Gedanken für die Entwicklung eines Programmes der Destabilisierung

Athens

Schweigen ist Gehorsam. Es ist es wert, für einen Traum zu leben. Gedanken für die Entwicklung eines Programmes der Destabilisierung.

Zeig mir das Ziel aber zeig mir auch den Weg/

So verbunden sind Ziel und Weg/

dass sich das eine immer mit dem anderen ändert/

und neue Wege immer neue Ziele öffnen

F. Lassas

 

Stellung zu nehmen ist eine Tat politischer Verantwortung. Sie bedeutet, dass du die Tragweite des Kampfes und sein permanentes aufs Spiel setzen verstehst. Eine These ist nicht nur eine individuelle Angelegenheit. Sie beginnt bei jedem Einzelnen und endet bei allen. Sie ist ein Projekt. Sie ist der Weg auf dem wir wahrhaftig kommunizieren, den Problemen ins Auge schauend. So entwickeln wir uns, so schreitet der Kampf fort. Am 28. März 2010 werden bei der Explosion einer Bombe, die von Unbekannten im Stadtteil Patissia gelegt worden war, ein 15jähriger Afghane getötet und seine Schwester schwer verletzt. Zuerst haben wir die Pflicht, zu erklären, dass unserer Organisation keinerlei Verbindung mit diesem Geschehen hat. Wir wissen auch heute noch nicht, wer jene Bombe gelegt hat, was wir allerdings sicher wissen ist, dass die Verdächtigungen und die Vermutungen stärker sind, als das, was vielleicht tatsächlich an jenem Abend in Patissia geschah. Deswegen müssen wir sprechen...

 

Wir durchlaufen eine besonders entscheidende historische Situation. Die Diktatur des IWF, die Griechenland auferlegt wurde und alles was damit zusammenhängt, fordert unsererseits eine Mobilisierung von Kräften. Sie gebietet den Austausch von Meinungen über unsere Möglichkeiten, die kommenden gesellschaftlichen Explosionen zu entzünden. Doch die Bombe in Patissia hat uns von dieser Ausrichtung entfernt. Nicht weil wir Argumente unseres gerecht geführten Kampfes verloren haben sondern hauptsächlich, weil wir unfruchtbare Vermächtnisse hinterlassen haben. Das Schweigen ist alles andere als neutral. Es hat Auslegungen, Argumente und Projekte. Es bedeutet, dass jeder tun kann, was er will, so wie er will und sich hinterher hinter dem Schleier der Anonymität verstecken kann.

 

Wir müssen also klar stellen, dass der bewaffnete Kampf weder „Heldentum“ noch „Heldentaten“ hat, er hat allerdings Tragödien. Dass er keine persönliche Angelegenheit ist und das der Stärke der Methode eine riesige politische Verantwortung folgt. Dass, wenn die Bomben und die Kugeln ihr Ziel nicht finden, sie verhängnisvoll für Unschuldige und für die Genossen selbst, für den Kampf werden können. Für die Bewegung und ihre Geschichte. Wir sagen nicht, dass wir fehlerfrei sind, noch dass im Rahmen des Kampfes keine tragischen Unfälle passieren können. Genau aus diesem Grund aber ist dieses Problem nicht nur ein operationelles, sondern ein zutiefst politisches. Über die Organisation eines vollständigen Planes und über die Vorsicht hinaus braucht es also vor allem Bewusstsein. Das Verständnis des Revolutionärs für die Tragweite seiner Tat. Für ihr Risiko und ihre möglichen Folgen. Der Tot eines Unschuldigen kann nicht als Kollateralschaden eines Krieges behandelt werden, selbst wenn der Krieg gerecht ist. Deswegen ist Schweigen nicht nur verdächtig sondern auch gefährlich. Die Übernahme von Verantwortung in solch einem Fall ist keine Buße. Sie ist für den Revolutionär die Verteidigung seiner selbst und seiner Geschichte, dient dazu, seinen Charakter und seine Selbstkritik den „Kollateralschäden“ des Feindes entgegen zu stellen. Sie dient dazu, den Kampf nicht Verdrehungen und Verleumdungen auszusetzen.

 

Das Schweigen nach dem Verlust eines Unschuldigen bedeutet automatisch auch den Verlust unseres grundlegenden strategischen Strebens. Der Krieg gegen den Staat und nur gegen ihn. Die Würde. Wir haben auch in unserer letzten Erklärung geschrieben, dass wir nicht die Waffen vorschlagen, denn diese allein machen noch keinen Revolutionär. Einer der Gründe dafür, dass wir diese Haltung mit aller Kraft verteidigen, ist unsere absolute ablehnende Haltung gegenüber jeder Art „psychedelischer Ideologie“ von den Zwecken, die die Mittel heiligen.

 

Wir sind nicht starköpfig wir führen keinen Religionskrieg, es gibt keinen heiligen Zweck, der unsere Mittel heiligt. Es gibt nur Entscheidungen und Verantwortung. Und auf dieser Basis werden wir alle beurteilt. Der Stadtguerillero ist weder eine „heilige“ noch eine „tragische“ Figur. Er ist das Subjekt, das, seine persönlichen Widersprüche bekämpfend, begreift, dass es eine riesige Last historischer und politischer Verantwortung trägt. Das persönliche Risiko, dass er für seine Freiheit und sein Leben auf sich nimmt, macht ihn auf keinen Fall unkritisierbar. Im Gegenteil, die Dynamik der Mittel, mit der er zu agieren wählt, haben eine entsprechende Auswirkung (persönlich, gesellschaftlich, repressiv) die jede seiner Bewegungen entscheidend macht.

 

Die Kritik, die bei vielen Furcht oder Wut auslöst, bedeutet nicht nur Vorwürfe, Fronten oder Polemik. Kritik bedeutet für uns die kollektive Bewertung von Erfahrungen, um Fehler in unseren nachfolgenden Aktionen zu vermeiden. Bedeutet, dass wir (wieder) wissen/uns (wieder) kennenlernen. Eine Diskussion über die aktuelle Frage nach dem bewaffneten Kampf anlässlich der Ermordung des Kämpfers L. Fountas, des Todes des 15jährigen Afghanen, aber auch der Festnahmen der verfolgten Genossen wegen Mitgliedschaft im E.A., ist für uns eine Frage entscheidender politischer Bedeutung. Es ist unser Beitrag, unter Verständnis für den Anteil politischer Verantwortung, den wir als handelnde Subjekte haben, um Brücken der Kommunikation zu erhalten aber auch wieder aufzubauen. Es ist unsere strategische Ausrichtung, den bewaffneten Kampf im Maße unserer Fähigkeit mit den nunmehr gesündesten Bedingungen dialektisch mit der Bewegung zu entwickeln.

 

Unter den heutigen gesellschaftlichen Kräfteverhältnissen wäre es unpassend oder vielmehr gefährlich, den bewaffneten Kampf als zentrale politische Wahl zu setzen. Die Frage also militärisch zu stellen. Der Ausbruch der zeitgenössischen gesellschaftlichen Verhältnisse und Widersprüche, der Prozess also, der weit vor der „endgültigen Auseinandersetzung“ liegt, und von dem wir meinen, dass er sich noch im embryonalen Stadium befindet. Wie also kann der bewaffnete Kampf als Praxis angemessen und zeitgemäß sein?

 

Wir verfolgen unsererseits keinerlei deterministische Logik in Bezug auf die Entwicklung der Kräfte. Wir denken auch nicht, dass wir uns in einem Prozess des Wartens auf die vielgerühmten reifen Bedingungen befinden. Im Gegenteil wir unterstützen aktiv das grundlegende Prinzip der vielfältigen Aktion. Hier müssen wir ein wenig ausholen. Mit dem Begriff vielfältige Aktion meinen wir nicht Verallgemeinerungen weder des Spontanen, noch des Subjektivistischen. Wir sprechen von unserer unmittelbaren „Befreiung“ indem wir Strategien planen. Karten auffaltend und Koordinaten ziehend. Wir reden von einer einheitlichen gesellschaftlichen und einheitlichen geplanten Perspektive des Kampfes mit parallelen und sich gegenseitig bereichernden Erscheinungen. Stadtguerilla ist eine davon. Die Logik des Grats, die dem bewaffneten Kampf folgt, ist eine Falle. Sie ist die selbe Logik die hinterrücks die Fetischisierung der Gewalt in die revolutionäre Kreisen bringt und Teilungen gebiert.

 

Unsere Organisation wird sich in Zeiten gesellschaftlicher Explosionen und Spannungen mit radikalen Charakteristiken in der aufständischen Menge verlieren. Unser Stempel ist weder eine Anleitung zur Eitelkeit, noch haben wir napoleonische Illusionen über unsere Rolle als Avantgarde oder als Anführer der gesellschaftlichen Kämpfe. Wir leben für keinen Stempel und träumen nicht von mit Waffen gefüllten konspirativen Verstecken, sondern arbeiten an der Formung revolutionärer Bewusstseine, die Worte in Taten wandeln. Wir suchen nicht nach Händen für die Erfüllung unserer geheimen Pläne, sondern nach ganzen Genossen, „sauber“ und nicht infiziert von „revolutionärer“ Klientelpolitik und dem opportunistischen ideologischen Chamäleonismus. Genossen, die sich nicht von den Extremen des „revolutionären Hochmuts“ und den grandiosen selbstbezüglichen Komplimenten verführen lassen, sondern Individuen mit einem wesenhaften Beitrag zum umstürzlerischen Kampf. Genossen, die nicht vom lifestyle der Illegalität und dem „revolutionären Eigennutz“ des bewaffneten Selbstzwecks angezogen werden, sondern politisch bewusste Subjekte, die den bewaffneten Kampf als Teil der vielfältigen Bewegung ansehen.

 

Überhaupt ist für uns die antistaatliche/antikapitalistische Bewegung das Mittel und ihre Verbreiterung bildet die einzige Möglichkeit der Realisierung der gesellschaftlichen Revolution. Je weiter wir uns davon entfernen, umso mehr verlassen wir unser Ziel als Kämpfer.

 

Andererseits sind wir nicht bereit, unsere Waffen zu vergraben und mit auf der Brust verschränkten Händen darauf zu warten, dass die widersprüchliche Gesellschaft revoltiert. Denn für uns geht die Zuspitzung der gesellschaftlichen und klassenmäßigen Ausbeutung, je mehr Zeit vergeht und sie nicht von „unten“ die entsprechenden Antworten erhält, in eine Sklavenbeziehung und Abhängigkeit über, die Täter und Opfer produziert.

 

Für uns müssen die bewaffnet Kämpfenden, um erfolgreich zu sein, jedes Mal ihre Stellung begreifen. Heute kann der bewaffneten Kampf nicht als führend begriffen werden. Er ist der Bestandteil der Bewegung, der das Maß an Gewalt ausdrückt, das der Brutalität des Gebildes der Herrschaft entspricht. Der die permanenten und absolut gerechten feindlichen Handlungen ausdrückt.

 

Er ist das Projekt unserer Möglichkeiten, wenn wir uns entscheiden, gegen die Einsamkeit und das Murren vorzugehen. Die Diskussion über den bewaffneten Kampf kann nicht losgelöst von den Subjekten geführt werden, die in ihm agieren. Die Geschichte lehrt uns aus ihren verschiedenen Ausprägungen (zur nationalen Befreiung, marxistisch, nihilistisch, anarchistisch), dass die Guerilla keine feste und kompakte strategische Richtung hat.

 

Damit wollen wir betonen, dass im Zentrum einer solchen Diskussion nicht ständig die Waffen als gemeinsamer Nenner stehen können. Bevor wir von ihnen sprechen, haben wir die Verpflichtung, von den Subjekten zu sprechen, die sie gebrauchen. Über ihre Absichten, ihre Entscheidungen, ihre Kritik und Selbstkritik. Nur so können wir analysieren, in wie weit der bewaffneten Kampf vorantreibend werden kann (denn er kann) und in wie weit er schädlich sein kann (denn das kann er auch). Mit dieser Annahme, dass nämlich der bewaffnete Kampf kein politisch und militärisch steifer Prozess ist, sondern eine Praxis, deren Bedeutung von den jeweiligen Genossen und deren eigenen Beiträgen abhängt, glauben wir, dass es unnütz ist, in eine faule Diskussion mit der Logik einer Abstimmung zu fallen. „Bist du für oder gegen die Waffen?“

 

Heute berufen sich also einige (Ihren Äquivalenten anderer Zeiten gleich) nach Belieben auf historische Erfahrungen, um zu beweisen, dass der bewaffnete Kampf der Grund für die Niederlage der Bewegung der 60er und 70er war. Erstens kann für uns die Entwicklung des Kampfes nicht mit den Begriffen Sieg oder Niederlage bewertet werden. Genau weil wir uns entschieden haben, direkt in diesem mitzuwirken, haben wir gelernt, aus unseren „Niederlagen“ zu gewinnen, haben wir gelernt, die Fehler in unseren „Siegen“ zu entdecken. Die Geschichte ist keine mathematische Gleichung. Genau weil der Kampf keine Anfangspunkt und keinen Endpunkt hat. Er entwickelt sich auch dann noch, wenn er sich in einer Wende befindet. Auch dann noch, wenn er Tote und Gefangene zählt. Der bewaffnete Kampf ist nicht nur Blut und Repression. In der Geschichte unserer Genossen werden wir einen unschätzbaren Schatz der Generation entdecken, die Visionen hatte, Pläne machte, riskierte, fehlging, Maßstäbe setzte, blutete. Wir werden eine riesige politische Erfahrung entdecken, bei der wir die Verpflichtung haben, sie ins Heute zu bringen, von ihren Fehlern zu lernen, uns ihren Mut anzueignen und ihn zu überflügeln.

 

Das ist unser Verständnis von Geschichte. Wir verstehen sie als Erbe. Als ein ununterbrochenes Verhältnis von Genossen. Als einen strukturellen Bausstein für die Entwicklung des Kampfes. Unser Charakter, unsere Selbstlosigkeit, unsere Werte sind die Kugeln, die unseren Waffen Inhalt verleihen. Die Liebe, die den Hass tötet, die Menschlichkeit, die die Ausbeutung des Menschen tötet. Nur so wird die revolutionäre Gewalt unterscheidbar im breiten Spektrum der Gewalt. Dann sprechen die Aktionen für sich selbst. Wir kämpfen für die Selbstbestimmung und die Freiheit des Individuums und wir wissen, dass wer die Welt ändern will, leicht Träume hat  aber nicht den Willen, diese auch umzusetzen. Wir skizzieren also die Realität, so wie sie heute ist, um die revolutionären Thesen unseres Kampfes neu auszurichten.

 

Die weltweite kapitalistische Krise bezeichnet eine neue Runde von Verfahren der Integration, also der Häufung des angehäuften Kapitals in der Hände weniger, insbesondere nach der gewalttätigen Abwertung der Arbeit der Vielen als Folge der dreihundertjährigen Ausformung einer globalen Wirtschaft unter den Diktaten des Neoliberalismus. Die Krise ist ein dem Kapitalismus inhärentes Phänomen und keine Abweichung von seiner Funktionsweise. So ist es auch eine Tatsache, dass auch in früheren kapitalistischen Krisen in den 70ern und 80ern, die Reorganisierung des Kapitals mit der vollständigen gesellschaftlichen Umordnung, die sie mit sich brachte, es nicht nur geschafft hat, die Wirtschaft zu stabilisieren, sondern auf nunmehr globaler Ebene, die Bedingungen für lukrativere Gewinne zu setzen.

 

In den Krisen in den 70ern und 80ern, die von einer starken Arbeiterbewegung gezeichnet waren, die ihrer Weigerung, sich in das konservative bürgerliche Umfeld zu integrieren aber auch ihrem Widerstand gegen die untragbare wiederholende Gleichförmigkeit der Arbeit in den Produktionsketten der Fabriken zum Ausdruck brachte, gingen die Bosse zu einer massenhaften Einführung der (damals) neuen Technologie über. Die radikale Reorganisierung der Arbeit mit dem Gebrauch von Maschinen brachte den Bossen im Wesentlichen eine doppelte Garantie. Einerseits konnten sie die Produktion immens steigern, da die Maschinen im Vergleich mit den Arbeitern ein Vielfaches an Produktivität hatten, während andererseits die Ersetzung des menschlichen Faktors durch die Maschine es schaffte, das gestärkte Klassensubjekt in der Basis für seine Zusammenschlüsse, die die Arbeitsorte, besonders die Fabriken waren, zu zersplittern.

 

Es war aber die Steigerung der Produktivität, die einen Warenüberschuss produzierte, denn die „beschränkten“ Binnenmärkte konnten nun nicht mehr die Überzahl der produzierten Produkte abnehmen. Deswegen sicherte die schrittweise Entmaschinisierung der kapitalistischen Zentren mit der Drittsektorisierung der Arbeit und der Einführung der sogenannten „Dienstleistungsökonomie“, die im Wesentlichen die metropolitische Basis für die aus der Ferne gelenkten, in die Länder der Peripherie verlegten Produktionseinheiten bildeten, die Befreiung des Kapitals aus seinen „nationalen“ Schranken.

 

Der Neoliberalismus als der absolute politisch-ökonomische Ausdruck, der die neuen Bedürfnisses des Kapitals verdichtet, öffnete dem Gewinn neue Horizonte, für immer die engen Felder der nationalen Ökonomie überwindend. Die stürmische Entwicklung der multinationalen Firmen, die in einer internationalisierten Wirtschaft gediehen, zeichnete die globale Karte neu mit dem Ziel der reibungslosen Ausdehnung des Kapitals. Das neue Dogma, das nunmehr herrscht, stützt sich auf den Dipol der ausländischen Ausweitung und der inländischen Schrumpfung, so dass das Kapital einerseits unbehindert seine Tendenz zur Ausdehnung befriedigen kann, indem es konkurrierende Staaten-Märkte besetzt und andererseits im Inneren der Länder einen Prozess der permanenten Schrumpfung gesellschaftlicher und Arbeiterrechte auferlegen kann.

 

Die Befreiung des Marktes, die eine strukturelle Voraussetzung für die Reorganisierung des Kapitals war, bildete den Ausgangspunkt für die Überwindung des Keynesianischen Modells, das bis dahin in der kapitalistischen Welt gediehen war. Im Gegensatz zu den neuen Bedürfnissen der Wirtschaft, sah der Keynesianismus den permanenten staatlichen Eingriff vor, also auch die Kontrolle der Aktivitäten des Kapitals, die Regulierung des Marktes nach dem Kriterium der Nachfrage und nicht der Produktion, aber auch die Bereitstellung gesellschaftlicher Aufwendungen mit dem heute vollständig überwundenen Modell des Sozialstaates. Der Neoliberalismus wird sich endgültig durchsetzen, einen Orkan an Neuordnungen mit sich bringend, der jede Begrenzung der Funktion des Kapitals Vergangenheit werden lässt.

 

Die Gesellschaft zweier Geschwindigkeiten wird deutlicher als je, da in der neuen globalen Umwelt das einheimische und das multinationale Kapital die gesellschaftlichen Gegebenheiten im wahrsten Sinn des Wortes auskehren. Die Arbeit wird flexibilisiert und den modernen Bedürfnissen des befreiten Markts angepasst, da das Kapital das Modell der unbefristeten und festen Arbeit überwunden hat und in die Schöpfung einer billigen, flexiblen und prekären Beschäftigung übergegangen ist. Parallel werden Löhne und Renten permanent gesenkt, während ein riesiges Spektrum an gesellschaftlich von den grundlegenden Bedürfnissen Ausgeschlossenen geschaffen wird, wobei die Bereiche Gesundheit und Bildung in die Sphäre der Privatisierung übergehen.

 

In diesem neuen globalen Szenarium wird der Begriff der Wettbewerbsfähigkeit zum Dreh- und Angelpunkt, so dass die Öffnung der Märkte in die monopolistische Konzentration des Reichtums durch die wirtschaftlich Starken mittels der Plünderung der wirtschaftlich unterentwickelten Länder führt und schlussendlich in ihre Verwandlung in Zonen für Investition und Konsum. Im Wesentlichen sind die kapitalistischen Allianzen wie die der USA (NAFTA) und Europas (EU), exakt auf der Notwendigkeit der Sicherung der Herrschaft der führenden wirtschaftlichen Staaten innerhalb ihrer Formationen erschaffen worden. 

 

Der Eintritt Griechenlands in eine derartige Formation (EU) hat selbstverständlich eine Beziehung der Abhängigkeit von den entwickelten kapitalistischen Ländern (Frankreich, Deutschland) gebracht, da die Natur der befreiten Wettbewerbsmärkte – insbesondere wohl wenn es sich um wirtschaftlich ungleiche Länder handelt – die Tendenz hat, die Schwachen zu unterdrücken. In vollkommenem Gegensatz also zur herrschenden Rhetorik, die bereits vom Eintritt in die EWG von einer Garantie für Aufschwung und Schutz vor dem globalen wirtschaftlichen Wettbewerb gesprochen hat, sah die Realität so aus, dass die einheimischen Bosse wussten, dass dies nicht möglich sein würde. Mit der graduellen Entindustrialisierung des Landes, der Schaffung also einer Wirtschaft ohne die kleinste produktive Basis, gab es nicht nur keine Möglichkeit für „Schutz“, sondern nicht einmal auf lange Sicht die Chance für die griechische Wirtschaft, in einem allgemein konkurrierenden Mechanismus wie dem der Europäischen Gemeinschaft zu überleben.

 

Die ideologische Verbrämung eines scheinbar europäischen modernen Griechenlands verdeckte über dreißig Jahre hinweg die Aufschwungs-„Blase“ einer immer weiter wachsenden Auslandsverschuldung. Das Unvermögen, das Defizit der Außenhandelsbilanz des Landes ins Gleichgewicht zu bringen mit der gestiegenen Einfuhr von Produkten der Gemeinschaft ohne die entsprechende Möglichkeit der Ausfuhr der einheimischen Produkte, verfestigte eine Situation der permanenten Darlehensaufnahme des griechischen Staates. Es ist also offensichtlich, dass die einheimischen Bosse sehr gut über die Folgen des Eintritts in die europäische kapitalistische Umwelt Bescheid wussten, sich aber aus ebenso offensichtlichen Gründen dafür entschieden, sich dem Dogma des Neoliberalismus anzuschließen. Die Mittel und Darlehen an den griechischen Staat, entweder für die Vorantreibung gesellschaftlicher Programme oder hauptsächlich für die Stärkung des inländischen Marktes, damit der Markt der europäischen Produkte gesichert wird, bildeten eine riesige Einkommensquelle für die Taschen der Bosse. Parallel versetzte die getreue Umsetzung der neoliberalen Politiken mit der Deindustrialisierung und Drittsektorisierung des Arbeitsmarktes, der Zerschlagung des ersten Sektors mit der Abwertung der inländischen landwirtschaftlichen Produkte und der Plünderung des Agrarpotentials durch die Großgenossenschaften aber auch die permanente Senkung von Löhnen und Renten, die niedrigen gesellschaftlichen Schichten in ein abgewertetes Arbeitsprodukt, in eine sklavenhafte Konsumgesellschaft.

 

In den Anfängen der 90er schufen die neoliberalen Politiken der Einschränkung der Leistungen erneut ein Handelsüberschussproblem, da die Produktion in schnellem Rhythmus fortlief, die Löhne aber und damit auch die Kaufkraft, zurückgingen. Die Antwort auf ein drohendes Ausbrechen einer Krise gaben die Banken, die sich bereits als Speerspitze der imperialistischen neoliberalen Politik herausgestellt hatten, die Kontrolle über die globale Zirkulation des Geldes bewahrend. Die inländischen entwickelten Bankinstitute, die Reichtum aus den europäischen Kassen gesammelt hatten, gleichzeitig aber dem griechischen Staat Darlehen gewährt hatten und dies zu besonders hohen Zinsen, gingen zu einer beispiellosen massenhaften „Finanzierung“ der „unten“ über, stärkten also klassenübergreifend die Kaufkraft, so dass das Gleichgewicht beim Handelsüberschuss wieder hergestellt wurde. Auf globaler Ebene gab die massenhafte Vergabe von Darlehen, die sogenannte „Schuldenökonomie“ der entwickelten kapitalistischen Welt eine letzte Atempause, da  die ungefähr 20 Jahre der erhöhten Produktion und gleichzeitiger Minderung der Löhne unweigerlich in eine Krise der Überanhäufung führten. Die großzügige Kreditvergabe sogar an gesellschaftliche Gruppen ohne jede Möglichkeit zur Rückzahlung, sicherte außer einer massiven Steigerung der Kaufkraft auch die Disziplinierung der unteren Schichten, da der vermeintliche Anstieg des Lebensstandards aber auch die permanente Erpressung für die Rückzahlung der Kredite einen mächtigen Repressionsmechanismus gegen einen eventuellen Ausbruch einer gesellschaftlichen und klassenmäßigen Verweigerung bildete.

 

Die „Schuldenökonomie“ importiert im Grunde ein neues Finanzsystem, das nicht mehr auf den traditionellen greifbaren Profit fußt, sondern auf den Kauf und Verkauf von Darlehensschulden zwischen Banken, mit anderen Worten auf das Gewinnpotential der aktuell nicht abbezahlten Kredite, die schlussendlich eine fiktive Ökonomie schufen. Die „Blase“ des Finanzsystems, die 2008 platzte, war das Ergebnis einer langjährigen Anhäufung nicht vorhandener Gewinne, die auch den Geldhahn für die Kreditvergabe an die Staaten schloss, also in Folge auch den Ausbruch der globalen kapitalistischen Krise mit sich brachte. Die grundlegende Priorität der Staaten in diesem Moment ist die Rettung ihrer Banken, genau weil diese die Säule ihrer imperialistischen Herrschaft darstellen. Sogar das „arme kleine Griechenland“, wie viele von den Rechtsextremen bis zur patriotischen Linken es nennen möchten, predigt die Rettung seiner Banken, die sich seit 20 Jahren, den Balkan plündernd, ausgeweitet haben. Es ist bezeichnend, dass nicht nur ein den 110 Milliarden entsprechender Betrag schon vom griechischen Staat für die Stärkung der Banken abgerufen wurde,  sondern dass die Verlängerung der Zeit bis zur Bankrotterklärung und die Neuverhandlung der Schulden geschieht, um so weit wir möglich die Gewinnverluste der Kreditbanken in Griechenland zu verringern. Die Neuverhandlung der Schulden würde eine Verringerung der Rückzahlung an die Gläubiger bedeuten, die zu einem großen Teil keine anderen sind, als die griechischen Banken selbst, etwas, das von den Medien fleißig verschwiegen wird, die von fremden Spekulanten reden, die das Land plündern.

 

Die Entscheidung des griechischen Staates, sich in den Stützungsmechanismus der Troika (IWF, EU, EZB) zu flüchten und die Folgen, die in einer Reihe reißender Umordnungen kristallisierte, war keine „notwendige“ Entscheidung zur „Rettung“ der Wirtschaft, sondern ein Akt der vollständigen Einordnung des Landes in die Rezepte des Neoliberalismus. Die jetzige Phase der Krise ist, wie die Geschichte bestätigt, nicht einfach ein Zwischenstadium der Anpassung des Kapitals zur Vermeidung der Zyklen, denen es unterliegt, sondern ein beschleunigter Prozess für eine höhere Profitabilität mit klar skrupelloseren Bedingungen. Die Vernichtung der Arbeiter- und breiteren gesellschaftlichen Rechte bei gleichzeitiger Beschränkung der Freiheiten, die bereits in dem vorgeblichen Versuch der Abwendung eines drohenden Bankrotts vorgenommen wurden, während die unteren gesellschaftlichen Schichten bereits bankrott sind, sind eine weitere Strategie der Neuformung zu Bedingungen einer vollständigen Unterwerfung der gesamten Gesellschaft zu Nutzen des Kapitals.

 

Die neoliberale Politik deckt sich absolut mit den Interessen der einheimischen Bosse, so sehr diese auch demagogisieren, von der „Notwendigkeit der Auferlegung von Maßnahmen“ und dem „Schutz vor den fremden Kräften“ redend. Die auslaugenden Sparmaßnahmen, die auferlegt werden, sind kein kurzfristiges Programm, dass die Bosse gezwungen sind, mit der Perspektive einer wirtschaftlichen Erholung und der Wiederherstellung des Gleichgewichts aufzuerlegen, da in diesem Moment vom Kapital ein neues Gleichgewicht geformt wird, dass als Voraussetzung eine radikale und dauerhafte Neuzusammensetzung der Gesamtheit der gesellschaftlichen Aktivitäten hat. So, in der Form einer Dampfwalze, definieren die „notwendigen Maßnahmen zur Rettung des Landes“, die auch den permanenten Refrain der Hochsprache der griechischen Rhetorik ausmachen, auf einen Schlag die Organisation der Arbeitssphäre neu.  Lohnsenkungen, Entlassungen, die Schaffung von Werkstarifen, Praktikantenlöhne, während sie gleichzeitig ultimativ mit allem, was noch vom vermeintlichen Sozialstaat übrig war aufräumen, die grundlegenden Rechte und Errungenschaften, wie Sozialversicherung, Gesundheitsfürsorge und Bildung zerschlagend. Die Krise und ihre Folgen, die sich in der Ausformung neuer politisch-ökonomischen Verhältnissen manifestieren, im Grunde also in der Veränderung der gesamten gesellschaftlichen Landkarte, vervollkommnen das Modell der neoliberalen Organisation des gesellschaftlichen Lebens.  So sind die weitere Flexibilisierung und schlussendlich die extreme Abwertung der Arbeit, die Umwandlung der einstmals gesellschaftlichen Gegebenheiten (Rente, Gesundheitsfürsorge) in Privilegien der klassenmäßig oberen Schichten, die bewaffnete Bewachung des neuen Systems mit der Militarisierung der Metropolen und der umfassenden Präsenz der Bullen, einige der Teile, die die neue Umwelt bilden, in die die Gesellschaft mit Gewalt eingepasst werden muss.

 

Es ist offensichtlich, dass das neue System, das in diesem Moment eingerichtet wird, das System des neuen Totalitarismus, keine Wohlfahrt versprechen kann, kein Gegenleistungen bieten kann. Sogar die Stabilisierung der Wirtschaft, die im Grunde die vollkommene Einordnung des Landes in die modernen Bedürfnisse des Kapitals bedeuten wird, kann nicht nur (nicht einmal) keine verzerrte Glückseligkeit bringen, derjenigen gleich, mit der die griechische Gesellschaft über zwei Jahrzehnte ausgekommen ist, sondern setzt im Gegenteil auf die vollständige Integration in die neuen harten Lebensbedingungen, die das Kapital auferlegt, damit es wieder profitabel wird.

 

Die extremsten Formen der Neuordnung und Überwindung der kapitalistischen Krisen haben sich in zwei Weltkriegen in der Geschichte niedergeschlagen. In diesem Moment sieht es nicht so aus, als stünden wir vor einem Zusammenstoß zweier Länder der Ersten Welt, um die Karten neu zu verteilen und damit das Kapital sich aus dem Sumpf befreit. Sicher müssen aber unter den Bedingungen großer Rezession wie in unseren Zeiten, damit die Ökonomien wieder in Gang kommen, einige zur Schlachtbank geführt werden. Und da dies heute nicht auf den Schlachtfeldern passieren kann, muss der neue Totalitarismus moderne Opferstätten einweihen, Isolations- und Elendszonen innerhalb der Metropolen schaffend. Es ist also heute im brutalsten Ausdruck des Klassenkrieges, wo die Herrschenden dieser Welt nicht nur keine Gegenleistungen anbieten können, sondern uns mit Gewalt in den Lebens-,  geistigen und gesellschaftlichen Abgrund stoßen. Heute also wird zurückgebracht, was für viele Jahrzehnte beharrlich im Bewusstsein der Staatsangehörigen der Ersten Welt und ihrer spektakulären Demokratie verdreht wurde, dass der Faschismus nicht den politischen Extremismus einiger Irrer darstellt, sondern die extremste Form der Stärkung des Kapitals. Heute aber braucht dieser neue Faschismus keine Hakenkreuze und Militärparaden, um sich durchzusetzen. Er hat seit langem diese gefühlsmäßig veraltete Organisierung der Gesellschaft überwunden, beharrt aber auf dem selben Ziel: die vollkommene Disziplinierung und Unterwerfung der unteren gesellschaftlichen Schichten, des Proletariates, unter das Monopolkapital und die Gewalt des Staates.

 

Die inländische Ausgabe des neuen Faschismus hat bereits auf offenste Weise begonnen, nicht so sehr für die Einheimischen (bei denen „beschränkt“ sich der Staat bisher auf das Abernten von Löhnen und Renten) als vielmehr für die migrantischen Arbeiter. Die Zentralität der Migrationsfrage, die keineswegs zufällig mit dem Ausbruch der Krise gestellt wurde, aber auch die bereits umgesetzten faschistischen Formen ihrer Beantwortung, mit gesellschaftlichem zur Zielscheibe machen und Polizeiprogromen, dem Kauf schwimmender Gefängnisse, der Etablierung von Todeszäunen an der Grenze durch professionelle Mörder der FRONTEX, die permanente Renovierung von Militärlagern unter der euphemistischen Bezeichnung „Unterbringungszentren“, machen deutlich, dass das System angreift indem es über Leichen geht.

 

Und hier darf es keine Gleichgültigkeit geben, den diese Körper mögen zwar momentan noch nicht unsere eigenen sein, sicher aber kündigt das, was heute den „Unerwünschten“ geschieht, unsere eigene Zukunft an. Denn auch wenn wir alle keine „Fremden“ sind, so bereiten die Bosse doch bereits die Bedingungen vor, uns als solche zu behandeln. Die „Kriminalisierung der Migranten“, die hauptsächlich aus der ideologischen Sphäre der Sicherheit und der Null Toleranz vorangetrieben wird, zielt nicht auf die Wiederherstellung der Ordnung im Zentrum Athens. Hier herrscht die Ordnung, da der Staat, indem er einen großen Teil der migrantischen Bevölkerung in den Vierteln im Zentrum konzentriert hat, die totale Kontrolle behalten kann. Die Rolle der Polizei ist, soviel auch die Journalisten so tun, als würden sie nicht verstehen, indem sie von der Unfähigkeit das Stadtzentrum zu säubern schreien, einerseits die vollständige Erfassung und Kontrolle des fremden Arbeitskraft und andererseits die totale Kontrolle der Schattenwirtschaft, also auch ein Teil aus dem Gewinn des Schmuggelhandels, des Drogenhandels und der Prostitution. Die „Kriminalisierung der Migranten“ bedeutet einen großen Teil der Ausgebeuteten, die nunmehr aufgrund des globalen Prozesses der Konzentration von Arbeitskraft überflüssig sind, zur Zielscheibe zu machen. Die Neuordnung des Kapitals hat schon immer nach menschlichem Fleisch gerochen. So wird auch in der derzeitigen Phase der Krise das Kapital zuerst die Schwächsten erledigen, Kugeln der Abschiebung, Prügel und Dämme verteilend. Danach sind wir Übrigen an der Reihe.

 

In dieser Umwelt der allgemeinen Umwälzungen und der totalen Gewalt müssen wir also unsere revolutionären Kampfthesen neu definieren. Das Wort Neudefinition ist für uns aufdeckend doppeldeutig. Einerseits deutet es die Notwendigkeit des Kartografieren der derzeitigen Verhältnisse mit dem Ziel ihres endgültigen Umsturzes. Andererseits erkennt es den kollektiven Verlust wertvoller Zeit an, mit anderen Worten unsere Unfähigkeit, eine revolutionäre Bewegung (wieder)aufzubauen, weit vor dem so oder so absehbaren Ausbruch der Krise, so dass wir die verheerenden ökonomisch-politischen Umgestaltungen aufhalten können. Allerdings kann dieser Verlust schlussendlich nicht in Zeit gemessen werden. Es ist einfach so, dass die Zeit, unsere verlorene Zeit, schonungslos unsere Schwächen aufdeckt, uns daran erinnert, wie unerträglich es ist,  erstaunt zu beobachten, wie unsere Leben pulverisiert werden. Es ist also nicht die Zeit, die sich hinter unseren schreienden Schwächen verbirgt. Es geht darum, dass heute in der Angelegenheit der gesellschaftlichen Revolution die Grenzen des „wer, mit wem und wie“ schwer zu unterscheiden geworden sind. Und während wir uns all dies fragen, vielleicht nicht unberechtigt, wird das Schlachten beschleunigt. Heute gibt es also kein Selbstverständliches, es ist nicht zwangsläufig, dass die immer schlechteren Lebensbedingungen, die auferlegt werden, in eine massenhafte gesellschaftliche Radikalisierung führen werden und schlussendlich in eine allgemeine Konfrontation mit dem Staat. Potentiell und nur wenn eine Reihe gesellschaftlicher und die Bewegung betreffender Vorbedingungen erfüllt werden, könnten wir in einen radikal umstürzlerischen und schlussendlich revolutionären Prozess geführt werden. Einerseits erleben wir also einen historischen Übergang, eine schockierende Wendung der Gegebenheiten, die bereits gesellschaftliche Regungen und Unzufriedenheit hervor rufen, andererseits aber können diese nicht in eine vereinte revolutionäre Bewegung addiert werden. Zunächst muss dieses Unvermögen in der gesellschaftlichen Vorgeschichte der Krise aufgespürt werden, in der Zeit also, wo das gesellschaftliche und klassenmäßige Subjekt vollkommen zersplittert wurde. Dies ist keine Frage einer einfachen Erzählung der Vergangenheit, sondern eine Frage der Suche nach entscheidenden Antworten in einer Zeit, wo der Staat in dem Moment, als er falsche Glückseligkeit verkaufte, gleichzeitig im Voraus den gesellschaftlichen Frieden sicherte, die gesellschaftlichen und klassenmäßigen Heranreifungen zerschlagend. Bereits ab 81, der Zeit des „Wandels“ der PASOK, wird der historische „Wiederaufbau“ der Linken beschleunigt, mit ihrer Aufnahme in entscheidende Stellen des Staatsapparates, wie die der Politik, der Kultur, des Unternehmertums und des Journalismus, das Fundament für den Aufbau eines gesellschaftlichen Konsenses legend, die Widerstände im breiten Sammelbecken der Linken deaktivierend. Die Schöpfung eines vermeintlichen Wohlfahrtsstaates mit Geldern, die aus den immer mehr werdenden Darlehen aus Europa stammten, mit den Lohnerhöhungen, vor allem aber mit der Aufblähung des öffentlichen Arbeiter Sektors – der auch den Ausgangspunkt für die partei-kundenmäßigen gegenseitigen Gefälligkeiten bildete – brachte eine Illusion von Wohlstand. Die vollständige Assimilation der Linken aber auch die breitere gesellschaftliche Anpassung, führte in den Verfall der bis dahin kämpferischen Betriebsräten und Gewerkschaften aber auch zu einer allgemeinen Wendung hin zu Gleichgültigkeit einer Gesellschaft, die bis vor Kurzem die Politik tief in ihrer Geschichte verankert hatte. Anfang der 90er brachte die drohende Akkumulationskrise, wo die Löhne erneut schrittweise sanken, die Banken dazu, ihre Kassen zu „öffnen“ und in Massen Kredite an die unteren Schichten und kleinen Mittelschichten zu vergeben. Der strategische Kern der massenhaften Streuung der Illusion von Glückseligkeit beschränkte sich nicht auf die Sicherung des Konsums der produzierten Produkte, war also keine neutrale Transaktion sondern eine komplette Neuordnung der gesellschaftlichen Beziehungen. Das Kapital dringt in jeden Bereich des Lebens ein und entfremdet es, neue gesellschaftliche Charaktere schaffend, die sich vollkommen an das importierte Modell einer vollständigen Konsumgesellschaft anpassen. Die neuen Ideologien, die dieses Modell umgeben, zerstören jeden Begriff von Gemeinschaft und fördern die niederträchtigsten Instinkte des individuellen Vorteils und der Eitelkeit. Der gesellschaftliche Körper wird in ein vielfarbiges Konsumpotential verformt, in eine Summe egoistischer Individualisten, die sich der Jagd des Erringens der neuen verlogenen Möglichkeiten widmen, die der Kapitalismus bietet. Die „Möglichkeiten“ reich, schön und berühmt zu werden, bilden nun die Essenz des Lebens in einer Umgebung zerstörter Werte. Und in dieser Umgebung werden absolut alle Erinnerungen an gesellschaftliche und klassenmäßige Widerstände getilgt, eine persönlichkeitszentrierte Ideologie der Loslösung aus selbst den geringsten Charakteristiken einer solidarischen kollektiven Gesellschaft erschaffend. Heute also, wo uns die Spritzen des Schlafmittels Konsum ausgehen, bleiben Einsamkeit und Nebenwirkungen übrig. Uns blieb das Schwindelgefühl, das die vergangene Epoche zurück gelassen hat, das Schwindelgefühl einer Gesellschaft, die für ein paar Dosen Macht ihr wertvollstes Erbe aufgegeben hat: die Kollektivbildung, den Widerstand, die Phantasie. Die zivilisatorische Krise ist also der wirtschaftlichen vorangegangen, die, die die organisatorischen Möglichkeiten der „unten“ verdeckt. Durch sie hat es das Kapital geschafft, den Glauben an die Möglichkeiten des kollektiven Widerstandes aus dem gesellschaftlichen Bewusstsein zu reißen. Deswegen bleibt heute jeder allein, deswegen kann auch der verstreute Protest – zumindest derzeit – nicht zum vereinten Widerstand werden.

 

Gibt es letztlich keine Hoffnung? Bedeckt ein endloser Winter unsere Leben? Nein und nochmals nein. Die Bosse dieser Welt wissen, dass so viele Geister, so viele Körper sie auch zerstören, die Möglichkeit doch am Leben bleibt. Die Möglichkeit, dass einige inmitten der allgemeinen Erstarrung den Kopf heben. Und mit ihnen zusammen, heben ihn auch andere. Die kapitalistische Krise und die unerträglichen gesellschaftlichen Umwälzungen unweigerlich eine Instabilisierung kreieren werden, ein Schwanken im Glauben der herrschenden Gegebenheiten. Das genau ist der Moment, der zeitlich privilegierte Boden für das gesellschaftliche Erwachen aus den institutionellen Ideologien und die Weitergabe der umstürzlerischen Theorien. Aus diesen Zeilen heraus beanspruchen wir nicht, Lösungen zu geben. Es sind nicht unsere speziellen Kenntnisse und Techniken, die eine Kultur des kollektiven Widerstands wieder erschaffen. Es braucht etwas sehr tiefes, etwas sehr schwieriges: die Wiederaneignung des Glaubens in unsere kollektive Kraft. Von uns allen. Wir erklären uns nur anwesend und aus der Bastion des bewaffneten Kampfes zum gebieterischsten Aufruf unserer Zeit. Der Aufruf, außerhalb der geistigen Sümpfe jedes Patriotismus, die Reihen unserer klassenmäßigen Selbstverteidigung zu bilden. In den Bürger-Klassen-Krieg überzugehen, die Botschaft verbreitend, dass nicht nur einige die Köpfe heben, sondern dass sie nun auch in die Augen der anderen schauen müssen. Dass wir nun alle wieder lernen müssen, unsere einzigen wirklichen Waffen zu handhaben: die Kommunikation und die Organisation. Denn niemand anders wird dies für uns tun, denn die Führer und Retter waren immer die Verantwortlichen für unsere Niederlagen. Und das Wort Niederlage hat nunmehr keinen Platz mehr.

 

Aus diesen Gründen haben wir uns entschieden, einen staatlichen wirtschaftlichen Organismus anzugreifen. Die Steuerämter bilden allesamt grundlegende Säulen für das Vorantreiben der räuberischen Politik des Kapitals. Das Auferlegen von Steuern  für den gesellschaftlichen Körper, noch dazu mit ihrer andauernden Erhöhung, ist der permanente Tribut den die Sklaven der Wirtschaft den Verwaltern der Herrschenden gezwungen werden zu zahlen. Der neue Generalsekretär für Steuer- und Zollfragen, G. Kapeleris hat es als echter Schurke der PASOK Regierung, die das Land dem IWF übergeben hat, von seiner vorherigen Stelle als Sondersekretär der Steuerpolizei aus, übernommen, Strafen und Steuern auf Grund des Schuldenmemorandums in Höhe von 7 Milliarden Euro für das gesamte Jahr aufzuerlegen. Natürlich wird diese Betrag nicht durch die Besteuerung der Reichen in diesem Land gedeckt werden. Wir sollten uns nicht von den „beeindruckenden“ Auftritten der Finanzpolizeibehörde in Luxusvillen und bei berühmten Ärzten hinters Licht führen lassen. Die kommunikative Propaganda der Demokratie kann den wahren Grund nicht verstecken: den räuberischen Angriff zu Lasten der Werktätigen.

 

„Ich umgehen einen Felsen, der meine Weg versperrt, bis ich genug Dynamit zusammen habe, um ihn in Stücke zu sprengen; ich umgehe die Gesetze eines Volkes, bis ich genug Kraft gesammelt habe, um sie abzuschaffen.“

 

In den folgenden Zeilen werden einige interne Gedanken ausgedrückt als eine mindeste Ehrenbezeugung für den Revolutionär Lambros Fountas, der stolz mit der Waffe in der Hand in den  attackierten Reihen des bewaffneten Kampfes fiel, auf schärfste Weise seine persönliche Selbstverweigerung zeigend, den Tiefen Gang der antisystemischen Aktion, die Überwindung des Eigenbewusstseins und der Entscheidung; es sind jene gezählten Stunden, wo das menschliche Denken eine subjektive Wahrheit erringt, gefüllt mit revolutionärem Mut, in einer nicht theoretischen sondern praktischen Frage. Der Mensch in der Praxis muss alles verneinen, was ihn einschränkt auf diesem kriegerischen Feld, auf dem der Weg des Widerstands in die Verwirklichung für echtes Leben führt...

 

 Der Weg ohne Wiederkehr berauschte sich mit der zyklischen Zeit, wurde verführt, begann zu sprechen, vom freien Geist des Unanpassbaren zu träumen, von der wilden Schönheit des Aufständischen, dem Marsch der endgültigen Geraden, der letzten Schlacht....

 

Im grauschwarzen Horizont der Metropole des Schmerzes, offenbarte sich ein gelber Nebel aus dem Gestern auf vulgäre Weise um gefüllt mit Güte den „Gewählten“ den heimtückischen Becher anzubieten, der den Morast der Unmenschlichkeit, das gesellschaftliche Unrecht enthält...

 

Auf diesen dornigen Einbahnstraßen wütet der Alptraum der Lächerlichmachung, der Erniedrigung, die Träume ertrinken im Dreck der vulgären Ideologien, die freundliche Gegenwart wird von der elenden Logik des Nihilismus tyrannisiert, der Geist des Eigenbewusstseins wird von den dunklen Zentren der mafiösen Invasionen geschlachtet, die goldgeschmückten „Gewählten“ spotten, schlagen ohne Erbarmen zu, Tag und Nacht an die gleiche Theateraufführung gefesselt...

 

Plötzlich legt sich der Wind, die Nacht trägt ihre schönsten Kleider für den bekannten abenteuerlichen Spaziergang, eine seltsame Stille entblößt sich auf den Straßen des blutgetränkten Kampfes, sanft die Geräusche der Metropole bedeckend und in den freudlosen Vierteln beginnt diese geheimnisvolle Hochzeit der Nacht Gestalt anzunehmen, sowieso ist ihre jahrhundertealte Liebesbeziehung mit dem revolutionären Menschen bekannt...

 

In jenem ursprünglichen Gefühl der Anziehung, in jenem metaphysischen Lied des Gefühls und des Pulsschlags für echtes Leben, wird die metamorforische Bekleidung der einsamen Schatten verwirklicht; dort trifft sich der freie Gedanke mit dem Wunsch, die süße Hingabe mit der Entscheidung, der innerste Instinkt mit der Praxis; so einfach ruhig wird es zweigeteilt wie der Wein und die Traube, unmittelbar, ohne überflüssige Worte, moralische Schranken, Interessen und Ausflüchte ...

 

Die einsamen Schatten wenden sich gegen die herrschende Richtung, die von den „Gewählten“ bestimmt wird, die Spuren, die sie ziehen, sind vollkommen ruhig, und das, dass sie am meisten beneidenswert macht, ist, dass sie sich nicht für oberflächliche Beziehungen interessieren, für Freundschaften ohne Schmerz, für Liebesbeziehungen ohne Bedeutung, für unwesentliche Randevus, elende, heuchlerische, selbstbezügliche, egoistische, isolierende, nebensächliche, ihre Zusammenkünfte sind getränkt mit Vertrauen, Konsequenz, Bindung, ihr Umgang ist streng ausgewählt und ihre Stimmung ist immer risikobereit, sie haben hermetisch gelernt, mit dem Wenigen auszukommen, sich selbst zu überwinden in den wahrhaften Momenten, darum finden sie die Kraft, die „Gewählten“, die alles haben, tödlich zu hassen...

 

Sie wissen zu schweigen, zu warten, mit schnellem Puls und Kühnheit auf die Umsetzung ihrer zerstörerischen Pläne, dieser unstillbare Durst nach wahrhaften Momenten verbindet sich unauflöslich mit ihren schweigsamsten Gedanken. Die einsamen Schatten springen heraus mit unstillbarem Hunger nach Krieg, mit einem offensichtlichen Willen zur Schöpfung, mit mehr Mut und mit Phantasie mit eindringlichem Geruch zerreißen sie die harte Haut des disziplinierten Lebens, kotzen das dreckige Blut der „Heiligen Legalität“ und werfen sich auf den Herrschaftsmast des auferlegten „gesellschaftlichen Friedens“...

 

Sie sprechen mit Entschlossenheit vom freien Geist, der sie durchdringt-umgibt, rufen durchdringend mit Leidenschaft die Sprache der feuernen Wahrheit, die Hölle der Alltäglichkeit durchbrechend, so als würden sie nichts fürchten, so als wäre ihr Denken nur auf eines gerichtet; erhebt euch, greift an, schlagt erbarmungslos zu, denn es wird der Moment kommen, an dem die verhasste Selbstsucht vollkommen von der revolutionären Bescheidenheit zerstört wird; dort wo das  dunkle Leben unerbittlich zerschlagen wird und die Tugend des Kampfes ihre Funken des Aufstands auf die faden Vorbeigehenden wirft...

 

Sie haben andere Gedanken abzuwägen, flammende Gedanken, chaotische ungehorsame, die sie so weit treiben, in eine Gegend, in eine FREIE Welt, andere Leben zu entdecken; ohne Unterdrücker-Unterdrückte, Ausbeuter-Ausgebeutete, wo nicht dieser lächerliche ökonomistische Geist der „Gewählten“ herrscht sondern das Volk selbst, die Gesellschaft selbst harmonisch auf dem leuchtenden Pfad der Freiheit fortschreitet, auf der mechanischen Basis der Selbstorganisierung-Selbstbestimmung für ein Leben ohne Klassen, ohne Gesetze, ohne Institutionen...

 

LEIDENSCHAFT FÜR DIE FREIHEIT

MEHR LEIDENSCHAFT

IMMER LEIDENSCHAFT

 

P.S.1

Der Minister für den „Schutz des Bürgers“, Papoutsis forderte in seinen Erklärungen „die bewaffnet Kämpfenden, die die Revolution vorbereiten“ auf, die Waffen abzugeben. Ein Aufruf, sich vom bewaffneten Kampf abzuwenden. Wir möchten ihn einfach daran erinnern, dass die einzige Bedingung für die Übergabe unserer Waffen in der Übergabe der Macht an die Gesellschaft besteht, etwas, von dem wir selbstverständlich wissen, dass dies nicht unblutig und als Geste guten Willens vom System geschehen wird. Abgabe der Waffen bedeutet gleichzeitig das Aufgeben unserer Visionen und Ideale. Denn unsere Kugeln sind die Beschützer unserer Träume.

 

„Wir müssen unser Lachen wieder finden, unsere vergessene Praxis finden, die Worte finden, die an sie erinnert, unsere Stimme finden, den die Wahrheit braucht unsere Aktion, um zu existieren, braucht unsere Worte, damit sie nicht erlischt, braucht unsere Stimme, damit sie bis dorthin gehört wird“

Titos Patrikios

 

FREIHEIT FÜR IMMER

 

R.O. 6. Dezember

 

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Wo kommt das bitte her?

Und wo ist eine Zusammenfassung, Einleitung und Einordnung? Wer ist die "Revolutionäre Organisation 6. Dezember" und was ist mit der afghanischen Familie passiert?

 

Soweit bisher bekannt, wurde die Bombe, die den afghanischen Jugendlichen zerfetzte und seine kleine Schwester erblinden ließ, von Nazis gelegt und es gab dazu auch eine Erklärung inklusive Soliblabla zu Combat 18 Gefangenen in GB.

 

Desweiteren wurde für den perfiden Versuch, es Linksradikalen in die Schuhe zu schieben, ein Journalist (mit "Superkontakten" zum Staatsschmutz) hingerichtet. U.a. zitierte er "Bullenprotokolle" über abgehörte Handies in denen Mitglieder von "Revolutionary Struggle" genüsslich von vor Ort über die Explosion und das Zerfetzen berichteten...

 

Zusätzlich wurde auf bisher "vertrauenswürdigen" Blogs wie "OccupiedLondon" und "Libcom.org" davon berichtet, daß diese Bombe eine Sprengfalle war, die wie eine Mine bei Berührung hochgeht ("Booby Trap"). Auch hatte sie hinter einem Regierungsgebäude in einer Tasche in einem Gebiet gestanden, das von Müllsammlern genutzt wurde.

 

Wenn das also so alles garnicht stimmt, wäre es vielleicht mal an der Zeit, das aufzuklären und entsprechende Originaltexte zu übersetzen.