Gedanken zum 1. Mai

Die Wirtschaftskrise nimmt ihren Lauf, Betriebe schliessen und Menschen werden am Abgrund
ihrer Existenz getrieben. Die kapitalistische Ordnung bedient sich der Krise für
umfangreiche Umstrukrurierungen. Das Versagen eines wirtschaftlichen Systems trägt
Widersprüche ans Licht, die soziale Krise wird unsanft aus ihrem Winterschlaf gerissen.
Doch wärend ganze Existenzen bedroht werden, bleiben längst nicht alle paralysiert.

An verschiedenen Orten werden Energien gebündelt und der Wut wird Ausdruck verliehen.

Die Arbeiter des bedrohten Werkes von Continental in Frankreich hielten wärend den
Verhandlungen mit der Konzernführung die lokale Präfektur besetzt. Beim Eintreffen der
Nachricht der gescheiterten Verhandlungen zerstörten sie das gesamte Inventar und zogen
danach zu ihrer Firma, wo sie den Eingangs- und Empfangsbereich komplett zerlegten.
"Ich hoffe, sie machen Witze. Ich bereue gar nichts. Niemand hier bereut irgend etwas.
Und ich werde zu gar nichts aufrufen, ganz bestimmt nicht zur Ruhe", lautet die Antwort
des Fabrikdelegierten der CGT-Gewerkschaft als er live im Fernsehen live gefragt wird, ob
er die Taten bereue und zur Ruhe aufrufen werde. Denn in Zeiten wie dieser werden selbst
in den Reihen eines so zuverlässigen Sozialpartners des Staates, wie es die CGT ist, andere
Stimmen laut. Die Stimmen derjenigen, die entschieden haben, auf welche Seite der
Barrikade sie stehen wollen.

Ebenfalls in Frankreich: Immer wieder entschliessen sich Streikende dazu, ihre Bosse zu
entführen, um ihren Forderungen in den Verhandlungen Nachdruck zu verleihen. Die
Feindpropaganda der "kleinen radikalen Minderheit" wird im Keim erstickt, zu gross ist
die Sympathie in der Bevölkerung.

Zum 60. Geburtstag der NATO wurde in Strasburg die Kriegspolitik der Herrschenden massiv
angegriffen. Tausende waren auf der Strasse und ausser den Politikern minderen Ranges,
die ihre Forderungen an die Herrschenden richten und dabei wie die Grossen ernst genommen
werden wollen und den Moralaposteln der Gewaltfreiheit haben viele von ihnen an den
Ausschreitungen teilgenommen.
Denn wenn die Kriegstreiber Jubiläum feiern und dabei so massiv geschützt werden, dass
die ganze Innenstadt ein Sperrgebiet ist, sind die direkten Angriffe auf die Hüter der
Ordnung und deren Infrastruktur Angriffe auf die gleiche Kriegspartei.

Seit Wochen vergeht in Berlin kaum eine Nacht, ohne dass irgendwo ein Auto brennt. Und
anders als üblich haben die Ausschreitungen am 1. Mai in Kreuzberg bereits am Nachmittag
begonnen, die grössten Krawalle seit Jahren.

Zürich, gleicher Tag gleiches Bild: massive Ausschreitungen, auch wenn sie schon in der
Tagesschau am Abend als "durchschnittlich" abgetan werden. Aber wen kümmert schon die
Schadenssumme ausser den Versicherungen. Denn wichtig ist, was in den ganz konkreten
Situatonen möglich wird. Und es ist schön zu sehen, dass es nicht die ausgeklügelte
Bullenstrategie des letzten Jahres war, die die Geschehnisse auf der Strasse bestimmen
kann. Wenn genug subversives Potential freigesetzt wird, dann gerät die Situation auch
für die Einsatzkräfte ausser Kontrolle...

Ausschreitungen auf der Strasse, Angriffe auf Bullen, Zerstörung von Eigentum. In erster
Linie können wir mit solchen Mitteln die absolute Feindschaft gegenüber der herrschenden
Ordnung zum Ausdruck bringen. Denn wer das Risko eingeht, Bullen anzugreifen und eine
tragende Säule dieser Gesellschaftsordnung, wie es das Privateigentum ist, zu zerstören,
der will keinen Dialog. Es gibt nichts zu diskutieren, wir haben keine Forderungen. Wir
wollen nichts von dem, was uns diese Gesellschaft zu bieten hat. In dieser Haltung liegt
das Potential, etwas wirklich anderes zu wollen. Etwas gänzlich neues, eigenes zu
versuchen und dabei auch Risiken einzugehen.
Sich streiten, scheitern, verhaftet werden.
Etwas aufbauen, etwas ausprobieren, etwas erreichen.
Die verschieden Beispiele von Frankreich über Berlin bis Zürich zeigen, dass viele die
Schnauze voll haben. Und auch bereit sind, ihre Feindschaft gegenüber dem Status quo
Ausdruck zu verleihen, Partei zu ergreifen im sozialen Krieg. Es ist ermutigend zu sehen,
wieviel Wut und gleichzeitig wieviel Potential dabei zum Ausdruck kommt.
Die Zeit ist reif, uns zu organisieren. Strukturen aufzubauen zusammen mit den Menschen,
mit denen wir unser Leben und unsere Kämpfe teilen. Mit denen wir diskutieren, streiten
und die wir lieben. Der Erfolg unserer Strategie und unserer Arbeit misst sich einzig und allein
daran, ob sie dem Wachsen unserer Stärke dienen. Auf dass der nächste Angriff
effizienter wird, auf dass wir die Bullen wirklich aus "unserem Kiez vertreiben" können
(wie es auf einem Plakat, das von den Bullen dieses Jahr in Berlin beschlagnahmt wurde,
vorgeschlagen wird). Denn das bedeutet, dass wir uns unsere Freiheit erkämpfen und das
herrschende Verhältnisse stürzen.

Dies ist ein Aufruf an alle diejenigen, die die Freiheit spüren und die Möglichkeiten
kennen, die sich bieten, wenn sie Grenzen überschreiten, Bullen angreifen, Bosse
entführen...

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Im Grunde genommen hast Du Recht. Die Demonstrationen der letzten Wochen haben gezeigt, wie viel Potential in uns steckt. Schade ist nur, dass gerade die Gewalt als das einzige Mittel gesehen wird, mit dem wir agieren können. Ich persönlich habe gestern in Mainz bestätigt bekommen, was auch anders funktionieren kann. Masse, Präsenz, Meinung-und das einigermaßen gewaltfrei. Die Auseinandersetzungen in der Neustadt waren Teil des Protests, sicher, aber das war nur eine Randerscheinung im allgemeinen Stimmungsgefüge. Was die Braunen wirklich davon abgehlalen hat, in die Stadt zu gehen, war eine Wand aus ABneigung. Ohne Gewalt von unserer Seite. Wirklich ebdrohlich hätte das Ganze auch aussehen können, wenn die Buhrufe gegen die Nazis verstimmt wären und sich die Gegendemonstranten schweigend mit dem RÜckenzu ihnen gestellt hätten. So haben sie ihren AUftritt vor dem Mengenbad noch winkend genießen können, eine Freude, die ich ihnen gerne versagt hätte.

Wir sind viele, wir sind nicht machtlos. Unsere Stimme zu erheben , hat eine lange Tradition. Sie aber ebnso schweigen zu lassen, und dafür in aller Körperlichkeit uns dem in den Weg zu stellen, was wir ablehnen, hat ebenso Macht.