Strasbourg und mögliche psychische Folgen

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Rund um den Nato-Gipfel ist es teilweise zu krasser Polizeigewalt und übler Repression gekommen. Auch wenn du vielleicht nicht (körperlich) verletzt wurdest, kann es sein, dass es bei dir ein Gefühl der Angst und Ohnmacht ausgelöst hat. Der Folgende Artikel gibt eine kurze Übersicht, wie du mit deinen Erfahrungen und dem Erlebten umgehen kannst und wie wir uns gegenseitig helfen können, um nicht an den Folgen kaputt zu gehen.

Aktivismus und Trauma ...über die emotionalen Folgen von Polizei (und anderer) Brutalität - und wie wir da wieder rauskommen...

Eine Einführung zum Thema

 

Trauma und zum Umgang damit

Die Verfassung, in der wir uns nach Erfahrungen von Brutalität (sei es direkt oder indirekt) befinden können, wird von PsychologInnen und Co. Als „Post-traumatischer Stress" (PTS) bezeichnet. Sie teilen die Reaktionen in drei verschiedene Bereiche ein.
Zeichen von Post-Traumatischem Stress:


1. Wieder-Erleben des Erlebten Alpträume, Flashbacks, intrusive (immer wiederkehrende) Erinnerungen, das Gefühl, dass das Erlebte einen nicht mehr los lässt, etc.
2. Vermeidungsverhalten /Verdrängungsverhalten
Erinnerungsverlust, erhöhter Alkohol /Drogenkonsum, Selbstisolierung, Vermeidung von allem, was mit dem Erlebten zu tun hat oder einen daran erinnert, Distanz zu dem Geschehenen aufbauen, etc.
3. Erhöhte Erregung
Schlaflosigkeit, Gereiztheit, Gefühlsausbrüche, Wutausbrüche, Angst, Panik, Konzentrationsschwierigkeiten, Schreckhaftigkeit, etc. Dies sind häufige Reaktionen auf extreme Erfahrungen. Viele Menschen haben dies erlebt - und überlebt.

Um eine Besserung zu erreichen, helfen vor allem 2 Ansätze:

1. Sich für längere Zeit an einem Platz aufhalten, an dem du dich sicher fühlst, Ruhe hast und dich mit Menschen umgeben, denen du vertraust.
2. Die Erfahrung verarbeiten. Das Erlebte in Worte fassen, auch wenn es wieder und wieder erzählt wird, oder die Emotionen auf andere Weise ausdrücken.

Für ca. 70% der Menschen verschwinden die Symptome nach ungefähr 4-6 Wochen. Bleiben sie bestehen, wird diese Verfassung als PTBS (Posttraumatische Belastungsstörung) bezeichnet und ist so ernst, dass sachverständige Hilfe erforderlich ist. (Dies kann auch hilfreich sein, wenn die Symptome schon vorher das Leben stark erschweren.) Es besteht die Möglichkeit, dass PTBS erst Monate oder sogar Jahre nach der Erfahrung auftritt. PTBS ist sozusagen eine Verarbeitungsstörung, d.h. die Erfahrung kann nicht verarbeitet werden.
Verschiedene Therapieformen können helfen. Ziel ist es, das Trauma in das Leben zu integrieren, es kann nicht ungeschehen gemacht werden und es hat die Person verändert.
Menschen reagieren sehr unterschiedlich auf ein Trauma und in unterschiedlicher Intensität.

Mögliche Reaktionen nach einem Trauma

• Nicht in der Lage sein, aufreibende Bilder und Erinnerungen beiseite zu legen, Flashbacks (das Gefühl wieder in der erlebten Situation zu sein), Alpträume
• Depressionen, keine Freude am Leben haben, sich allein/verlassen fühlen
• Sich taub, abgeschaltet fühlen
• Sich zurückziehen, soziale Aktivitäten fallen lassen, sich isolieren
• erhöhter Alkohol / Drogenkonsum zwecks Selbstmedikation
• Veränderung von Ess / Schlaf-Gewohnheiten, auch von sexuellen Gewohnheiten
• Magenschmerzen, Übelkeit, Muskelspannung, Druck
• Furcht, Ängstlichkeit, übertriebene Wachsamkeit, Panikattacken, Phobien, Unruhe
• Schuldgefühle, Scham, Selbstbeschuldigung, Bedauern
• Unfähigkeit wie gewohnt zu „funktionieren", Pläne zu machen, Entscheidungen zu treffen
• Reizbarkeit, Ärger, Gefühlsausbrüche, unkontrolliertes Weinen, innerer Schmerz
• Selbstmordgedanken, Gefühl, dass das Lebenkeinen Wert/Sinn hat.
• Infragestellen von politischem Engagement und zwischenmenschlichen Beziehungen.
• Möglicherweise Hochkommen von Erinnerungen an vorhergehende Trauma
• kein Gefühl für Zukunft haben; nicht daran glauben, dass diese Phase jemals vorbei gehen wird

Was du für dich selbst tun kannst:

• Sag dir: Deine Reaktionen sind normal und es gibt Hilfe! Dies ist eine schwere Phase, aber sie geht aller Wahrscheinlichkeit nach vorbei.
• Sofort nach einer traumatischen Erfahrung: Geh an einen Ort, an dem du dich sicher fühlst und lass zu, dass sich jemand/frau um dich kümmert
• Bewegung baut Stress ab. Spazierenoder laufen ist zur Beruhigung besser als Sich-Hinsetzen, baut Adrenalin ab.
• Versuche dich nicht zu isolieren. Wende dich an deine Freunde und sag, dass du Hilfe brauchst (auch wenn es schwer fällt).
• Nimm dir Zeit zu heilen, sei geduldig mit dir und verurteile dich nicht für deine Verfassung. Innere Wunden brauchen ebenso Zeit und Ruhe um zu heilen wie äußere.
• Eine häufige Reaktion ist, dass es dir weh tut, wenn andere damit besser fertig zu werden scheinen als du. Sei dir bewusst, dass Menschen unterschiedlich sind, die Stärke der Reaktionen auch davon abhängt, wie oft und stark du vorher traumatisiert wurdest und dass es kein Zeichen von Schwäche ist, nach einer Verletzung Schmerzen zu haben.
• Dich für das Geschehene selbst verantwortlich zu machen, ist eine Reaktion, die mit Trauma oft einhergeht. Mach dir klar, dass das Geschehene nicht deine Schuld ist, - die Schuld liegt bei den TäterInnen.
• Familie und Freunde wissen oft nicht, wie sie mit deiner Verfassung richtig umgehen können. Sprich Sie an, wenn du ihr Verhalten nicht als hilfreich empfindest, sag, was du brauchst.
• Häufig kommen Gedanken hoch wie „Ich habe kein Recht mich so schlecht zu fühlen, andere sind viel schlimmer dran. Das, was mir passiert ist, ist ja nichts im Vergleich zu (…)" Mach dir klar, dass du Schlimmes durchlitten hast und das Recht hast, dich so zu fühlen, wie du dich fühlst. Wenn du deine Verfassung akzeptierst, erholst du dich schneller.
• Verdrängen wirkt sich auf lange Sicht negativ aus und schränkt dich ein.
• Bachblüten können emotional helfen. Baldrian hilft bei Schlafproblemen. Massagen und heiße Bäder sind immer gut. Alkohol/Drogen wirken sich eher negativ aus.
• Lerne mehr darüber, wie Trauma funktioniert. Je mehr du verstehst, desto einfacher ist es für dich, deine Reaktionen als „Symptome" zu begreifen.

Wie du deine Freundin / deinen Freund unterstützen kannst:

• Warte nicht, bis du um Hilfe gefragt wirst, sondern sei einfach für sie/ihn da. Gib nicht auf, auch wenn du vielleicht das Gefühl hast vor einer Mauer zu stehen oder wenn es dir sehr schwierig erscheint.
• Die Tage direkt nach der Erfahrung sind besonders wichtig zum Reden, danach wird oft schon wieder „zugemacht".
• Vielleicht fühlst du dich unsicher und weißt nicht, wie du dich verhalten sollst. Informiere dich über Trauma, um die Reaktionen besser verstehen zu können. Einfach „normal" sein, ohne zu bemitleiden und ohne aufdringlich zu sein, kann viel helfen. Bemüh dich gleichzeitig den Reaktionen gegenüber tolerant zu sein. Das Wichtigste ist, dass deine Freundin/Freund sich in deiner Gegenwart wohl und sicher fühlt.
• Traumatisierte Menschen isolieren sich häufig und haben Schwierigkeiten, um Hilfe zu bitten. Sie wollen kein Mitleid, sondern Verständnis, keine aufgedrängte Hilfe, sondern Einfühlungsvermögen.
• Vergiss nicht, dass Menschen nach traumatischen Erlebnissen anfangs oft ok erscheinen und die Reaktionen erst später auftreten.
• Sei eine gute Zuhörerin /Zuhörer. Vermeide es, zu bald, zu lange und zu viel zu reden. Oft tendieren wir dazu Rat zu geben, anstatt wirklich zuzuhören…
• Versuch wirklich nachzufühlen, wie es deiner Freundin /Freund ergangen ist, versuch dich hineinzufühlen, wie es ihr/ihm jetzt geht. • Chronologisches Erzählen hilft dem Gehirn das Erlebte zu verarbeiten. Bemüh dich darum, dass deine Freundin/Freund das Erlebte der Reihenfolge nach, mit allem, was dazugehört, erzählt, eingeschlossen Gefühle, Sinneseindrücke, Gedanken...
• Traumatisierte Menschen empfinden oft die Erledigung selbst kleiner Aufgaben als sehr schwer. Kochen, Abnehmen von Verantwortlichkeiten, etc. können sehr hilfreich sein, aber achte darauf ihre Selbstbestimmung nicht einzuschränken.
• Gereiztheit und Undankbarkeit/Unnahbarkeit sind „Symptome", die sehr häufig vorkommen. Nimm es nicht persönlich und mach deine Unterstützung nicht davon abhängig.
• Zu sagen „Jetzt müsstest du aber langsam mal darüber hinweg sein, nimm dein Leben in die Hand", erreicht meistens nur, dass traumatisierte Menschen sich unverstanden fühlen und Distanz einnehmen.
• Bohren, d.h. krampfhaft versuchen, die Person dazu zu bringen über etwas zu reden, worüber sie nicht reden will, bewirkt Rückzug und Distanzierung.
• Durch einen Mangel an Unterstützung können die Reaktionen verstärkt werden, was als so genannte „sekundäre Traumatisierung" bezeichnet wird. (Dass von TäterInnen keine gute Behandlung zu erwarten ist, ist klar, aber wenn jemand hinterher das Gefühl hast, seine/ihre FreundInnen sind nicht für ihn/sie
da, bricht die ganze Welt zusammen, der Boden unter den Füßen schwindet….) Diese sekundäre Traumatisierung kann oft schwerwiegender sein, als das Erlebte und ist daher äußerst ernst zu nehmen. Achte darauf, dass deine Freundin/Freund sich nicht allein gelassen fühlt.
• Auch für dich gilt - diese Zeit kann sehr schwer sein, aber sie geht vorbei. Pass auf dich auf und sei gut zu dir. Rede mit jemandem/frau darüber, wie es DIR geht.

Was ihr als Gruppe tun könnt

• Nehmt euch Zeit, um darüber zu reden, was passiert ist. Es ist üblich, in einer Runde allen, die dabei waren, Raum zu geben um zu erzählen, wo sie waren, was sie gemacht haben, welche Sinneseindrücke sie hatten (sehen/hören etc) und was sie dabei gefühlt/gedacht haben (wenn sie darüber reden möchten). So kann das Gehirn die Geschichte im Kopf vervollständigen und besser verstehen.
• Gute TherapeutInnen können helfen. Mit einem gebrochenen Bein gehst du ja auch zum Arzt... Ein Trauma ist nichts anderes als eine psychologische Wunde. Ihr könnt bei der Suche behilflich sein. Der/die TherapeutIn sollte aber Erfahrung mit Trauma-Arbeit haben. sonst bringt es nicht viel. (Tipps unter: www.trauma-informations-zentrum.de)
• Vergesst nicht: Nicht nur verwundete Menschen brauchen Unterstützung und auch UnterstützerInnen brauchen eine Schulter zum Anlehnen.

Hintergrund zu Trauma:

Hintergrund für diese Reaktionen ist der Versuch des Gehirns wieder Kontrolle zu gewinnen. Unser Leben baut darauf auf, dass wir Einfluss darauf haben, was mit uns passiert. Wird uns dieser Einfluss genommen, wenn wir ohnmächtig der Gewalt ausgeliefert sind, entsteht traumatischer Stress.
Wenn wir hinterher beispielsweise nicht schlafen können, so ist das darauf begründet, dass der Körper nicht die Kontrolle verlieren will. Selbstmedikation mit Alkohol will erreichen, dass die eigene Verfassung nicht wahrgenommen wird. Sogar die Selbstvorwürfe, die das Gehirn dir einredet, um dir Kontrolle vorzuspiegeln, folgen diesem Muster, wenn es sagt: „Hättest du dich anders verhalten, wäre das nicht passiert…" und dir damit einredet, es läge in deiner Hand. Fakt ist jedoch, dass die Kontrolle über unser Leben bedingt ist, aber unser gesamtes Handeln und Tun darauf aufgebaut ist, denn nur so können wir uns schützen, bzw. uns sicher fühlen.

Innerhalb der politischen Bewegungen:

Es ist wichtig, dass wir uns mehr darüber bewusst werden, wie sich Erfahrung mit Brutalität auf uns auswirken. Die Repression liegt in ihrer Hand, aber in unserer Hand liegt es, wie wir mit den Folgen umgehen.


Viel zu oft wird Trauma noch als persönliche Schwäche ausgelegt und nicht ausreichend Unterstützung gegeben. In diesem Hinblick muss sich unsere Kultur grundlegend ändern, um eine Basis zu schaffen, auf der Umgang mit Angst und den emotionalen Folgen von Repression und anderen Traumata kein Tabu mehr ist und in unseren Gruppen thematisiert wird.



…TAKE CARE OF EACH OTHER…
Mehr Info:
Activist Trauma Support: www.activist-trauma.net
www.healingtrauma.pscap.org
Lesetipp: “Narben der Gewalt”, Judith Hermann
Webtipp: www.trauma-informations-zentrum.de

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Sehr schöne Zusammenfassung, freut mich sehr!!!

Ich hoffe das es allen gut geht,!!! Macht euch ein paar schöne Tage und relaxt mal so richtig!