Unbeschreibliches Leid

Der Sonntag, 28.05.2017, Unbeschreibliches Leid
Erstveröffentlicht: 
28.05.2017

Bei der Reichsbahn in Freiburg waren zahlreiche ZWANGSARBEITER beschäftigt

 

Von Toni Nachbar

 

Das linksalternative Autonome Zentrum in Freiburg (KTS) befindet sich seit knapp 30 Jahren in einem Gebäude der Deutschen Bahn in der Basler Straße. Während des Zweiten Weltkriegs beschäftigten die Nazis auf dem Bahngelände viele Zwangsarbeiter. Der Freiburger Historiker Bernd Spitzmüller hat lokalhistorisch dies am gründlichsten erforscht.

 

„Wir wollen wissen, was auf diesem Gelände während des Dritten Reichs und im Zweiten Weltkrieg passiert ist“, sagte unlängst ein KTS-Sprecher. An jenem Abend war in dem Gebäude in der Basler Straße 103 die Historikerin Susanne Kill zu Gast. Sie leitet das Unternehmensarchiv der Deutschen Bahn AG in Berlin und ist Kuratorin von Austellungen zur Rolle der Deutschen Reichsbahn im Dritten Reich.

 

Die Reichsbahn hat Millionen Zwangsarbeiter – die Schätzungen schwanken zwischen sieben bis elf Millionen – aus anderen Ländern Europas nach Deutschland gebracht und in den eigenen Betrieben rund 140 000 Zwangsarbeiter beschäftigt. Davon, so der promovierte Freiburger Historiker Bernd Spitzmüller, hätten während des Zweiten Weltkriegs mindestens 140 in Freiburg ein Arbeitsleben unter menschenunwürdigen Bedingungen geführt: „Es handelt sich dabei vor allem um polnische und sowjetische Kriegsgefangene aber auch um Zwangsarbeiter aus der Sowjetunion, die bei willkürlichen Razzien festgenommen worden waren.“

 

Unter den 5 000 bis 6 500 Zwangsarbeitern, die von den Nationalsozialisten nach Freiburg gebracht wurden, waren die sogenannten „Ostarbeiter“ eindeutig in der Mehrzahl. Spitzmüller hat zusammen mit dem inzwischen pensionierten Stadtarchivar Ulrich P. Ecker die Geschichte der Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen in Freiburg während des Zweiten Weltkriegs erforscht und in dem  Buch „ ... Aber das Leben war unvorstellbar schwer“ veröffentlicht.

 

„Bolschewistische Jammergestalten“

 

Wie verächtlich man in jener Zeit auf die „Ostarbeiter“ blickte, verrät eine zynische Aufzeichnung des damaligen Stadtarchiv-Mitarbeiters Karl Willy Straub vom 30. Juni 1942: „Am Dienstag tauchte wiederum ein Zug von bolschewistischen Jammergestalten auf ... Stumpf, den Blick auf den Boden geheftet, schleppen sie sich, mit Kisten und Bündeln bepackt, müde dahin – Männer, Weiber und Kinder. Und doch muss das Leben noch einen Reiz für sie haben, sonst hätten sie es längst hinter sich geworfen.“ Eine andere Zeitzeugin namens Inge Kaufmann erblickte in jener Zeit am Freiburger Bahnhof eine Gruppe der eintreffenden Zwangsarbeiter aus der Sowjetunion und notierte: „Es war eine junge Frau dabei, die ein gewickeltes Kind auf dem Arm hielt. Obwohl es ganz fest eingewickelt war, hatte das Kind den Kopf so seltsam nach hinten abgeknickt, als ob es tot wäre. Von dieser Frau mit dem Kind ist für mich ein Bild des unbeschreiblichen Leidens ausgegangen.“

 

Bernd Spitzmüller und Ulrich P. Ecker berichten, dass die Zwangarbeiter bei der Bahn überwiegend beim Entladen und Beladen von Waggons im Güterbahnhof sowie im Bahnbetriebswerk eingesetzt wurden. Oft mussten sie ausrücken, um durch Bombardierungen beschädigte Gleise zu reparieren. Die rassistische Ideologie des NS-Staates schlug sich in der Behandlung der Zwangsarbeiter voll nieder: Während sich „Westarbeiter“ – überwiegend aus Frankreich, den Niederlanden, Belgien und Italien – beispielsweise nach „Feierabend“ frei in der Stadt bewegen durften, war das Schinden der „Ostarbeiter“ Programm. Frauen, die beim Reinigen der Waggons eingesetzt wurden, durften sich nicht mit dem warmen Wasser der Lokomotiven waschen. Oder: In den Holzschuhen war das Tragen von Socken verboten. Vermutlich hausten die Zwangsarbeiter der Bahn in Baracken auf den Gutleutmatten oder im sogenannten „Ostarbeiterlager“ an der Habsburger Straße, die damals Adolf-Hitler-Allee hieß. Das Gebäude der KTS hingegen fungierte als Bahn-Kantine.

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Das linksalternative Autonome Zentrum in Freiburg (KTS) befindet sich seit knapp 30 Jahren...

 

Naja, das stimmt so nicht. Die KTS feierte 2014 ihren 20 Geburtstag. Also sind es 23 Jahre. Und auch das stimmt ja nicht so ganz: Im jetzigen Haus ist die KTS seit Februar 1999, also seit 18,5 Jahren. Die 30 Jahre im Artikel rechnen wohl sehr großzügig noch die Vorgeschichte auf dem Vauban-Gelände mit ein.

 

Interessantes zur Geschichte der KTS: https://www.kts-freiburg.org/?rubrique8