Für eine starke antikapitalistische Mieter_innenbewegung // Für eine Organisierung im Stadtteil
In den letzten Monaten gab es vor allem in Berlin-Kreuzberg, Friedrichshain, aber auch in anderen Stadtteilen immer wieder Proteste, Kundgebungen und Demonstrationen gegen hohe Mieten und die dadurch drohende Vertreibung von Menschen mit geringen Einkommen. Teilweise konnten besonders damit bestimmte Maßnahmen aufgehoben oder verschoben werden. Am 22. April werden Menschen auf die Straße gehen, die die Mieter_innenbewegung als Teil einer systemantagonistischen Bewegung positionieren will. Damit ist überhaupt nichts dagegen zu sagen, wenn Mieter_innen mit ihren Protesten Verbesserungen erreichen. Doch es zeigt sich immer wieder: Das Problem ist das Verwertungsinteresse des Kapitalismus. Er sorgt dafür, dass Wohnungen zur Ware sind. Und es findet sich dann kapitalistische Player, die hier ihre Rolle spielen.
„Wer hier kauft, kauft Ärger“.
Ein solcher Player ist Christoph Gröner, dessen Initialen de CG-Gruppe den Namen geben. Seit die CG-Gruppe auf dem Areal der Rigaer Straße 71-73 das Luxusprojekt Carré Sama-Riga, errichten will, ist sie mit größerer Kritik und mit Protest konfrontiert. Kiezspaziergänge, Videokundgebungen, Proteste auf sogenannten Bürger_inneninformationen, die unter Polizeischutz stattfanden, machen den Abgesandten von CG deutlich, dass die Parole, die häufig an den Wänden rund um die Baustelle zu finden waren, ernst gemeint sind: „Wer hier kauft, kauft Ärger“. Mochte Christoph Gröner noch im Juni 2016 den protestierenden Nachbar_innen entgegen: „Ihr könnt soviel schreien, wie Ihr wollt, ich werde doch bauen“, so wurden mittlerweile diplomatischere Kapitalvertreter_innen an die Öffentlichkeitsfront geschickt. Doch ihre Botschaft ist klar, lasst und bloß schnell bauen und dann können wir ja weitersehen. Genau dagegen richtet sich der Protest der Nachbar_innen. Ihre Forderung ist eindeutig: Sofortiger Stopp aller Baumaßnahmen und im Anschluss Start einer gemeinsamen Diskussion der Nachbar_innen, was auf dem Areal geschehen soll. Ob dort Wohnungen nach dem Modell der Initiative Neuer Kommunaler Wohnungsbau (inkw-berlin.de) errichtet werden sollen, ob dort eine Grünfläche erhalten bleiben soll, oder ob ein Stadtteilzentrum entstehen soll, wie drei von möglichen Vorschlägen lauten, wäre das Ergebnis von Debatten mit den Nachbar_innen. Nur eins ist klar, das Carré Sama-Riga will und braucht niemand.
Scheppern gegen CG – oder welche Folgen 10 Minuten Lärm haben können
Dass der Widerstand gegen dieses Projekt weiterhin die Medien bestimmt und sogar mittlerweile der aktuelle von den Grünen gestellte Stadtrat den Bauantrag der CG-Gruppe ablehnt, ist das Ergebnis von 10 Minuten täglich Lärm. Scheppern gegen CG heißt die Aktion, die am 19.1.2017 begonnen hat. Im tiefen kalten Winter begannen um 19 Uhr Nachbar_innen vor dem Gelände der Rigaer Straße 71-73 zehn Minuten auf Töpfe, Schüsseln, Pfannen oder auch auf Schildern zu schlagen. Anfangs war nicht klar, wie lange die Aktion trägt. Doch die Tage wurden länger, der Frühling zog ins Land und noch immer fand das Scheppern täglich nach 19 Uhr 10 Minuten statt. Es gab keine zentrale Steuerung. Täglich nehmen andere Menschen daran teil. Oft beteiligen sich auch Nachbar_innen vom ihren Balkons oder Fenstern aus am Scheppern. Die Aktion wurde zum Symbol, bald interessierten sich auch die Medien auch für die Schepperer_innen. Für die Verantwortlichen der CG-Gruppe sind sie zum Albtraum geworden. Denn das Scheppern wurde zum Menetekel für die Konzernverantwortlichen. Das Beispiel macht auch deutlich, dass mit kreativen, scheinbar „harmlosen“ Aktionen Wirkungen erzielt werden können. Doch das Scheppern gegen die CG-Gruppe ist nur ein wichtiger Teil des Widerstands.
Jetzt gemeinsam auf die Straße
Daher beteiligen sich die Nachbar_innen am Mieter_innenblock auf der Demo am 22.4. Sie wird vom Rigaer Straßenplenum (https://linksunten.indymedia.org/de/node/210059) vorbereitet, größtenteils von Hausprojekten in der Rigaer und den umliegenden Straßen. Auch dort begann der Widerstand gegen die CG-Gruppe bereits vor einem Jahr. Auf der Demo werden nun Bewohner_innen der Hausprojekte im Friedrichshainer Nordkiez und Mieter_innen aus de Nachbarschaft gemeinsam auf die Straße gehen. Der Kampf gegen das das Carré Sama-Riga ebenso wie gegen die Polizeibelagerung des Hausprojektes Rigaer Straße 94 haben die Grundlagen gesetzt, damit eine solche gemeinsame Demonstration möglich ist. Die gemeinsame Demo ist der Erkenntnis geschuldet, dass der Kampf die CG-Gruppe nicht auf Kiezebene gewonnen werden kann. In zahlreichen Berliner Stadtteilen ist die CG-Gruppe aktuell beim Bau lukrativer Objekte involviert. Unter Anderem beim ehemaligen Postturm gegenüber der U-Bahn Möckernstraße in Berlin-Kreuzberg. Proteste gegen ihre Projekte hat die CG-Gruppe aber bisher hauptsächlich im Friedrichshainer Nordkiez erfahren. Mit der Demonstration soll der Kampf gegen CG-Gruppe auf eine berlinweite Ebene berückt werden. Der konkrete Vorschlag, einen Akteur der Verdrängung einkommensschwacher Mieter_innen exemplarisch vorzunehmen, ist auch ein Diskussionsangebot an die Berliner Mieter_innenbewegung. Bisher hat sie meist gegen konkrete Verdrängungen mobilisiert und hatte damit entweder Erfolge oder nicht. Einen der Protagonist_innen der Verdrängung in den Fokus zu rücken würde über diese unmittelbare Mobilisierung hinausgehen. Es könnte das Fundament einer antikapitalistischen Mieter_innenbewegung sein, die die Wohnungsfrage wieder mit dem Kapitalismus in Verbindung setzt. Anders als bei unmittelbarer Mobilisierung, wo die Initiativen oft auf eine Kooperation von Teilen der Politik setzen, steht für die antikapitalistische Mieter_innenbewegung ihre klare Autonomie gegenüber allen Parteien außer Frage. Bündnispartner_innen einer solchen Mieter_innenbewegung sind basisgewerkschaftliche Initiativen und proletarische Zusammenhänge, die an Arbeitsplätzen oder in Jobcentern gegen die täglichen Zumutungen des Kapitalismus kämpfen. Genau wie beim Kampf um bezahlbare Mieten, ist auch der Kampf um jeden Cent mehr Lohn und jede Minute weniger Arbeit immer und unter allen Umständen zu unterstützen. Es sind die Basiskämpfe, in denen die Menschen die Erfahrung machen, dass die Selbstorganisierung das einzige Mittel ist, um Erfolge zu erzielen.
Keine Rendite mit der Miete/Friedrichshain