Sammelabschiebung ins Kosovo: Grün-Rot lässt Roma abschieben

Erstveröffentlicht: 
13.11.2012

Aus Baden-Württemberg sind Roma ins Kosovo abgeschoben worden, wo sie Übergriffen ausgesetzt sind. Grün-Rot hätte das verhindern können.

VON NADINE MICHEL

 

STUTTGART taz | Es ist gerade mal drei Wochen her, dass in Berlin Politiker ein Mahnmal eingeweiht haben, das an die Nazi-Verbrechen an Sinti und Roma erinnert. Warme Worte hatte es auch von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gegeben, die eine „deutsche und europäische Aufgabe“ in der Unterstützung dieser Volksgruppen sehe.

Yufanyi Mbolo nennt das ein „Scheinspiel“. Er ist Mitglied der Organisation The VOICE Refugee Forum. „Die Problematik der Sinti und Roma sollte ernst genommen werden und nicht nur in Sonntagsreden der Politiker vorkommen.“

Wie ernst die Probleme wirklich genommen werden, zeigte sich am Dienstag in Stuttgart. Von dort aus fand eine länderübergreifende Sammelabschiebung von in den Kosovo statt, wie das Regierungspräsidium Karlsruhe der taz bestätigte. Es habe sich um eine Abschiebung der Bundespolizei unter Beteiligung der EU-Grenzagentur Frontex gehandelt. Insgesamt wurden 32 Menschen abgeschoben, davon fünf aus Baden-Württemberg. Unter ihnen waren nach taz-Informationen auch Roma.

Regelmäßig weisen Berichte wie etwa des Kinderhilfswerks Unicef auf die Situation von Roma im Kosovo hin. Sie seien dort starken Diskriminierungen und rassistischen Übergriffen ausgesetzt und hätten oftmals keinen Job und keine feste Wohnung.

Nur Landespolitiker aus Baden-Württemberg sahen das im Januar anders. Mitglieder des Petitionsausschusses machten sich ein eigenes Bild von der Situation vor Ort und kamen zu dem Schluss, dass insgesamt alles doch recht prima sei. Sie einigten sich einstimmig darauf, dass kein generelles Abschiebehindernis vorliege. Das Innenministerium der grün-rot geführten Landesregierung hätte noch die Möglichkeit gehabt, einen Winterabschiebestopp zu erlassen. Aber das sei aktuell kein Thema, hieß es im Ministerium. Es gebe keinen Handlungsbedarf.

„Es zeigt sich, dass es nicht mal in der Regierung eine Mehrheit für eine konsequente Minderheitenpolitik gibt“, sagt Andreas Linder vom Flüchtlingsrat Baden-Württemberg. Zumindest in Bezug auf einen Wintererlass müsse die Regierung Farbe bekennen. Verschiedene Grünen-Politiker waren am Dienstag auf taz-Anfrage bis Redaktionsschluss nicht zu sprechen. In einem früheren Interview mit der taz hatte der migrationspolitische Sprecher Memet Kilic auf die Verantwortung des Bundesinnenministeriums verwiesen, das eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis gewähren müsse.

Ein Bündnis regionaler Gruppen ruft für diesen Donnerstag zu einem Protest am Stuttgarter Flughafen auf. „Wir wollen öffentlich zeigen, dass es auch in diesem Land Menschen gibt, die die Abschiebepraxis entschieden ablehnen“, sagte ein Aktivist.

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Das Orginalzitat am Ende lautete übrigens ursprünglich:

 

"Es ist so unerträglich, wie diese Menschen behandelt werden. Die Roma im Kosovo werden diskriminiert und zu Sündenböcken erklärt, gerade weil sie unter ökonomischer und sozialer Ausgrenzung leiden. Die meisten leben in Slums, oft ohne Wasser und Strom. In Deutschland ist die Situation nur unwesentlich besser: Die Menschen werden in Lagern zusammengepfercht und auch hier ist das Recht auf gesellschaftliche Teilhabe nur ein Fremdwort.

 

Etwas läuft entsetzlich schief: Egal ob wir über diskriminierte Minderheiten aus dem Kosovo oder über tausende Flüchtlinge reden, die unbemerkt im Mittelmeer ertrinken oder sich im Stacheldraht der EU-Außengrenze verheddern. Unsere Gesellschaftsform sortiert systematisch Menschen aus, die ökonomisch nicht verwertbar sind.

 

Wir wollen die alltägliche Normalität des rassistischen Abschiebestaats nicht länger hinnehmen. Daher werden wir uns am Donnerstag mit den betroffenen Menschen solidarisieren und öffentlich zeigen, dass es auch in diesem Land Menschen gibt, die diese und jede andere Abschiebepraxis entschieden ablehnen. Wir wollen unserem berechtigten Zorn über diese Zustände einen kreativen Ausdruck verleihen und die Menschen, die bisher nur weg- oder zugeschaut haben dazu animieren, gemeinsam mit uns aktiv zu werden. Wir kämpfen für nicht weniger als ein schönes, würdiges Leben für alle Menschen auf diesem Planeten!"