Im Frühjahr 2012 berichtete ich über den Tod des Mitgefangenen Willi und dessen Kampf um ein menschenwürdiges Sterben in Freiheit. Nach seinem Tod bemühte ich mich um einige Reaktionen zu Willis Sterbeprozess; so soll heute insbesondere die Rede sein von der Haltung der Justiz und Politik.
Zur Vorgeschichte
Am 08. August 1966 wurde Willi im Südbadischen geboren, ging dort in Emmendingen zur Realschule, kam aber auch schon früh mit Drogen in Kontakt, so dass er fast durchgehend seit seinem 23. Lebensjahr in Haft saß. Zur Finanzierung seiner Heroin- und Kokainsucht überfiel er mehrfach Tankstellen und Apotheken, so dass er 1999 zu Sicherungsverwahrung verurteilt wurde.
Exkurs: Sicherungsverwahrung
Die SV wurde im Jahr 1934 von den Nationalsozialisten in das deutsche Strafrecht aufgenommen und ermöglicht seitdem Gefangene auch nach Verbüßen ihrer Strafe im Gefängnis zu halten, und zwar so lange, bis Gutachter und Gerichte davon überzeugt sind, dass von dem Inhaftierten keine „Gefahr für die Allgemeinheit“ mehr ausgeht. Waren früher von der SV Betroffene vielleicht schon 55, 60 Jahre oder noch älter, so wird seit Mitte der 90’er Jahre die SV zunehmend auch gegen junge und sehr junge Menschen verhängt: im Falle Willis, als er 33 Jahre alt war. Mit dieser Maßregel belegt zu werden, bedeutet im Haftalltag in aller Regel sich selbst überlassen zu bleiben, denn für die jeweilige JVA besteht kein Handlungsbedarf (zumindest bislang, denn durch Urteile des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofes, sowie des Bundesverfassungsgerichts kommt hier zur Zeit etwas in Bewegung). Vollzugslockerungen scheiden aus, denn mit der SV steht das Kainsmal des „unverbesserlichen Gewohnheitsverbrechers“ auf der Stirn. Eine irgendwie geartete Behandlung? Wozu, man ist schließlich, wie erwähnt, ein für die Allgemeinheit gefährlicher Gewohnheitsverbrecher.
Willi infiziert sich mit HIV
In Baden-Württemberg gilt eine Null-Toleranz-Politik in Sachen Drogen; erst recht im Gefängnis. Trotzdem beschaffen sich hochgradig Süchtige selbst dort ihren „Stoff“, so auch Willi. Und so kam es, wie es fast schon kommen musste, er infizierte sich beim Nadel-Tausch in der JVA Freiburg mit HIV. Um sich Heroin spritzen zu können und weil die Anstalt sich weigerte den Betroffenen sterile Spritzen zu geben, waren sie gezwungen, sich eine Nadel und Spritze, die sie sich illegal beschafft hatten, zu teilen. Einer in der Runde war jedoch HIV-positiv.
Als er von der Infektion erfuhr, brach für Willi eine Welt zusammen und er wollte nur noch raus, was ihm dann auch gelang – und er tauchte unter. Der Suchtdruck war allerdings zu groß und ein Leben in der Illegalität teuer, so dass er wieder Tankstellen und Apotheken überfiel; wobei er später stets betonte, nie jemanden körperlich verletzt zu haben. Für vier Überfälle erhielt er dann vom Landgericht Freiburg 1999 nicht nur die Sicherungsverwahrung, sondern auch eine Strafe von sieben Jahren Gefängnis.
Er sollte das Gefängnis nicht mehr lebend verlassen.
Willis Kampf um Freiheit
Körperlich schwer gezeichnet, denn vor einigen Jahren machte sich die HIV-Infektion immer stärker bemerkbar, beantragte Willi am 17. März 2011 bei der Staatsanwaltschaft Freiburg seine Haftentlassung wegen Haftuntauglichkeit. Der Anstaltsarzt der JVA Bruchsal, Dr. Maier, hatte attestiert, dass der körperliche Allgemeinzustand desolat zu nennen sei, der moribunde Patient habe jederzeit mit einer potentiell lebensbedrohlichen Krise zu rechnen.
Am 03. Juni 2011 lehnte die Staatsanwaltschaft mit ein paar wenigen Sätzen den Antrag ab; Herr K. stelle, gerade wegen der angeordneten Sicherungsverwahrung (deren Beginn war für August 2012 terminiert) eine Gefahr für die Allgemeinheit dar, hieran ändere auch die angeschlagene gesundheitliche Situation nichts.
Hieraufhin wandte Willi sich ans Landgericht, denn die Entscheidung der Staatsanwaltschaft wollte er nicht hinnehmen, er hatte den Wunsch, „den Arsch in Freiheit zuzumachen“, wie er es recht anschaulich formulierte. Sein Antrag vom 14. Juni 2011 ging bei Gericht am Folgetag ein. Er wies auf seinen lebensbedrohlich kritischen Zustand hin, er hatte teilweise schon Dämmerzustände. Zwischenzeitlich brach er sich die Schulter (er kippte abends bewusstlos in der Zelle um, wo er morgens aufgefunden wurde; durch den Sturz auf den Steinboden der Zelle brach er sich die Schulter).
Wenn er dann mit seinen knapp 1,80 m und abgemagert auf ungefähr 50 kg über die Flure stakste, frugen sich fast alle, selbst manche der Wärterinnen und Wärter, weshalb man diesen Menschen nicht endlich frei ließ.
Verfahren Nr. 1 vor dem Landgericht Karlsruhe
Unter Az. 15 StVK 308/11 BR bekam Frau Richterin Görlitz Willis Antrag vom 14.06. 2011 in die Hände. Laut einem Bescheid des Präsidenten des Landgerichts, Herrn Riedel, vom 27.06.2012 habe es in diesem Verfahren zwar „vereinzelt Liegezeiten“ gegeben, allerdings müsse man auch die „jeweilige Geschäftsbelastung“ der Richterinnen und Richter berücksichtigen. So habe sich Frau Görlitz am 27.06.2011, 08.09.2011 und 08.02.2012 mit dem Fall beschäftigt. Ihr hätten jedoch „keine Anhaltspunkte für die letztendlich tödlich verlaufende Erkrankung“ Willis vorgelegen; hiervon habe sie erstmals „Anfang Februar 2012“ durch Willis Anwalt erfahren.
Eine insoweit erstaunliche Einschätzung, denn Willi hatte in all seinen Schriftsätzen an die Behörden und an das Gericht auf seine existenzielle Situation hingewiesen und explizit eine weitere Begutachtung durch Ärzte erbeten. Das weiß ich selbst deshalb so genau, da ich ihm alle Schreiben verfasste, er war dazu selbst nicht (mehr) in der Lage.
Auch wenn Frau Görlitz in acht Monaten sich immerhin drei Mal mit dem Gesuch eines totkranken Gefangenen befasste, so hatte sie doch genügend Zeit, um am 08.09.2011 den Antrag eines Anwaltes, der bereit war, Willi auf Staatskosten als Pflichtverteidiger zu vertreten, abzulehnen, und dem Anwalt mitzuteilen, die Sachlage sei einfach, die Mitwirkung eines Anwaltes nicht erforderlich.
Nachdem sich weitere Monate nichts tat, leitete Willi ein weiteres Verfahren beim Landgericht Karlsruhe ein.
Verfahren Nr. 2 vor dem Landgericht Karlsruhe
Gerade weil Richterin Görlitz bei Gefangenen der JVA ihren ganz „speziellen“ Ruf hat, hielt Willi es für sinnvoll, neben dem Antrag auf Freilassung wegen Haftuntauglichkeit einen Antrag auf ganz normale Haftentlassung „auf Bewährung“ zu stellen, wissend, dass für solch einen Antrag andere Richter zuständig sein würden. So ging sein Antrag (nach § 57 StGB) Anfang November 2011 bei Gericht ein und landete auf dem Tisch des Vorsitzenden Richters Kleinheinz (Az. 15 StVK 570/11 BR). Immerhin „schon“ am 28.12.2011 widmete sich der Richter dem Antrag, dem auch wieder das Attest des Gefängnisarztes beigegeben war und in welchem die sehr kritische gesundheitliche Situation ausführlich geschildert wurde. Weitere Verfügungen traf der Vorsitzende am 02.02. und 03.02.2012.
So wurde am 03.02.2012 die Einholung eines Gutachtens über die Kriminalprognose angeordnet; sprich drei Monate, nachdem Willi sich ans Gericht wandte, kam man nun auf die Idee solch ein Gutachten in Auftrag zu geben.
Immerhin bequemte sich der Richter, dann mit dem ausgewählten Sachverständigen zu telefonieren und auf schnellstmögliche Gutachtenerstattung zu drängen.
Der Gutachter kam zu dem wenig überraschenden Ergebnis, dass eine Freilassung verantwortbar wäre, so man Willi in eine betreute Einrichtung verlege, denn alleine könne er die Zeit, die ihm bis zum Tod verbleibe, nicht leben.
Die letzten Tage und Stunden von Willi
Nachdem Willi schon im Januar 2012 immer erschreckender aussah, weiter abmagerte (einzig sein Bauch stach hervor, denn dort lagerte sich Wasser ein, wie auch in den Beinen und teilweise in der Lunge) konnte der Anwalt von Willi dazu bewogen werden, nun doch mal ein bisschen nachdrücklicher bei Gericht zu intervenieren.
Exkurs: Verteidiger von Gefangenen
Es gibt sie, die engagierten, kämpferischen und einsatzfreudigen Anwälte, die sich auch für mittellose Mandanten in die Bresche werfen. Denn das sind die meisten Inhaftierten: arm wie eine Kirchenmaus. Willi gelang es, einen Anwalt für seinen Fall zu interessieren; schließlich war (und ist) das Thema Sicherungsverwahrung medial sehr präsent, wenn auch freilich meist im Zusammenhang mit Sexualverbrechern. Vielleicht würde sich ein Anwalt finden lassen, der einen Tankstellenräuber und sterbenskranken HIV-positiven Gefangenen vertritt? Zugesagt hatte schließlich Karlheinz Schnell aus Heidelberg, nach eigenem Bekunden seit über 30 Jahren Anwalt.
Nachdem Richterin Görlitz es am 08.09.2011 strikt ablehnte, den Anwalt zum Pflichtverteidiger zu bestellen, kamen nicht mehr viele Briefe des Anwaltes; besucht hat er ihn sowieso nie. Als dann am 08.Februar 2012 sich die Richterin doch umentschied und Herrn Schnell als Pflichtverteidiger beiordnete, half das auch nicht mehr viel.
Zurück zu Willis letzten Tagen und Stunden. Er dämmerte in seiner Zelle im 3.Stock vor sich hin. Eines Morgens erwachte er mit gelähmtem rechten Arm; der diensthabende JVA-Sanitäter, ein Gemütsmensch, meinte trocken, das solle sich am besten, nach dem Wochenende der Arzt mal ansehen. Hätten sich nicht Mitgefangene um ihn gekümmert, insbesondere André, der sich bereit erklärte nachts in Willis Zelle auf dem Boden zu schlafen, er wäre ziemlich verloren gewesen. In den Tagen vor Ostern 2012 war Willi vielfach zeitlich und örtlich desorientiert, lallte und war kaum ansprechbar. Aber Zigaretten rauchen, das wollte er reflexhaft immer. So drehten ihm Mitgefangene aus dem Tabakbeutel immer wieder Zigaretten, denn selbst (gelähmte rechte Hand) drehen konnte er nicht mehr. Am Vormittag des 09.April 2012 sprach ich selbst noch kurz vor seinem Abtransport ins Krankenhaus mit ihm; ein wirkliches Sprechen war es nicht. Er saß auf dem Bett, wiegte den Körper vor und zurück immer kurz vor dem Sturz auf den Boden, war kaum ansprechbar und ersichtlich weggetreten. Als dann kurze Zeit später das Mittagessen in seine Zelle gestellt werden sollte, fand der Beamte ihn leblos vor. Der dann informierte Notarzt veranlasste die Verlegung ins städtische Krankenhaus, wo Willi einige Stunden später starb.
Reaktion von Pflichtverteidiger Schnell
Nach Willis Tod frug ich den Anwalt, wie er diese ganze Sache denn einschätze. Mit Schreiben vom 17.04.2012 zeigte sich Schnell „tief getroffen“ vom Tod seines Mandanten, um dann wortreich zu beklagen, dass auf „rein juristischem Wege menschenwürdige Behandlung nicht eingefordert werden kann“.
Auf eine Nachfrage von mir im Juni 2012, ob er nicht selbst doch mehr hätte tun können, gerade weil er doch nach eigenem Bekunden solch ein erfahrener Anwalt sei: ich wies auf die Möglichkeit der Verfassungsbeschwerde hin, Untätigkeitsklage zum OLG und anderes mehr, denn die obergerichtliche Rechtsprechung fordert bei moribunden Inhaftierten durchaus alles Menschenmögliche, um einen würdigen Tod in Freiheit zu ermöglichen, zog er es vor, nicht zu antworten.
Sein Schreiben, wie die übrigen in diesem Beitrag erwähnten Bescheide finden sich als PDF-Datei im Anhang der Veröffentlichung auf de.indymedia.org und linksunten.indymedia.org.
Reaktion von Professor Dr. Goll
Goll war bis zum Regierungswechsel in Stuttgart (Wechsel von CDU/FDP hin zu GRÜNE/SPD) langjähriger FDP-Justizminister. Peter Wegener, der selbst HIV-positiv ist und seit 17 Jahren in Isolationshaft sitzt und aus der Ferne mit Willi mitgelitten hat, schrieb dem Ex-Minister und frug diesen, was er von dem Procedere halte.
Am 12.06.2012 antwortete Prof. Goll, dass er sich im Justizministerium erkundigt habe. Dort habe er erfahren, Willi hätte nur einen „Antrag auf Entlassung zu stellen“ gebraucht und er wäre „für nicht haftfähig (…) erklärt“ worden. Allerdings habe Willi „die vertraute Umgebung der JVA angesichts seiner schweren Krankheit (…) nicht verlassen“ wollen.
So kann man sich die Realität auch zurecht lügen; Willi hatte nicht nur ein Mal seine Entlassung beantragt, in seiner Not schrieb er sogar Ministerpräsidenten Kretschmann von den GRÜNEN an, war dieser doch Mitglied einer Partei, die sich nach eigenem Bekunden sehr um die Menschenrechte sorgt, vielleicht sogar um die Menschenrechte eines Gefangenen im eigenen Bundesland.
Reaktion des Ministerpräsidenten
Auf Anfrage teilte die Staatskanzlei am 17.09.2012 mit, Gnadenanträge seien nachrangig, d.h. zuvörderst hätten Gerichte zu entscheiden, deshalb habe Kretschmann Willis im Frühsommer 2011 gestelltes Gnadengesuch nicht weiter bearbeitet.
Einstellung einer Strafsache
Wegen des Verdachts, die Richter Kleinheinz und Görlitz könnten sich einer Rechtsbeugung strafbar gemacht haben bei der Behandlung der Anträge von Willi, erstattete ich Strafanzeige. Staatsanwalt Dr. Kitanoff von der Staatsanwaltschaft Karlsruhe stellte am 07.05.2012 (Az. 120 Js 11363/12) das Verfahren postwendend ein, da den Richtern kein elementarer Verstoß gegen die Rechtspflege nachzuweisen sei. Sonderbar war noch die Argumentation hinsichtlich des Beschuldigten Kleinheinz, wonach dieser sich eines Verstoßes gegen § 57 StGB (hinsichtlich des Antrages auf Entlassung auf Bewährung) schon deshalb nicht habe schuldig machen können, also bei der Anwendung dieser Vorschrift, weil Willi schon seit dem 13.09.2009 in Sicherungsverwahrung gesessen hätte, also § 57 StGB nicht greife.
Wie schon oben einmal erwähnt, man kann sich die Realität auch zurecht lügen, denn Willis SV-Beginn war für August 2012 notiert, er saß bis zu seinem Tod in Strafhaft, also galt auch § 57 StGB.
Weitere Reaktionen
Bärbel Knorr von der Deutschen AIDS-Hilfe zeigte sich von Willis Tod betroffen und postete dazu einen Text auf deren Facebook-Auftritt. Die LINKE Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke fand das Geschehen „skandalös“, so ihre Nachricht vom 11.04.2012. Betroffen zeigte sich auch sein Betreuer der Karlsruher AIDS-Hilfe, Matthias Tures. Wie auch Peter Asprion, der Willi aus seiner Zeit in der JVA Freiburg kannte, als er dort sein Sozialarbeiter war.
Behördlicherseits lautete die stereotype Reaktion, „Maßnahmen der Dienstaufsicht sind danach nicht veranlasst“, bzw. der Landtag schrieb auf zwei Petitionen, dass diesen „nicht abgeholfen“ werden könne, da alles seine Richtigkeit gehabt habe.
Fazit
Die Wut vieler Gefangener, die den ganzen Sterbeprozess verfolgt haben, ob aus der unmittelbaren Nähe, weil sie manchmal bei ihm saßen zum Kaffee und zu einer Zigarette oder nur so als Zuschauer von außen, war groß; mittlerweile ist nur noch Resignation da. Immer mal wieder flackert Willis Geschichte auf, gerne dann, wenn in den Medien über das Bandscheibenleiden Frau Timoschenkos (sie ist ehemalige Regierungschefin und sitzt zur Zeit im Gefängnis) und die Empörung westlicher, insbesondere deutscher Politiker die Rede ist, oder mal wieder ein hochrangiges Medizinerkollektiv der Charite aus Berlin in die Ukraine jettet, um das Rückenleiden der Frau T. zu behandeln.
Letztlich konnte man aus dem Tod Willis lernen, dass sich nichts ändert, alles bleibt, wie es ist. Notfalls wird die Realität verdreht und sich passend gemacht.
Wie wichtig die Justiz das Sterben von Gefangenen nimmt, zeigt die „Verwaltungsvorschrift des Justizministeriums über das Gesundheitswesen im Justizvollzug“ vom 04.07.2011 (vgl. Die Justiz 2011, S. 200 ff), gültig für Baden-Württemberg. Unter Ziffer 4, Titel: „Umgang mit sterbenden Gefangenen“ wird nicht etwa geregelt, wie man ihnen vielleicht ermöglichen könnte in Würde in Freiheit zu sterben, sondern, dass die Ärzte sich „bemühen“ sollen, die Gefangenen „ohne Schmerzen sterben“ zu lassen. Zudem habe der Sterbende Anspruch auf geeignete pflegerische Maßnahmen (Bettwäsche, Körperpflege u.a.)“ so das Ministerium in der Vorschrift.
Willi war nicht der erste Gefangene, der in Haft starb, und er wird nicht der letzte sein; dennoch ist sein Sterbeprozess und sein Tod anschauliches Beispiel für die im wahrsten Wortsinne gnadenlose Kälte von Juristinnen und Juristen in Behörden und Gerichten. Einerseits verlangen sie von Gefangenen, dass diese lernen, sich künftig empathisch zu verhalten – andererseits offenbaren sie selbst die Empathiefähigkeit eines arktischen Gletschers.
Am 10. April 2012 ist Willi K. gestorben.
Thomas Meyer-Falk, c/o. JVA-Z. 3113
Schönbornstr. 32, D-76646 Bruchsal
http://www.freedom-for-thomas.de
http://www.freedomforthomas.wordpress.com
Bis zum bitteren Tod
Tod in der Sicherungsverwahrung
Der Bericht über die Umstände von Willis Tod macht uns nicht nur traurig. In die Trauer mischt sich schnell Wut. Wut auf ein gnadenloses Justizsystem und die politischen Kräfte, die es nicht nur verteidigen, sondern noch gnadenloser machen wollen. Wut auf eine rot-grüne NRW-Landesregierung, die mit den politischen Soziopathen aus Bayern gemeinsam für die nachträgliche Sicherungsverwahrung kämpft.
Willi war kein „Monster“. Er überfiel Tankstellen um seine Heroinsucht zu finanzieren. Hätte er als Schwerstabhängiger seinen Stoff legal bekommen, so wäre der Gesellschaft und nicht zuletzt ihm einiges erspart geblieben. Einige Überfälle hätten nicht stattgefunden. Willi wäre nicht in den Knast gekommen, hätte sich dort nicht mit HIV infiziert. Möglicherweise würde er heute noch leben. Jedenfalls wäre er nicht in der Sicherungsverwahrung krepiert. Leider wird die Drogenpolitik hierzulande nach wie vor von den Hardlinern bestimmt. Ein Großteil der bundesdeutschen Gefangenen sind Süchtige. Ein anderer gesellschaftlicher Umgang mit ihnen, könnte die Gefängnisses schnell zur Hälfte leeren.
Leider, leider sieht die gesellschaftliche Realität anders aus. Wer im parlamentarischen Rahmen das „Recht auf Rausch“ fordert, begeht politischen Selbstmord. Diejenigen aber, die vorgeben Kriminalität bekämpfen zu wollen sorgen durch ihren restriktiven Umgang mit Süchtigen davor, dass die Knäste gut gefüllt bleiben.
Thomas Meyer-Falk, der den nachfolgenden Bericht über den Tod seines Mitgefangenen schrieb, sitzt selbst seit 16 Jahren wegen Bankraub mit Geiselnahme ein. Zwar wurde niemand körperlich verletzt, aber Thomas soll im Juni 2013 selbst in die Sicherungsverwahrung. Seine „Gefährlichkeit“ begründet ein Gutachten damit, „daß er eine Aversion gegen diesen Staat und die Justiz habe“.
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Autonomes Knastprojekt Köln