Sexistische Übergriffe / Häusliche Gewalt in Wohnprojekt

Sexistische Übergriffe / Häusliche Gewalt in Wohnprojekt

Offener Brief an die Bewohner_innen des Leibnizhaus 2 (Tübingen)
Vor 3 Monaten eskalierte die Situation im Wohnprojekt Leibnizhaus 2 (LH2). Was als Hauskonflikt begann, mündete in Gewalt. An und für sich sind wir der Meinung, dass hausinterne Konflikte auch hausintern, ohne Einmischung von außen, geklärt werden sollten. Wir entschieden uns dennoch zur Intervention, da das körperliche und seelische Wohl einiger Bewohner_innen akut gefährdet wurde/wird und das LH2 momentan unfähig und, in Bezug auf 2/3 der Bewohner_innen, unwillig erschien/erscheint, jene zu schützen. Die Dimension eines Konflikts zwischen Mitbewohner_innen wurde bei weitem gesprengt.


Wir nehmen hier nur Bezug auf die Übergriffe, die sich im September diesen Jahres zutrugen sowie den Umgang damit. Selbstverständlich kamen sie nicht aus dem Nichts, sondern ergaben sich aus einer eskalierenden Entwicklung, auf die wir an dieser Stelle jedoch nicht eingehen wollen, da wir zu wenig darüber wissen und es auch nicht für unsere Sache halten, darüber wertend zu befinden.

 

Sexistische Übergriffe, Hakenkreuz-Schmiererei


Nachdem im September immer wieder der Namen Fabian's (Name geändert) aus Plenum-Anwesenheits-/Putzlisten gestrichen wurde (manchmal mit dem Vermerk „Gast“, er war zu diesem Zeitpunkt legaler Bewohner des LH2's seit 12 Jahren), schrieb Marcia (Name geändert) am 17.09. einen Zettel, der dies bedauernd kritisierte.¹
Dieser Zettel wurde mit einem Hakenkreuz sowie dem Schimpfwort „Fotze“ beschmiert.¹

An der daraufhin von Marcia einberufenen Sonder-Hausversammlung fand sich nur ein sehr kleiner Unterstützer_innenkreis von 6 Personen ein, die sich mit dem Vorfall auseinandersetzen wollten. Der Großteil der sonstigen Bewohner_innenschaft verhielt sich indifferent bis hin zu die Beleidigungen relativierend/tolerierend (sinngemäß:„Ist Marcia doch selbst schuld. Wenn sie einfach ausziehen würde, wäre das Problem gelöst“).

Bewohner_innen des Hausprojekts Lu15 schrieben zwei Tage später einen Brief, in dem sie sich mit den Betroffenen solidarisierten, an die Hausgemeinschaft des LH2's den Wunsch richteten, sich mit dem Vorfall auseinanderzusetzen und bekannt gaben, dass der weitere Umgang beobachtet werde. ²

Der Versuch eines Unterstützers, Unterschriften zur Distanzierung von dem Vorfall zu sammeln³, wurde durch anonyme Kommentare auf der Unterschriftenliste (z.b. „Wo muss man unterschreiben, wenn man nur gegen Hakenkreuz ist?“) und Verweigerung einiger Mitbewohner_innen, u.a. von Menschen aus einer 7er-Gruppe - die im Verlauf der vergangenen beiden Jahre einen „Konflikt“ mit/gegen Marcia und Fabian austrugen (hier Mehrheits-Gruppe (MG) genannt) - zunichte gemacht und leider nicht wieder aufgegriffen.

Mobbing und Ausdehnung der Gewalt statt Schutz


Im Verlauf der Woche kam es zu erneuten, unprovozierten Übergriffen, bei der nicht nur Marcia unvermittelt angeschrien („Fotze! Terroristenfotze!“) und durch das Haus gejagt wurde, sondern sich die Aggression auch an Unterstützer_innen, die einschreiten wollten, entlud.


Das Spektrum dieser Vorfälle reichte von Droh-E-Mails und verbalen Angriffen über eingetretene Türen bis hin zu einem sogenannten „Kurzschluss-Stecker“. Dieser eigens dafür konstruierte Stecker, Marke Eigenbau, wurde in einer der Steckdosen im Privatzimmer eines weiteren Betroffenen angebracht und verhinderte das Einschalten der Sicherung.


Auch diese Übergriffe wurden, außer von den Betroffenen und dem Kreis der Unterstützer_innen, relativiert.


Einige Zitate hierzu: „Das ist halt seine Sprache, das find ich nicht so schlimm.“
„Das ist keine Gewalt, das sind halt seine Spielchen. Er hat schon seit dem Sommer angekündigt, einigen Leuten contra geben zu wollen. Ich finds gut, dass er das endlich tut.
Und ich find auch den Psychoterror nicht schlecht.“


Diese Aussagen stammen von Menschen aus der MG und wurden Marcia gegenüber getätigt, als sie um Hilfe und Beistand gegen die Übergriffe bat.


Marcia wurde außerdem erneut, von verschiedenen Mitbewohner_innen, zum Auszug aufgefordert, um die Situation zu entspannen.


Mittlerweile waren der Kreis der Betroffenen und der Kreis der Unterstützer_innen nahezu / bis auf eine Ausnahme deckungsgleich.


Zwei der fünf Betroffenen entschieden sich an diesem Punkt für das temporäre Exil bei Freunden, da sie ihre körperliche Gesundheit gefährdet sahen: Nur sehr wenige der eigenen Mitbewohner_innen waren bereit, sie zu schützen; diese gerieten selbst ins Sperrfeuer der Gewalt.


Wie an den beiden Zitaten oben ersichtlich, schienen die Übergriffe einigen anderen Mitbewohner_innen, wiederum sehr gelegen gekommen zu sein, in der Hoffnung, Marcia und Fabian mögen endlich ausziehen.

Es folgte am 23.09. eine Hausversammlung des LH2, in der nur über den Einzug einer neuen Bewohnerin gesprochen werden sollte. Nachdem dieses Thema in aller Kürze abgehandelt war, wurde eine 2-stündige „Diskussion“ eingeleitet, die die Ereignisse der vergangenen Woche zum Inhalt haben sollte. Die Übergriffe sowie mögliche Konsequenzen wurden nicht thematisiert, stattdessen folgten Tiraden gegen Marcia. Sie solle sich doch Gedanken machen, warum Menschen etwas gegen sie haben. Einige Mitbewohner_innen forderten erneut Marcia's Auszug.


Am Folgetag kam ein Bewohner des LH2's (und Teil der MG) in die Lu15 und empfahl Rücknahme des Solidaritäts-Briefs. Dieser Brief stelle eine Einmischung dar, verdrehe die Tatsachen und lenke davon ab, dass Marcia auch Schuld trage.


Darum sei an dieser Stelle deutlich gemacht: Wir wollen nicht urteilen, wer „Schuld“ trägt und wer nicht und zu wessen Lasten die fatale Gruppendynamik gelegt werden kann. Der Konflikt geht uns nichts an.


Wir kritisieren jedoch, und sehen diese Kritik auch als legitim an, dass in einem Tübinger Wohnprojekt (sexistische) Übergriffe geduldet werden.

Am 13.10. kam der übergriffig gewordene Mitbewohner zur Entscheidung, selbst seine Kündigung einzureichen.


Uns ist sehr wichtig, nicht diesen Menschen an den Pranger zu stellen, sondern die Umstände, die ein solches Handeln erst möglich gemacht haben.

Systemfehler


So lange ein System durch Mehr- und Minderheiten strukturiert wird, so lange bleibt auch der Boden bereitet zur Gewalt, weil sich die so konstituierte Gemeinschaft niemals als solche begreifen wird, sondern immer als „Wir“ und „die Anderen“ (=potentielles Feindbild).


Menschen fühlen sich in der Gruppe stark. Und ein Mehrheitssystem begünstigt, dass Menschen aus der Mehrheitsgruppe sich, mit der Mehrheit im Rücken, stark genug fühlen, um sich Minderheiten gegenüber feindlich zu verhalten.


Dies ist in jeder Mehrheits-“Demokratie“ ein Problem.


Besonders problematisch kann dies aber bei einem Kreis von 30 Personen, wie es im LH2 der Fall ist, werden.


Hausversammlungen im Leibnizhaus 2 sind ab 14 teilnehmenden Bewohner_innen beschlussfähig, Entscheidungen werden per einfacher Mehrheit beschlossen. Dieses System bereitet den Boden für die Dominanz einer kleinen Gruppe, die sich gegebenenfalls über die Bedürfnisse ihrer Mitbewohner_innen einfach hinwegsetzen kann.

Konsequenz?


Auf der am 15.10. stattfindenden „regulären“ Hausversammlung wurde, statt sich mit den Übergriffen auseinanderzusetzen, nach langer Diskussion per knappem Mehrheitsentscheid  beschlossen, erneut (wie schon ein Jahr zuvor) in seiner Abwesenheit über den Wiederaufnahmeantrag von Fabian abzustimmen.

 

Einschub zum Verständnis:
Im LH2 müssen alle Bewohner_innen immer nach drei Jahren Wohnzeit einen sogenannten Wiederaufnahmeantrag stellen. Dies ist ein formales Relikt aus der Studentenwohnheims-Zeit des Leibnizhauses und wurde bis dato noch nie abgelehnt.


Das Verfahren besteht darin, dass der_die Bewohner_in auf der HV selbst den Wiederaufnahmeantrag stellt und die auf der HV Anwesenden per anonymer Mehrheits-Abstimmung darüber entscheiden. Üblicherweise wird ausschließlich mit Ja gestimmt, da es um die eigenen Mitbewohner_innen geht.


Es existiert kein gültiger Beschluss auf Hausebene, was nach einem abgelehnten Wiederaufnahmeantrag geschieht, da dieser Fall aufgrund des formalen Charakters der Klausel noch nie eingetreten war.

 

Einige Bewohner_innen erklärten zu diesem Zeitpunkt, sie würden das Ergebnis der Abstimmung nicht anerkennen.


Trotzdem wurde abgestimmt und der Wiederaufnahmeantrag mit 10:7 Stimmen abgelehnt.


Wie oben erwähnt, existiert keine Regelung, was nach einem abgelehnten Wiederaufnahmeantrag geschieht.


Dennoch wurde Fabian am 26.11.13 vom Gerichtsvollzieher eine schriftliche Kündigung zugestellt, unterschrieben von Teilen des Vorstands des Hausvereins. Ohne das Wissen der restlichen Bewohner_innenschaft.


Noch traumatisiert von den Ereignissen soll Fabian nun nach 12 Jahren innerhalb eines Monats sein zu Hause verlassen.

Es obliegt nicht uns, über die Legitimität dieser Kündigung an sich zu urteilen. Wir finden es allerdings schwierig, vor dem Hintergrund gewaltvoller Übergriffe und der dadurch aufgeheizten Stimmung überhaupt über Mitbewohner_innen zu diskutieren/abzustimmen.

Diese Entwicklungen machen uns zutiefst traurig, betroffen, wütend und fassungslos, da wir uns friedvolles Miteinander (oder wenigstens Nebeneinander-akzeptieren) und gegenseitige Solidarität in den Wohnprojekten wünschen.

Gruppendynamik, nicht Sündenbock.


Etwas mit der Gruppendynamik des LH2's ist nicht in Ordnung, das ist für außen Stehende offensichtlich, und oben genannte Beispiele verdeutlichen es. Wenn wiederholte Übergriffe innerhalb eines Wohnprojekts ignoriert bzw toleriert werden, stimmt etwas nicht. Was genau, darüber wollen wir nicht spekulieren.


Fakt ist, dass Gruppendynamiken, die aus dem Ruder laufen und in Dominanz und Gewalt münden, nie auf Schuld oder Vergehen einzelner Menschen zurückgeführt werden können, sondern sich immer aus dem Verhalten aller Gruppenmitglieder ergeben. Einen einzelnen Menschen als Sündenbock abzustempeln, der Gemeinschaft zu verweisen und der Lebensgrundlage zu berauben, wird derart komplexe Probleme, wie ihr sie offenbar habt, nicht lösen.


Fehlgeleitete Gruppendynamiken lassen sich nur als Gruppe, gemeinschaftlich, unter Einbezug und v.a. Selbstreflektion aller Beteiligten, aufhalten und wieder ins positive wenden.


Und, die Erfahrung zeigt: Probleme, die man mit einem anderen Menschen zu haben glaubt, beruhen allzu oft auf Missverständnissen und lassen sich meist lösen, indem man jenen Menschen offen und gewaltfrei darauf anspricht.


Wir bedauern, dass eine Mediation im Sommer nach nur fünf Sitzungen ergebnislos abgebrochen wurde.


Wir wünschen uns und hoffen sehr - aus Sorge um den Fortbestand des LH2's als Wohnprojekt in Selbstverwaltung - dass ihr als Bewohner_innen des Leibnizhaus 2, Urgestein selbstverwalteter Projekte in Tübingen, einen Weg findet, die Situation friedvoll zu lösen und wieder zu einem entspannten Wohn- und Lebensklima zurückzufinden.


Solidarische Grüße,
Lieselotte Meyer's Kaffeekränzchen

 



Artikel als pdf:
http://www.datafilehost.com/d/eed75234

 


 

Protest- und Solidarisierungs-Zuschreibungen gerne an:

info@leibnizhaus.de

Leibnizhaus2
Stauffenbergstr.30
72074 Tübingen

 


 

¹ Zettel von Marcia
siehe Bild-Anhang

² Solidaritäts-Brief der Lu15

 

Liebe Betroffene der Hakenkreuz-Schmierereien und sexistischen Beleidigung im Leibnizhaus 2,
Wir haben von den Vorfällen erfahren und sind zutiefst betroffen und schockiert.
Die Verwendung rechtsradikaler Symbolik, DER Symbolik des Hasses und der Gewalt überhaupt, sowie die Verwendung sexistischer Schimpfworte gegenüber den eigenen Mitbewohner*innen sind für uns intolerable Verhaltensweisen, die nicht ohne angemessene Konsequenz bleiben dürfen.
Wir bedauern und kritisieren, dass das Interesse an Auseinandersetzung mit einem solchen Vorfall und v.a. die Solidarisierung mit Betroffenen eines Übergriffs im eigenen Haus bisher derart gering ist.
Auch Wohnprojekte bewegen sich nicht im luftleeren Raum und da für uns derart gewaltvolles Verhalten einen Fall öffentlichen Interesses darstellt, werden wir den weiteren Umgang damit verfolgen und gegebenenfalls öffentlich kommentieren.
Wir senden unsere Grüsse, Beistand und Solidarität.
Vom Konvent bzw den Bewohner*innen des Leibnizhaus 2 wünschen und erwarten wir ein Zeichen der internen konstruktiven Auseinandersetzung mit der Thematik, z.b. in Form einer öffentlichen Stellungsnahme. Diesem Wunsch werden wir gegebenenfalls mithilfe eines offenen Briefs Nachdruck verleihen.
Die Bewohner*innen der Lu15

 

³ Text der Unterschriftenliste

 

Vor zwei Tagen wurde der Aushang einer Mitbewohnerin mit einem Hakenkreuz und der Bezeichnung „Fotze“ versehen. Wir sind der Meinung, dass sich die Hausbewohnerschaft gegen diese Form sexistischer und faschistoider Gewalt positionieren sollte. Es kann keine Gründe geben, die solche Auswüchse in irgendeiner Form rechtfertigen könnten.
Wer gegen diese Gewaltübergriffe sich aussprechen will, kann hier unterzeichnen.
Ergänzungen und Kommentare erwünscht.

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Liest man den Text, bekommt man den Eindruck, einige arme Opfer, die sich nichts, aber auch gar nichts zu Schulden haben kommen lassen, werden von männerbündischen Halbaffen aus ihrem angestammten Heim gedrängt. Wenn man das Mitleidsgefühl, dass sich unweigerlich einstellte, überwunden hat, dämmert einem, so wie dargestellt wird es nicht gewesen sein.

Man weiß nur auch nicht genauer, wie die Realität ausgesehen hat. Aber wenn es der eine Freundeskreis nötig hat, eine solch einseitige Darstellung zu verbreiten, in der nichts vorkommt, warum die Mehrheit mit dieser Person nicht mehr wohnen will, stellt sich unweigerlich das Gefühl ein, dass diese Mehrheit für ihr Verhalten sehr gute Gründe hat.

kenne weder das haus noch die verfasser noch das wirkliche problem......JEDOCH: was ist das fuer eine art probleme mit derartiger sexualisierter gewalt zu beantworten und derartige sexistische wie auch rassistische parolen zu verwenden......da ist es komplett egal was fuer ein problem vorliegt sowas hat bei braunen wichsern was zu suchen aber NICHT in linken strukturen.....und ja wenn viele mit den bewohnern nicht mehr leben wollen kann man das in einer vollversammlung auch ohne drohungen und beleidigungen diskutieren und entscheiden.....wer seid ihr den das ihr leute rausmobbt....wie stellt ihr euch den bitte eine befreite gesellschaft vor?......eure befreite gesellschaft das ist mal sicher will ich nicht erleben......

Ach ja und deine arumentation klingt wie die derjenigen die sagen haette die frau mal kein rock angehabt dann waer sie nicht vergewaltigt worden..... denk ma bitte ueber deine aussage nach.....

Es ist völlig egal, was die betroffene Person gemacht hat. Für Sexistische Beleidigungen, Hakenkreuze, Drohungen und Übergriffe gibt es KEINE Rechtfertigung.

 

Dein selbstgerechtes Rumgeheule über diese ach so unfaire Darstellung ist Ekelhaft.

Im Leibnizhaus2 (in Tübingen) eskaliert die Lage weiter.
Folgend ein Hilferuf einer Bewohnerin, der heute Nacht herumgeschickt wurde.

 


Aufruf an die selbstverwalteten Wohnprojekte Tübingens mit Bitte um Unterstützung

 

Betreff: Räumungsklage im Leibnizhaus II


Wie wohl einige von Euch bereits mitbekommen haben, wird eine*r unserer langjährigen Mitbewohner*innen durch eine Räumungsklage bedroht.


Die Anklageschrift (im Entwurf) ist nun bei uns eingetroffen und es sind nicht wenige darüber zutiefst schockiert.


Die gewaltvolle Räumung eines Menschen aus seinem Zuhause darf meines Erachtens nur mit den schwerwiegendsten Gründen legitimiert sein, wie z.B. körperlicher Gewalt gegen Mitmenschen.


Derartiges trifft auf unsere Situation nicht zu. Allein die Forderung des Auszuges sollte das Ergebnis einer abgeschlossenen Mediation sein, an der alle beteiligten Personen aktiv teilgenommen haben und der Auszug eines Einzelnen als einzig mögliche Lösung erarbeitet wurde. Eine solche inhaltliche Auseinandersetzung gab es nicht.


Die in der Anklageschrift aufgeführten Gründe für die Räumung sind inakzeptabel; sie sind eine die Tatsachen verschleiernde Fehldarstellung, teilweise sogar gänzlich erfunden und somit eine Verleumdung.


So wird dem* Beklagten vorgeworfen, sich in den Mediationssitzungen nicht korrekt verhalten zu haben und dass der Konflikt auch in mehreren Sitzungen nicht gelöst werden konnte.


Allerdings war es so, dass der gesamte Themenkomplex um Probleme mit Personen, gegen welche Auszugswünsche oder -forderungen bestehen, nur in der letzten Stunde der letzten Sitzung angesprochen wurde und es sich nebenbei um eine Supervision und nicht um eine Mediation handelte. Weder konnte das vielschichtige Problem um Auszugswünsche und -forderungen in einer so kurzen Zeit auch nur annähernd umfassend dargestellt werden, noch wurde eine Lösung überhaupt andiskutiert. Eine Fortführung der Supervision wurde von Personen, die den Auszug des* Beklagten fordern, auf der nächsten Hausversammlung abgelehnt, des weiteren wurde ein Aushang zur Koordination verbliebener Supervisionsinteressierter mit beleidigenden Kommentaren beschmiert.


Weiter heißt es, das der* Beklagte nicht bereit sei, Entscheidungen, welche die Hausversammlung fällt, zu respektieren oder sich an der Umsetzung zu beteiligen. Richtig ist es, dass in der Vergangenheit kontroverse Meinungen auf der Hausversammlung vertreten und diskutiert wurden. Nicht respektiert wurde die Räumung des Zimmers.


Dem* Beklagten wird vorgeworfen, sich nur in bescheidenem Umfang an gemeinsamen Aktionen zu beteiligen. Eine Grundsäule unserer Selbstverwaltung ist die Freiwilligkeit, sich im Haus zu engagieren. Dies als Grund für eine Räumung anzuführen ist nicht nur deshalb sehr strittig, sondern auch, weil sich der* Beklagte sehr wohl engagiert. Sei es durch qualifizierten Obstbaumschnitt, Pflege der Hecken und der Grundstücksgrenze, Kochen während des Medienfestivals, Anlegen eines umfangreichen "Hausmeisterbuchs" zum Abbau informeller Hierarchien, regelmäßiges Aktualisieren der Flyer-Ecke, Einbringung und Unterstützung von Ideen zur Sicherung der ökologischen Pflege und Selbstverwaltung unseres Garten während unserer letzten Mietvertragsverhandlungen, um nur einige Punkte zu nennen. Als besonders herauszustellen ist die Bereitschaft, sich in geschütztem Rahmen den Konflikten zu stellen und nach Lösungen zu suchen: Durch (Mit-)Initiierung und Teilnahme an der Mediation im Frühjahr 2012 (abgebrochen wegen zu wenigen Teilnehmenden), der Supervision im Sommer 2013, sowie der Supervision, die gerade aktuell angelaufen ist.


Die Aussage, dass er* sich überwiegend gar nicht im Haus aufhalten würde, ist glatt erlogen, und dass es die Möglichkeit für ihn* gäbe, in ein anderes Wohnprojekt zu ziehen, er* aber dazu nicht bereit wäre, davon hat er* selbst erst in der Klageschrift erfahren.


Als letzter Punkt wird bemängelt, dass er* in der Vergangenheit mehrfach mit mehreren Monatsmieten in Verzug war und erst in jüngerer Zeit kein Mietrückstand mehr besteht. Dazu ist zu sagen, dass es im Leibnizhaus kaum Bewohner*innen gibt, die im Laufe ihrer Wohnzeit keine Mietschulden hatten.


Das Leibnizhaus war nun jahrzehntelang ein Haufen eigensinniger Charaktere, bunt und wild. Unsere Unterschiedlichkeit eine Bereicherung, unsere Dissonanzen, trotz Anstrengung ein Chance, daran zu wachsen. Konflikte gab es immer und wird es auch immer geben. Die Räumung - ein Symptom eines nicht gelösten Konflikts? Wird es hier besser sein nach der Räumung einer einzelnen Person? Ich bezweifele es sehr.


Ich kann nur erahnen, welche extreme psychische Belastung derartige Drohungen wie die Anklageschrift für den* Beklagten sind und frage mich, ob uns nun als letztes (ausgerechnet) der Staat mit seinen Mieterschutzparagraphen vor der Willkühr der Mehrheit schützt?
Oder ob es doch noch ein Nachdenken, Einlenken gibt?

 

Bitte helft uns!

 

Pia (aus dem Leibnizhaus 2)