[Choucha] Flüchtlingsproteste in Tunesien

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Raus aus der Isolation!
Etwa hundert Geflüchtete aus dem Flüchtlingslager Choucha an der tunesisch-libyschen Grenze sind am Montag, den 28. Januar, in Tunis angekommen, um dort einen mehrtägigen Protest durchzuführen. Nachdem sie seit zwei Jahren in Zelten in der Wüste leben müssen, ihre Asylverfahren vom UNHCR nachlässig bearbeitet und schließlich abgelehnt wurden und ihnen seit Oktober 2012 selbst der Zugang zu Nahrungsmitteln und medizinischer Versorgung gestrichen wurde, haben die Protestierenden die nötigen Schritte unternommen, um gegen ihre Isolation und Perspektivlosigkeit einzutreten.

 

Aus Wartenden werden Handelnde

Das während des Libyenkriegs im Februar 2011 vom UNHCR errichtete Lager Choucha bot Fliehenden die Möglichkeit, ein Asylverfahren zu durchlaufen und mit dem Resettlement-Programm in teilnehmende Drittstaaten auszureisen. Das Leben im Flüchtlingslager hatte, vor allem für die vom UNHCR nicht anerkannten Flüchtlinge, in den letzten zwei Jahren nicht viel zu bieten außer erdrückendem Warten, Hitze und Sandstürmen am Rand der Wüste.
Dieses Lager muss im Kontext der Externalisierungspolitik der EU gesehen werden, es hielt viele Menschen davon ab, mit einer Bootsüberfahrt nach Italien das EU-Grenzregime herauszufordern. Gleichzeitig ließ sich mit der partiellen Aufnahme von Flüchtlingen medial ein konträres Bild zur militarisierten Migrationsbekämpfung zeichnen. Deutschland (82 Mio. Einwohnende) tat sich hierbei mit der generösen Aufnahme von 205 Flüchtlingen hervor, während Tunesien (ca. 10 Millionen Einwohnende) während des Libyenkriegs eine halbe Million Menschen aufnahm.
Am Resettlementverfahren darf jedoch nur teilnehmen, wer das Flüchtlingszertifikat besitzt. Viele derer, die vom UNHCR nicht als Flüchtlinge anerkannt wurden, sind bereits in ihre Herkunftsländer zurück gereist - die meisten nicht wirklich freiwillig, sondern unter Druck und mangels Alternativen - oder sie versuchten die gefährliche Überfahrt per Boot Richtung Europa. 230 von ihnen, überwiegend Menschen aus Subsahara-Afrika wie z.B. Nigeria, dem Tschad und der Elfenbeinküste, sind jedoch noch immer in Choucha. Sie werfen dem UNHCR schwere Fehler und große Nachlässigkeit bei der Bearbeitung ihrer Asylverfahren vor. Diese Fehler reichen von parteiischen und inkompetenten Dolmetschenden, falsch dokumentierten Orts- und Familiennamen bis hin zu der Zusammenarbeit mit Staatsorganen, vor denen die Asylsuchenden flohen.

Die darauffolgende Ablehnung und Perpektivlosigkeit dieser Gruppe von etwa 230 Menschen führte zu diversen Protestaktionen im letzten Jahr und nun zu der aktuellen Forderung - mit der einhundert von ihnen nach Tunis reisten - nach einer unabhängigen Überprüfung der abgelehnten Fälle.

Kein Mensch ist illegal - auch in Tunesien nicht

Die Fahrt nach Tunis stellt als solche schon einen widerständigen Protestakt dar. Weil sie vom UNHCR abgelehnt wurden, ist die Gruppe der etwa 230 Flüchtlinge, "illegal" in Tunesien und die Reisefreiheit im Land wird ihnen verwehrt. Daher können sie jederzeit festgenommen, inhaftiert und - wenn der Tunesische Staat dazu bereit ist - abgeschoben werden. Bisher wurden Illegalisierte stets nur kurz inhaftiert und mit dem Hinweis darauf, dass der UNHCR für sie verantwortlich sei, zurück nach Choucha geschickt. In diesem Ping-Pong der Verantwortlichkeiten sei das jüngste Verhalten des UNHCR hervorgehoben. Seit Oktober 2012 wird den abgelehnten Asylsuchenden jeglicher Zugang zu Lebensmitteln und medizinischer Versorgung vorenthalten und spätestens im Juni 2013 soll das Lager komplett geschlossen werden, ohne dass den Abgelehnten akzeptable Alternativen angeboten werden. Dieses skandalöse Verhalten einer renommierten humanitären Organisation zielt offensichtlich darauf ab, die Betroffenen auf brutalste Weise zur Ausreise zu zwingen. Die Flüchtlinge betonen jedoch aufgrund von Verfolgung und/oder Krieg nicht in ihre Herkunftsländer zurückkehren zu können, was der UNHCR mit einer adäquaten Überprüfung ihrer Fälle selbst feststellen könnte. Zudem lehnen sie den zynischen "Alternativ"-Vorschlag des UNHCR, zurück nach Libyen zu gehen, entschieden ab. Libyen bietet immer noch keine Sicherheit - vor allem Schwarze Menschen sind von ständiger willkürlicher Verhaftung und rassistischer Gewalt bedroht. Viele Menschen die in Choucha leben haben dementsprechende Erfahrungsberichte von nach Libyen Zurückgekehrten bekommen.

Daher sind zwei weitere ganz zentrale Forderungen des aktuellen Protests die Wiederaufnahme der Versorgung im Flüchtlingslager, sowie Resettlement-Plätze für alle noch in Choucha Verweilenden. Letztere Forderung ist neben dem UNHCR auch an die EU und NATO Staaten gerichtet, die mit ihrer Intervention im Libyenkrieg für die jetzige Situation mitverantwortlich sind.

Um diese Forderungen gegenüber UNHCR und EU zu unterstreichen und sie der tunesischen und internationalen Öffentlichkeit zugänglich zu machen, protestieren die Flüchtlinge aus Choucha mehrere Tage lang in Tunis. Dabei sind sie auf vielfältige Unterstützung angewiesen!

* Verbreitet die Information über den Protest über Mailinglisten, Facebook und mit euren Mündern!

* Unterschreibt den offenen Brief mit den Forderungen der Protestierenden an Ursula Schulze Aboubacar, der Chefin des tunesischen UNHCR! (http://chouchaprotest.noblogs.org/?attachment_id=56)

* Nehmt an der Faxkampagne teil und schickt das FAX (englisch: http://chouchaprotest.noblogs.org/?attachment_id=51, francais: http://chouchaprotest.noblogs.org/?attachment_id=53, deutsch: http://chouchaprotest.noblogs.org/?attachment_id=52) an UNHCR Büros in euren Ländern und an die in Tunesien zuständige UNHCR-Repräsentantin!

* Spendet für Lebensmittel, Transport und Telekommunikationsmittel der Protestierenden auf folgendes Konto:

FFM Berlin
Sparkasse der Stadt Berlin
Account number: 61 00 24 264
Bank code: 100 500 00
Keyword: "Choucha"

* Organisiert Solidaritätsaktionen - Weltweit vor UNHCR Büros!


Weitere Infos findet ihr unter:
http://voiceofchoucha.wordpress.com
http://chouchaprotest.noblogs.org
http://ffm-online.org/
http://afrique-europe-interact.net/
http://www.borderline-europe.de/


Kontakt Deutschland: 00491734108642 (deutsch, englisch, französisch)
Kontakt zu Protestierenden: 004915210453991 (deutsch, englisch, französisch, arabisch)