In der JVA Tonna (Landkreis Gotha) sind einige Gefangene in einen Hungerstreik getretten. Sie kämpfen gegen die Einführung eines neuen Fernseh- und Telefonsystems der Firma Telio Communication GmbH. Telio ist kein unbekannter Akteur in deutschen Knästen. Seit Jahren baut das Hamburger Unternehmen in den JVA's neue Telefonanlagen ein. Online werben sie damit, bereits in über 70 JVA's vertretten zu sein. Dabei wirbt das Unternehmen auch mit teils perfiden Werbesprüchen, die einige Gefangene als provokation ansehen. Im Fazit heisst es für Gefangene aber: mehr Gesprächsüberwachung, eingeschrenktere Anrufe, normierte Kontrolle. Am meisten steht aber eine Preissteigerung an, denn nicht nur der Anschluss ist teurer, auch die Tarifeinheiten sind im Vergleich zu den Tarifen ausserhalb der Knäste enorm teuer. Zeitgleich bleiben die Löhne in deutschen Gefängnissen auf dem selben beschissenen Stand, ganz unten.
Seit der Einführung von Privatfernsehrn auf den Zellen in
deutschen Gefängnissen ist es spürbar ruhiger Geworden innerhalb der
Mauern. Die Beballerung mit dem Müll der meisten Medien, scheint jede
subversive Tätigkeit zu minimieren. Gut, dieser Zustand ist ausserhalb
der Knäste auch spürbar. Fest steht, und das bestätigen auch ältere
Insassen, seit der Zulassung von Fernsehrn auf den Zellen haben die
organisierten und spontanen Revolten innerhalb der Knäste fast komplett
abgenommen. So erscheint es um so interessanter, das genau zu diesem
Thema Gefangene in der JVA Tonna einen Hungerstreik beginnen, um so für
eine bessere Programmauswahl und niedrigere Kosten zu protestieren. Was
Mensch auch vom Fernsehprogramm hier zu Lande halten mag, es ist für
Gefangene eine Verbindung nach draußen, zumindest in eine Richtung.
Viele hinter Gittern äussern sich ähnlich, durchbricht doch der Fernsehr
die ständige Stille auf der Zelle.
Die Isolation hinter Gittern
macht einsam. Die Welt draußen dreht sich weiter und das auch gefühlt
immer schneller. Viele Menschen verdrengen die Gedanken, das jenseits
der Mauern, innerhalb der Knäste Menschen sitzen, die dass Bedürfniss
haben Kontakte nach aussen zu halten. Sei es die Familie, Freund_innen,
oder wer auch immer. Werden die ohnehin schon wenigen Möglichkeiten
ständig weiter erschwert, verlieren die meisten Insass_innen schon nach
wenigen Monaten einen Großteil der Verbindungen nach draußen. Wird in
der Untersuchungshaft das telefonieren noch streng überwacht, gibt es in
der Strafhaft eigentlich das Rech frei zu telefonieren.
In
offenen Vollzugsanstalten, in denen meist Bargeld erlaubt ist, kassiert
die Deutsche Telekom am meisten ab. Sie stellt die Telefonzellen zur
verfügung, in denen oft hunderte von Gefangenen telefonieren müssen.
Dabei zahlen die Gefangenen sich dumm und dämlich. Oftmals führen die
Gefangenen die Gespräche nicht mal aus Spaß an der Freude, denn auch
sämtliche amtlichen, oder berufsmäßigen Gespräche, etwa zur Jobsuche,
müssen über die Apperate geführt werden. Ist durch den Preiskampf der
Telefonprovider in den letzten Jahren auch der Preis für ein Gespräch
enorm gesunken, so herrschen hier weiterhin Preise, wie zu Zeiten der
gelben Post. So landen oft hunderte von Euro im Münzschlitz.
Ganz
anders hingegen in der Strafhaft. Die Firma Telio Communicaton GmbH
(Holsteinstraße 205, 22765 Hamburg) hat es sich wohl zur Aufgabe
gemacht, in sämtlichen deutschen Gefängnissen das Telefonsystem zu
stellen. Sie statten die JVA's mit einem "Fernseh- und
Multimedia-Telefonsystem" aus. Was zunächst als Verbesserung verstanden
werden könnte, stellt sich bei näherer Betrachtung einzig als
moderniesierung der Kontrollmechanismen der Justiz da. Doch zunächst ein
paar Slogans aus der Broschüre von Telio:
"Er gibt gute Gründe, Gefangene gelegentlich Wählen zu lassen:
- Gefangenentelefone als Beitrag zum Anstaltsfrieden
-virtuelle Abrechnung der Gespräche ohne Telefonkarte, dadürch verhinderung des Tauschhandels
-einfaches Mithören, Aufzeichnen und Protokollieren
Das Phonio Telefonsyste. Weil Insassen viel länger auf dem Teppich bleiben, wenn sie gelegentlich abheben dürfen!"
Konnte
in vielen Knästen durch den Schnmuggel von Handys die Zensur von freiem
Telefonieren noch umgangen werden, machen Handyblocker wie sie z.B. in
Berlin eingesetzt werden, das ungehinderte Telefonieren unmöglich. Dazu
installierte in der JVA Plötzensee die Berliner Firma SCP Systems
(Planungsbüro) moderne und durch Software nachrüstbare Handyblocker.
Schon nach wenigen Wochen Test, sollen nun auch in der JVA Berlin-Moabit
die Blocker installiert werden. Nun sollen also alle über Telio
telefonieren. Und das funktioniert so: Der oder die Gefangene bekommt
bei der Aufnahme oder der Erlaubniss telefonieren zu dürfen, einen
Account der Firma Telio. Auf diesen kann dann Geld eingezahlt werden.
Angerufen können dann nur Nummern werden, die vorher durch schriftliche
Einwilligung der Angerufenen, das die Gespräche mitgeschnitten und
abgehört werden dürfen (kein Witz!). Nun darf der oder die Gefangene
dann in den Umschlusszeiten die Telio Telefonzellen benutzen. Diese
werden auf den Gängen, meist in der nähe der Schliesser_innen
installiert. Gespräche wie die Seelsorge, Anwält_innen, oder die AIDS
Hilfe, sollen laut Telio auf wunsch "per Knopfdruck" anonymisiert werden
können. Wir vertrauen dieser Zusage jedoch nicht, da für die gesamte
Administration die Schliesser_innen bei der Einrichtung des Accounts
zuständig sind und in der Praxis dann schnell mal ein Häckchen nicht
gesetzt wird.
Als Belohnung für besonders vertrauenserweckende
Gefangene, gibt es dann auch die Möglichkeit eines Zellentelefons. So
kann auch die Privatsphäre bewahrt werden. Da dies natürlich misstrauen
unter den Mitgefangenen erweckt, soll diese Variante in modernen JVA's
zur Grundausstattung werden. Nur eben, dasd die meisten Knäste in
Deutschland alles andere als modern sind, eher stinkende Löcher. Telio
bietet wie in der JVA Tonna, oder auch in Berlin (Moabit, Plötzensee,
Moabit, Lichtenberg und Pankow) das Fernsehprogramm an. Dafür wird dann
das bestehende System nachgerüstet, oder komplett neu aufgebaut.
Fremdsprachige Programme müssen von nun an extra dazugebucht werden. Zur
Erinnerung, die überwiegend meisten Gefangenen in Deutschland sind
nicht deutschsprachig, oder Migranten. Also für Telio eine enorme
Zusatzeinkunft. Ebenfalls auf Wunsch mit im Paket für die JVA's,
transparente Geräte wie Fernsehr oder Radios. Diese lassen sich leichter
kontrollieren. So wird es auch nicht mehr lange dauern, bis
flächendeckend nur noch die Fernsehr der JVA's erworben werden können.
Natürlich zu überhöhten Markpreisen. Aber ganz gewiss bedeutet das
Engerement von Telio eine enorme Preissteigerung für die Gefangenen. So
muss mittlerweile in den meisten Knästen ungefähr 15-18 Euro für den TV
Empfang bezahlt werden. Der Telio Account kommt dann noch zusätzlich
dazu. Bei einem überaus normalen Telefonverhalten können so dann schnell
mal 50-100 Euro zusätzlich zu Buche schlagen. Angesichts eines
durchschnittlichen Einkommens bei einem Vollzeitjob hinter Gittern von
150-211 Euro ein enormer Luxus.
Es ist zum kotzen das Firmen wie
Telio enorme Summen verdienen, mit dem Bedürfniss von Menschen nach
Kommunikation und Kontakten, die die Isolation innerhalb des Systems
Knast durchbrechen. Deshalb heißen wir Telio willkommen im Club der
Unternehmen wie sodexo, selecta, Deutsche Telekom, wisag und Edeka. Sie
alle eint, Profit zu machen mit dem Leid von anderen Menschen. Profit zu
machen in Knästen. Sie verdienen unsere vollste Aufmerksamkeit!
Für mehr praktische Solidarität mit den Gefangenen in den Knästen!
Freiheit, Liebe und Mut an die hinter Gittern!
Freiheit für Sonja und Christian!
Hydra, 28.09.2012
Weitere Informationen zu Telio in einem Artikel von Thomas Meyer-Falk:
http://de.indymedia.org/2010/09/290259.shtml
Alternativen zu Telio
Telio - Profit hinter Gittern
wird die machtlose Auslieferung der Häftling an Telio und deren Profitgier angeprangert.
Zugegebenermaßen sind die aufgerufenen Verbindungsentgelte für Strafgefangene kaum erschwinglich und die Kröte muss mangels
Alternativen geschluckt werden. Speziel Häftlinge mit ausländischen Wurzeln können es sich nahezu nicht leisten, Telefonate ins Ausland zu führen.
Doch weit gefehlt. Es gibt lautere Möglichkeiten das System zu umgehen und deutlich günstiger zu Handys und ins Ausland zu telefonieren. Nur scheint sich
niemand dafür zu interessieren oder man hat Angst diese Möglichkeiten zu kommunizieren.