Neue Erkenntnisse über Nazi-Eliteschulen

Erstveröffentlicht: 
29.09.2014

Englische Historikerin Helen Roche forscht über Geschichte der Napolas

 

Von Thomas Fritz

 

Die englische Geschichtswissenschaftlerin Dr. Helen Roche hat bei einer Archivreise in Mitteldeutschland neue Erkenntnisse für ihr Buch über die Geschichte der Nationalpolitischen Erziehungsanstalten gesammelt. Dafür musste die 28-Jährige vom Lucy Cavendish College der University of Cambridge im Sächsischen Staatsarchiv in Dresden und in der Deutschen Nationalbibliothek in Leipzig dutzende Akten, Mitteilungsblätter und offizielle Briefwechsel sichten. "Die Reise hat sich gelohnt. Ich habe viel gelernt, vor allem über die Napola in Dresden-Klotzsche, über die ich vielleicht sogar eine Fallstudie schreiben werde", zieht Roche nach mehreren Wochen intensiver Forschung Bilanz.

 

"Interessant ist, dass die überwiegende Mehrheit der Schüler dort aus eher ärmeren Elternhäusern kam, was normalerweise in Anstalten mit preußischer Tradition nicht der Fall war", sagt die fließend Deutsch sprechende Engländerin. Daher habe es Spannungen zwischen dem Freistaat und der Inspektion der NPEA sowie dem Reichserziehungsministerium gegeben. An den Elite-Internaten, von denen die ersten am 20.4. 1933 als Geburtstagsgeschenk an Adolf Hitler gegründet wurden, sollte die künftige Führungsschicht des Dritten Reiches ausgebildet werden.

 

Dazu zählen solch namhafte Persönlichkeiten wie der Literaturkritiker Hellmuth Karasesk, der DDR-Sportfunktionär Manfred Ewald oder frühere Thüringer Landesbischof Werner Leich. In Mitteldeutschland gab es mit Dresden-Klotzsche sowie den NPEA Naumburg, Schulpforta und Ilfeld bei Nordhausen vier der insgesamt rund 40 Schulen.

 

Mit ihrem Buch, dessen Veröffentlichung 2016 geplant ist und das auch auf Deutsch erscheinen soll, will Roche die erste Monographie über die Geschichte der Internate vorlegen. Das derzeitige deutsche Standardwerk stammt aus dem Jahr 1973; auch in anderen Sprachen liegt bisher keine vergleichbare Studie vor. "Ein Schwerpunkt wird die Betonung der verschiedenen Traditionen sein", betont Roche, übrigens nicht verwandt mit der Autorin Charlotte Roche. "Manche gingen aus ehemaligen preußischen Kadettenanstalten hervor, einige aus traditionsreichen Gymnasien wie Schulpforta oder Ilfeld, andere sind nach Beginn der Hitlerdiktatur erst neu gegründet worden."

 

Und schließlich habe es auch einige Internate nur für Mädchen gegeben. "Man sollte Aussagen über eine Napola also nicht generalisieren", sagt Roche. Allerdings werde genau dieser Fehler in vielen der bisherigen Arbeiten gemacht. Nach bisher rund 50 Besuchen in deutschen Archiven und 100 Zeitzeugeninterviews mit hochbetagten Absolventen hat sie weitere Reisen zu österreichischen, polnischen und tschechischen Beständen geplant.

 

Noch im September wird die ehrgeizige Historikerin in der früheren Napola Plön in Schleswig-Holstein im dortigen Schularchiv des Gymnasiums weiter in staubigen Akten stöbern. Das Mammutprogramm ist noch nicht ganz abgeschlossen. Aber woher kommt eigentlich die Faszination für deutsche Geschichte? Zum einen hat Roche eine deutsche Großmutter. Und sie stieß während des Studiums zur altgriechischen Geschichte in Cambridge auf die Einflüsse der antiken griechischen Großmacht Sparta auf die Elite-Erziehung in Preußen und im Dritten Reich, was letztlich Thema ihrer Doktorarbeit wurde ('Sparta's German Children', 2013).

 

Nun hofft die Engländerin, dass möglichst viele ihrer Landsleute - und auch die Leser in Deutschland - ihr Interesse teilen, damit das Napola-Buch ein Erfolg wird. Die Chancen stehen gut: Den Inselbewohnern wird ein Faible für deutsche Geschichte nachgesagt. Aber vor allem könnte Helen Roche mit ihrer Arbeit die Lücke in der Geschichtsschreibung der Elite-Internate deutlich verkleinern.

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ich hoffe dieses buch wird sie interessieren.mfg rademacher