Die BPE und ihr "Kampf gegen Multikulti" in Neustadt/Weinstr.

Udo Ulfkotte

Neustadt/Weinstrasse wurde augenscheinlich zum neuen Lieblingsziel zaghafter „Agitprop“-Versuche der rechtsradikalen „Bürgerbewegung“ Pax Europa (BPE) auserkoren. Nachdem sie am vergangenen Sonntag mit einem Stand in der Nähe des alljährlichen Multikultifestes des Vereins „Neustadt gegen Fremdenhass“ provozierte und bei dieser Gelegenheit ein mit einer Burka verhülltes Mitglied über den Marktplatz spazieren lies1, zeigten bei den bis zum 3.10. stattfindenden „Wochen der Integration“ „einige islamkritische Geister“ Präsenz bei einem Vortrag über Erziehung im Islam in einer Neustadter Moschee2.

 

 

Was ist die BPE und was will sie?

 

Die 2008 aus einer Fusion des „Bundesverband der Bürgerbewegungen e. V.“ mit dem von dem Publizisten und selbsternannten Islamkritiker Udo Ulfkotte gegründeten Verein „Pax Europa“ hervorgegangene BPE steht in ideologischer Nähe zur „Pro-Bewegung“ (Pro NRW, Pro Köln), gibt sich aber betont diskreter und bürgerlicher. Sie inszeniert sich als Kämpferin für Grundgesetz und Menschenrechte im „Widerstand gegen die Islamisierung Deutschlands und Europas“.
Auf der Homepage der BPE ist von „grundlegende(n) islamische(n) Bestrebungen europaweit“ die Rede: Muslime werden zum Feindbild stilisiert, deren baldige Übernahme des „christlich-jüdischen Abendlandes“ heraufbeschworen. Die „Kritik“ am Islam ist dabei jedoch keine grundsätzliche, welche antiemanzipatorische Tendenzen, wie beispielsweise patriarchale Herrschaftsverhältnisse, aufzeigen will oder gar eine säkulare Gesellschaft fordert. Ungeachtet der unterschiedlichen Auslegungen und Schulen des Islam werden in verschwörungstheoretischer und kulturalistischer Manier Ängste geschürt, um rassistische Ressentiments hoffähig zu machen. Sarrazin lässt grüßen.

Darüber kann auch die wiederkehrende Versicherung, „ausländerfeindliche
Gesinnung
“ abzulehnen, nicht hinwegtäuschen.

„Wie ernst das zu nehmen ist, zeigt ein Blick auf die programmatischen Grundlagen, die in der ersten Ausgabe ihrer (der BPE) Zeitschrift Bürgerforum vom Juni 2009 formuliert wurden. Neben einer »Einschränkung der Familienzusammenführung« wird hier die »Rückführung von ausländischen
Langzeitarbeitslosen« oder die »Abschaffung der doppelten Staatsbürgerschaft« gefordert.“3

 

Selbst der Gründer Ulfkotte hat der BPE mittlerweile aufgrund deren „zunehmend extremistischen Kurses“ den Rücken gekehrt. Er publiziert dennoch weiterhin im esoterisch-rechten Kopp-Verlag und auf dessen Website sowie seinem eigenen blog, „Akte Islam“.

Während der Islam als das Fremde, die „uneuropäische“ Kultur („Europa statt Eurabien“), konstruiert wird, wird das Judentum zum Bestandteil des europäischen Kulturkanons. Israel wird somit zum westlich-abendländischen Verbündeten gegen die Muslime. Über diese innigen Solidaritätsbekundungen vergessen die neu-rechten Islamkritiker_innen zufällig, dass in diesem Abendland der Antisemitismus in Form der Shoah auf die Spitze getrieben wurde. Wie geheuchelt die einseitige Freundschaft ist, wird u.a. auf dem der BPE nahestehenden deutschnationalen blog „Politically Incorrect“ (PI) (auf dem auch beide Artikel der BPE bezüglich Neustadt erschienen sind) deutlich. Trotz des „proisraelisch“ im Slogan veröffentlichen hier radikal rechte und antisemitische Gruppierungen und Parteien von der FPÖ bis zu „Pro Köln“. Anzeigen werben für die als Konkurrenz zur „rechtskonservativ“ bis rechtsradikalen „Jungen Freiheit“ gehandelte „Preußische Allgemeine“ und im Kommentarbereich tummelt sich der rassistische Mob.
Gehetzt wird nicht nur gegen Migrant_innen, auch Linke, Atomkraft- und Stuttgart 21-Gegner_innen zählen zu den erklärten Feinden.

 

 

Die BPE im Kontext gesellschaftlicher Entwicklungen

 

Rechte Gruppierungen in ganz Europa haben „Islamkritik“ für sich entdeckt und verzeichnen damit Erfolge bis weit in bürgerliche Kreise hinein.
Die Zustimmung, die Vereinen wie der BPE und Populisten wie Thilo Sarrazin zuteil wird, ist daher im Kontext einer Gesellschaft zu sehen, die in Stammtischmanier gegen „Fremde“ hetzt, sich ihr Gewissen in Pseudo-Begegnungsfesten zu beruhigen versucht und nur darauf wartet, dass fremdenfeindliche Meinungen (wieder) hoffähig werden.
Besonders in Krisenzeiten des Kapitalismus, die einhergehen mit zunehmend prekären Verhältnissen, bietet die Projektion der eigenen Hilflosigkeit auf ein äußeres Anderes eine verlockend einfache Möglichkeit, mit der Situation fertig zu werden.

Umso wichtiger wäre es, diesen Tendenzen entschlossen Argumente entgegenzusetzen.

 


Multikulti in Neustadt?

 

Die ausbleibenden Reaktionen u.a. der Veranstalter_innen des Multikulti-Festes gegenüber der Präsenz der BPE, sowie die knapp verhinderte Stürmung der Bühne durch Mitglieder des Islamischen Kulturvereins bei der Erwähnung der Morde an Armeniern und Kurden in der Türkei4, bestätigen jedoch nur einmal mehr, worin das Problem dieser Neustadter „interkulturellen“ Veranstaltung liegt:

Folkloristische Tanzdarbietungen und orientalische Häppchen ersetzen nicht die politische Auseinandersetzung mit anderen Kulturen und die Reflexion der eigenen.
Eine Reflexion in diesem Sinne würde, fernab vom Inszenieren der eigenen moralischen Überlegenheit und dem Nebeneinanderstellen von Kulturen, zu einer tatsächlichen Gleichwertigkeit der Menschen führen- die es dann auch erlaubt, sich gegenseitig auf einer gemeinsamen Ebene ohne nationale und völkische Aufladungen zu kritisieren.
Doch davon ist Neustadt weit entfernt- die BPE noch viel weiter.

 

Gegen das Konstrukt aus Rasse, Volk und Nation!
Für die Gleichheit und freie Assoziation!


ALVP(.de.vu)


  1. pi-news.net/2010/09/neustadt-fest-der-kulturen-mit-bpe-infostand 
  2. pi-news.net/2010/09/erfahrungsbericht-aus-der-moschee-in-neustadt/ 
  3. Jungle World Nr. 38, 17. September 2009; http://jungle-world.com/artikel/2009/38/39423.html 
  4. s. Die Rheinpfalz, Lokalteil Neustadt vom 27.09.
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Interessant an diesen neurechten Spinnern inde ich, dass sich in ihren gesamten Positionen immer wieder das Gefühl "die Unterdrückten" zu sein zieht. Sarrazin und Wilders werden von den blsen bösen Medien und Politikern versucht mundtot zu machen (wobei es momentan kaum eine Position gibt die öfter in irgendwelchen Medien auftaucht), die Moslems wollen die tolle europäische Herrenrasse unterdrücken usw usf. (Meiner Meinung nach lässt sich auch so ihre "Israelsolidariät" und "Amerkiasolidarität" erklären, aber das nur am Rande). Ich finde das bemerkenswert. Entweder jemand hat sichganz geschict gedanken gemacht an welche Affekte man am besten anknüpfen kann (was die verschwörungstheoretische Erklärung wäre ;) ) oder aber diese Leute denken wirklich sie würde immer und überall verfolgt und Unterdrückt werden. So armselig das auch wäre, zegt sich leider, dass sie damit scheinbar die Emotionen vieler anderer erreichen. Ich würde also Mutmaßen, dass es vllt tatsächlich eine auf breiterer basis geteilte Vorstellung gibt, dass man untedrüct und klein gehalten wird. Nur um das vorweg zu nehmen, ich würde es für falsch halten von "unserer" Seite er dieses Gefühl zu instrumentalisieren um damit Leute abzugreifen. Viel mehr fände ich es interessant herauszufinden, woher dieses Gefühl denn kommt (vorausgesetzt man betrachtet es als ein relativ neues Phänomen)?