Dieses Interview mit einem Genossen der Autonomen Arbeiter_innen-Gewerkschaft in Kiew wurde am 28. Januar 2014 geführt. Es wirft ein bisschen Licht auf die Ereignisse rund um den Maidan: die Bandbreite der Forderungen hinter den Protesten, ihren Fokus auf den verhassten Präsidenten, die Unterschiede zur „orangenen Revolution“, die Rolle der Rechten, die Schwäche der sozialen Kämpfe sowie mögliche Szenarien.
F: Beim Anblick der Fotos aus Kiew wirkt es so, als ob alle möglichen Menschen auf den Barrikaden seien. Was bringt sie deiner Meinung nach zusammen? Worüber diskutieren die Menschen auf den Barrikaden und all ihre Unterstützer_innen? Geht es hauptsächlich um die praktischen Fragen im Kampf gegen die Bullen? Oder gibt es Versammlungen oder andere Formen von „organisierten“ Debatten, auf den Barrikaden oder anderswo?
A: Das Hauptmotiv für die aktuellen Proteste ist die extreme Unbeliebtheit des Präsidenten. Die tatsächlichen, dahinter liegenden Gründe sind natürlich die ökonomische Krise, die soziale Ungerechtigkeit, der Wegfall sozialer Leistungen, die Arbeitslosigkeit – die übliche Mischung von Missständen, die die Menschen heutzutage auf die Straßen treiben. Das ist kein linkes Dogma; die Menschen sprechen über all diese Themen. Aber nichtsdestotrotz war der Anlass, der sie dazu brachte, ihr Murren in der Küche zu beenden und laut zu protestieren, ihre Gefühle gegenüber dem Präsidenten Janukowitsch. Die ultimative Forderung ist die nach dem Rücktritt des Präsidenten. Leider ist das die radikalste Sache, an die die Menschen momentan denken können.
Das zweite Motiv ist der reine Hass auf die Polizei. Allerdings scheinen die Protestierenden nichts daran zu finden, dass einer der Anführer_innen des Protests, Juri Lutschenko, selbst einst Innenminister war. Während diese Zeit existierten Berkut und andere Spezialeinheiten auch schon, und Lutschenko selbst kündigte an, er werde protestierende Mengen mit Tränengas auseinander zu treiben. So wird auch hier der Protest gegen die Polizei selbst (die in allen sozialen Klassen einen extrem schlechten Ruf hat) in eine relativ harmlose Richtung kanalisiert.
Der Präsident, seine Regierung und die Polizei stehen im
Zentrum der Debatten, denke ich. Die Protestierenden sehen es als
ihre Hauptaufgabe, die „Partei der Regionen“ loszuwerden, und
mehr nicht. Eine kleine Fraktion redet darüber, die Machtbalance in
der Verfassung vom Präsidenten zum Parlament zu verschieben. Aber
natürlich sind die wichtigsten Gesprächsthemen praktische
Angelegenheiten: Tränengas, Essen, Schilder, Molotow-Cocktails,
Taktiken des Straßenkampfs und endlose Gerüchte über den drohenden
Notstand, über Scharfschützen und die Riot-Polizei (ob sie Russen
sind oder nicht, ob sie noch länger kämpfen wollen oder nicht,
etc.)
Zur Frage nach Versammlungen: Nein, ich weiß von nichts Vergleichbarem. Die Situation ist zu dynamisch und instabil für solche Dinge, denke ich. Insofern sehe ich keine Form der direkten Demokratie, die sich aktuell auf den Barrikaden entwickeln würde.
F: Es scheint, als ob es eine Menge Attacken auf – oder Besetzungen von – Regierungsgebäuden gibt, aber das „normale“ Leben in der Stadt weitergeht. Ist das so? Arbeiten die Menschen in Kiew am Tag und gehen nachts auf die Barrikaden? Welche anderen Formen des Protests spielen eine Rolle? Ich habe von Universitätsgebäuden gehört, die besetzt wurden? Passiert irgendetwas an den Arbeitsstätten gegen die verspätete oder nicht-stattfindende Bezahlung der Löhne zum Beispiel?
A: Ja das ist richtig. Nur die zentralen Orte in Kiew sind von den Protesten betroffen, während in anderen Gebieten das alltägliche Leben weitergeht, nichts ist gestört. Es gab einige Versuche, einen landesweiten politischen Streik auszurufen, aber sie scheiterten kläglich: Die Opposition hatte keine Instrumente dafür, keine politische Organisation hat eine landesweites Netzwerk an loklaen Gruppen an den Arbeitsstätten und die Menschen selbst sind Streiks schlicht nicht gewöhnt. Die einzige Kraft, die dies theoretisch tun könnte – die alte bürokratische Vereinigung der Gewerkschaften der Ukraine – verhält sich neutral. Die studentische Gewerkschaft „Direkte Aktion“ versucht einen Studierendenstreik zu organisieren – bis jetzt haben sie es nur geschafft, dies in einer Universität durchzusetzen. Also ja, die meisten Menschen arbeiten oder studieren und verbringen ihre Freizeit auf den Barrikaden.
Es gibt eine Initiativgruppe, die Automaidan heißt – Autobesitzer_innen, die ihre Fahrzeuge benutzen um den Verkehr zu blockieren, speziell in der Umgebung wichtiger Regierungsgebäude oder nahe den Wohnorten der Herrschenden. Eine weitere gebräuchliche Form des Protests hier ist der Boykott von Gütern, die von Kapitalist_innen hergestellt wurden, die zur „Partei der Regionen“ gehören. Er stellte sich als relativ erfolgreich heraus, zumindest einigen Berichten zufolge.
Es gibt bis jetzt nur eine Universitätsbesetzung und ich bin
mir tatsächlich nicht sicher, dass sie so genannt werden kann.
Unsere Genoss_innen von der „Direkten Aktion“ versuchen, den
gesamten Campus zu besetzen und alle Aktivitäten zu blockieren.
Soweit ich es verstanden habe, hat es allerdings noch keine physische
Besetzung gegeben.
Proteste an den Arbeitsstätten, die die Löhne etc. betreffen, sind bis jetzt nicht mit den politischen Protesten verbunden. Zum Beispiel protestierten die Arbeiter_innen von Kyivpastrans – dem kommunalen Unternehmen für den öffentlichen Nahverkehr – im Dezember und einige linke Organisationen halfen ihnen, aber sie gingen nicht so weit, einen Bummelstreik zu erklären, und sie beteiligten sich nicht an Maidan. Tatsächlich tat die lokale Regierung ihr Bestes getan, um ihnen alle Rückstände bis Ende Dezember auszuzahlen und sie dadurch ruhigzustellen.
F: Einer der letzten massiven Proteste in der Ukraine war die „Orangene Revolution“. Was ist im Vergleich dazu heute anders? Beziehen sich Leute auf diese „Geschichte“? Wie sprechen die Protestierenden über „Demokratie“? Und welche Hoffnungen verbinden sich mit einer EU-Mitgliedschaft?
F: Rechte Parteien und faschistische Gruppe spielen eine Rolle in den Protesten. Wie wichtig sind sie tatsächlich? Erhalten sie viel Unterstützung? Wie verhalten sich andere Protestierende zu ihnen?
A: Die rechtsradikale Partei Svoboda ist die am Besten organisierten von den drei großen politischen Lagern, die versuchen die Proteste zu kontrollieren. Sie ist die Einzige, die wirklich aktive Gruppen in verschiedenen Regionen hat und damit eine echte Basis von Aktivist_innen. Als die best-organisierte und die am meisten ideologische von allen drei Organisationen, haben sie auch am meisten Erfolg. Abseits von Svoboda existiert eine Dachkoalition von militanten Neonazigruppen. Sie nennt sich Rechter Sektor. Sie bildeten sich zu Beginn der Proteste und zum jetzigen Zeitpunkt waren sie sehr erfolgreich darin, enorme Prominenz zu erlangen und eine Menge Sympathien von liberalen und apolitischen Menschen zu erobern. Am Berühmtesten sind sie für ihre demonstrative Militanz und Aggression. Die Öffentlichkeit sieht nichts Schlechtes in diesen süßen jungen Patriot_innen. In letzter Zeit wiederholt sich dasselbe Muster in anderen Regionen, in denen Neonazi-Fußball-Hooligans die Speerspitze im Kampf gegen die Polizei und Pro-Regierungs-Schläger gebildet haben.
Die faschistische Hegemonie war bis zum 19. Januar
unumstritten, als sich viele andere Menschen den Protesten
anschlossen – zusammengewürfelte, apolitische Bürger_innen,
Liberale und sogar die Linke. Dies geschah, weil sich die Agenda der
Proteste dahin verschob, die „diktatorischen Gesetze“ vom
16. Januar für ungültig zu erklären.Seitdem mussten sie sich
ein bisschen zurücknehmen, aber nichtsdestotrotz ist es
offensichtlich, dass dieser Protest langfristig den Rechtsradikalen
nützen wird, egal wer gewinnt. Im Falle eines Siegs der Opposition
werden sie mit Sicherheit selbst die Polizeikräfte, Spezialkräfte
und ähnliches übernehmen. Wenn Janukowytsch gewinnt, heißt das,
dass eine Hälfte des Landes zu treuen Unterstützer_innen der
Rechtsradikalen wird, als augenscheinlich der einzigen patriotischen
radikalen Kraft, die in der Lage ist, sich dem Diktator zu stellen.
Die meisten linken Aktivist_innen, die sich nach dem 19. Januar ebenfalls den Protesten anschlossen, taten dies, weil diese Gesetze ihnen ebenfalls ernstlich schaden. Sie fanden ihre Nische in Infrastruktur-Aktivitäten, wie Nachtwachen in Notfallkrankenhäusern: Sie bleiben dort, um die Polizei und Schläger_innen daran zu hindern, die Verwundeten zu entführen. Ein anderes Gebiet linker Aktivität ist der oben genannte Versuch, einen politischen Streik zu entfachen.
F: Von außen wirkt es, als ob die Proteste eine Menge Gemeinsamkeiten mit denen in Istanbul letztes Jahr hätten (okay, außer natürlich die Temperaturen…). Sehen die Protestierenden in Kiew und anderswo eine Verbindung mit den Aufständen rund um den Globus in den vergangenen Jahren?
A: Es könnten tatsächlich einige Parallelen gezogen werden, aber vom subjektiven Standpunkt der ukrainischen Protestierenden existieren die anderen Proteste nicht. Sie sehen diese Ereignisse als einen rein nationalen Kampf und versuchen sie in die ukrainische Geschichte einzubetten, nicht in die globale Welle der Proteste.
F: Nicht zuletzt: Du hast die Bewegung seit Beginn verfolgt und ich habe einige deiner Erklärungen gelesen. Was ist deine Hoffnung für die Proteste, welchen positiven Ausgang kannst du dir vorstellen? Was wäre der Schlimmste? Welcher Art der Unterstützung erwartest du von außerhalb?
A: Wie ich schon sagte, gibt es zwei mögliche Ausgänge. Der Eine ist der Sieg von Janukowytsch, der eine strenges autoritäres Regime zur Folge hätte, vergleichbar mit den Diktaturen Lateinamerikas in den 1970ern. Trotzdem wäre es problematisch für Janukowytsch, das Land zu regieren, da er im Besten Falle höchstens von der Hälfte der Bevölkerung unterstützt werden würde. Diktaturen können unter diesen Bedingungen nicht überleben. Eines der möglichen Szenarios wäre dann die Entstehung einer Untergrund-Guerillabewegung, nicht unähnlich der IRA in Nordirland in den 1980ern und 1990ern.
Der andere Ausgang wäre möglicherweise ein Sieg der parlamentarischen Opposition. Dies würde in eine schwache bürgerlich-demokratische Republik münden, politisch instabil, aber die Grundfreiheiten bewahrend – so wie die Ukraine von 2005-2009. Nur das diesmal die Faschist_innen sehr viel stärker wären, sowohl in den Machtlobbys als auch auf den Straßen.
Nun, es gibt auch noch ein drittes Szenario – vielleicht wäre es das Schlimmste – es wäre der vollständige Bürgerkrieg zwischen der westlichen und der zentralen Ukraine einschließlich Kiew auf der einen Seite und der südlichen und östlichen Ukraine auf der anderen. Selbstverständlich wäre das eine Katastrophe, da die Menschen auf beiden Seiten für nationale Hirngespinste kämpfen würden. Allerdings halte ich das für unwahrscheinlich, da die Ukraine so ein großes industrialisiertes Land ist. Die EU, Russland und andere globale Mächte sind nicht bereit, eine chaotische Kriegszone in einem Gebiet zu erlauben, das wichtige Gas- und Öltransitrouten besitzt, dazu 15 Atomreaktoren, etc.
Ich denke unter solchen Umständen wäre die beste Form der Unterstützung von außerhalb Anstrengungen, die die ukrainische Regierung zum Rücktritt zwingen würden, jedoch ohne dabei Unterstützung für die Rechtsradikalen zu zeigen. Ich denke, dass solche Signale – „Wir unterstützen euch, aber nicht eure Faschist_innen“ – die optimale Form des Drucks von außen wären.
Der Haupfeind. steht im eigenen Land
Es sind die deutschen Vertreter, die im Namen des von deutschen Konzernen dominierten Europa die maßgebliche Politik in der Ukraine über deutsche und europäische Stiftungen organisieren und finanzieren, um den deutschen Kaptialexport, zu unterstützen.
Solange die Fahnen des europäischen Imperiums auf dem Maidan wehen, und man sich in Kiel einbildet, das kapitalistische. und imperialistische Europa wäre ein Rettungsanker, solange wird kein linke Bewegung die "Opposition" unterstützen.
Das Assozierungsabkommen zwischen der EU und der Ukraine , welches gescheitert, war ein Ausplünderungsvertrag zugunsten deutscher Konzerne! Man kann froh sein, dass selbst die korrupte Regierung der Ukraine nicht so blöd war, dass zu unterschreiben.
ahja
die "linken" machen also infrastruktur und nachtwachen während die nazis sich mit den bullen hauen. klingt wirklich sehr sinnvoll.....
die gefahr das eine "untergrundguerilla" entsteht seh ich auch.... was die aber mit der guten ira zu tun haben soll versteh ich aber nicht. wird dann wohl eher von einen faschistischen und antisemitischen charakter haben. vielleicht können die "linken aktivist_innen" dann auch wieder "ihre Nische in Infrastruktur-Aktivitäten" finden.die konrad-adenauer-stiftung wird ihre nische bestimmt in finanzierungs-aktivitäten finden.
in der aktuellen konkret ist übrigens ein ganz guter über die historischen hintergründe und vorbilder der ukranischen opposition.
ich nenne sowas Querfrontscheisse
Und keine linke politische Option!
keine Solidarität
Und das benennst du ganz richtig. Ich sehe da als radikaler Linker keinerlei Anknüpfungspunkt mich auf irgendeine der vorhandenen Seiten zu schlagen.
ehm ehm SPALTER
AntiDs.. Antilinks wie eh und je.
Peinlich
Noch eins
danke!
Interessantes und gutes Interview!
fehlende antwort
in der version oben fehlt eine antwort. hier der nachtrag:
"A: Zuallererst war die „Orangen Revolution“ ein hoch-personalisierter Protest. Die Menschen konzentrierten sich auf ein Ziel – ihren Anführer Viktor Yushchenko auf den Präsidentenstuhl zu hieven. Yushchenkos politische Strukturen kontrollierten die Menge ziemlich streng und organisierten alles ziemlich reibungslos. Die Mehrheit der Protestierenden vertraut den drei Anführer_innen der parlamentarischen Opposition allerdings nicht. Sie repräsentieren Maidan bei den Verhandlungen mit dem Präsidenten, aber viele Menschen sind sich nicht sicher, ob sie ein Mandat dafür haben. Zum Beispiel wurden sie letzten Donnerstag von der Menge ausgebuht und Maidan akzeptierte nicht die Bedingungen, die sie mit Janukowytsch ausgehandelt hatten. Ungeachtet ihres Ärgers hatten die Politiker_innen der Menge zu gehorchen. Im Allgemeinen sind die Menschen sehr viel radikaler als ihre „Repräsentant_innen“. Die gesamte Mobilisierung im November überraschte sie und seitdem konnten sie die Ereignisse nicht vereinnahmen und sich an die Spitze stellen. Dieses Vakuum wurde augenblicklich von rechtsradikalen Gruppen gefüllt.
Eine weiterer Unterschied ist, dass 2004 die Bandbreite der Themen, die diskutiert wurden, sehr viel größer war. Die gesamte „Revolution“ war auf Präsidentschaftswahlen ausgerichtet, aber trotzdem konntest du dort offen eine linke Agenda vertreten und über soziale und ökonomische Fragestellungen diskutieren. In diesem Sinne war der Protest sehr viel heterogener als der jetzige, momentan kannst du nur über die Angelegenheiten der bürgerlichen Politik reden. Jeder Versuch andere Fragen einzubringen, birgt das Risiko, als „Provokateur_in“ abgestempelt zu werden.
Ich denke nicht, dass die Menschen viele Parallelen zwischen den Ereignissen von 2004 und den aktuellen Protesten ziehen. Erstens wuchs während der letzten zehn Jahre eine neue Generation junger Menschen heran, die damals noch Schulkinder waren. Und heute sind sie ein wichtiger Teil der Mobilisierung. Zweitens stellte sich Viktor Yushchenko als große Enttäuschung für alle Teilnehmer_innen der „orangenen Revolution“ heraus.
Protestierende sagen üblicherweise, dass sie einen wirklich (bürgerlich) demokratischen Staat wollen, mit Rechtsstaatlichkeit, etc. Sie glauben, dass die einzige Sache, die sie von diesem Ideal trennt, Wiktor Janukowytsch ist. Und sie sind überzeugt, dass die EU-Mitgliedschaft gleichbedeutend ist mit Demokratie, ebenso wie mit Wohlstand und all den anderen schönen Dingen. Die EU dient als Mythos, der all ihre Hoffnungen vereint, während in dieser mythologischen Sicht auf die Welt Russland das Land Mordors ist."
Danke für das Interview!
die Mühe und Erkenntnisse, aber ich muss sagen, nachdem, was aus verschiedenen Quellen nun zu diesem Protest geäußert und dargestellt wurde, bleiben nicht viele Varianten übrig.
Um es kurz zu machen: in einem zutiefst nationalistischen Protest, mit großen Nationalen Symbolen wie dem Maidan, dazu mit extremer antisemitscher und faschistischer Tendenz (Sicherheitsorga der organisierten Faschisten auf dem zentralen Platz) bleibt aus linker Sicht fast kein Handlungsspielraum.
Dem Imperium der aggressiven EU nachzulaufen bringt schlimmste soziale Verwerfungen, die den hoffnungmachenden Lügen folgen werden (wie die vom bürgerlichen Rechtsstaat und der bürgerlichen Gewaltenteilung) und unter faschistischen Schlägerbanden soziale Forderungen gegen einen aufgehetzten Nationalkrawall dort am Maidan stellen zu wollen, bringt nix, wenn man nicht wenigstens einen gewissen Grad an Sicherheit gewährleisten kann.
Aus linker Sicht gilt eigentlich nur: keine EU - keine Querfront mit den Faschisten in Form von Arbeitstteilung. Ich würde ja eher empfehlen: den Maidan verlassen, und außerhalb dieses Symbols (vielleicht findet sich ja jemand, der das nationale Denkmal auf dem Maidan sprengt) Strukturen aufbauen und dazu keinen hoffnungslosen Krieg mit oligarischen Staatsresten anfangen, denn wie immer man auch denken mag, die haben zumindest das Abkommen mit der EU (sicher aus ureigensten Gründen) gekippt, um nicht noch den Rest der Ukraine völlig in den Rachen deutscher Konzerne zu werfen.
Sehe ich anders
Noch mal hier: Sehe ich anders: Sicher ist, dass die Linke in der Ukraine weitgehend diskreditiert ist. Sicher ist, dass es den Hooligans und Faschos gelungen ist, durch (anscheinend) diszipliniertes und entschlossenes Vorgehen, das mit den nichtmilitanten solidarisch bleibt, ein unverzichtbarer Bestandteil des Gesamtprotests zu werden (und davon könnte unsereiner einiges lernen, so traurig das ist).
Sicher ist auch, dass die Besetzung des Maidan und alles drumherum zunächst mal Ausdruck eines tiefen Risses zwischen Regierung und Regierenden ist. Dass der Riss sich an etwas so idiotischem wie der EU-Annäherung auftut, ist pupsegal: Revolten und Revolutionen fangen immer aus Gründen an, die mit dem Ausgang nichts mehr zu tun haben, und die mitunter ganz klein und kleinlich sind. Dass die Revolte sich politisch bis hierher eher rechts artikuliert, zeigt die diskursive Schwäche der Linken nicht nur in der Ukraine. Und die lässt sich nicht überwinden, indem man sich da raushält. Das sehen inzwischen (d.h. vorgestern) übrigens auch die Charkiver Anarchisten so und fordern dazu auf, wieder auf den Maidan zu gehen. So weit man das von hier aus sehen kann, organisiert sich der Maidan weitgehend selbst - und glücklicherweise auch unabhängig von dem, was die Oppositionsfratzen gerne hätten. Darin liegt eine Chance, wenn wir die Aussicht ernst nehmen, dass sich das Volk selbst organisieren soll. Welche politischen Inhalte dabei transportiert oder entwickelt werden, hängt in hohem Maße davon ab, welche Ideen da hineingetragen werden - und überzeugend sind.