Ein Lehrstück des Widerstands gegen Atomstrom

Der Widerstand im Wyhler Wald war bisweilen eine äußerst feuchte Angelegenheit, wie dieses Archivbild vom 20. Februar 1975 zeigt
Erstveröffentlicht: 
03.03.2011

Walter Moßmanns Film "s’ Weschpenäscht" ließ Wyhl-Kämpfer in Erinnerungen schwelgen — und Jüngere staunen


Von unserer Mitarbeiterin Anita Rüffer

Vertreter der Energieriesen haben auf dieser Veranstaltung nichts zu suchen: Homogen mit Kämpfern gegen die Atomkraft besetzt ist das Podium. Schließlich soll es ja nicht um den Austausch rationaler Argumente gehen. Vielmehr will die wieder erstarkende Anti-AKW-Bewegung in der Region sich ihrer emotionalen Wurzeln versichern. Nichts könnte dafür besser geeignet sein als die Erinnerung an Wyhl. Und was, wenn nicht Walter Moßmanns berührender Film "s’ Weschpenäscht — Die Chronik von Wyhl 1970 bis 1982" könnte die Wucht des Widerstands besser wieder aufleben lassen in den Herzen der Heutigen?


Drangvolle Enge herrscht zur Freude von Marcus Brian von den Veranstaltern (Fesa, BUND, Anti-Atomgruppe, Ecotrinova) im Café Velo. Viele Ältere darunter, die Wyhl noch miterlebt haben dürften. Und viele Jüngere, die Anfang der 1970er-Jahre vermutlich noch gar nicht geboren waren. Aufgrund technischer Probleme müssen sie viel Geduld aufbringen, bis es mit dem Film losgeht. Eine kleine Übung in Ausdauer: Die haben die badisch-elsässischen Bürgerinitiativen schließlich nahezu ein Jahrzehnt lang bewiesen, bis ihr Ziel erreicht war: Das AKW Wyhl wurde nicht gebaut. Roland "Buki" Burkhart, Liedermacher und Aktivist von damals, hat Mühe, zurückzurechnen, wann alles begann — vor 37 Jahren. Er überbrückt die Wartezeit mit Liedern von damals, vergisst auch mal Textstellen und braucht heute eine Brille, um sie nachzulesen. Verhalten stimmt die und der eine oder andere mit ein. Der weißhaarige Autor, Journalist, Liedermacher und Regisseur Walter Moßmann, im Film noch als junger Mann mit wilder Lockenmähne zu sehen, erzählt von den Produktionsbedingungen: Der 1982 erstmals in Endingen gezeigte Film wurde in Zusammenarbeit mit der Freiburger Medienwerkstatt aus Material geschnitten, das von den Akteuren und Fernsehanstalten gesammelt wurde. Vom damaligen Südwestfunk sei nichts dabei. "Da hat die Landesregierung den Daumen drauf gehalten."

Moßmann bekennt, damit seinen ersten "nicht objektiven" Film gemacht zu haben. Die Bilder von den Traktorkonvois der Bauern und Winzer, von den Platzbesetzungen strickender Hausfrauen, die mit ihren kernigen Dialektaussagen über sich selbst hinauswachsen, und von den "Grünen, die damals noch Bullen waren" (Burkhart) verfehlen ihre Wirkung beim Publikum nicht. "Es bebt in einem" , bekennt etwa ein Sympathisant der heutigen Grünen ob dieses "anrührenden Lehrstücks in Widerstand" .

Erfahrungen aus dem Kampf

früher und heute

Eine Lahrerin, die mit 16 in Brokdorf dabei war, fühlt sich noch mal "gepackt" von diesem Geist, der "ganz von innen kommt: Wir müssen uns diese Quellen wieder erschließen" . Im Widerstand von heute vermisst sie die Kraft von damals. Von Jean-Paul Lacote vom BUND-Regionalverband lässt sich das nicht behaupten. Schon damals bei der Platzbesetzung dabei, besetzt er noch immer Rheininseln gegen die Salzlagerung und Äcker im Kampf gegen den Genmais. "Der Widerstand ist mein Leben. Ich werde das Ende des Atomzeitalters noch erleben" , ist er überzeugt. Einen "Hauch von Woodstock" und ein Gemeinschaftsgefühl wie in Wyhl erfährt auch Eva Stegen von den "Schönauer Stromrebellen" bei Aktionen gegen die Atomkraftwerke heutzutage.

Nahezu leidenschaftslos verweist der junge Ingo Falk von der Anti-Atomgruppe auf neuere Aktionsformen via Internet. Sicher für ihn ist nach der AKW-Laufzeitverlängerung: "Wir dürfen den Atomausstieg nicht an die Politik delegieren." Für Per Klabund, Kommunalpolitiker der Grünen, braucht es neben dem "Druck der Straße Strukturen von oben" wie das Erneuerbare-Energien-Gesetz, damit sich etwas ändert. Die Wyhl-Gegner jedenfalls hatten es nach Lacotes Ansicht in einem Punkt leichter als die heutige Widerstandsbewegung: "Das AKW war noch nicht gebaut. Sobald eines steht, wird es schwieriger, dagegen zu kämpfen."

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