Interview zum 1.Mai 2011 in Wuppertal

1. Mai Wuppertal

Wir haben heute zwei Aktivist_innen der autonomen Szene aus Wuppertal zu Gast und wollen die beiden zu der diesjährigen autonomen 1.Mai Demo befragen, die sich just im diesen Jahr zum 25. Mal jährt...

 

Also wie war das den nun vor 25 Jahren?  

Albert: Vor 25 Jahren bogen so ca. 250 Demonstrant_innen links von derDGB-Demo ab und es wurden mehrere Leiharbeitsfirmen besucht, sowie amArbeitsamt vorbeigegangen. Damit sollte der Ablehnung deskapitalistischen Normalzustandes Ausdruck verliehen werden und sich vomDGB mit seinen sozial-partnerschaftlichen, pro-kapitalistischen Programmabgegrenzt werden.

 

Inga: Übrigens ist es nach wie vor so, dass es leider bitter notwendigist, die Aktivitäten zum 1.Mai in Wuppertal um einen radikaleren,autonomen Part zu erweitern, da die Gewerkschaftsbürokratie immer nochso tut, als hätte das Kapital die Sozialpartnerschaft nicht längstaufgekündigt.  

 

Albert: Ja, die DGB-Gewerkschaften konzentrieren sich weiterhin auf einesogenannte Kernbelegschaft die immer weiter schrumpft, und tun immernoch viel zu oft so als hätte es den extremen Anstieg von prekärenArbeitsverhältnissen nie gegeben, auch Arbeitslose fallen beim DGBeinfach raus. 

 

Ist die Abgrenzung/Ergänzung zum DGB der einzige Grund am 1.Maiautonom auf die Straße zu gehen? 

Inga: Nein, das nun auch nicht. Es gibt immer viele Themen die am 1. Maiauf die Straße gehören - weil wir uns ja auch das übrige Jahr mit ihnen beschäftigen. In den letzten Jahren waren Antifaschismus,Antimilitarismus, Antirassismus, Feminismus und die unterschiedlichenKämpfe weltweit, neben den wichtigen lokalen und sozialen Bezugspunkten,immer wieder Thema der autonomen 1. Mai Demo. 

 

Und nun müsstet ihr mal euer Demo-Motto erklären.  

Albert: Das Motto „Alle sollen verschwinden – Regierung stürzen! Für diesoziale Revolution!“ ist inspiriert von den Revolten und Aufständen imMaghreb und Nordafrika (vor allen Dingen die ersten - Tunesien undÄgypten). Aber auch angelehnt an die Aufstände 2001 in Argentinien wodamals die Regierung um Präsident de la Rúa zum Teufel gejagt wurde.  

 

Inga: Wir waren sehr begeistert von den Aufständen, die dieunerschütterlich scheinenden Regimes ins Wanken brachten. Unabhängigdavon wie sich die Dinge in der Region weiter entwickeln werden, können wir sehen wie schnell es gehen kann, wenn die Leute keinen Bock mehr haben und sich unterschiedlichste Leute zusammen finden. Spannend war für uns, dass die Bewegung soziale Forderungen mit Forderungen nach Freiheit und Demokratie verband. „Alle sollen verschwinden“ verweist darauf, dass es natürlich noch nicht ausreicht eine Regierung zu stürzen und zu hoffen dass es die Nächste ein bisschen besser machen wird.Letztendlich ist es klar, dass nur radikale Veränderungen den Weg fürein Leben in Freiheit, Gleichheit und wirklicher Sicherheit ohneAusbeutung, Unterdrückung und Überwachung, usw. frei machen kann.   

 

Albert: Es scheint momentan zwar noch nicht so realistisch, abereigentlich müsste unsere „Merkel/Westerwelle“-Regierung mit ihremrassistischen, militaristischen, HartzIV und Pro-Atom-Kurs gestürztwerden. Das wäre mal ein Schritt in die richtige Richtung.Momentan sind 100-tausende Menschen gegen die Betreibung von Atomenergie auf den Straßen und die Herrschenden geben sich alle Mühe mit eher fadenscheinigen Versprechungen die Lage unter Kontrolle zu halten. Aber der Ruf nach der sofortigen Abschaltung aller Atomanlagen wird merklich lauter. 

 

Inga: Allerdings muss der Widerstand in der Breite deutlich radikalerund antikapitalistischer werden. Dafür ist es enorm wichtig den Grünennicht das Feld zu überlassen. Außerdem wird es in der nächsten Zeit darum gehen den Druck auf die Atommafia deutlich zu erhöhen.Wir fanden den Startschuss, mit der „RWE abschalten“-Kampagne, auf diewir auch in unserem diesjährigen Aufruf hingewiesen haben, gelungen.  Ein paar hundert Aktivist_innen aus autonomen Anti-AKW-Gruppen, von Attac und  kritischen Aktionär_innen reichten aus, um dieJahreshauptversammlung von RWE – von innen und außen – erheblich zustören. Auch der Aktienmarkt reagierte sofort und die RWE-Aktie sackteeinen Tag später um minus 7,30% ab. Das  ist der Supergau für einenDAX-Konzern.In diesem Sinne, nicht nur „RWE abschalten“.  

 

Was an dem diesjährigen Aufruf auffällt ist, dass er im Gegensatz zumletzten Jahr kaum Bezug auf die lokalen Geschehnisse in Wuppertal nimmt? 

Albert: Das ist richtig. Das liegt aber mit Nichten daran, dass dieSituation hier entspannt wäre, oder das wir den Kampf um ein schönesLeben in Wuppertal aufgegeben hätten. Es ist nach wie vor richtig gegenden Kürzungsschwachsinn in dieser Stadt anzusticken. Und den Jugendknast haben wir auch nicht vergessen.  

 

Inga: Es ist aber nun mal so, dass ein Aufruf kein Roman werden kann und uns die Ereignisse in Maghreb/Nordafrika und Japan sehr beschäftigt haben. Was aber zum Glück nicht heißt, dass es um den 1.Mai herumschlecht um einen lokalen Bezug bestellt wäre. Denn es wird am 30.April eine Nachttanz-Demo, vom „Recht auf Stadt“-Bündnis „basta“ (http://basta-wuppertal.de/) geben, die sich konkret mit den lokalen Auseinandersetzungen um Jugendarbeit, Knast und Kultur beschäftigen wird. Auflegen werden lokale Größen der freien Kulturszene und des Wuppertaler Undergrounds. 

Albert: Auch OB Jung kann sich bei seinem Auftritt bei derDGB-Demo auf kreative Aktionen freuen. 

 

Also viel los im Tal um den 1.Mai! 

 

Termine:

29. April 2011 // 16 Uhr // Wuppertal - Schusterplatz // Kochen mit der 4.Woche; anschl. 1.Mai-Festvorbereitung

30. April 2011 // 20 Uhr // Wuppertal - Deweerth'scher Garten // Nachttanzdemo

07. Mai 2011 // Köln // Pro Köln/NRW Aufmarsch verhindern!

 

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findet mensch unter

autonomer1mai.noblogs.org

25 Jahre autonome 1.Mai Demo

14:00 Uhr Treffpunkt Gathe vor dem AZ Wuppertal
anschließend Straßenfest auf dem Schusterplatz

Alle sollen verschwinden – Regierung stürzen! Für die soziale Revolution!

Liebe Genoss*innen aus aller Welt, liebe Freund*innen des autonomen 1.Mai in Wuppertal

1986 Vor genau 25 Jahren wurde die Tradition einer autonomen 1.Mai Demo in Wuppertal begründet, als wir uns – aus guten Gründen – von der DGB-Demonstration trennten und nach links in die Elberfelder Nordstadt zogen. 250 Demonstrant*innen zogen am Arbeitsamt und bei diversen Sklavenhändlern/Leiharbeitsfirmen vorbei, um ihrer Ablehnung gegenüber dem kapitalistischen Normalzustand Ausdruck zu verleihen. Auch die 1. Mai-Straßenfeste sind 1986 zum ersten Mal organisiert worden und finden seit 25 Jahren mit oder ohne Giraffen auf dem Schusterplatz statt.
Das Jahr 1986 war ein besonders ereignisreiches Jahr – nicht nur – für Wuppertal. Im März griffen die USA Libyen an und die Straßen waren voller protestierender Menschen, auch in Wuppertal. Kurz vor dem 1.Mai war das Atomkraftwerk in Tschernobyl explodiert und hatte ganz Europa mit radioaktivem Material verseucht und zahlreiche Menschen getötet. Die Menschen reagierten zunächst voller Angst, dann aber voller Wut und gezielter politischer Militanz. In Wuppertal wurde das Rathaus gestürmt, es gab in Wuppertal zahlreiche Brandanschläge gegen Nutznießer*innen des Atomprogramms. Pfingsten und im Juni 1986 zog eine neue starke Anti-Atom-Bewegung nach Brokdorf und Wackersdorf und kämpfte gegen Bullenarmeen und gegen die mörderische Atom-Technologie. In Wackersdorf entstand im Schulterschluss mit der einheimischen Bevölkerung in der Oberpfalz eine massenmilitante Bewegung, die schließlich die geplante Wiederaufbereitungsanlage verhinderte.

2011 Die jüngsten Ereignisse, die Explosion des Atomkraftwerks in Japan und die Militäreinsätze gegen das Gaddafi-Regime und gegen viele unbeteiligte Zivilist*innen in Libyen, sind wie ein Déjà-vu von 1986.

Allerdings ist die Situation nach dem Super-Gau in Fukushima 25 Jahre nach Tschernobyl gänzlich anders. Die militante Anti-Atombewegung ist fast ganz verschwunden. Auf den Straßen sind zwar wieder Massen unterwegs, aber nach der Wahlniederlage der Atommafia in Baden-Württemberg träumen sie nur von der Abwahl von Gelb-Schwarz und erhoffen sich wieder einmal einen Atomausstieg von Rot-Grün. Noch wissen wir nicht, ob RWE, E.ON und Co. wirklich kampflos auf die 750.000€ pro Tag Gewinn verzichten werden und welche Tricks die Atommafia-Parteien noch anwenden werden, um die Mehrheit der Bevölkerung wieder auf ihre atomare Seite zu ziehen.

Unsere Demos der vergangenen Tage sind ein guter Anfang, aber sehr handzahm und wenig zugespitzt. Es wird Zeit für radikalen, antikapitalistischen und emanzipatorischen Widerstand!

Warum entziehen wir der Atommafia nicht mit einer wirksamen Blockade ihre Atomfabrik in Gronau?! Wann werden die Nutznießer*innen des Atomprogramms, die Aktionär*innen von RWE, E.ON, Vattenfall und CO., mit unseren Argumenten konfrontiert?! Eine gute Gelegenheit ist die RWE–Jahreshauptversammlung der Aktionär*innen am 20. April 2011 in der Grugahalle in Essen. Anti-Atomgruppen aus NRW mobilisieren ab 8:00 Uhr zu einer Blockade der Halle.

Brot und Würde…

Uns begeistert der weitgehend emanzipatorische Aufruhr in den arabischen und nordafrikanischen Ländern. Mit den Kämpfen und den Militärschlägen in Libyen drohen die emanzipatorischen Kräfte allerdings wieder ins Hintertreffen zu geraten und den Traum von einem selbstbestimmten Aufbruch in Nordafrika und in den arabischen Ländern sehr schnell zu beerdigen.

Dies wird zahlreiche Menschen mobilisieren, in die Festung Europa zu kommen. Versenken wir die Frontex-Flotte, bereiten wir uns auf den Schutz der Flüchtlinge vor und kämpfen wir gegen die rassistische Hetze!

Trotzdem, wir sind sehr bewegt über den Mut und die Solidarität der Aufständigen, über die neue Rolle der Frauen im Aufstand und der Bewegung der arbeitslosen Unterschichten, der sich bald verschiedenste Jugendliche und Gewerkschaften anschlossen.

Für diese Bewegungen ist der Kampf um Menschenrechte und Demokratie direkt verwoben mit dem Kampf um soziale Rechte, gegen Perspektivlosigkeit und die neoliberale Wirtschaftspolitik. Wir waren begeistert von den Bildern auf dem Tahrir Platz in Kairo und von den Soldaten und Bullen, die sich der Bevölkerung angeschlossen haben. Wie schnell es gehen kann, wenn die Menschen keinen Bock mehr haben…. Das wollen wir hier auch, Regierung stürzen, würdige Lebensverhältnisse für alle, nieder mit Hartz IV und der Lohnarbeit.

Auf die Straße! Für die soziale Revolution auch im Nordseeraum! Für offene kollektive Strukturen und schöne Autonome Zentren!

So jung werden wir uns nie wieder sehen…

Es ist natürlich klar, dass wir 2011 zu der Demo unsere alten Mitstreiter*innen und Genoss*innen besonders herzlich einladen. Ein „Ehrenplatz“ in der 1. Reihe ist euch sicher!

Wir laden aber auch die vielen tausend Menschen ein, die mit uns am 29.1.2011 den Nazis in Wuppertal entschlossen Paroli geboten haben. Ihr wart wunderbar, eure Entschlossenheit, eure (kreativen) Wurfgeschosse, euer Witz und eure Solidarität waren großartig.

Herzlichst eingeladen ist natürlich zur Autonomen 1.Mai-Demo und zum Straßenfest die nordstädtische Bevölkerung, die uns und unsere Hausbesetzungen, Demos, Volxküchen, Kickbox- und Antifagruppen usw. so lange ertragen und z.T. getragen hat, mit denen wir immer mal wieder gegen Polizeigewalt und Nazis gekämpft haben.

25 Jahre ist eine verdammt lange Zeit, voller gemeinsamer Erfahrungen, weniger Siege und vieler Niederlagen, Frust, Rückzug und depressiver Erlebnissen. Trotzdem gibt es immer noch – wie der 29.1. eindrucksvoll gezeigt hat – viele Menschen, die den „Kopf nicht verlieren und den Geiern nicht das Land überlassen.“ (Wuppertaler Volxslied)

Nicht betteln und bitten, sondern mutig gestritten. Für ein Leben ohne Ausbeutung, Chefs und sonstige Herren!

Was sich über die Jahre gehalten hat, ist unsere Allergie gegenüber Parteien und hierachischen Organisationen, die jede Bewegung und Organisierung kontrollieren und steuern wollen, die emanzipatorische Politik mit einem Werbeauftritt verwechseln.

Auch lehnen wir – wie vor 25 Jahren – 66 Jahre nach der Befreiung vom Nationalsozialismus eine deutsche Beteiligung an Kriegen und militärischen Interventionen ab.
Vergessen wir niemals, welche Verbrechen die deutsche Militärmaschine im Vernichtungskrieg und bei der Vernichtung der Jüdinnen und Juden zu verantworten hat. Nie wieder Faschismus – nie wieder Krieg!

Auch bleibt es dabei, der herrschende Kapitalismus ist nicht nur eine abstrakte Struktur und Herrschaftsform, sondern trotz aller Komplexität auch eine Herrschaftsformation mit konkreten Ausbeuter*innen und Ausgebeuteten, mit Verantwortlichen und Verantwortung. Gerade die deutsche Geschichte mit Holocaust und Vernichtungskrieg lehrt uns, kein Mensch darf seine Verantwortung abgeben. Das Unrecht hat Name und Adresse, das gilt – wie vor 25 Jahren – für alle Lebensbereiche und Herrschaftsverhältnisse. So sind z.B. Aktionen gegen Spekulant*innen, Banken, Knäste, fiese Unternehmer*innen, Frauenhändler*innen, brutale Bullen, widerwärtige ARGE-Mitarbeiter*innen etc. natürlich „verkürzte Kapitalismuskritik“, weil jede politische Praxis notgedrungen vereinfachen muss. Sie sind und bleiben aber notwendig für eine lebendige Bewegung gegen den kapitalistischen Normalzustand und für ein schönes Leben.

Und natürlich müssen wir unsere eigene Verstrickung in Herrschaftsverhältnisse z.B. als männliche Metropolenbewohner und als Mittelstandkinder mitdenken. Unsere Radikalität darf sich nicht in radikalen Parolen erschöpfen. Die Glaubwürdigkeit unserer Aktionen im Jobcenter, im Stadtteil und in den Betrieben steigt, wenn wir wirklich anders und solidarisch leben und kleine Schritte des Widerstands wagen. Unsere Anstrengungen bei Agenturschluss, beim Zahltag oder bei der 4. Woche gehen in die richtige Richtung. Sie sind bescheiden und alltäglich, aber mitunter sichtbarer und wirkungsvoller als manches Szene-Flugblatt zum Thema „Lohnarbeit“ und „Kapitalismus smashen“…

Abschaltung aller Atomanlagen sofort und weltweit – Abschaltung der herrschenden Klassen!
Belagerung der Atommafia am 20. April – RWE-Aktionär*innen blockieren!

Wir sind nicht alle – es fehlen die Gefangenen!
Solidarische Grüße an den 1.Mai Gefangenen aus Wuppertal

Für ein schönes und würdiges Leben für alle! Es lebe die soziale Revolution!

Wir grüßen die autonomen 1.Mai-Demos in Oldenburg, Nürnberg, Hamburg, Berlin, Gent, Zürich, die Euromaydays in Dortmund, Wien, Hamburg und Maribor

Freiräume ertanzen!

basta!-wuppertal ruft zur Nachttanzdemo / Etappendisko am Vorabend des 1.Mai auf.

Vor 25 Jahren zog die autonome 1.Mai-Demonstration das erste Mal unangemeldet durch Wuppertal. Am Vorabend der Jubiläumsausgabe wollen wir mit einer lauten und entschlossenen Nachttanzdemo deutlich machen, daß ein, zwei, drei, ganz viele autonome Zentren, Freiräume und spontane Aktionen eine unbedingte Notwendigkeit sind, wenn in dieser Stadt noch etwas gehen soll. Auch und gerade, wenn sie uns Räume wegnehmen, werden wir nicht aufhören, laut und widerborstig zu sein. Wir verlagern unsere Aktivitäten dann eben in den öffentlichen Raum.

***

Am 29.01. diesen Jahres wollten die Nazis offen gegen das Autonome Zentrum in Wuppertal vorgehen. Dadurch ist das seit vielen Jahren selbstverwaltete Haus für soziale, politische und kulturelle Aktivitäten vielen erst wieder ins Bewusstsein gerückt. Dass ein Ort wie das AZ in Wuppertal bis heute überhaupt existiert, ist das Ergebnis jahrzehtelanger Kämpfe um Freiräume…

Der Kampf für und um Räume für Kulturarbeit und politische Initiativen ist alt und doch wieder hochaktuell. Die krasse Ignoranz der Stadtverwaltung und Lokalpolitiker_innen gegenüber den Bedürfnissen der Menschen – ob jung oder alt – zeigt sich zum Beispiel in der aufwändiger Sanierung des Opernhauses – bei gleichzeitiger Schließung von Schwimmbädern oder städtischen Jugendzentren. Dabei müssen die Jugendlichen später die Schulden bezahlen, mit denen jetzt die Schließung ihrer letzten Räume begründet wird. Und wenn die, die darüber entscheiden, die Wut darüber nur noch achselzuckend zur Kenntnis nehmen, zeigt das nur eins:

Wir müssen – heute wie vor 30 Jahren – die Durchsetzung unserer Interessen selber in die Hand nehmen.

Eine freie Kultur ist notwendig. Freie, selbstbestimmte Räume sind notwendig. Eine Stadt muss sich eine freie Kulturszene und freie öffentliche Räume leisten, wenn sie sich als eine für die Menschen verstehen will. In einer Gesellschaft, die die Interessen der Menschen berücksichtigt, und die sich freie Kultur und Freiräume leistet, erfüllen diese wichtige Aufgaben der Weiterentwicklung. Das tut unsere Stadt aber nicht. Wuppertal wird immer mehr zu einer Stadt für Konzerne und Banken, für privatisierten öffentlichen Raum, für das Absahnen und Ausgrenzen, für den alltäglichen Krieg aller gegen alle.

In einer solchen Gesellschaft, in der Profitraten die Prioritäten setzen, und in der Weiterentwicklung nur noch als Weiterentwicklung von Gewinnmargen verstanden wird, fällt Künstlern und Künstlerinnen eine andere Aufgaben zu: sie müssen an der vordersten Linie einer Gegenentwicklung stehen.

Ihnen fällt die Aufgabe zu, die Politik zu kritisieren, Neues zu entwickeln und bei Bedarf auch einen breiten Widerstand gegen bestehende Herrschaftsverhältnisse vorzubereiten und dann auch zu organisieren. In einer menschenfeindlichen Struktur muss Kultur zu einer echten Off-Kultur werden. Denn in einer solchen Gesellschaft ist ihr Platz draussen. Außerhalb absehbarer Profitmechanismen, außerhalb von Marketingstrategien und außerhalb bestehender Machtstrukturen und eines falschen, bigotten Konsens. Ihr Platz ist im Off. Die Revolten in Nordafrika haben aktuell gezeigt, wieviel Impulse von jungen, kreativen Menschen im Kampf um Freiheit und soziale Gerechtigkeit ausgehen können. Walk like an Egyptian!

Unsere Stadt befindet sich in einer solchen Situation. Sie hat akutes Kammerflimmern. Sie gehört mittlerweile den Banken, sie bettelt um Brotkrumen bei Landesbehörden und der Wirtschaft. Da bleibt kein Platz für Experimente und phantasiereiche Initiativen. Stattdessen reiben wir uns beständig in der Auseinandersetzung mit kleinlichen Behörden auf, die einem elitären Kulturideal anhängen und für windige Privatinvestoren notfalls Lücken in jede Bauordnung reissen, während sie gleichzeitig jedes wilde Sommerloch sofort zustopfen.

Um im Tal mit phantasievollen Initiativen zu scheitern, benötigen wir gar kein Gentrifidingsbums, gegen das in Hamburg oder Berlin Abwehrkämpfe geführt werden müssen – es reicht die Arroganz derer, die uns nix mehr zu bieten haben, aber dennoch noch immer bestimmen möchten, wo es langgeht.

Deshalb müssen aus smart geförderten Einrichtungen, die an der Oberfläche kratzen, wieder Zellen im Untergrund werden. Frei, radikal und entschlossen. Wir müssen alle wieder lernen echten Widerstand zu leisten. Jetzt und hier. Zäh und kreativ. Wir müssen ihnen weh tun. Wir brauchen neue Orte und Plätze, spontane Bühnen, illegale Clubs und nomadische Kulturstrategien die, wenn nötig, auch gemeinsam verteidigt werden müssen. Dafür brauchen wir auch eine neue Solidarität des gegenseitigen Gebens und Nehmens. Wir brauchen neuen Idealismus, denn wir müssen den Underground reorganisieren. Zu häufig ist der zum Eventspektakel verkommen. Dazu müssen wir auch Risiken eingehen. No risk – no fun. Ein risikoloser Weg führt zur Lobotomie am urbanen Nervensystem. Was soll uns auch schon passieren? Wer nichts hat, hat auch nichts zu verlieren.

Also, holen wir uns die Stadt zurück – Sicherheitsdienste verpisst euch. Alle sollen verschwinden! Wenn das Theater geschlossen wird, machen wir Theater in den City-Arkaden; wenn unsere Quartiers-Initiativen geschliffen werden, schaffen wir eben Spielräume auf der Bundeallee und notfalls essen wir auch gemeinsam in Volksküchen an der Akzenta-Feinkosttheke, denn dort liegt das schöne Leben fett in den Regalen.

Mit der Nachttanzdemo / Etappendisko am 30.April fangen wir jetzt einfach mal an. Bringen wir die Verhältnisse zum Tanzen! Kommt alle mit Wut und guter Laune und mit euren Ghettoblastern und mobilen Soundsystems am Samstag, den 30.April um etwa 2000 Uhr zum Deweerth´schen Garten in Elberfeld (Nähe Robert-Daum-Platz). Auch wir haben euch was mitgebracht: Bass! Bass! Bass! Mit dabei: Beliebte DJs des Wuppertaler Undergrounds.

Für alle aktuellen Infos zur Route, den Etappen und den beteilgten DJs – Watch out: www.basta-wuppertal.de/nachttanzdemo

[Kammerflimmern: In der Regel arbeitet die Gesamtheit der Herzmuskelzellen durch Steuerung über das Erregungsleitungssystem koordiniert zusammen. Im Sinusknoten werden die Erregungen regelmäßig gebildet und auf die Vorhöfe weitergegeben, der AV-Knoten leitet sie auf die Herzkammern weiter, wo sie über spezialisierte Zellen – das Erregungsleitungssystem – in alle Anteile der Herzkammern weitergeleitet werden. So werden alle Teile des Herzmuskels in einem sinnvollen Ablauf erregt, sie kontrahieren sich, die Erregung bildet sich wieder zurück und die Herzmuskelzellen werden bereit für eine neue Erregung. Kammerflimmern ist eine lebensbedrohliche pulslose Herzrhythmusstörung, Unbehandelt führt es wegen der fehlenden Pumpleistung des Herzens unmittelbar zum Tode.]

[Lobotomie: „Die Psychochirurgie erlangt ihre Erfolge dadurch, dass sie die Phantasie zerschmettert, Gefühle abstumpft, abstraktes Denken vernichtet und ein roboterähnliches, kontrollierbares Individuum schafft“ Walter Freeman, der als Psychiater seit den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts massenhaft Enthirnungen durchgeführt hat und willenlose Individuen schuf.]