Interview zur Situation bei Schlecker

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Wir haben uns mit einer Betriebsrätin und Filialleiterin einer Schlecker Filiale in Köln getroffen. Am Samstag den 24.März 2012 ist die Filiale in der sie seit 14 Jahren arbeitet geschlossen worden. Im Interview erzählt sie von den prekären Arbeitsbedingungen und berichtet über die aktuelle Situation bei Schlecker.

 

Seit wann bist du im Einzelhandel tätig?

Ich habe nach dem Hauptschulabschluss eine 2 jährige Lehre in einem Schuhgeschäft gemacht. Bin danach zu „Herti“, welcher dann von Karstadt aufgekauft wurde und ich somit gezwungen war den Betrieb zu wechseln. Seit dem, also seit 14 Jahren, arbeite ich bei Schlecker.

 

Wie man es vom Verkauf kennt, arbeiten vor allem Frauen im Verkauf und sind nicht fest angestellt, sondern arbeiten Teilzeit und mit befristeten Verträgen. Wie sieht das bei Schlecker aus?
Es ist richtig, bei uns arbeiten ausschließlich Frauen im Verkauf, in den Führungsebenen kommen dann die Männer und halt im Lager.
Ich persönlich war immer Vollzeit angestellt. Aber die meisten Frauen bei Schlecker sind Teilzeit beschäftigt. Manche arbeiten 20 Stunden die Woche, die meisten jedoch 15 Stunden die Wochen. Nur die Filialleiterin ist jeweils Vollzeit angestellt. Heute haben wir nur noch Festangestellte, alle befristeten Verträge haben sie mit Hinblick auf die Schließungen schon auslaufen lassen.


Von Kaiser’s ist bekannt, dass die Frauen in 4 Stunden Schichten arbeiten. Dies erschwert eine Kommunikation und eine Vernetzung unter den Beschäftigten erheblich. Kennt ihr dieses Problem auch?
Durch die geringe Stundenanzahl in der Woche treten diese 4-Stunden-Schichten zutage. Manche Beschäftigte kommen dann so um die Mittagszeit rum für 4 Stunden um die Mittagspause abzudecken. Durch die Schichten ist es ein kommen und gehen und es gibt kaum gemeinsame Arbeitszeit. Nur wenn ne große Anlieferung kommt, ist es mal möglich, dass mehrere Arbeiterinnen im Laden sind. Ansonsten arbeitet meistens nur eine Person im Geschäft und ist für alle Arbeit gleichzeitig verantwortlich. Die ganze Arbeit ist aber alleine eigentlich gar nicht zu machen in der Zeit.
Durch die knappe Besetzung ist man auch gezwungen sehr flexibel zu sein. Wird eine Kollegin krank muss ne andere Kollegin unter Umständen am gleichen Tag noch einspringen.

 

Gibt es Pausenräume, Garderoben oder sonstige Räume, wo man sich begegnen könnte und sich austauschen kann?
Es gibt Pausenräume, die sind in einigen Filialen jedoch extrem klein. Ansonsten haben wir die Betriebsratbüros, in denen man aber auch nicht wirklich Platz hat für eine Zusammenkunft. Da müssen wir schon auf die Verdi oder DGB Räumlichkeiten zurückgreifen.

Ihr könnt nun schon auf viele Arbeitskampf Erfolge zurückschauen. Die Gründung von Betriebsräten, Tarifverträge und den Stopp von konzerninterner Leiharbeit. Dies hat euch bestimmt auch zusammengeschweißt?
Nun, den Betriebsrat, in dem ich bin, gibt es ja erst seit 1 1/2 Jahren. Die ganzen Kämpfe fanden erst in den letzten Jahren statt. Aber ja natürlich hat dies schon vieles bewirkt.

 

Vorher gab es keinen Betriebsrat?
Es gab schon Betriebsräte, wann genau der Erste gegründet wurde, weiß ich jetzt nicht. Aber momentan sind es 190 Schlecker Betriebsräte in Deutschland, die sich alle nach und nach gegründet haben. Es kommen ständig Neue dazu, was sehr erfreulich ist.

Beteiligen sich die Beschäftigten aktiv an der Betriebsarbeit?
Leider beteiligen sich die wenigsten. Auch jetzt wo die Lage wirklich prekär ist, kommen die wenigsten.

Habt ihr ne Idee, woran das liegen könnte?
Ja das ist keine einfache Frage. Wir haben uns schon viele Gedanken darüber gemacht. Ich kann mir vorstellen, dass es für viele schwierig ist, weil sie ihre Verkaufsstelle als ihren Laden ansehen. Wenn sich also alle an allem beteiligen würden, wenn alle zur Betriebsversammlung kommen würden, müssten die Läden ja für die Zeit geschlossen werden. Dies Wollen sie aber nicht, weil sie sagen, dass ist mein Laden, mein Umsatz.

 

Hat denn der Umsatz konkrete Auswirkungen auf die Beschäftigten der Filiale? Ich meine damit, gibt es so was wie ein internes Ranking, dass man belohnt wird, wenn die „eigene“ Filiale besser abschneidet als andere?
Ne, das gibt es bei uns gar nicht mehr. Das gab es in der Vergangenheit, wurde jedoch durch die Betriebsräte und die ganze Öffentlichkeitsarbeit zum Glück abgeschafft. Die Zeiten sind vorbei.

Wie sieht es aus an den Kassen? Wenn da ein Fehler abends beim Abrechnen auftaucht, müsst ihr dafür selber haften?
Es wurde ne Zeit lang versucht, dass wir das dann bezahlen müssen. Das ist nun zum Glück gar kein Problem mehr. Alleine das der Betriebsrat existiert minimiert solche Frechheiten der Geschäftsführung, denn sie wissen wir lassen uns nicht mehr alles gefallen.

Wie ist es mit Taschenkontrollen abends?
Es gibt Stichproben nach der Schicht. In unserem Bezirk läuft das ganz anständig ab, aber es gibt bestimmt andere Bezirksleitungen, die schlimmer sind.

 

Die Arbeit, die du für den Betriebsrat machst, kannst du die während der Arbeitszeit machen?
Teilweise schon, obwohl es schwierig ist. Also ich sitze dann schon manchmal mit dem Handy an der Kasse und telefoniere. Weil wie schon erwähnt, man ist halt oft alleine im Laden. Aber ich habe zwei Tag an denen ich komplett freigestellt bin, nur für Betriebsratsarbeit. Anfangs war es nur ein Tag, dies reichte aber bei Weitem nicht, so mussten wir für mich einen zweiten Tag erkämpfen. Da wurden uns auch keine Steine in den Weg gestellt.

Da knüpft meine nächste Frage direkt an. Ich kann mir vorstellen, dass Monsieur Anton Schlecker nicht unbedingt immer nur wohl wollend dem Betriebsrat gegenüberstand. Gab es da in der Vergangenheit Probleme? Kam es gar zu Kündigungen aufgrund gewerkschaftlicher Arbeit?
Jein, also wenn der Betriebsrat erst mal läuft, dann geht’s eigentlich. Nur bei der Gründung probierten die ein Spiel mit uns zu spielen. Wir mussten vor Gericht gehen, um die Wählerlisten für den Betriebsrat einzuklagen. Das ist ein altes Spiel, jedes Mal wieder das gleiche. Wir haben seit Kurzem einen weiteren Kölner Betriebsrat, da haben die das auch probiert.
Anfangs kam es auch zu Abmahnungen ohne Ende, weil angeblich der Laden katastrophal aussah. Bei den meisten ist es bei einer Abmahnung geblieben. Eine haben wir mit Verdi zusammen raus geklagt.

 

Wie ist die Verbindung vom Lager zum Verkauf? Gibt es da eine solidarische zusammen Arbeit, was den Betriebskampf angeht?
Wir haben gar keine Verbindung zu den Arbeitern im Lager. Die Lager sind teilweise weit draußen und dass alleine macht die Vernetzung schon schwierig.

Eine Möglichkeit um vielleicht auch noch mal mehr druck auf zu bauen, wäre ja diese Zulieferer mit ein zu beziehen und die Kämpfe zu verbinden.
Ja, aber durch die räumliche Trennung ist das echt schwierig. Das wäre dann die Aufgabe von den Betriebsräten, die da in der Nähe sind. Wenn ich alleine die Betriebsräte in Köln abfahre, sind, dass ja schon 100km die ich da hinter mir lasse.
Der Gesamtbetriebsrat steht natürlich im Kontakt zu den Betriebsräten vom Lager.


Wie weit ist das Lager von den Schließungen betroffen?
Von 19 Lagern sollen am Schluss nur noch 5 übrig bleiben.

Die Schließungsliste wurde am 13. März veröffentlicht. Sie kam per Fax in die Filialen. Die Filiale, in der du arbeitest, wird auch geschlossen. Wie wurde das bei euch aufgenommen?
Wir waren schockiert! Es ging alles sehr schnell. Am nächsten Tag schon soll mit dem Räumungsverkauf angefangen werden und am 24.März schließen die letzten Filialen. Niemand hat so richtig damit gerechnet. Alle dachten o. k. da passiert was, aber dass es so viele Filialen trifft, damit hat wirklich niemand gerechnet.

 

Aber es werden doch weniger Läden geschlossen als ursprünglich gesagt wurde?
Also hier in Köln sind es zwei Läden weniger, und bundesweit sind es um die 200 weniger, also 2200 Läden werden geschlossen! Wir hatten als der Betriebsrat gegründet wurde 21 Filialen in meinem Bezirk, dann wurde auf 15 reduziert und jetzt bleiben noch 6 Läden.

Welche Läden machen den zu?
Es werden halt vor allem große Läden geschlossen und die kleinen bleiben. Dies hat einzig mit der Miete zu tun. Ein größeres Ladenlokal kostet mehr und braucht auch noch mehr Personal, was teuer ist. Also lässt man lieber die kleinen Läden. Dies war eigentlich das ausschlaggebende Kriterium bei der List.

Was ist nun der nächste Schritt in ihrer Filiale?
Definitiv viele Kündigungen. Für andere die Versetzung an einen anderen Standort.

Nach was für Kriterien wurde jemandem gekündigt?
Das folgt Strikte nach Sozialauswahl, also zumindest bei uns, wo der Betriebsrat ein Auge drauf hat. Das heißt, es gibt eine Namensliste und da werden Punkte vergeben. Ein Punkt für Lebensalter, Betriebszugehörigkeit ein Punkt, wenn du Kinder hast, pro Kind 4 Punkte. Das sind in der Insolvenz die einzigen Kriterien, die zählen. Normal bei Kündigungen gibt’s noch extra Punkte für behinderte Kinder. Wer am meisten Punkte hat, der hat gewonnen. Davon sind alle betroffen, nicht nur die welche in einer zu schließenden Filiale arbeiten.

 

Von wem werden diese Kriterien und Punkte festgelegt?

Von unseren Chefs und dem Insolvenzverwalter. Vom Gesetz sind nur die Punkte Betriebszugehörigkeit, also wie lange man schon im Betrieb ist, Alter und Kinder festgelegt. Wie viele Punkte wofür liegt aber in der Entscheidung der Bossen.

 

Sind die Frauen, denen gekündigt wurde, bereit weiter zu kämpfen oder resignieren viele?

Kämpfen werden die Betroffenen wohl nicht mehr. Durch die Transfergesellschaft haut das ja alles einigermaßen hin.

 

Kannst du uns das mit den Transfergesellschaften etwas genauer erklären?

Am 22.März waren die ersten Treffen mit den Betroffenen und die Verträge für die Transfergesellschaft gingen raus. All die wollen kommen für ein halbes Jahr in die Transfergesellschaft rein. Da haben die Leute den Vorteil, dass sie nicht direkt in die Arbeitslosigkeit rutschen. Sie kriegen für das halbe Jahr 80% ihres ursprünglichen Lohnes. Dabei werden 60% von der ARGE bezahlt und 20% von Schlecker. Man muss zu Bewerbungstrainings gehen ansonsten sind die Frauen aber an keinerlei Bedingungen gebunden. Man wird da schon richtig gut betreut, keine Massenabfertigung wie auf dem Arbeitsamt und keine Pflicht einen Job an zu nehmen den man nicht will.

 

Gibt es Gründe die Transfergesellschaft abzulehnen?
Vielleicht will doch die eine oder andere noch den Kündigungsschutz einklagen.
Oder die Leute hoffen auf eine Abfindung, was jedoch auf jeden Fall das schlechtere Los wäre. Bei Insolvenz kriegt man ja nur 2,5 Monatsgehälter, was sich ja nicht wirklich rechnet. Deshalb rate ich meinen Mitarbeiterinnen in die Transfergesellschaft zu gehen. Die Chancen vor Gericht sehen nicht gut aus, da die Sozialauswahl gut ist.

Wirkliche Sicherheit gibt die Transfergesellschaft den Frauen aber auch nicht, oder? Nach dem halben Jahr ist ja noch lange nicht gesagt, dass sie einen Job gefunden haben.
Ja richtig, das Bangen geht auf jeden Fall weiter.


Das Bangen geht auch für die weiter die bleiben dürfen ...
... ja genau, der Kampf wird auf jeden Fall weiter gehen. Der Insolvenzverwalter wird versuchen die Tarifverträge zu verschlechtern, im Name der Insolvenz. Sanierung wird das genannt. Da muss der Betriebsrat auf jeden Fall ein Auge drauf haben. Die werden versuchen bei Weihnachtsgeld und Urlaubsgeld zu sparen. Es zeichnen sich aber auch Verbesserungen ab; die Filialen sollen besser besetz werden, also mehr Personal in einem Laden, was eine große Entlastung wäre.
Der Insolvenzverwalter ist auch nur für die Übergangszeit, wenn Investoren gefunden werden, müssen die ganzen Sozialverträge wieder neu verhandelt werden. Mal kucken was da alles auf uns zukommt.

 

Wie weit würden die Beschäftigten gehen, wenn ein schlechter Tarifvertrag raus kommt, wäre Streik eine Option?
Ich denke bei der aktuellen Situation wären die Betroffenen bereit für einen Streik. Die Frauen sind wütend und haben diese Unsicherheit satt.

Gerüchte gingen rum, dass der Gesamtbetriebsrat alternativ Vorschläge ausgearbeitet hat, wie aus Schlecker einen genossenschaftlichen Betrieb zu machen. Was ist daran?
Ja das war mal ne Idee von den Gewerkschaften und die Linken haben das auch eingebracht. Nur gestaltet sich das hier ein bisschen schwierig, weil ja nur eine Festangestellte pro Filiale ist und die anderen Teilzeiten sind. Da bleibt zu wenig um eigenes Geld in eine Genossenschaft zu investieren. Eigentlich ne gute Idee, aber bei uns leider unmöglich.

Waren noch andere Ideen im Raum?
Eigentlich nicht. Bei Insolvenz läuft das halt alles sehr schnell ab und es bleibt gar keine Zeit um da was aus zu arbeiten.

 

Bei Insolvenz ist es ja auch noch mal schwieriger eine geeignete Kampfform zu finden..
... ja find ich auch. Streiken hilft da leider nicht viel. Teilweise gingen die Frauen schon auf die Straße. Am 8.März zum Beispiel, in Frankfurt war ne große Aktion und wir sind auch schon mal vor unseren Laden gezogen.
Der große Streik vom öffentlichen Dienst hat natürlich auch noch mal Öffentlichkeit geschafft für unseren Kampf.


Die gewerkschaftliche Unterstützung lief die gut?
Die läuft in Köln eigentlich sehr gut. Ich höre es aber immer wieder, dass es Probleme gibt.
Hauptsächlich, weil die Gewerkschaftssekretäre auch überlastet sind und zu wenig Personal da ist. Die gleichen Probleme wie ein normaler Betrieb.


Wie habt ihr sonst die Solidarität erlebt? Sind die Menschen solidarisch mit eurem Kampf?
Wir haben sehr viele Solidaritätsschreiben bekommen, hauptsächlich von anderen Betriebsräten; Opel, IKEA, Strauss Innovation um nur einige zu nennen.

Eine wichtige Frage zum Abschluss, wie könnte praktische Solidarität von außen aussehen?
Das ist ne gute Frage, ich weiß gar nicht genau, was man da machen kann. Medienarbeit ist immer gut, also eine Öffentlichkeit für unsere Anliegen schaffen. Ansonsten denke ich, dass Deutschland eingeschlafen ist, man geht kaum noch auf die Straße um irgendwas zu erkämpfen.

 

Danke für das Interview.

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Mehr Infos zu Aktionen bei Schlecker:

 

www.sol-online.tk

"Also hier in Köln sind es zwei Läden weniger, und bundesweit sind es um die 200 weniger, also 2200 Läden werden geschlossen!"

 

Also ich komm auf 202...

es geht um eine reduzierte schließungswelle. zunächst sollten 2400 läden geschlossen werden. bundesweit wurde um 200 gekürzt und in köln um 2...^^