Räumungsklage gegen Villa-Bewohner NüRTINGEN: Stadt beruft sich auf ein gestörtes Vertrauensverhältnis

Erstveröffentlicht: 
19.07.2016
Seit acht Jahren gibt es in Nürtingen das alternative Wohnprojekt Villa Galgenberg mit rund 20 Bewohnern. Die Stadt Nürtingen, die den Bewohnern auf den 30. März gekündigt hatte, klagt nun auf die Räumung des Geländes in der Galgenbergstraße 4.

Von Barbara Gosson

 

Ende 2014 kaufte die Stadt Nürtingen das 18 Ar große Gelände und wurde so zum Vermieter. Oberbürgermeister Otmar Heirich ist das mit Graffiti verzierte Haus in der Altstadt aber eher ein Dorn im Auge. Der Garten entspricht ebenfalls nicht unbedingt bürgerlichen Vorstellungen, es liegt auch Unrat herum, wie man in einem SWR-Film sehen kann. „Das Haus hat sich zu einem Schandfleck entwickelt“, findet Heirich. Er kann sich das Haus als Zentrum eines kleinen Stadtparks vorstellen.

Auf Ende März kündigte die Stadt das unbefristete Mietverhältnis, die fristlose Kündigung war auf den 30. April datiert. Mit der Räumungsklage zeigt die Stadt, wie ernst es ihr damit ist, das Gebäude zu räumen. Anwalt Oliver Andersch begründet die Räumungsklage hauptsächlich mit einem zerrütteten Vertrauensverhältnis - unter anderem hatten die Bewohner OB Heirich Hausverbot erteilt. Außerdem habe es verschiedene Vertragsverletzungen gegeben wie Sachbeschädigungen, ungenehmigte Untervermietung und Tierhaltung, erklärt Clint Metzger von der Pressestelle der Stadt.

Konkrete Pläne mit dem Gebäude hat die Stadt nicht, da die Pläne für das Gebiet „Westlicher Neckar“ aus finanziellen Gründen auf Eis liegen. Es gebe verschiedene Nutzungsmöglichkeiten, die geprüft würden, teilt die Stadt mit. Ein enger Wohnungsmarkt berechtige Mieter nicht zu Vertragsbrüchen, sagte der Pressesprecher. Und nicht jeder, dem gekündigt werde, werde gleich obdachlos. Das bedeutet auch, dass die Stadt nicht, wie OB Heirich noch im Dezember 2014 angedeutet hatte, bei der Suche nach einem Ersatzobjekt behilflich wäre.

Hausverbot für OB

Den Vorwurf der Sachbeschädigung weisen die Bewohner von sich. Die Fassade sei vor dem Verkauf an die Stadt mit Erlaubnis bemalt worden, also sei nie das Eigentum der Stadt beschädigt worden. Außerdem habe das Haus lange leer gestanden. Die Bewohner hätten Wasserschäden und Fußböden in Eigenleistung repariert, so Marco Alt, einer der drei Hauptmieter.

Es sei richtig, dass dem OB Hausverbot erteilt wurde. Heirich sei den Mietern jedoch nie als Zuständiger genannt worden, immer nur die GWN und ihr Geschäftsführer Volkmar Klaußer. Heirich habe darauf bestanden, ins Haus zu kommen, und sei teilweise in die Schlafzimmer gegangen.

Andere Vorwürfe weisen die Bewohner ebenfalls zurück: „Lärm kommt oft von Leuten, die am Galgenberg oder am Skaterplatz feiern.“ Im Haus seien auch nur drei Hunde angemeldet, und sowohl Glasbläserei als auch Umsonstladen seien legal, betonen die Bewohner. Sie haben sich ebenfalls anwaltlichen Beistand geholt. Alle zusammen überweisen jeden Monat einen vierstelligen Betrag an die Stadt. „Solange wir Miete zahlen, ist es ein normales Mietverhältnis“, sagt Alt. Sie beschuldigen die Stadt, das Wohnprojekt langsam „auszutrocknen“, weil keine neuen Untermietverhältnisse mehr eingegangen werden dürften, sobald jemand auszieht.

Es sei schwierig, eine Immobilie für ein solches Projekt zu finden. „Wir wollen als Gemeinschaft zusammenbleiben und weiter Projekte machen“, sagt Mitbewohnerin Nathalie Rohm. „Wir wollen nicht abgespeist werden, wir haben ein Recht auf Wohnung.“ Gerne hätten die Villa-Bewohner, die einen Verein gegründet haben, das Haus selbst gekauft, sie seien aber mit der ehemaligen Besitzerin nicht handelseinig geworden. Der Verein geht mit Infoständen und einer Online-Petition an die Öffentlichkeit. Die Stadt sagt, diese Petition sei rechtlich nicht bindend, egal wie viele Unterschriften sie habe.

19.07.2016
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"Die Bewohner hätten Wasserschäden und Fußböden in Eigenleistung repariert, so Marco Alt, einer der drei Hauptmieter."

Ist doch das Übliche: Bei abgewracktem Immobilienbestand lässt man derne mal "Alternative" günstig drin wohnen damit die sich kümmern. Früher oder später werden die dann allerdings rausgeekelt damit das Objekt gewinnbringender vermietet oder, wie im Fall der Stadt als Eigentümerin, generell zur Gentrifizierung beitragen kann. Was erwartet man denn als Mieter? Sollte doch jeder und jedem klar sein dass es bei Vermietungen nur um Profitmaximierung geht. Auch dieses ganze "Mimimi, wir haben doch alles legal gemacht" zeigt doch nur das bürgerlich-legalistische Verständniss von den Betreibern der Villa. Legal? Illegal? Scheißegal! Nichts gegen eine juristische Zurwehrsetzung, auch die bürgerlich-legalistischen Möglichkeiten gilt es natürlich voll auszuschöpfen. Aber: Freiräume gilts zu verteidigen, ganz egal ob Farbe mit oder ohne Genehmigung, vor oder nach dem Verkauf, angebracht wurde! Die Frage ist hier nur: Ist die Villa tatsächlich ein Freiraum oder nur eine alternative Niesche die sich innerhalb des bürgerlichen Rechts möglichst gut einnisten will?

...das das hier der pressespiegel von linksunten ist, oder? Und dir ist auch klar, das die Nürtinger Zeitung eine kleine konservative kleinstadtzeitung ist :) Und das du den zitierten Satz in dem Kontext sehen musst solltest. Ansonsten voll bei dir.