Deutschpop, halt’s Maul!
Für eine Ästhetik der Verkrampfung …
Popkultur war vielleicht das wichtigste Reeducation-Programm, das die Alliierten auflegten. Sie überschrieb deutsche Kultur und entfremdete die Kids von Scholle und Volksgemeinschaft. Popmusik auf Deutsch war daher lange Zeit undenkbar. Erst mit Punk entstanden deutsche Texte, die sich zur Kolonialisiertheit durch Pop bekannten. Und als aus der guten alten BRD wieder hässliches neues Deutschland geworden war, verstärkten Bands wie Kolossale Jugend oder die frühen Blumfeld (nicht zu verwechseln mit den späten) die Dissonanzen. Ihre Sperrigkeit war eine Abfuhr ans neu verordnete Wir-Gefühl. Aber in ihrem Windschatten entstand eine neue Generation, die endlich ganz unverkrampft deutsch singen wollte. Tomte, Kettcar oder Klee sangen (noch…) nicht für Deutschland, aber ihr kleinbürgerlicher Gemütsindiepop passt gut zum Entkrampfungsbefehl der Berliner Republik.
An das, was dafür aufgegeben wurde, will der Vortrag erinnern, indem er vom »Fremdwerden in der eigenen Sprache« (NDW) erzählt, von der Materialästhetik der Verkrampfung (Hamburger Schule), von der unglaublich seltsamen Unmöglichkeit deutscher Popaffirmation (Schlager) und natürlich von der Hässlichkeit des Unverkrampften.
Frank Apunkt Schneider ist unfreier Künstler, Autor und selbsternannter Poptheoretiker, Mitherausgeber der Testcard, Redakteur bei Skug und außerdem der deutsche Außenposten der Kulturbewegung monochrom (www.monochrom.at).
30.10.2013 / 20 Uhr / Art Canrobert / Karlstr. 23 Rastatt / inputrastatt.wordpress.com
Die Deutsche Kultur war einmal reich
Bis das Nazipack sie kaputt gemacht und uniformiert hat. Die Reste waren unpolitischer Schlager. Die Volksmusik wurde trivialisiert und barbarisiert und sollte in eine uniforme"volkstümliche Musik" umgewandelt werden, natürlich dialektfrei. Damit war man sehr erfolgreich. Kurt Huber als musikwissenschaftlicher Experte schrieb Flugblätter und wurde dann exekutiert. Die guten Leute waren weg, es konnten auch keine neuen Leute nachwachsen, weil die Tradition abgerissen war und außerdem NS Profiteure die Positionen nicht mehr freigaben. Aus dem Durchhaltefilm wurde der Heimatfilm und daraus Forsthaus Falkenau, ähnlich in der Musik. Am Import aus den USA sowie den europäischen Nachbarn (z.B. die Existentialisten und französisches Chanson) führte in der Kunst kein Weg vorbei. Für die Jugend aber auch andere kulturell interessierte war nur der Import akzeptabel. Kulturell und politisch versuchte die frühe Bundesrepublik wohl ohnehin sowas die Synthese aus Kaiserreich und Weimarer Republik. Die freche weimarer Operette als eine Quelle des heutigen musicals wurde wieder auf Belle Epoque zurückgestutzt was etwas dem Weissen Rössl nicht bekam, eh man vor ein paar Jahren die Originalpartitur fand.
Kurt Weill starb in den USA als gefeierter Komponist, sein letztes Werk ist das eher opernnahe "lost in the stars" das bereits die Apartheid thematisiert.