Interview mit P.H.A. Infotainment zu "Freiburg sucht den Supersquat"

Freiburg sucht den Supersquat

Fudder, der Internetjugendableger der Badischen Zeitung, hat mit Squattie (der sogenannten Sprechepresserin von P.H.A. Infotainment) gesprochen und gute Fragen gestellt. Dann aber entschied die Redaktion, so viel echter Text könne den werten Leser_innen nicht zugemutet werden, außerdem liest ja heute sowieso keine_r mehr, jedenfalls wurde ein deutlich kürzerer Artikel draus. Wir sagen dennoch: Fundierte Argumentationen brauchen ihren Raum. Wir finden Squatties Antworten gut und wichtig, daher hier die Vollversion. Kommentare und Diskussion erwünscht, und natürlich gilt: Bald sind die "Stadt selber machen!"-Aktionstage und das Supersquat-Finale, kommt nach Freiburg vom 13. bis zum 17. Juli, bringt eure Freund_innen mit, seid kreativ, bildet Bezugsgruppen. Übrigens: Runde 3 kommt, bald, sehr bald, mit wieder mal fantastisch besetzenswerten Kandidat_innen.

(1) Das Kürzel "P.H.A.Infotainment" könnte man auch nach "Plätze.Häuser.Alles." auflösen. Wer steckt hinter Freiburg sucht den Supersquat? Und mit wem spreche ich überhaupt?

Du sprichst mit Squattie, der kollektiven Sprechepresserin (sic!) von P.H.A. Infotainment. Die steckt auch hinter Freiburg sucht den Supersquat, jedenfalls wirft sie andauernd unsere schicke schwarze Stadtsilhouette um und rennt ins Bild während wir filmen. Voll nervig, die olle. Die hat sich auch den Sojaquark mit P.H.A. Infotainment und der „pinken hedonistischen aktion“ ausgedacht, sie meinte das sei gut für's Marketing und so. Uns wars allen relativ egal, daher heißen wir nun so, derzeit zumindest. Manche von uns vermuten, dass Squattie auch in Kontakt mit der Freiraumkampagne Plätze.Häuser.Alles steht, das können wir aber nicht ohne letzte Zweifel bestätigen.

 

(2) Worum geht es bei Freiburg sucht den Supersquat und wie seid Ihr auf die Idee gekommen? Wer kann mitmachen und wie?

Es geht darum, die bestehenden Verhältnisse auf dem Wohnungsmarkt und überall in Frage zu stellen: Wir müssen immer wieder neu diskutieren, wie wir den Raum zum Leben und Wohnen gestalten und organisieren. Dabei geht es nicht darum, sich in den gegebenen verkackten Zuständen einzurichten, sondern diese als vom Menschen gemacht und damit veränderbar zu erkennen. Im üblichen gesellschaftlichen Diskurs regiert dagegen allzuoft dieses dumme Geschwätz von der angeblichen Alternativlosigkeit des Bestehenden, das die Menschen dazu bringen soll, Herrschaft und Miete als notwendig anzuerkennen. Dem wollen wir einmal mehr etwas entgegensetzen. Da der Mensch ein träges Lebewesen ist, bedienen wir uns dabei frei und ungeniert am derzeit erfolgreichsten „Opium fürs Volk“: Pseudointeraktiven Fernsehshows. Doch wir sind besser als das ach so erfolgreiche Original: Bei uns geht’s nicht darum, sich als möglichst konforme Schaufenstermarionette den Erwartungen des Marktes gemäß zu verwerten. Im Gegenteil: Wir wollen, dass möglichst viele Menschen selbstbestimmt leben können und wir uns die Voraussetzungen dafür selbst schaffen.

Daher gibt’s auch viele Möglichkeiten mitzumachen! Weil wir Web 2.0 und so auch können, kann jeder total interaktiv und online beim Supersquat mitmachen: Auf http://supersquat.org könnt ihr für eure_n Kandidat_in abstimmen und versuchen, unsere fantastische, absolut repräsentative Jury mit Text, Bild oder Video zu überzeugen. Das läuft dabei so, wie es auch in jeder parlamentarischen Demokratie laufen muss: Ihr könnt euer Kreuzchen machen wo ihr wollt, was dabei rauskommt, erfahrt ihr, wenn die Wahlversprechen dann gebrochen werden. Und wir sind sogar auf Facebook und Identi.ca (oder Twitter). Dabei gilt allerdings immer: Passt auf eure Daten auf, überlegt, was ihr wann und wo unter welchem Namen und welcher E-Mail-Adresse veröffentlicht - die staatlichen und polizeilichen Datenbanken wachsen schnell.

Wenn euch das nicht reicht und ihr unter Selbstbestimmung und politischem Handeln was anderes versteht und ihr dieses ganze Onlinegedöns für überbewertet haltet: Ganz richtig, es wartet das richtige Leben, und da gilt es aktiv zu werden. Denn wie wir unsere Stadt, unseren öffentlichen Raum und unsere Häuser organisieren, das geht uns alle an. Daher: Macht mit bei den „Stadt selber machen!“-Aktionstagen vom 13.-17. Juli in Freiburg! Es gibt ein vielfältiges Programm, das nur darauf wartet, mit weiteren Aktionen und Veranstaltungen gefüllt zu werden. Organisiert euch, tut euch mit euren Freund_innen zusammen, seid kreativ und spontan, tragt eure Wut und eure Sehnsüchte in die Stadt. Mehr Infos zu den „Stadt selber machen!“-Tagen gibt’s beim Freiburger „Recht auf Stadt“-Netzwerk und bei [anne] freiburg.

 

(3) Den Begriff Gentrifizierung verbinde ich eher mit großräumigen Umstrukturierungen, wie wir sie in Berlin Prenzlauer Berg gesehen haben und in Kreuzberg derzeit beobachten. Stellt ihr das Problem für Freiburg nicht etwas überdramatisiert dar?

Diese Frage ist bezeichnend dafür, dass überall behauptet wird, dass es anderswo Gentrifizierung gäbe - jedoch nicht in der eigenen Stadt. In Freiburg demonstrierte das vor kurzem beispielsweise Maria Viethen, Fraktionsvorsitzende der Freiburger Grünen, in einem Interview mit Radio Dreyeckland.

Der Begriff Gentrifizierung lässt sich nicht nur an einer„großräumigen Umstrukturierung“ festmachen. Auch eine „effiziente“ marktwirtschaftliche Stadtpolitik, deren Interesse dem Standortmarketing und nicht den Stadtbewohnern gilt, führt systematisch zu Aufwertung und Verdrängung. So meinte OB Salomon neulich bei einer Veranstaltung zur grandiosen „City 2020“: "Freiburg ist so teuer, weil es attraktiv ist. Sorry, das ist eben Marktwirtschaft". Ganz richtig, das ist eben Marktwirtschaft.

Es gibt viele Formen der Gentrifzierung. Auch in Freiburg beobachten wir, wie Stadtviertel aufgewertet und Menschen mit wenig ökonomischem Kapital verdrängt werden. Im Quartier „Westlich der Merzhauser Straße“ wurde das erst neulich eindrücklich aufgezeigt. Bei einer durchschnittliche Mietbelastungsquote von 44% des Einkommens kann hier nur weiterhin wohnen, wer seinen Lebensstandard massiv einschränkt. Diese Verdrängung aus dem Lebenstil hat hohe soziale Kosten und ist eines der Glieder im Gentrifizierungsprozess.

Auch wenn die Freiburger Stadtbau – als größter Mietwohnungsanbieter - im Auftrag des Gemeinderates die Mieten flächendeckend erhöht oder halbwegs günstigen Wohnraum wie in der Johann-Sebastian-Bach-Straße in Herdern gezielt zerstört, werden Menschen aus ihren Lebenszusammenhängen verdrängt und die soziale Segregation der Stadt – reicher Osten, armer Westen – nimmt weiter zu. Selbst über die Vergabe von Freiflächen zum Neubau teurer Eigentumswohnungen wird munter gentrifiziert: Dass die umliegenden Mieten dann steigen werden, ist allgemein bekannt – nur wieviele Menschen diese Mieten dann nicht mehr bezahlen können wird gerne ignoriert. Luxussanierung und teurer Neubau werden dennoch stets einer sozialverträglichen Nutzung vorgezogen. Es warten ja auch höhere Gewinne.

Dies alles ist kein Naturgesetz, sondern die logische Folge einer Stadtpolitik, die genau diese Ziele anstrebt: Finanzkräftige Investoren anlocken, große Geldsummen in die städtische Imagepolitik investieren (wie beim „Green City“-Marketingkonzept) und den öffentlichen Raum dem vermarktbaren Profil, nicht aber den Bedürfnissen der Menschen gemäß zu gestalten. Wer verucht, sich dem entgegenzustellen – wie bei der Besetzung eines Hauses in der Johann-Sebastian-Bach-Straße oder beim Protest gegen die enorme Mieterhöhungen der Stadtbau in Weingarten – dem antwortet die Stadt folglich auch mit Polizeigewalt, Klagen und Einschüchterungen.

Dass der Begriff der Gentrifizierung bislang vornehmlich auf großflächige Verdrängungsprozesse in Hamburg und Berlin bezogen wird, ist wohl eine Folge der medialen Vermittlung und verharmlosenden Wahrnehmung. Die für Berlin beschriebenen Prozesse finden in Freiburg natürlich im kleineren Maßstab, aber keineswegs mit geringeren Auswirkungen auf jede_n Einzelne_n und die städtische Sozialstruktur statt. Anstatt die direkten, lokalen Entwicklungen kritisch wahrzunehmen und darauf zu reagieren, wird von Politik und lokalen Medien allzugerne das schöne Bild der gentrifizierungsfreien, pseudoalternativen Freiburger Green-City-Utopie gepflegt.

 

(4) Es gibt in Freiburg etliche Wagenplätze, die G19 und mit der KTS ein großes, etabliertes AZ. Das ehemalige Z wird gerade wiederbelebt und es ließen sich noch mehr Beispiele finden. Warum braucht es noch mehr Freiräume?

Es braucht mehr Freiräume, weil die gesellschaftlichen Zustände so gestaltet sind, dass Menschen sich allzuoft nicht frei bewegen können, nicht selbstbestimmt in Erscheinung treten können und sich nicht frei entfalten können. Diskriminierung ist in vielen Formen in der Gesellschaft verankert, prägt uns alle und schränkt uns viel zu häufig in unserem Handeln ein. Die überall vorherrschende Verwertungslogik bringt uns dazu, in vielen Situationen nur Menschen als wertvoll anzusehen, die einen wirtschaftlichen Wert für uns haben – und wir handeln und verhalten uns dieser Erwartung gemäß. Das überall vorherrschende marktförmiges Verhalten führt zu einem konstanten Wettbewerb, bei dem es nur darum geht, sich in den bestehenden Strukturen möglichst effizient einzufügen und diese damit blind zu reproduzieren.

Freiräume dienen dazu, diese Zustände grundsätzlich zu hinterfragen können und andere, freiere Organisationsweisen erfahrbar zu machen. Dafür braucht es konkrete Beispiele, die sowohl von innen als auch von außen breiter verstanden werden müssen. In Freiräumen besteht der Anspruch, Herrschafts- und Diskriminierungsformen aufzudecken und zu reflektieren. Sie stellen einen Versuch dar, sich möglichst selbstbestimmt und menschlich zu organisieren. Dabei geht’s uns nicht nur um „Szene-Orte“, auf die der Begriff oft genug beschränkt wird, sondern um Räume, in denen wir alle selbstbestimmt leben, wohnen und uns organisieren können. Das für viele Menschen erfahrbar zu machen steht hinter dem Ziel, mehr Freiräume zu schaffen – daher kann's auch gar nicht genug davon geben, jedenfalls noch lange nicht.

Die „etlichen Freiräume“ in Freiburg sind übrigens keineswegs so etabliert, sondern mal mehr, mal weniger direkt in ihrer Existenz bedroht. So ist das politische Kunst-, Kultur- und Wagenplatzkollektiv Kommdo Rhino akut räumungsbedroht, die KTS wird weiter angefeidet, wie derzeit von Bahn und CDU, und der einzige studentische Freiraum in Freiburg, das KuCa der PH, soll auch bald weg. Auch begrüßen wir zwar, dass das ehemalige Z wieder kulturell genutzt wird, alle Versuche, diesen Raum als selbstorganisierten Freiraum zu gestalten, wurden aber von der Stadt mit Polizeigewalt bekämpft.

Es gibt so viele Bedürfnisse von Menschen, die aufgrund des künstlich hergestellten Raummangels nicht gestillt werden können. So gibt es viele Menschen, die in Wägen leben wollen, Raum dafür wird von der Stadt systematisch verweigert. Menschen wollen Räume in ihren Stadtteilen, um sich zu treffen, auszutauschen und zu organisieren. Menschen wollen sich an öffentlichen Orten aufhalten, ohne dabei einen Kaffee bezahlen zu müssen. Menschen wollen diese Räume auch nach ihren Ideen und Vorstellungen gestalten können. Wir wollen, dass es für alle Menschen, auch und gerade für Flüchtlinge, Obdachlose und andere sozial Ausgegrenzte, verfügbare Räume für soziale Aktivitäten gibt: Proberäume, Ausstellungsräume, Werkstätten, Cafés, etc. Und natürlich einen Platz zum Wohnen.

Freiräume sind Symbole, aber auch reale Orte, die sich der Gentrifzierung und der Inwertsetzung sämtlicher Lebensbereiche entgegen stellen können. Dabei beim Leerstand zu beginnen, sich diesen anzueignen und seinem eigentlichen, menschlichen Zweck zuzuführen, ist eben ein notwendiger und logischer erster Schritt.

 

(5) Ist Freiburg sucht den Supersquat nicht eigentlich eine Aufforderung zu Straftaten? Immerhin geht es ja um Hausbesetzungen. Habt Ihr selbst keine Angst vor Strafverfolgung bzw. keine Bedenken, daß andere deswegen verfolgt werden?

Uns ist vollkommen bewusst, dass nach geltendem Recht Hausbesetzungen eine Straftat darstellen. Es könnte aber auch anders sein. In den Niederlanden zum Beispiel waren Hausbesetzungen bis vor kurzem über Jahrzehnte hinweg legal und dienten als Instrument der Stadtpolitik gegen Leerstand. Auch sind Gesetzübertretungen als politisches Mittel in anderen Bereichen, wie z.B. bei Castortransporten, dem Protest gegen Stuttgart 21 und bei Nazi- Blockaden, schon längst gesellschaftlich etabliert. Warum also nicht auch bei Hausbesetzungen?

Wir glauben, dass bei den vorhandenen Beispielen den Menschen die Tatsache des Rechtsbruchs durchaus bewusst ist und sie dabei selbstverantwortlich handeln. Wir setzten bei so einer Aktion auf große Transparenz über die möglichen Konsequenzen und das eigenverantwortliche Handeln der Menschen: Jede_r von uns muss selbst entscheiden, welchen Stellenwert die Einhaltung der uns vorgesetzen Regeln und Gesetze für sein Leben haben soll. Bei Hausbesetzungen geht's auch nicht darum, dass sich einzelne Personen etwas aneignen, sondern dass Raum aus den Zwängen des Marktes befreit und der Gesellschaft zugeführt wird und somit alle daran teilhaben können. Der Akt der Befreiung von Räumen für eine kollektive Nutzung ist nunmal notwendigerweise ein Bruch des Rechts: Das Recht und der unbedingte Schutz des sogenannten „Privateigentums“ an Wohnraum führt über seine polizeiliche Durchsetzung dazu, dass Raum nicht den Bedürfnissen der Menschen gemäß eingerichtet, sondern zwecks Profitmaximierung verwertet wird oder einfach brachliegt. Das Recht schafft so genau die Verhältnisse, die wir kritisieren: Polizeilich fixierte, als „alternativlos“ definierte Herrschafts- und Eigentumsverhältnisse stehen einem selbstbestimmten Leben entgegen.

In unseren Zusammenhängen versuchen wir, direkt und selbstbestimmt zu handeln. Anstelle einer starren Rechtssprechung, die stets bestehende Machtunterschiede reproduziert und festschreibt, geht’s uns um die Etablierung freier Vereinbarungen, die ein solidarisches Zusammenleben ermöglichen. Dass das funktioniert, sehen wir immer wieder an bestehenden Freiräumen und solidarischen Strukturen.

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Ein bisschen lächerlich ist das schon. Es ist doch völlig normal, dass Interviews gekürzt werden. Deshalb würde ich keinen Aufstand in der Kommentarspalte und auf linksunten machen.

 

Die Antworten auf die Fragen enthalten meiner Meinung nach viel sinnloses Gebrabbel. Die Antworten hätten kürzer ausfallen können. Diese Geschichte mit "Squattie" hätte mensch sich gleich sparen können. Squattie ist einfach nicht lustig und wird es auch – drehe und wende mensch es, wie mensch es wolle — nicht werden.

 

Ansonsten zielt diese PHA-Kampagne in die richtige Richtung, sie ist unterstützenswert.