären, was kacke an seinem_ihrem verhalten ist. nö, diese feminazis schmeißen ja sofort raus, grundsätzlich, immer. weil das auch so unglaublich spaß macht, sich mit mackern (körperlich) auseinandersetzen zu müssen.

5. sie verharren in einer täter-opfer-logik, die gewaltverhältnisse biologisiert und einen rückgriff auf rechtsstaatliches denken beinhaltet.

6. sie eröffnen keinerlei alternativen und sind damit als kritik kaum ernstzunehmen.

7. sie wiederholen sich ständig und sind damit nicht mal als geistiger output einer gruppe ernstzunehmen. alles dasselbe, nur in anderen worten.

Du bist mit keinem Wort auf den Text oben eingegangen, sondern hast ihn in eine dir genehme – weil "böse, böse"-gelabelten – Schublade gesteckt.

Zwar polemisch, aber trotzdem gut nachvollziehbar dein Kommentar. Vorallem Punkt 5 ist mehr als berechtigt.

Eine Nachfrage allerdings, weil ich es gerne verstehen würde: Punkt 2 etwas dubios; sowohl im Zusammenhang mit dem Text, als auch in sich selbst etwas schwer nachvollziehbar. Könntest du hierzu vielleicht noch etwas mehr schreiben?

MsG

hast du den Text gelesen?!
während deine ersten zwei Punkte in ihrer Unausgeführtheit nichtssagend sind, sind die Punkte einfach falsch und wären ohne weiteres mit Textzitaten zu widerlegen, falls dein Kommentar ernst genommen werden soll, wäre es durchaus hilfreich auf den Text einzugehen.

Was ich an Eurem Beitrag wirklich schwierig finde, dass ihr die Ausweitung der Definitionsmacht unhinterfragt mitmacht. Anfangs war die Definitionsmacht auf klassische Verwaltigungen begrenzt. Dann kamen schlaue Feministinnen auf die Idee, wenn doch es nur um die subjektive Einschätzung geht, dann kann ich doch auch das Antatschen als Vergewaltigung definieren und dann mit der Definitionsmacht hantieren. Das war noch verständlich, weil auch körperliche Übergriffe jenseits der gewaltsamen Penetration ähnlich schlimm sein können. Aber das war schon eine Ausweitung, die in ihrer Konsequenz eine Vergewaltigung abqualifiziert. Dann ging es weiter, Antanzen oder das ungefragte Umarmen wurden in Interim-Artikeln als Sache der Definitionsmacht definiert. Vergewaltigungen fanden sich jetzt auf einer Stufe mit einer schlechten Anmache wieder. Und umgekehrt musste jeder Mann, der nicht so umschwärmt ist und souverän auf Frauen zugehen kann, sondern etwas linkisch ist und vielleicht eine Frau nur anhimmelt, schon damit rechnen, nach der Definitionsmacht von der Party entfernt zu werden. Denn zwischenzeitlich war auch schon das Anstarren als sexuelle Gewalt eingeordnet worden.

Dass damit der Begriff der Vergewaltigung völlig entwertet wurde, ging den immer weniger werdenden Vertretern der Definitionsmacht nicht auf.

 

Und dann wurde es grotesk: Plötzlich wurde versucht, den Begriff der Definitionsmacht auf "Gewalt oder Diskrimierung" zu erweitern, wie ihr es auch tut. Und gleichzeitig die beiden Begriffe nach Belieben auszudehnen. Jetzt ist es in manchen queer-feministischen Zusammenhängen so, dass die Kritik an einem antisemitischen Statement als Rassismus definiert wird, um dann mit der Definitionsmacht zuzuschlagen.

Die Definitionsmacht ist von einem ursprünglich sinnvollen Konzept, dass sich auf klassische Vergewaltigungen beschränkte, zu einer Methode geworden, um die eigenen politische Meinung durchzusetzen oder seinen persönlichen Antipathien Geltung zu verschaffen.

Deshalb kann man sich von jedem, der noch Definitionsmacht vertritt, nur weit entfernt halten: Es geht hier nicht mehr um die Fälle, wo sie wirklich angebracht wäre, sondern darum, dass Arschlöcher ein Machtmittel gefunden haben, mit dem sie politische Diskussionen und die Zusammensetzung von Partys bestimmen können.

Die große Frage ist, wie man mit Übergriffen, für die die Definitionsmacht ursprünglich gedacht war, weiterhin gut umgeht, ohne dem Treiben solcher Arschlöcher, die sie zu ihrem Vorteil nutzen, einfach zusieht.

Der erste Schritt müsste darin bestehen, zwar selbstverständlich anzuerkennen, dass Empfindung zwar subjektiv ist, aber nicht jede subjektive Empfindung gleichzeitig überindividuellen Maßstäben gerecht wird: Ein starrender Blick ist niemals eine Vergewaltigung und kann auch nicht ebenso behandelt werden - auch wenn es Personen geben mag, die ihn als solche empfinden.

Es ist doch gar nicht so, dass die Definitionsmacht für alle gilt oder dass wir mit der Definitionsmacht Sexismus bekämpfen oder Schutzräume schaffen wollen.

Die Definitionsmacht ist deshalb unverzichtbar, weil sie uns die Möglichkeit gibt, persönlich oder politisch unbequeme Leute dauerhaft aus der Szene auszuschließen, ohne darüber langwierige offene Diskussionen führen zu müssen. Sie sichert unsere Hierarchien, unsere Ordnung, unseren Frieden.

Ohne dieses Mittel würde das absolute Chaos ausbrechen, alle Szenegänger dürften frei und gleichberechtigt mitreden. Dann würde die Szene, wie wir sie kennen, innerhalb kürzester Zeit nicht mehr existieren.

Wollt ihr das etwa?

in wien kam es vor ein paar monaten zu einem suizid, der auf jeden fall mit dem totalen ausschluss der person zu tun hatte. keine story... ist wirklich so. 

 

in einem anderen fall wurden freunde bzw. wer dafür gehalten wurde verprügelt.

 

niemand traut sich darüber zu reden. aus purer angst es könnte ihm/ihr genauso gehen. 

 

also die DefMa fordert sogar tote und die szene macht so weiter als wäre nix. 

Sorry aber ja und?

Was kümmer es mich, das ein Mensch nicht mit dem zurecht gekommen ist was er_sie getan hat?

Ich begrüße es wenn Täter_personen sich umbrigen, so schaden sie wenigstens keinem anderen Menschen mehr

Und bevor ich mir geheul über eine tote Person anhöre, denke ich an die tausensden Menschen sie Betroffene von sexualisierten Gewalt sind.

Ya Basta

Mal ganz davon abgesehen das deine Gewaltfantasien äußerst peinlich wirken da du ja eigentlich Gewalt beenden willst, ist der Rest deines Anliegens relativ dumm und bescheuert. Hast du Empathie ggüber Zahlen? Ich glaube kaum. Mensch hat Empathie mit Individuen. Und mal ganz davon abgesehen nur weil diese Person augeschlossen wurde heißt das doch noch lange nicht das diese Person auch schuldig ist. Defma in die Tonne kloppen!

gibt es für dich eigentlich einen unterschied, ob gerüchte über eine person kursieren, und ob die dann auch zutreffen? anscheinend nicht. der vorwurf steht im raum, also hängt ihn höher!

mit leuten wie dir (du kommst anscheinend auch ohne infos zu einer felsenfesten überzeugung) ist communismus/befreite gesellschaft wohl verdammt schwer zu machen - höchstens maoistische mob-action...

Du tust mir leid.

Wenn das prinzip bereits tote gefordert hat muss drüber gesprochen werden so gehts nicht!

hast du 'ne ahnung wie viele tote das "prinzip" vergewaltigung gefordert hat? und wegen einem suizidalen täter das selbstbestimmungsrecht der menschen einstampfen? hallelujah!

beim biblischen system "auge um auge, zahn um zahn" angelangt. rache im name der emanzipation? na, halleluja!

 

Wegen Mobbing in der Szene begeht normalerweise niemand Selbstmord. Selbst wenn jemand aus allen Zusammenhängen ausgeschlossen wird. Als wenn die Szene die ganze Welt darstellen würde. Wenn, dann kommt noch mehr dazu. Sonst kein weiteres Umfeld, keine wirklichen Freunde, was wees ik. Es gab schon früher Selbstmorde von Leuten die irgendwie der Szene zuzurechnen waren. Aber Szenegründe waren nie der ausschließliche Grund. Was nicht heißt, das ich Szenemobbing verharmlosen wollte, besonders wenn er nur auf unbewiesenen Beschuldigungen basiert.

Wer so fixiert auf die paar Pfeifen ist, das es Schiß vor dem Verlust aller sozialer Kontakte hat, wenn es gegen die Insiderregeln verstößt, dem empfehle ich sein Leben zu ändern und mal zu sehen, ob es nicht noch Menschen gibt, deren Timeline nicht zwischen Veganerdemo und Antifasolikonzert verläuft. Soll es gerüchteweise ja auch geben.

ich glaub du unterschätzt welche dimensionen sowas annehmen kann. wenn menschen an öffentlichen orten von wildfremden attackiert werden, vermeintliche freund*innen verprügelt... ausserdem normal. was ist normal. jeder mensch ist anders gestrickt und natürlich kommt immer viel zusammen.   

 

jetzt wird aber sicher gleich perfid argumentiert, dass millionen von frauen unterm patriarchat leiden(das bezweifle ich nicht und versuch meinen teil beizutragen, dass sich das ändert!).  als ob mensch das aufwiegen könnte oder sollte. das rechtfertigt aber nicht eine neue Strafinstanz zu gründen und die auch noch als emanzipativ verkaufen wollen.  weil wer was gegen DefMa, ihrer Umsetzung oder gar Vertreter*innen sagt ist Sexist oder eben Täterschützer*in ohne wenn und aber. Hinter vorgehaltener Hand sieht dass eh ganz anders aus: da sagt dann der freund der hardcoredefma indianerin: "Das Konzept ist der größte scheiß, aber die Typen sind sowieso voll die arschlöcher" Darum gehts nämlich: eigene positionen zu stärken, antipathien pseudopolitisieren um sich selber eine blase und die illusion von radikalem handeln zu schaffen. kleinbürgerliche egoscheiße. genau das wird dann projeziert und geouteten tätern oft noch geltungsgeilheit unterstellt (die finden dass eh voll geil im mittelpunkt zu stehen. die machen sich voll wichtig). Kein Wunder dass nur in Kommentarspalten geschrieben wird und immer anonym. Du bist ja sofort am Arsch wenn du öffentlich die falschen Leute kritisierst. Szenepaschas jedweden Geschlechts sorgen schon dafür dass du die schnauze hältst. 

 

 scheint überall die selbe scheiße zu sein und wir können nur hoffen dass diese generation bald den weg ins private antritt und bis dahin die fahne des selber denkens hochhalten. mein kopf gehört mir!

 

Gegen jede Form der Herrschaft. Für die Zerschlagung des Patriarchats und jeder anderen Hierarchie. Für die Anarchie!

Ob es sinnvoll ist sich hier einzubringen und einen komplexen Text auf der intellektuellen Metaebene zu hinterfragen, wird sich noch weisen. 
Einen Versuch ist es mir jedefalls wert: Definitionsmacht wenn ich sie richtig verstanden habe, dient wohl in erster Linie dazu, verbalen Sexismus nicht zu verharmlosen, auch wenn er "nur" subjektiv empfunden wird. Das hat meiner Einschätzung nach nicht nur eine Berechtigung, es ist notwendig. 

Aber sowohl im Text als auch in Postings geht es auch um sexuelle Gewalt oder nur um Gewalt und die ist ohnehin gesellschaftlich tabu, weswegen ich die Notwendigkeit von Definitionsmacht nicht verstehe. Dafür gibt es Gerichte. 

 

Dass Definitionsmacht nicht nur sinnvoll ist, sondern abhängig von der den jeweils Betroffenen, wird im Text sehr ausführlich behandelt. Warum aber wird generell an der Sinnhaftigkeit gezweifelt, oder sie gar abgelehnt? Wäre es eine tiefergehende Definition wie im ersten Teil gefordert nicht sinnvoller?

Besonders problematisch scheint mir die Gefahr der Stigmatisierung der "TäterInnen" zu sein, die aus eigenem subjektivem Empfinden vielleicht gar kein Schuldbewusstsein haben. Also erst Bewustsein schaffen, ggf aufklären über das eigene Empfinden und die Ablehnung solchen Verhaltens. Erst bei weiteren verbalen Sexismen und/oder Übergriffen sollte ein Ausschluss nicht ohne Stellungnahme des Betroffenen in Betracht gezogen werden. 

Wenn ich mir die Posts hier anschau, sehe ich leider ein großes Gewaltpotential in der Sprache in der sie verfasst sind. Ich weiß nicht ob das im linken feministischen Kontext kompatibel ist. Meiner Meinung nach nicht.

so oder so ähnlich waren meine Gedanken!

Die Sinnhaftigkeit eines Konzepts ist immer anzuzweifeln, wenn es sich als so empfänglich für Mißbrauch erweist, bzw. den Mißbrauchscharakter schon inhärent in sich trägt und teils geradezu erzwingt. Für mich ist Defma darum auch theoretisch nicht reformierbar und auch durch schärfere Definitionen nicht zu retten (wie auch, wen der tatsächliche, vermeintliche oder von "wohlmeinenden" Freunden herbeihalluzinierte Übergriff rein subjektiv, also Ermessensfrage ist) und steht im Grunde auf einer Stufe mit dem Repressionsinstrument eines Gummiparagraphen irgendwelcher Diktaturen, die je nach Laune beliebig angewandt werden können, um Leute zu kriminalisieren oder eben nicht. Das kann kein Mensch ernsthaft wollen, vor allem wenn eigentlich jeder schon erlebt hat, welche abgrundtief menschenverachtende Scheiße mit der Begründung von Ermessensspielräumen möglich ist.

Es geht dabei nicht um "verbalen Sexismus", sondern um sexuelle Gewalt. Manche Feministinnen versuchen aber Definitionsmacht auch auf eine rein verbale Ebene auszudehnen. Das ist aber eher der Versuch, den eigenen Einfluss auszudehnen, statt eine tatsächliche Bezugnahme auf die Definitionsmacht.

Liebe e*vibes, 30.11.14

 

Euer Text erscheint bis auf gewisse Zugeständnisse an eher konstruktivistische Genossinnen bzw. anscheinend auch an Euch selbst als einer der geistreichsten Beiträge in einer langwierigen Debatte.


Zwei Punkte gibt es jedoch auf den ersten Blick, die meines Erachtens etwas genauer betrachtet werden könnten und vermutlich auch ineinander übergehen.

 

Durch Eure Ausführungen zieht sich ein gewisser Faden, der am prägnantesten in der Forderung zum Ausdruck kommt, konkrete Hilfe unbedingt mit politischer Arbeit zu verbinden, da nur Letztere die Unterstützung legitimieren würde.

 

Diese Politisierung von Unterstützung bzw. der generellen Vorstellung einer bloßen Möglichkeit oder Notwendigkeit dessen führt schließlich in Eurem Text wie auch nahezu allen weiteren Szeneverlautbarungen dazu, diese Unterstützung als UnterstützungsARBEIT zu bezeichnen. Diese Technisierung des Umgangs mit sexualisierter Gewalt ist hier eben im Begriff selbst angelegt. Weit mehr kommt darin jedoch der eigene Wunsch nach Verwertbarkeit zur Geltung, sodass letzten Endes Körper“arbeit“, Unterstützungs“arbeit“, Theorie“arbeit“, Polit“arbeit“ etc pp (un)angenehme Beschäftigungen und Tätigkeiten sind, die mit einer professionellen Aura besetzt und wie selbstverständlich als Arbeit betrachtet werden, um sich die eigene Überflüssigkeit wegzusuggerieren. So wird eine Kälte zwischen Menschen, Freundinnen oder Genossinnen festgeschrieben, die tatsächlich existent sein mag, jedoch nicht so manifestiert werden sollte.

 

Euer Text steht in der Tendenz unter der altfeministischen Parole „Das Private ist politisch!“

Diese Politisierung des Alltags droht jedoch immanent in eben jene autoritäre Ausprägung zu verfallen, die Ihr selbst versucht habt, zu kritisieren, wenn jegliches Recht auf Privatheit verschwiegen oder sogar negiert wird.

Dem Grundanliegen, das Leid von Betroffenen öffentlich zu machen und anzuprangern, soll hier keineswegs widersprochen werden. Wenn jedoch konkrete Unterstützung der Betroffenen zwanghaft an politische Arbeit gebunden ist, dann ist dies eindeutig totalitär und versperrt den, auch gemeinsamen, Rückzug in eine Privatsphäre, die in Ansätzen noch existent sein möge. Die Trennung von Privatsphäre und Öffentlichkeit ist gegen ihre negative Aufhebung ebenso als Errungenschaft zu verteidigen, wie die Möglichkeit des Wechsels zwischen beiden ermöglicht werden sollte.

 

In dem Sinne wäre auch die Trennung von politischen Aktionen, öffentlicher Kritik etc gegen sexualisierte Gewalt auf der einen Seite und Unterstützung und Aufarbeitung auf der anderen starkzumachen. Dies würde eine Repolitisierung feministischer Kämpfe gegen das Bestehende und eine Entpolitisierung der Unterstützung durch Freundinnen, Genossinnen etc bedeuten. Nur diese nichtpolitische oder gar antipolitische Form der Aufarbeitung kann es der Betroffenen im Endeffekt ermöglichen, als Individuum mit eigener Biographie behandelt zu werden. Vor allem Euer eigener Verweis auf möglicherweise vorliegende Traumata zeigt jedoch die Notwendigkeit eben dessen auf und verweist darüber hinaus fast zwangsläufig auf einen professionellen Rahmen; zumindest als Ergänzung der angebotenen und/oder dargebrachten Hilfe.

Wer den (Selbst-)Vorwurf reiner Elendsverwaltung nicht aushalten kann, wird fast zwangsläufig in eine Instrumentalisierung der Betroffenen verfallen. Theoretisch kann dies eventuell unter den Begriff der Lückenphobie subsumiert werden und praktisch politisches Verheizen von Menschen, die unter Umständen gerade andere Probleme haben.

 

Doch habt Dank für die spannende Auseinandersetzung und liebe Grüße,

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Darüber hinaus frisst sich hier der postmoderne Konstruktivismus selbst auf, ist mittlerweile  jedweder situationalen Verankerung entzogen und verkommt dadurch zu dem, was der postmodernen Theorie bereits seit Beginn innewohnt, nämlich zu einem warmig-wohlen umherschweben in der eigens kreierten Kommunikationsblase fernab von jeder Situation.  Darüber hinaus erklärt eine auf solcher theoretischen Grundlage im Kern aufbauende humanitaristische Praxis nicht nur jeden möglichen zukünftigen schöpferischen und emazipatorischen Akt für bereits abgeschlossen und unmöglich, sie führt vielmehr eine wohlwollende viktimisierende Objektualisierung, die die Menschen von ihren subjektiven und produktiven Fähigkeiten trennt, aller Beteiligten ein und resigniert so vor der gesellschaftlichen Realität.