Führer der baskischen Linken zu zehn Jahren Haft verurteilt

Arnaldo Otegi und Rafa Díez auf einer Demonstration 2006 in Donostia

Das Baskenland ist bestürzt, dass der spanische Nationale Gerichtshof Führungspersönlichkeiten der baskischen Linken zu langen Haftstrafen verurteilt hat. Allerdings war zu erwarten, dass das Sondergericht erneut ein hartes Urteil sprechen würde. Darin wird behauptet, der Ex‑Sprecher der verbotenen baskischen Partei Batasuna (Einheit) sei genauso ein Mitglied der Untergrundorganisation ETA wie der Ex-Generalsekretär der Gewerkschaft LAB. Doch Arnaldo Otegi und Rafa Díez sollen nicht nur „einfache Mitglieder der bewaffneten Bande“ sein, wie das in Spanien heißt, sie werden sogar zu „Terroristen-Führern“ gestempelt. Die Großdemonstration am Samstag wird damit wohl noch größer werden.

 

Gefolgt wird der These der Staatsanwaltschaft. Die ETA habe 2008 Otegi, Diez und drei weitere Personen, die zu acht Jahren Haft verurteilt wurden, beauftragt, „ein Organ oder eine Koordinationskommission“ zu bilden, um die neue „strategische Linie zur Akkumulation der Kräfte für die Souveränität“ des Baskenlands zu führen. Dafür hätten sie eine Neugründung der 2003 verbotenen Batasuna versucht und „Bateragune“ (Vereinigungspunkt) gegründet.

 

Doch Otegi hatte im Prozess klar gemacht, dass es einer Gruppe von Personen darum ging, den 2007 gescheiterten Friedensprozess wieder in Gang zu bringen. „Das einzige Szenario das wir vorschlagen, ist das definitive Ende der bewaffneten Gewalt und die Auflösung der militärischen Strukturen." Dass stand das im krassen Gegensatz zu den Ausführungen des Staatsanwalts Vicente González Mota. Der hatte behauptet, die Angeklagten seien Führungsmitglieder der ETA, die sie "niemals aufgefordert haben, die Gewalt zu beenden".

 

Real hat die baskische Linke die ETA schon vor mehr als zwei Jahren zu einer einseitigen und unbefristeten Waffenruhe gezwungen, weil deren Gewalt „überflüssig und störend“ sei. Es ist die längste Waffenruhe in der 50-jährigen Geschichte der Organisation, die erstmals auch von internationalen Beobachtern überprüft wird. Eine Rückkehr zu den Waffen sei nicht möglich, betonten die Angeklagten im Prozess, weil das der „politische Tod" der linken Unabhängigkeitsbewegung sei. Das hatte Otegi mit Blick auf die spektakulären Wahlerfolge der Koalition "Bildu" (Sammeln) bei den Wahlen im Mai erklärt. Die baskische Linke trat vereint an und wurde stärkste Kraft in der Provinz Gipuzkoa. Erwartet wird nun, dass Bildu bei den spanischen Parlamentswahlen im November zur stärksten Formation im Baskenland wird, nachdem sich ihr auch Aralar angeschlossen hat.

 

Dass drei Angeklagte frei gesprochen wurden, die auch vor fast genau zwei Jahren im Gewerkschaftssitz in Donostia ‑ San Sebastian bei einem Treffen verhaftet wurden, zeigt die Schwäche des Urteils. Erstaunlich ist besonders, dass auch der Gewerkschafter Díez verurteilt wurde. Führer der Guardia Civil, die das Gewerkschaftshaus gestürmt hatten, hatten im Prozess eingeräumt, dass dessen Verhaftung nicht geplant war.  Der Führer der paramilitärischen Einheit hatte erklärt, er habe die Verhaftung "spontan" angeordnet, weil sich Díez mit Otegi im Gewerkschaftshaus aufgehalten habe.

 

Alle baskischen politischen Kräfte sind empört. Der Sprecher der sozialdemokratischen Solidaritätspartei (EA) Maiorga Ramirez sprach von einer „sehr schlechten Nachricht für das Baskenland und für alle, die sich für den Frieden und die politische Normalisierung einsetzen“. Deutlicher wurde der Sprecher der großen Baskisch-Nationalistischen Partei (PNV). Joseba Egibar sprach von einem „Skandal”. Er warf der spanischen Regierung direkt vor, für das politische Urteil verantwortlich zu sein. „Die Zeit hat längst gezeigt, dass diese fünf Personen uneingeschränkt für politische und demokratische Wege eingetreten sind und die Gewalt, auch die der ETA, ablehnen”.

 

Egibar hofft, dass der Oberste Gerichtshof oder das Verfassungsgericht dieses Urteil aufheben. Beide Gerichte stellen sich immer öfter gegen das Sondergericht. So hatte zum Beispiel der Oberste Gerichtshof eine zweijährige Haftstrafe kassiert, die Angela Murillo gegen Otegi verhängt hatte, weil sie eindeutig befangen war. Das hinderte das Sondergericht nicht, dass sie erneut zur Präsidentin der Kammer in diesem Prozess berufen wurde. Das Verfassungsgericht kassierte im Mai das Bildu-Verbot. Die Koalition sollte ohne Nachweise als angeblicher Nachfolger von Batasuna von den Wahlen ausgeschlossen werden.

 

Das Urteil wird der Großdemonstration, die morgen durch die Straßen des Seebads Donostia-San Sebastian führen wird, weiteren Auftrieb geben. Die Demonstration in der baskischen Stadt, die nun von Bildu regiert wird, tritt während des bekannten Film-Festivals für die Rechte der politischen Gefangenen ein. Zur Demonstration ruft die Organisation "Egin dezagun bidea" (Wir können den Weg bereiten) und gefordert wird die Verlegung der über Frankreich und Spanien verstreuten Gefangenen ins Baskenland, eine Friedenslösung für den Konflikt der zur Amnesty der Gefangenen führt. Klar ist, dass die postfaschistische spanische Volkspartei (PP) das Verbot der Demonstration beantragt hat.

 

© Ralf Streck den 16.09.2011

 

Noch ein paar Texthinweise:

 

Spanien führt Vermögenssteuer abgespeckt als Reichensteuer ein
Es ist eine befristete Wahkkampfsstrategie, die bis 2007 nicht einmal die Hälfte der damals mit der Steuer erzielten 2 Milliarden einnehmen soll und sogar hinter der Steuer in Frankreich und Italien zurückbleibt

http://www.heise.de/tp/blogs/8/150471

 

Es riecht förmlich nach Euro-Bonds
Merkel und Sarkozy schlingern in der Griechenland-Frage weiter herum

http://www.heise.de/tp/artikel/35/35499/1.html

 

Es wird enger für Frankreich
Moody's stuft französische Großbanken herunter und Fitch droht mit der weiteren Abstufung Spaniens

http://www.heise.de/tp/blogs/8/150463

 

Mögliche Griechenland-Pleite sorgt für Panik
Die Börsen brechen erneut ein, weil nun niemand eine Griechenland-Pleite mehr ausschließen will
http://www.heise.de/tp/artikel/35/35479/1.html

 

Stützungskäufe der EZB verfehlen ihr Ziel
Wie man sich in die Rezession spart, der "Merkel-Crash" und der Rücktritt des EZB-Chefvolkswirkwirt Jürgen Stark wegen der umstrittenen Ausweitung der Aufkäufe

http://www.heise.de/tp/blogs/8/150460

 

Schuldenbremse in Spanien sorgt für Empörung 
Bei den Protesten zeigt sich ein tiefer Graben zwischen der Demokratiebewegung und den großen Gewerkschaften
09.09.2011 – http://www.heise.de/tp/artikel/35/35463/1.html


Madrider Hobel und ein Sprachenstreit
Die Krise in Spanien spitzt sich zu. Die Katalanen machen deutlich, dass die eigene Sprache für sie eine "rote Linie" darstellt
08.09.2011 – http://www.heise.de/tp/blogs/8/150432


Italien streikt gegen Sparpaket
Die Frage ist nur, gegen welches Paket gestreikt wurde, weil Berlusconi es immer wieder aufschnürt
07.09.2011 – http://www.heise.de/tp/artikel/35/35453/1.html


Erholung sieht anders aus
Die Börse stürzt erneut angesichts massiver Rezessionsängste ab
06.09.2011 – http://www.heise.de/tp/blogs/8/150419

 

Spanien führt zweifelhafte Schuldenbremse ein
In der Verfassung wird aber lieber keine wirkliche Begrenzung verankert
27.08.2011 – http://www.heise.de/tp/blogs/8/150373

 

Auf und ab um die Reichensteuer
Frankreich will damit (erneut) unpopuläre Maßnahmen schmackhaft machen und Italien will sie schon wieder streichen
25.08.2011 – http://www.heise.de/tp/blogs/8/150361


Eine neue spanische Bankenrettung
Im neuen Madrider Sparpaket wird die Mehrwertsteuer auf neue Immobilien auf 4% gesenkt
24.08.2011 – http://www.heise.de/tp/artikel/35/35356/1.html 

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