[P] Transpi im Park Sanssouci - Martin Luther? Sexist, Antisemit, Tyrannenfreund!

Die sogennante Friedenskirche im Park Sanssouci, im Hintergrund das Transparen auf der anderen Seite des Sees

Am heutigen Morgen, dem 26.05.2017, haben Kletteraktivist_innen ein Transparent in einem Baum im Park Sanssouci gegenüber der sogenannten Friedenskirche angebracht. Auf dem roten Transparent, das in etwa acht Meter Höhe in einem Baum befestigt ist, steht geschrieben “Martin Luther → Sexist, Antisemit, Tyrannfreund!”. Die Aktion richtet sich gegen das Motto des diesjährigen evangelischen Kirchentags in Berlin, Potsdam und Wittenberg '500 Jahre Reformation und Luther' und gegen das ausgerufene Luther Jahr 2017 allgemein. Denn 500 Jahre sind zu viel!


Martin Luther ist kein Held, sondern ein frauenfeindlicher, antisemitscher Hetzer. Ihn dieses Jahr (und die letzten Zehn im Sinne der Lutherdekade) so unkritisch zu feiern ist gefährlich und unangemessen. Das wollen wir nicht unkommentiert lassen und werden daher mit verschiedenen bunten, kreativen Aktionen versuchen das wahre Gesicht Luthers sichtbar zu machen.


Wir haben die sogenannte Friedenskirche im Park Sanssouci als Ort für unsere Kletteraktion ausgewählt, da die Kirche einer der zentralen Veranstaltungsorte des evangelischen Kirchentages in Potsdam ist. Zudem fand dort am Vortag, dem 25. Mai, eine “Luthermesse” statt, am heutigen Abend findet ein “Der Klang der Reformation” Konzert statt. Wir fordern von der evangelischen Kirche eine kritische und ehrliche Auseinandersetzung mit Martin Luther und der Reformation, anstatt von stumpfen Abfeiern und Ignorieren oder Kleinreden jeglicher Kritik.

 

500 Jahre Reformation und Luther sind zu viel!


In diesem Jahr endet die 2008 begonnene Lutherdekade der evangelischen Kirche mit dem 500-jährigen Jubiläum des Thesenanschlags Martin Luthers an die Tür der Schlosskirche in Wittenberg. In der öffentlichen Debatte und in den Schulen wird meist betont, dass Luther „der mutige Kämpfer gegen die katholische Übermacht“ gewesen sei, „die arme Gläubige mit Ablassbriefen ausbeutete“.

 

Ihr feiert einen Wegbereiter der protestantischen Erwerbsethik

 

500 Jahre Reformation beflügelten Kapitalismus und Lohnarbeit in enormer Dimension und kreierte das unangefochtene Mantra der Gegenwart: Ich arbeite, also bin ich. Der Arbeitsfanatiker Luther („Der Mensch ist zur Arbeit geboren wie der Vogel zum Fliegen“) meinte, dass diverse Auserwählte bereits mit ihrer Geburt für das Paradies prädestiniert wären und deswegen allein irdische Erfolge, Fleiß und harte Arbeit Indikatoren für die bevorstehende Erlösung seien. Seine Gedanken hatten schwerwiegende Folgen. Die damals selbstverständlich bestehende Allmende wurde der Allgemeinheit, oftmals in blutigen Szenen, aus den Händen gerissen und erschuf Lohnarbeiter*innen en masse. Diese mussten ihr Überleben sichern, indem sie das einzige Eigentum, was ihnen geblieben war auf dem Markt anboten: ihre eigene Arbeitskraft. Im weiteren Verlauf entstand ein neuartiger Begriff der Arbeit: Sie wurde vom notwendigen Übel zur fiktiven heilbringenden Berufung. Infolgedessen etablierte sich der, bis in die Gegenwart unerschütterliche, Irrglaube, dass nur (lohn-)arbeitende Menschen in einer Gesellschaft nützlich seien und alle Erwerbslosen eine Belastung für die selbige darstellten. Obendrein bringt Lohnarbeit gesellschaftlichen Bestätigung hervor, wohingegen unbezahlte Hausarbeit chronisch als Trivilität angesehen und an den Rand der Gesellschaft geschoben wird. Das führt uns zu einem weiteren Wesenszug Luthers:

 

Ihr feiert einen dogmatischen Sexisten

 

Luther schuf die wesentliche Prämisse für die Marginalisierung der Frau in der protestantischen Welt, indem er ihnen die Aufgaben „Hausarbeit und Männer gebären“ als gottgegebene Bestimmung aufs Auge drückte. Neben der Montage des Bildes einer bürgerlichen Frau, unterstützte Luther einen grausamen Disziplinierungsprozess, durch den Frauen als „Sündige“, „Verderbende“ und vor allem „Wissende“ stigmatisiert und umgebracht wurden („Die Zauberinnen sollst du nicht leben lassen… Es ist ein gerechtes Gesetz, dass sie getötet werden, sie richten viel Schaden an.“, 1526).

 

Ihr feiert einen fanatischen Antisemiten

 

Primär muss zwingend bedacht werden, dass Martin Luther ein relevanter Teil einer langen Geschichte des christlichen Antijudaismus und christlicher Gewalt gegen Jüd*innen war. Seine Werke (bspw.: „Von den Juden und ihren Lügen“, 1543) und deren Rezeption, waren ein Beweggrund für die Entstehung und Verwirklichung einer nationalsozialistische Ideologie. Luther stellte die Frage:

 

Was sollen wir Christen nun tun mit diesem verdammten, verworfenen Volk der Juden?“

 

Seine Antwort waren sieben Schritte, die er zynisch als „scharfe Barmherzigkeit“ betitelte: Mensch solle „Synagogen verbrennen, Häuser zerstören, deren Bewohner*innen in Ställen unterbringen, Gebet- und Talmudbücher wegnehmen, Rabbiner*innen das Lehren unter Androhung der Todesstrafe verbieten, Händler*innen ihr Wegerecht entziehen, weiterhin ihnen das Geldgeschäft verbieten und all ihr Bargeld und ihren Schmuck enteignen“. Abschließend sollten, Luthers Ansicht nach, alle „jungen Jüd*innen ihr Brot im Schweiße ihres Angesichts mit harter Arbeit verdienen“. Luthers Schriften sprach Jüd*innen die Menschenwürde vollkommen ab und formulierte wesentlich das Muster der Schoah im Nationalsozialismus. Kann es eine protestantische Theologie nach Auschwitz überhaupt geben, die beharrlich jenen Autor glorifiziert, der von Nationalsozialist*innen in den Nürnberger Prozessen als Legitimationsgrundlage für ihr barbarisches Handeln genutzt wurde?

 

Danke für Nichts!

 

Martin Luther wird als Freiheitskämpfer, Humanist und Retter des Christentums betrachtet. Das diese Rezeption eine Illusion sondergleichen ist, hat dieser Text hoffentlich aufzeigen können. Seine Unterstützer*innen und die protestantische Kirche verteidigen ihn als „Kind seiner Zeit“ und deuten seine barbarischen Offenbarungen mit allerlei Interpretationsgeschick um, damit sie dem Mythos eines „deutschen Helden“ gerecht werden. Der Reformator, der die christliche Religion aus einer Krise befördert haben soll, wird durch einen kritischen Blick, derjenige, der eine neue Krise an das Ende der alten Misere gesetzt hat, der wir bis heute nicht gänzlich entfliehen konnten. Es wird Zeit für eine deutliche Kritik, die das öffentliche Mythos eines „barmherzigen Reformators“ zerstört und eine zeitgemäße Debatte, jenseits des artifiziellen Heldentums, fördert.

 

500 Jahre Reformation – Kein Grund zum Feiern, Zeit für einen endgültigen Schlussstrich!

 

Mehr Informationen und weiteführende Links und Literatur zu Luther und Reformation gibt es hier:

 

www.gegendiehelden.blogsport.eu

 

Zur lokalen Initiative gegen den evangelischen Kirchentag in Potsdam, schaut mal hier drauf:

 

http://gegendiehelden.blogsport.eu/potsdam/

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danke! XD

26.05.2017 // Politik


Kirchentag: Luther ist nicht der, für den man ihn feiert

 

Mit einer Kletteraktion in Potsdam wollen Aktivisten auf die wenig heldenhaften Seiten des Reformators aufmerksam machen.

 

Potsdam. Mit einer Kletteraktion haben Aktivisten ein Transparent im Park Sanssouci gegenüber der Friedenskirche angebracht. Auf dem Plakat steht geschrieben: »Martin Luther – Sexist, Antisemit, Tyrannenfreund.«

Die Aktivisten berufen sich auf die Initative »Gegen die Helden«, die den Evangelischen Kirchentag kritisch begleitet. Martin Luther sei der Initiative zufolge ausschlaggebend für den kapitalistischen Arbeitsethos gewesen und habe sich abwertend gegenüber Frauen und Menschen jüdischen Glaubens geäußert.

Die Aktion kritisiere das Motto »500 Jahre Reformation und Luther« des evangelischen Kirchentags in Berlin, Potsdam und Wittenberg und das ausgerufene Luther-Jahr-2017. Die Aktivisten bemängeln den aus ihrer Sicht unkritischen Umgang mit der Person Luthers und dessen Aussagen. Sie sehen in dem Reformator keinen Helden, sondern einen »frauenfeindlichen, antisemitischen Hetzer« und fordern eine kritische und ehrliche Auseinandersetzung der evangelischen Kirche mit Luther.

Die Friedenskirche in Potsdam ist einer der Veranstaltungsorte des evangelischen Kirchentages in Potsdam. In diesem Jahr wird das 500-jährige Jubiläum des Thesenanschlags Martin Luthers an die Tür der Schlosskirche in Wittenberg gefeiert. SN

aber für unsereinen linken ist m.e. der hauptgrund, luther auf den müllhaufen der geschichte zu entsorgen, in seiner rolle und seinem verhalten zum großen deutschen bauernkrieg zu sehen- dem ersten flächendeckenden versuch einer (sub-)proletarischen revolution in deutschland. da hat der kerl ruckzuck die bauern verdammt und rief schon früh auf, sie allesamt zu tode zu bringen. er schlug sich da ohne zögern sofort wieder auf die seite der katholischen kirche, die dazumals u.a. versucht hat, die freien bauern in die leibeigenschaft zu pressen, was nichts anderes als pure sklaverei im besitz der kirche und der fürsten bedeutete. und als die niederlage müntzers zugegebenermaßen christlich gefärbter revolutionshorden absehbar war, hat die feige sau aktives brownnosing betrieben urch folgendes infames manifest:

 

https://de.wikipedia.org/wiki/Wider_die_Mordischen_und_Reubischen_Rotten...

 

bei folgenden aktionen gegen die "heiligsprechung" dieses drecksacks bitte in zukunft disen fakt an erster stelle erwähnen.

Die Reformation hatte starke sozialrevolutionäre Bezüge. Sie kann tatsächlich gefeiert werden, wenn sich vom Protestantismus inkl. Luther abgegrenzt wird. Die Reformatorische Bewegung war stark antiklerikal ausgerichtet. Luther tat ungefähr das, was später die Sozialdemokraten gegenüber der modernen Arbeiterbewegung taten: Er setzte sich an die Spitze und verkaufte sie an die Kapitalisten. Die einstigen Weggefährten, die revolutionäre blieben, wurden blutig bekämpft. Es gibt Müntzerdeutungen nicht nur aus bürgerlicher oder marxistischer Sicht. Auch Anarcho-Syndikalisten formulierten Texte und Analysen dazu. Bei Syndikat-A gibt es die Broschüre: 500 Jahre Thomas Müntzer! Herausgegeben vom Institut für Syndikalismusforschung.

https://www.syndikat-a.de/index.php?article_id=2@cat=3976@prod=4265