Außer Gefecht gesetzt

Totalschaden am Alten Flughafen in Hannover-VahrenheideFoto: dapd
Erstveröffentlicht: 
07.06.2012

Kleines Zeichen gegen Kriegspolitik: Anschlag auf Fuhrpark der Bundeswehr in Hannover soll zur Entmilitarisierung der Stadt beitragen Von Rüdiger Göbel

 

In der Nacht, da die NATO in Afghanistan bis zu 18 Menschen bei einem Luftangriff auf eine Famlienfeier getötet hat, haben Antimilitaristen Kriegsgerät der Bundeswehr in Hannover unschädlich gemacht (siehe jW vom 7. Juni). »Was wir hier sabotieren, kann woanders keinen Schaden anrichten«, heißt es in einem namentlich nicht gezeichneten Bekennerschreiben, das junge Welt am Donnerstag erreichte (siehe unten). Insgesamt 13 Fahrzeuge, darunter sechs Lastwagen und drei Kleintransporter, standen auf dem Gelände des Versorgungszentrums am Alten Flughafen am frühen Mittwoch morgen in Flammen. Ersten Schätzungen der Einsatzkräfte zufolge entstand ein Schaden von 600000 Euro, Verletzte gab es keine.

 

Man sehe sich »weiterhin mit einer Bundeswehr konfrontiert, die auch aus Hannover in Kriege zieht, um Rohstoffe zu sichern und Handelsrouten zu beherrschen, einer Bundeswehr, die emsig trainiert, Revolten und Aufstände zu unterdrücken und niederzuschlagen«, heißt es in dem zweiseiten, sprachlich klar formulierten Papier weiter. »In Anbetracht dieser Zustände und einer zudem immer enger werdenden Zusammenarbeit ziviler und militärischer Strukturen werden wir nicht dasitzen und zusehen. Krieg beginnt auch in Hannover! Erst wenn Hannover sich bedingungslos zur militärfreien Stadt erklärt, geben wir Ruhe – um dann an anderer Stelle widerständig gegen Krieg und Militarisierung vorzugehen.« Kritisiert werden neben der direkten deutschen Kriegsbeteiligung in Afghanistan und im Rahmen er Atalanta-Mission der EU am Horn von Afrika auch Waffenlieferungen, konkret der Leopard-2-Panzerdeal mit Saudi-Arabien und die U-Boote für Israel.

 

Einen ähnlichen Anschlag auf Einrichtungen der Bundeswehr hatte es zuletzt Ostern 2009 in Dresden gegeben. Die »Initiative für ein neues blaues Wunder« hatte sich seinerzeit dazu bekannt, unter anderem mit den Worten: »Wenn ihr nicht abrüstet, tun wir es!« Damals waren 42 Busse, Laster und Autos zerstört oder beschädigt worden (siehe jW vom 16. April 2009).

 

Darüber hinaus gab es immer wieder Brandanschläge auf die Post-Logistiktochter DHL, die für die Bundeswehr den Transport von Kriegsgerät nach Afghanistan abwickelt. So waren am 19. April 2010 zwölf Postfahrzeuge in Drensteinfurt abgefackelt worden. Damals hatte sich die – unbekannte – Gruppe »Friedfertige PhilatelistInnnen und antimilitaristische AktivistInnen« dazu bekannt. Die Suche der Polizei nach den Tätern blieb jeweils erfolglos.

 

Mit dem Abfackeln von Militärgerät in der BRD wird freilich kein Krieg verhindert. Bestenfalls sorgt es für Neubestellungen bei den Autobauern. Reuters meldete am Mittwoch, Daimler habe sich einen Großauftrag der Bundeswehr gesichert. Die deutschen Streitkräfte hätten bei Mercedes-Benz 110 allradgetriebene Lkw für Logistikeinsätze geordert. 25 Fahrzeuge liefere Daimler noch in diesem Jahr aus, die restlichen 85 bis Juli 2014. Eine Reaktion auf die antimilitaristische Aktion in Hannover war das freilich nicht; das zuständige Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung (BWB) und die Daimler AG hatten den Vertrag bereits am 14. Mai unterzeichnet.

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junge Welt dokumentiert im Wortlaut ein Schreiben zum Feuer auf einem Bundeswehrversorgungspark in Hannover, das die Redaktion am Donnerstag erreichte:

 

Am Morgen des 6. Juni 2012 haben wir auf dem Gelände des Versorgungszentrums der Bundeswehr am Alter Flughafen in Hannover-Vahrenheide Feuer gelegt, um den Fuhrpark abzufackeln.

 

Die Bundeswehr ist seit dem Krieg in Jugoslawien 1999 an verschiedenen Kriegsschauplätzen im Einsatz. Diese Kriege sind räumlich und zeitlich entgrenzt. Der Ausnahmezustand ist Normalzustand. Krieg ist zum zentralen Ordnungsinstrument zur Sicherung der kapitalistischen Weltwirtschaft geworden. Der »Krieg gegen den Terror« sollte die Menschen auf den permanenten globalen Krieg einstimmen. Er dient der Aufrechterhaltung des ungehinderten Transports von Rohstoffen und Waren. Er dient sowohl der Zerschlagung ökonomisch nicht verwertbarer Strukturen als auch der »Stabilisierung« staatlicher Strukturen in Regionen, die von Bürgerkriegen und unkontrollierten Flüchtlingsströmen bedroht sind. Deutschland nimmt in der Atalanta-Mission der EU in Somalia mit der Fregatte Berlin eine führende Rolle ein. Seit Mitte Mai beschießen EU-Truppen auch »Piraten-Stellungen« an Land.

 

Neben der direkten Kriegsbeteiligung setzt Deutschland auch mit seinen Rüstungsexporten auf vielfache militärische Eskalation. Mit der Lieferung von Leopard-2-Panzern an Saudi-Arabien stärkt die Bundesregierung gezielt konservative Kräfte in der militärischen Zuspitzung sozialer Konflikte. Die aktuelle U-Boot-Lieferung an Israel im sich verschärfenden Konflikt mit dem Iran ist ein weiteres Beispiel aktueller Kriegspolitik.

 

Der permanente Krieg hat zur Militarisierung der westlichen Metropolen geführt und seine Spuren auch im Alltagsbewußtsein hinterlassen. Seit 9/11 und dem »war on terror« sind koloniale Bilder und rassistische Stereotype allgegenwärtig. Muslime »mit Bart und Kopftuch« sind zum Feindbild der westlichen Welt schlechthin avanciert. Die polarisierten Debatten werden zunehmend durch die Logik des Krieges bestimmt: Schwarz-Weiß-Denken im erzwungenen Entweder-Oder. Alternativlos erscheint auch die zivil-militärische Zusammenarbeit z.B. von »Hilfsorganisationen« mit der Bundeswehr. NGOs, die sich dem Konzept der »vernetzten Sicherheit« nicht unterwerfen, droht die Streichung öffentlicher Gelder.

 

Eine Armee, die zur globalen Aufstandsbekämpfung ausgebildet ist, wird ebenfalls gegen innere Feinde eingesetzt. Der Einsatz von Tornados gegen die Demonstrationen in Heiligendamm war nur ein spektakulärer Auftakt.

 

Die Aussetzung der Wehrpflicht hat die Probleme, militärischen Nachwuchs zu gewinnen, verschärft. Die Bundeswehr verstärkt daher ihre Rekrutierungsversuche an Schulen, Universitäten und Arbeitsämtern. Überall, wo das Militär ins Zentrum der Gesellschaft drängt, ist Widerstand möglich. Krieg beginnt, wo die Bundeswehr Kriege vorbereitet, Unternehmen Waffen produzieren, Universitäten Kriege erforschen, überall wo Kriege beworben und legitimiert werden.

 

Vielfältiger Widerstand bedeutet markieren, blockieren, sabotieren. Krieg wird nur aufgehalten, wo er erdacht, geplant und koordiniert wird, im Herzen der Bestie. Was wir hier sabotieren, kann woanders keinen Schaden anrichten.

 

Im Mittelpunkt des antimilitaristischen Widerstandes in Hannover stand in den letzten Jahren das Sommerbiwak der 1. Panzerdivision. Die Proteste haben einiges erreicht. Es gab erfolgreiche Mobilisierungen und Aktionen. Es scheint aber, daß die Aktivitäten gegen das Biwak nun einen Höhepunkt überschritten haben. Leider befürchten wir, daß die Verlegung des Stabes der 1. Panzerdivision, der größten Einheit des Heeres, die als Leitdivision deutsche Auslandseinsätze organisiert, nach Oldenburg zu einer Abkühlung antimilitaristischer Aktivitäten führen wird.

 

Ob das Sommerbiwak nun weiter in Hannover stattfinden wird, wissen wir nicht. Wir halten es aber für wichtig, mit unserer Aktion ein klares Zeichen für eine kontinuierliche und weiterführende antimilitaristische Politik und Praxis zu setzen, die über das Biwak hinausweist. Denn Hannover bleibt weiterhin ein wichtiger Standort für die Bundeswehr. Hier befindet sich die zentrale Feldjägerschule und, in der Region, der Fliegerhorst Wunstorf, ein Militärflughafen von strategischer Bedeutung.

 

Wir maßen uns nicht an zu glauben, unsere Aktion könnte an den aktuellen politischen Schwächen der antimilitaristischen Linken etwas ändern. Jedoch sehen wir uns weiterhin mit einer Bundeswehr konfrontiert, die auch aus Hannover in Kriege zieht, um Rohstoffe zu sichern und Handelsrouten zu beherrschen, einer Bundeswehr, die emsig trainiert, Revolten und Aufstände zu unterdrücken und niederzuschlagen.

 

In Anbetracht dieser Zustände und einer zudem immer enger werdenden Zusammenarbeit ziviler und militärischer Strukturen werden wir nicht dasitzen und zusehen. Krieg beginnt auch in Hannover! Erst wenn Hannover sich bedingungslos zur militärfreien Stadt erklärt, geben wir Ruhe – um dann an anderer Stelle widerständig gegen Krieg und Militarisierung vorzugehen.

 

Soziale Revolution gegen Krieg und kapitalistische Barbarei!

 

Sommerbiwak angreifen! Bundeswehr abfackeln!