[Berlin-Wedding] War Rassismus das Motiv?

Transparent - War Rassismus das Motiv?

Am 01.08.2014 fand nachmittags vor dem Strandbad Plötzensee eine antirassistische Kundgebung unter dem Motto "War Rassismus das Motiv? Wir fordern Aufklärung!" statt. Anlass war der Tod von Anneck E., der am Morgen des 19.07. im Plötzensee ertrank – vor den Augen des Bademeisters und ohne, dass dieser eingriff. Da der zuständige Bademeister Mike Zerfowski früher in Neonazi-Kameradschaften aktiv war und sich nie von rechter Ideologie distanziert hat, kann ein rassistisches Motiv für sein Nichthandeln nicht ausgeschlossen werden. Deswegen fordern wir Aufklärung über die Hintergründe des Falls. Mit Transpis und Flyern wurden Passant*innen und Gäste des Freibades über den politischen Hintergrund des betreffenden Bademeisters und den Tod von Anneck informiert. Im Anschluss wurden Blumen und Kerzen an der Badestelle niedergelegt, von der Anneck aus in den See ging.


Hintergrund


Der traurige Anlass, das Ertrinken des 35-jährigen Anneck aus Kamerun am Morgen des 19. Juli, war bereits zuvor in der Medienlandschaft thematisiert worden. Doch ging es dabei vor allem um Fragen von Schuld und Unschuld des Bademeisters, ohne direkt auf seinen politischen Hintergrund einzugehen. Doch dieser kann nicht verheimlicht werden. So war Mike Zerfowski aktives Mitglied der sogenannten "Freien Nationalisten Berlin-Mitte" und Parteigänger der NPD-Neukölln. Nach einem Gefängnisaufenthalt soll er jedoch 2010 mithilfe des Verfassungsschutzes aus der Neonaziszene ausgestiegen sein. Allerdings hat er sich nach seinem "Ausstieg" nie öffentlich zu seiner Vergangenheit verhalten. Der schriftliche, also formale Austritt aus der Neonaziszene kann und darf nicht als "Persilschein" für einen vermeintlich "geläuterten" und "aufgeklärten Ex-Nazi" fehlinterpretiert werden. Solange bei einem „Ausstieg“ nicht alle Rückkehrmöglichkeiten in die Neonazi-Szene ausgeschlossen werden, bspw. über die Mitteilung interner Strukturen, ist dieser unglaubwürdig. Dies zeigt sich auch bei Mike Zerfowski. Durch den Ausstieg aus der Partei- bzw. Kameradschaftsstruktur hat er sich lediglich von seinem „Bekanntenkreis“ gelöst. Ein wirklicher Bruch mit der zugrunde liegenden nationalistischen/ rassistischen Ideologie hat nie stattgefunden. Anders ist es nicht zu erklären, dass es in der Vergangenheit bereits zu rassistischen Vorfällen im Freibad Plötzensee unter seiner Mitwirkung gekommen ist [2].

Ermittlungen eingestellt - Vorwurf entkräftet?


Kurz vor der Kundgebung ließen Berliner Polizei und Staatsanwaltschaft in einer gemeinsamen Pressmitteilung verlauten, dass Mike Zerfowski kein schuldhaftes Verhalten beim Ertrinken Annecks nachzuweisen wäre und dass alle gegensätzlichen Behauptungen als Verleumdungen verfolgt werden [3]. Auf diese Weise soll eine kritische Arbeit zu dem Fall erschwert werden. Dies musste auch die Kundgebung erfahren. Jedes Wort wurde genauestens von der Polizei verfolgt, die anfangs auch versuchte, das Verteilen der Info-Flyer wegen eines möglichen verleumderischen Inhalts zu verhindern. Doch diese Schikane konnte schon bald unterbunden werden.

 

Auch wenn der Fall nun rechtlich abgeschlossen ist, bleiben viele Fragen vor allem in Bezug auf die Hintergründe des Nichthandelns von Mike Zerfowski offen. So gab er zu, dass er nicht sofort auf die Hinweise mehrerer Badegäste reagierte, wonach am nur ca. 100 Meter entfernten, gegenüberliegenden Ufer jemand ertrinken würde. Jedoch fühle er sich nicht für diese Bereiche des Sees zuständig [4]. Warum er allerdings in den vergangenen Jahren Personen rettete, Anneck aber nicht, bleibt unklar. Eine solche desinteressierte Haltung im Angesicht einer ertrinkenden Person, ist einfach menschenverachtend und nicht mit dem simplem Abstecken von vermeintlichen Verantwortungsbereicheen zu entschuldigen. Als Bademeister und Rettungsschwimmer ist er dafür verantwortlich, Menschen in Not zu helfen – auch wenn er dafür seinen Arbeitsbereich verlassen muss. Tut er das nicht, muss er sich die Fragen nach dem Warum gefallen lassen. Nur weil keine formale Pflichtverletzung vorliegt, ist der Fall für uns nicht abgeschlossen.

 

Weiter unbequem bleiben


Vor diesem Hintergrund ist nun sein Arbeitgeber, die Erik Müller und Rudolf Singer GbR, aufgefordert, zu handeln. Sie soll ernsthaft erklären, warum sie an einem Bademeister festhält, dem Regeln und Vorgaben wichtiger zu sein scheinen als Menschenleben. Im Angesicht dieser moralischen Pflichtverletzung ist Mike Zerfowski nicht mehr tragbar. Doch wie in der Vergangenheit besteht die Taktik der Betreiber im Wegschauen und Verschweigen. Seit dem Bekanntwerden der politischen Vergangenheit von Mike Zerfowski haben sie sich nie ernsthaft geäußert und stellen sich schützend vor ihren Angestellten. Eine solche Abwehrtaktik lässt auf eine große Ignoranz bzw. eine mögliche heimliche Sympathie gegenüber rechtem Gedankengut schließen. Dies gilt auch und insbesondere für die anwesende Polizei. Deren Einsatzleiter ist im Vorfeld der Veranstaltung mit rassistischen Kommentaren in Bezug auf die Hautfarbe Annecks aufgefallen und auch während der Kundgebung taten sie alles, um die Teilnehmenden zu schikanieren. Doch von solchen billigen Tricks lassen wir uns nicht einschüchtern. Es ist an der Zeit, die rassistischen Kontinuitäten im Freibad Plötzensee offen anzusprechen und Konsequenzen zu fordern, welche mit der sofortigen Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit Mike Zerfowski beginnen sollten. Solange aber weiter nichts geschieht, werden wir nicht schweigen.

 

Deswegen kommt am 08.08. ab 17h zur zweiten Kundgebung vor dem Freibad Plötzensee (Nordufer 26), um allen Beteiligten deutlich zu machen, dass sie nicht länger wegschauen können. Wer Rassisten toleriert, muss mit Widerstand rechnen.
 

Nachweise
[1] BZ: "Warum half der Bade­meister nicht?"
http://www.bz-berlin.de/berlin/mitte/warum-half-der-bademeister-nicht

[2] Berliner Kurier: "Rassismus Attacke: Jagdszenen in Plötzensee"
http://www.berliner-kurier.de/kiez-stadt/rassismus-attacke-jagdszenen-in...

[3]Berliner Morgenpost: "Zeugenaussagen entlasten Bademeister aus Plötzensee"
http://www.morgenpost.de/berlin-aktuell/article130795400/Zeugenaussagen-...

[4] Tagesspiegel: "Plötzensee-Bademeister wehrt sich gegen Vorwürfe"
http://www.tagesspiegel.de/berlin/ploetzensee-bademeister-wehrt-sich-gegen-vorwuerfe-probleme-mit-illegalen-badestellen-und-alkohol/10248132.html

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Laut Zeugenaussagen und Ermittlungsergebnissen ist der Bademeister erst zehn Minuten nach dem Ertrinken über den außerhalb seines Aufsichtsgebietes geschehenen Unfall informiert worden. Demnach hatte er keine Möglichkeit mehr, den Ertrinkenden noch zu retten.

 

Der Kameruner war mit anderen Personen an einer mit Badeverbot ausgewiesenen, umzäunten Stelle gegenüber dem Freibad ins Wasser gegangen. Dort ging der unter erheblichem Alkoholeinfluss stehende Mann, der nicht schwimmen konnte, plötzlich unter und ertrank. Mehreren Zeugen gelang es zwar, ihn aus dem Wasser zu ziehen, die Wiederbelebungsmaßnahmen eines Notarztes waren aber erfolglos.

Es bleibt dabei, dass der Typ, der behauptet aus der Szene ausgestiegen zu sein, ohne ausgepackt zu haben und letzten Sommer noch durch Thor Steinar Klamotten und rassistische Beschimpfungen wie "Ölaugen" aufgefallen ist, in der konkreten Situation null Anteilnahme oder Bereitschaft zur Hilfe gezeigt hat.

 

Zudem war er sich offenbar im Klaren darüber, dass am anderen Ufer eine Gruppe von Schwarzen badet und die Staatsanwaltschaft stellt auch nicht in Frage, dass schon eine besondere Portion Ignoranz nötig ist, um an dieser Stelle des Sees zehn Minuten lang nicht mitzubekommen, wenn an der anderen Uferseite die Hölle los ist. Dass er Hilfeschreie gehört hat, bevor ihn Zeugen direkt angesprochen haben, bestreitet er nichtmal.

 

Diese und einige andere Aspekte spielen für die strafrechtliche Würdigung des Vorgangs aber keine Rolle, wenn die Staatsanwaltschaft im Ergebnis meint, dem Opfer sei nicht mehr zu helfen gewesen, egal wie Zerfowski gehandelt hätte. Daraus und aus nichts anderem ergibt sich der Grund für die Einstellung des Verfahrens. Dass Zerfowski nicht aus rassistischer Motviation heraus wenig bis keine Hilfsbereitschaft an den Tag gelegt hat, ist damit nicht widerlegt.