NPD präsentiert sich in Sachsen moderat als »soziale Heimatpartei« Doch ein Freiberger Kreistagsabgeordneter soll seit Jahren anonym Juden und Ausländer diffamieren Von Frank Brunner
Der Mann, der sich »Saxus« nennt, kennt keine Hemmungen. Menschen aus Angola oder Moçambique bezeichnet er als »Affen« und »Ungeziefer«; der letzte DDR-Ministerpräsident, Lothar de Maizière, sei eine »Verräter-Drecksau«, die millionenfache Vernichtung der europäischen Juden im »Dritten Reich« ist der »Holowitz«. Er schwadroniert über den »recht erquicklichen körperlichen Zustand der Häftlinge« in den Vernichtungslagern der Nazis und schreibt: »Es gibt keine historische Faktenlage zur ›Kriegsschuld‹ und zum ›Holo‹.« Es sind Aussagen, die in Deutschland strafbar sind. Doch im Internetforum »Thiazi«, wo »Saxus« seine Pamphlete veröffentlicht, fühlt man sich sicher. Der Server steht in den USA, die Betreiber versuchen die Identität der Nutzer zu schützen.
Doch nach Angaben der »Autonomen Antifa Freiburg« (AAF) versteckt sich hinter dem Pseudonym »Saxus« der NPD-Abgeordnete im Kreistag Mittelsachsen, Tino Felgner. Es ist nicht das erste Mal, daß es der Initiative aus Baden-Württemberg gelungen ist, in den abgeschotteten Bereich des größten deutschsprachigen Neonazi-Forums einzudringen. Ende Juni enttarnten die Aktivisten das Doppelleben der »Thiazi«-Moderatorin Sabine R. Im normalen Leben ist die 51- jährige Mutter von zehn Kindern und Mitglied im Elternbeirat einer Schule. In der virtuellen Welt erläutert sie, wie sie mit ihrem Nachwuchs Naziflaggen näht, und bekennt, Adolf Hitler zu verehren. »Von staatlichen Verboten oder Sperren halten wir nicht viel, wir setzen auf hacken statt löschen«, erklärte ein AAF-Sprecher gestern gegenüber junge Welt. Es sei wichtig, die Anonymität von Neonazis zu zerstören, um so Schutz und Gegenwehr zu ermöglichen, begründet die AAF ihre Motivation.
NPD-Mann Felgner, der im sächsischen Freiberg wohnt, weist die Vorwürfe zurück. »Jeder kann sich im Internet unter irgendeinem Namen anmelden und Einträge schreiben«, sagte er am Donnerstag auf Nachfrage von junge Welt. Er sei jedenfalls nicht »Saxus«, so Felgner. Doch Dokumente, die jW vorliegen und die aus dem internen Bereich des Forums stammen, legen nahe, daß es sich bei »Saxus« um Felgner handelt. Insgesamt tummeln sich auf »Thiazi« – der Name steht für eine Figur aus der germanischen Mythologie – etwa 13000 Mitglieder. Es werden Fragen diskutiert wie »Holocaust – Betrug des 20. Jahrhunderts?«, und es kann Musik indizierter Neonazicombos heruntergeladen werden. Dazu gibt es jede Menge Hakenkreuzbildchen, Veranstaltungstips, Verschwörungstheorien, und rechte Politprosa. Allein »Saxus« verfaßte seit September 2008 mehr als 2000 Beiträge.
Der NPD dürfte die Veröffentlichung dieser Texte indes kaum behagen. Denn in Sachsen gibt sie sich im Gegensatz zur Bundespartei eher moderat. Vor einigen Monaten hatte der Fraktionsvorsitzende im Dresdner Landtag, Holger Apfel, einen »gegenwartsbezogenen und volksnahen Nationalismus« gefordert, der die soziale Frage in den Mittelpunkt stellt und sich von »ziellosem Verbalradikalismus und pubertärem Provokationsgehabe abgrenzt«. Mit der Attitüde gelang der Truppe im vergangenen Jahr der Wiedereinzug in den sächsischen Landtag. Zudem ist die NPD mittlerweile in allen Kreistagen und in den Rathäusern von Dresden, Leipzig und Chemnitz vertreten.
»Durch ihre Arbeit in den kommunalen Parlamenten gelingt es den Rechtsextremisten, viel näher an die Menschen zu kommen als etwa durch ihre Auftritte im Landtag«, betont die Landtagsabgeordnete Kerstin Köditz (Partei Die Linke) gegenüber junge Welt. Der 46jährige Felgner ist 2008 zusammen mit drei weiteren NPD-Vertretern in den Kreistag von Mittelsachsen eingezogen. Dort verhält er sich eher unauffällig, wie Johannes Kretzer, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Linken im Kreistag, bestätigt. »Die Provokationen sind vorbei«, so Kretzer.
Felgner betont: »Ich beschränke mich auf reine Sachpolitik im Landkreis.«
Die Langversion
Volksverhetzung 2.0 - Wie ein Abgeordneter Menschen diffamiert
Die NPD präsentiert sich in Sachsen moderat als »soziale Heimatpartei«. Doch ein Freiberger Kreistagsabgeordneter diffamiert seit Jahren anonym Juden und Ausländer
Von Frank Brunner
Der Mann, der sich »Saxus« nennt, kennt keine Hemmungen. Menschen aus Angola oder Mosambique bezeichnet er als »Affen« und »Ungeziefer«; der letzte DDR-Ministerpräsident, Lothar de Maizière (CDU), sei eine »Verräter-Drecksau«, die millionenfache Vernichtung der europäischen Juden im »Dritten Reich« ist der «Holowitz«. Er schwadroniert über den »recht erquicklichen körperlichen Zustand der Häftlinge« in den Vernichtungslagern der Nazis und schreibt: »Es gibt keine historische Faktenlage zur ›Kriegsschuld‹ und zum ›Holo‹«. Es sind Aussagen, die in Deutschland strafbar sind. Doch im Internetforum »Thiazi«, wo »Saxus« seine Pamphlete veröffentlicht, fühlt man sich sicher. Der Server steht in den USA, die Betreiber versuchen die Identität der Nutzer zu schützen.
Mitte Oktober 2010 wurde jedoch bekannt, wer hinter dem Pseudonym »Saxus« steckt. Es handelt sich um Tino Felgner, NPD-Abgeordneter im Kreistag Mittelsachsen. Herausgefunden haben das Internethacker von der »Autonomen Antifa Freiburg« (AAF). Es ist nicht das erste mal, dass es der Initiative aus Baden-Württemberg gelungen ist, in den abgeschotteten Bereich des größten deutschsprachigen Neonazi-Forums einzudringen. Ende Juni enttarnten die Aktivisten das Doppelleben der »Thiazi«-Moderatorin Sabine R. Im normalen Leben ist die 51 jährige Mutter von zehn Kindern und Mitglied im Elternbeirat einer Schule. In der virtuellen Welt erläutert sie, wie sie mit ihrem Nachwuchs Naziflaggen näht und bekennt, Adolf Hitler zu verehren. »Von staatlichen Verboten oder Sperren halten wir nicht viel, wir setzen auf ›hacken statt löschen‹, erklärte ein AAF-Sprecher auf Nachfrage. Es sei wichtig, die Anonymität von Neonazis zu zerstören, um so Schutz und Gegenwehr zu ermöglichen, begründet die AAF ihre Motivation.
NPD-Mann Felgner, der im sächsischen Freiberg wohnt, weist die Vorwürfe zurück. »Jeder kann sich im Internet unter irgendeinem Namen anmelden und Einträge schreiben«, sagte er auf Nachfrage. Doch Dokumente, die dem Autor vorliegen und die aus dem internen Bereich des Forums stammen, belegen, dass es Felgner ist, der als Saxus gegen Juden, Ausländer und alle anderen hetzt, die nicht ins schwarz-weiß-rote Weltbild passen.
So gratulierten „Saxus“ Anfang September 2009 im „Nationalsozialisten Privatforum“ von „Thiazi“ mehrere Nutzer zum „sensationellen“ Wahlergebnis von 5,7 Prozent der Erststimmen bei der sächsischen Landtagswahl am 30. August 2009. Ein Blick in die amtliche Wahlstatistik zeigt: Nur ein Kandidat konnte an diesem Tag 5,7 Prozent der Wählerstimmen verbuchen – Tino Felgner von der NPD. Ein weiteres Beispiel: „Saxus“ der sich auf „Thiazi“ zu einem Faible für Zinnfiguren bekennt, hat auch einen Account auf der Verkaufsplattform Ebay. Dort heißt er „Saxe 64“und handelt mit Zinnfiguren. Das Ebay-Profil wurde von dem 1964 geborenen Felgner eingerichtet.
Insgesamt tummeln sich auf »Thiazi« - der Name steht für eine Figur aus der germanischen Mythologie - etwa 13.000 Mitglieder. Es werden Fragen diskutiert, wie »Holocaust – Betrug des 20. Jahrhunderts?« und es kann Musik indizierter Neonazicombos heruntergeladen werden. Dazu gibt es jede Menge Hakenkreuzbildchen, Veranstaltungstips,Verschwörungstheorien, und rechte Politprosa. Allein Felgner verfasste seit September 2008 mehr als 2000 Beitrage.
Seiner Partei dürfte das Outing indes kaum behagen. Denn die NPD in Sachsen gibt sich im Gegensatz zur Bundespartei moderat. Vor einigen Monaten hatte der Fraktionsvorsitzende im Dresdner Landtag, Holger Apfel, einen »gegenwartsbezogenen und volksnahen Nationalismus« gefordert, der die soziale Frage in den Mittelpunkt stellt und sich von »ziellosem Verbalradikalismus und pubertärem Provokationsgehabe abgrenzt«. Mit der Attitüde gelang der Truppe im vergangenen Jahr der Wiedereinzug in den sächsischen Landtag. Zudem ist die NPD mittlerweile in allen Kreistagen und in den Rathäusern von Dresden, Leipzig und Chemnitz vertreten. »Durch ihre Arbeit in den kommunalen Parlamenten gelingt es den Rechtsextremisten viel näher an die Menschen zu kommen, als etwa durch ihre Auftritte im Landtag«, betont die Landtagsabgeordnete Kerstin Köditz (Linke). Der 46 jährige Felgner ist 2008 zusammen mit drei weiteren NPD-Vertretern in den Kreistag von Mittelsachsen eingezogen. Dort verhält er sich eher unauffällig, wie Kreisrat Johannes Kretzer bestätigt. »Die Provokationen sind vorbei«, so Kretzer. Und Felgner betont: »Ich beschränke mich auf reine Sachpolitik im Landkreis.« Tatsächlich hat der Rechtsextremist seine Propaganda ins Internet verlagert.
Quelle: berichterstatter.de, 15.10.2010