Diskussionsbeitrag zu den Ereignissen vom 2. und 3. März in Leipzig

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Im Anschluss an die Ereignisse vom 2. und 3. März in Leipzig soll hiermit ein Diskussionsbeitrag zur öffentlichen Auseinandersetzung geliefert werden, um radikalen emanzipatorischen Bewegungen Anstöße in verschiedene Richtungen zu geben und den Austausch über mögliche Aktionsformen zu unterstützen. Hoffentlich löst dieser Text weitere Überlegungen aus, die eventuell veröffentlicht werden. Dabei re es wünschenswert, dass stets mitgedacht wird, dass auch die Bullen Indymedia lesen und sich der Frage gestellt wird, welche strategischen Gedanken öffentlich gemacht werden sollten. Außerdem werden Diskussionen begrüßt, die sich nicht nur an Detailfragen in Kommentaren aufhängen und in Beschimpfungen mit platten Parolen enden (oder auch nicht enden, was noch nerviger wäre).    

 

Grundsätzlich ist es erfreulich, dass es endlich mal Leute geschafft haben ein Initial zu geben, dass die Leipziger Lethargie relativ breit durchbrochen wurde. Solidarität! Endlich haben sich Leute aus den Schutzräumen herausbegeben und sich getraut, radikal politische Außenwirkung herzustellen zu versuchen. Damit soll keine einzige Freiraumbewegung in den Schatten gestellt werden, sondern nur ein Dank formuliert werden, an jene, welche an den Aktionen beteiligt waren oder sich solidarisierten.

Dennoch lief einiges nicht so, wie es hätte laufen können.
        
Die Grundlage, auf der die anschließende Kritik an der Orga formuliert wird, ist, dass sie sich mit einer klaren Ansage und Absage in die Öffentlichkeit begeben hat. Damit ist ein Zusammenschluss enstanden, welcher den Anschein erweckt, Verantwortung für strategische Entscheidungen und einer öffentlichen Kommunikation dieser zu übernehmen. Dieser Verantwortung wurde 'die Orga' allerdings insofern nicht gerecht, als dass kein klares Konzept in und zwischen Aufruf, Absage und Communiqués erkennbar war.

Missverständlich war zum einen die Inkonsequenz in den Aufrufen. Nur im Indyartikel wurde zu einer nicht-eskalativen Strategie aufgerufen, diese Absicht wurde z.B. auf den Flyern nicht erwähnt. Ebenso vermittelte die Gestaltung der Plakate nicht den Eindruck einer friedlichen Demonstration. Ein konsequenteres Aufrufkonzept, das eine eindeutigere Strategie vermittelt, wäre wünschenswert gewesen.

Obwohl die Meisten nicht alle 7 Tage die Woche in Gesetzbüchern rumkriechen, hätte klar sein können, dass die Bullen und die Stadt alles versuchen würden, um die Demo zu verhindern. Somit hätte von vornherein ein Alternativkonzept stehen können, welches auf (un)erwartete Mittel des Staates reagieren kann. Damit hätten kurzfristige Planänderungen, welche für viel Verwirrung sorgte, verhindert werden können. Insbesondere auf das Szenario eines Vorabverbots sollte in Zukunft bei der Ankündigung nichtangemeldeter Demos eingegangen werden, beispielsweise mit Vorschlägen oder einer Absteckung von Möglichkeiten.

Außerdem ist auch klar, dass jede und jeder für eine solche Demo Verantwortung trägt - und erst, wenn diese Art von Selbstverantwortung wirklich umgesetzt wird, können Ereignisse wie in Leipzig Anfang März noch besser werden und gesellschaftliche Prozesse in Gang setzen. Hierfür wären Bezugsgruppen von Vorteil, welche sich Konzepte und Strategien aneignen, die sowohl innerhalb als auch außerhalb eines Demoformats umgesetzt werden können. Dadurch kann eine größere Unabhängigkeit von einer zentralen "Orga" erreicht werden und es kann sich leichter an eine veränderte Situation angepasst werden. Und Demos können endlich kreativer und spontaner bzw. als fest eingefahrene Aktionsform aufgebrochen werden.

Ziemlich spitze war (und ist) die Idee einer nicht auf Eskalation ausgelegten illegalisierten Demonstration. Das bezieht einfach viele Leute mit ein, macht weniger Angst vor der aufgezwungenen Illegalität und ist vielleicht ein erster Schritt zu vermehrter kollektiver Gesetzesübertretung. Angst vor Repression ist logisch und verständlich. Weiterhin können kollektiv konfrontativere Aktionen im gleichen Atemzug selbst organisiert durchgeführt werden. Schade, dass das Konzept nicht ausprobiert werden konnte.

Hoffentlich sind die Aktionen ein Anstoß zur kontinuierlichen Auseinandersetzung mit Formen, Kritik zu äußern und Möglichkeiten anderer Gesellschaftsorganisation aufzuzeigen; eine Gelegenheit, sich bewusst zu werden, dass dies möglich ist, auch wenn die Stadt mit Bullen zugeschissen ist. Die Aktionen waren dezentral und vielschichtig. Es konnte gezeigt werden, dass die Möglichkeit zur direkten Stadtgestaltung entgegen der Interessen der Vertreter_Innen des repressiven Systems besteht, dass auf Probleme aufmerksam gemacht werden kann, die sonst niemand sehen will und sich alternative Kommunikationswege gesucht werden können. Das sind gegebenenfalls Zerstörung, Sabotage, Besetzung, Umgestaltung und alle weiteren gelaufenen Aktionen.

Dabei soll angemerkt werden, dass in der bürgerlichen Gesellschaft viele eine Sozialisation erfahren, die feste Ideen wie Eigentum, unbedingte Ordnung, Gesetzestreue oder ähnlich Absurdes tief in die Subjekte einprägt. Da sich die allgegenwärtigen Medien um eine kritische Beleuchtung dessen selbstverständlich nicht kümmern,  wäre es angebracht, dass das eigenständig übernommen wird. Direkte  Aktion als praktischer Anstoß zur Dekonstruktion bürgerlicher  Identitäten also; denn ein besetzes Haus, eingeschlagene Scheiben an einer Bank oder ein  zerstörter Fahrkartenautomat bleiben wünschenswerte Kristallationspunkte im Kleinen, die ein mögliches Anderes aufscheinen und die Repressivität der bestehenden Verhältnisse sichtbar werden lassen.

In Zukunft wäre vermehrte Vermittlung der Aktionen auf verschiedenste Arten wünschenswert. Schöne Aktivitäten im öffentlichen Raum für alle, Flyerverteilung oder -auslegung und ähnliches sind auch denkbar. Außerdem soll dazu aufgerufen werden, die Vorstellungskraft und damit die Praxis über die Grenzen des bisherigen Aktionismus hinaus zu treiben. 
        
r kreativere Aktionsformen.
 
Bis bald -


Quellen:

Bekenner_Innenschreiben:
Kommunikation der Orga:
Presse zum Verbot der Demo:
Presse zur Reaktion auf das Demo-Verbot:
Presse zu Aktionen:
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Nachbereitung ist wichtig. Aber wenn ihr schon schlauerweise ins Kalkül zieht, dass sie vom Gegner ausgewertet werden wird – warum legt ihr dann ausgerechnet einen Text vor, von dem anhand Form und Inhalt dummerweise zu erwarten ist, dass er Repressionsbehörden – und niemandem sonst — in die Hände spielt?

Das selbe Problem werfen die so genannten BekennerInnen-Schreiben auf, die politisch gehaltfrei sind und folglich nichts "vermitteln" außer eben das Sich-zum-Kaputtmachen-Bekennen. Schon bei denen konnte man sich nicht sicher sein, ob sie "authentisch" (im Sinne von: wirklich ernst gemeint) oder schlicht Provokationen sind.

Neben den neuerlichen Quatschphrasen ("Anstöße in verschiedene Richtungen", "radikal politische Außenwirkung", "gesellschaftliche Prozesse in Gang", "sich bewusst zu werden", "Probleme aufmerksam gemacht", "praktischer Anstoß zur Dekonstruktion bürgerlicher  Identitäten", "Vorstellungskraft"), unter denen nur noch "den Horizont erweitern" und "über den Tellerrand blicken" gefählt hätte, kann man eurem Text genau zwei ergänzende Fakten entnehmen:

Ersten, es gebe einen verantwortlichen "Zusammenschluss".

Zweitens, dessen Methoden seien "Zerstörung, Sabotage" und dergleichen.

Bitte bedenkt, was das strafrechtlich bedeutet. Bitte bedenkt, dass die Folgen solcher zitierbarer Bekenntnisse ausschließlich unangenehmer Art sind. Bitte bedenkt auch, dass das, was ihr an anderen als "Lethargie" kritisiert, eher Ausdruck eines Problems sein kann, das bei euch liegt und das man früher als "revolutionäre Ungeduld" bezeichnet hätte.

Das ist sozusagen Anarchismus at its worst. Der ist nun aber weder besonders überzeugend, noch überhaupt ein Beitrag zu irgendeiner "Strategiedebatte". Euer Text ist eine Abgrenzung. Keinen Dank dafür!

....nach deinen unzähligen Kommentaren gegen die Polizeikongress Demo in Berlin musst du auch das Ding in Leipzig dissen. Danke für den Hinweis das alles, aber auch wirklich alles was passiert Scheiße ist. Und was machst du so?

nachbereitung ist wichtig. Und wasser fließt immer bergab. Aber warum diese Kritik nur den repressionsbehörden in die hände spielt bleibt mir ein rätsel. also bitte jetzt einen Orgakreis anzunehmen - wenn flyer aufrufe und plakate auftauchen - ist ja wohl vor jeder wahrnehmung anzunehmen oder glaubst du das war alles ein zufall mit dem einheitlichen datum, inhalt und ort vom 2.3.?

 

Das selbe unverständnis von dir bei den Bekenner_Innenschreiben: Es geht darum eine bestimmte aktion in einen zusammenhang zu stellen und nicht darum sie bis aufs kleinste inhaltlich zu erklären, denn das spielt den repressionsbehörden in die hände (textanalyse)...

 

Und deine 'neuerlichen quatschqhrasen' versuchen zumindest in meiner wahrnehmung genau das was du nicht versuchst nämlich solidarische kritik zu äussern. eben damit es das nächste mal anders wenn nicht sogar erfolgreicher abläuft.

 

Es sollte einen verantwortlichen zusammenschluss geben und achtung hier ist der punkt der sich klar hinter die texte und die gedachte makroorganisation mit all den kritischen auseinandersetzungen damit stellt. Nicht hinter die aktionen! auch sind dessen methoden nicht sabotage usw. sondern das ist die methode von irgendwelchen leuten/gruppen.

 

Auch bin ich traurig darüber dass bei dir wohl schon eine sehr pressegeprägte wahrnehmung der ereignisse vorhanden ist die die deutungshoheit darüber was passiert ist schon lange abgegeben hat.

 

Beim besten willen kann ich hier keine abgrenzung erkennen. Vielmehr den aufruf sich (wieder) auf sein eigenes reflektions und aktionsfeld (zurück) zu begeben um damit einer bewegung seine solidarität zu bekunden.

Dass der Text Repressionsbehörden hilfreich sein sollte kann ich nicht nachvollziehen. Dass es eine "Orga" in irgend einer Form gab ist offensichtlich, sonst gäbe es keine Plakate und keinen Aufruf. Ansonsten geht der Text nicht weiter darauf ein, was gut ist (das sollten hier natürlich auch keine Kommentare tun..).

 

Als Beitrag zu einer Strategiedebatte ist nicht allzuviel drin, aber doch zwei relevante Punkte: Nämlich erstens die Frage, wie man mit Absagen und Planänderungen umgeht und in wie weit man durch kluge Erstankündigungen da von Anfang an mehr Klarheit schaffen kann. Und Zweitens ein paar, wie ich finde, gute Gedanken zu nichtangemeldeten Demos als Aktionsform.