[Hamburg] Stellungnahme der Bewohner_innen des Plan B zur Hausdurchsuchung am 18.07.2016

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Gestern drang ein martialisches Polizeiaufgebot bestehend aus über 250 Polizist_innen der Bereitschaftspolizei sowie Spezialeinheiten wie die Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit mit schwerem Gerät und schwerer Bewaffnung wie Maschinenpistolen in unser Wohnprojekt „Plan B“ in der Hafenstraße ein.

 

Mehrere Dutzend vermummte Beamt_innen bedrohten Bewohner_innen und andere anwesende Personen in einer unserer Wohnungen teilweise mit vorgehaltener Schusswaffe, nachdem diese dazu aufgefordert wurden, sich mit erhobenen Händen zu zeigen. Zeitgleich fand der bisher massivste Polizeieinsatz im Hinterhof des Wohnprojektes neben der Hafenvokü statt, bei dem rund 30 Personen brutal festgenommen und in Handschellen abgeführt wurden. Beim Eindringen in den Hinterhof wurde das unverschlossene Tor niedergerissen und der Hinterhof komplett verwüstet.

Grundlage der Durchsuchung war ein fadenscheiniger Durchsuchungsbeschluss, der sich gegen eine unbekannte Person in einem nicht eindeutig beschriebenen Raum richtete, die einer anderen unbekannten Person, die vor mehreren Monaten eine geringe Menge Marihuana verkauft habe, Unterschlupf gewährt haben soll. Bei der Durchsuchung wurden in unserem Haus keinerlei Drogen sichergestellt.
Offensichtlich soll hier durch haltlose Tatvorwürfe das Bild konstruiert werden, dass wir in Drogenhandel involviert sind, um uns durch unverhältnismäßige Repression einschüchtern zu können.

Angesichts des vagen Vorwurfes und der Tatsache, dass nichts Relevantes gefunden wurde, wird klar, dass sich diese Durchsuchung nicht gegen eine tatsächlich begangene Straftat richtete, sondern einzig und allein der Einschüchterung der Bewohner_innen des Hausprojektes diente. Der heutige Polizeieinsatz stellt bislang den Höhepunkt einer Militarisierung des Stadtteils dar, den wir in den vergangenen Monaten beobachten konnten. Nahezu täglich werden Menschen von der Polizei durch St. Pauli gejagt, zu Boden geworfen und brutal festgenommen. Zur Erinnerung: das Revier der Davidwache hat mittlerweile die höchste Polizeidichte Deutschlands.

Offenbar war es das Interesse der Hamburger Polizei, ihre Macht zu demonstrieren, weil wir die Geflüchteten in unserer Nachbarschaft wie Menschen behandeln, unabhängig davon, ob sie aufgrund der unmenschlichen europäischen Flüchtlingspolitik dazu gezwungen sind, illegalisierten Tätigkeiten nachzugehen. Dass der Krieg gegen Drogen einzig und allein ein Krieg gegen Menschen ist, wird direkt vor unserer Haustür tagtäglich offensichtlich. Wir werden uns auch weiterhin solidarisch mit den Betroffenen dieses sogenannten Krieges verhalten und das Verhalten der Polizei, auch weiterhin als das benennen, das es ist: Rassismus. 

Die Bewohner_innen des Wohnprojekts Plan B

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wenn u.a. Koks und Gras nichts Relevantes im Sinne der Aktion sind, könntest du vielleicht Recht haben, hast Du aber leider nicht. Und Deinen Widerspruch ("haltlose Tatvorwürfe, Drogenhandel involviert", wenig später jedoch "Solidarität mit den Betroffenen") erkennst du selbst, oder?

Wenn hier wirklich gegen Drogen vorgegangen werden soll, gibt es in Hamburg ganz andere Wohnungen die man mit 250 Cops hätten stürmen können. Dieser Einsatz zeigt einfach, wie die Polizei mal wieder völlig frei dreht.

Die Argumentation geht doch total am Kern der Kritik vorbei und macht obendrein unnötig angreifbar.

"50 Tütchen mit insgesamt 91 Gramm Marihuana, 9 Kügelchen Kokain" ist zum einen nicht direkt "nichts", anders als hier und in der taz behauptet wird.

Daß es auch andere Wohnungen gibt ist eine Ausrede die ungefähr so gut ist wie "nicht in meinem Vorgarten". Im Übrigen gibt es wohl keine andere Gegend in der so offen gedealt wird.

Es kann natürlich sein daß du da noch "ganz andere Wohnungen" kennst. Das spricht dann aber auch dafür daß man bei dir an der richtigen Adresse ist mit der Suche anzufangen.


Viel wichtiger ist die Diskussion um die Umstände, die Menschen zum Dealen bringen, warum das eigentlich illegalisiert ist und daß es wohl nur wenige geben sollte, die freiwillig so ihren Lebensunterhalt verdienen.

Beste Grüße aus der Rigaer! Hoffentlich geht bei den Hamburger Bullen der Schuss genauso nach hinten los, wie in Berlin.

 

Seid tapfer! Kämpft die Schweine nieder!

>> Heute Spontandemo 20:00 Uhr vor der Davidwache <<
"Wegen Drogendealerei hat die Polizei gestern das Wohnprojekt PlanB in der Hafenstraße gestürmt. "Bei der Durchsuchung wurden in unserem Haus keinerlei Drogen sichergestellt", schreiben die Bewohner. Die Aktion ziele auf die Einschüchterung der Anwohner, die Geflüchtete in der "Nachbarschaft wie Menschen behandeln, unabhängig davon, ob sie aufgrund der unmenschlichen europäischen Flüchtlingspolitik dazu gezwungen sind, illegalisierten Tätigkeiten nachzugehen."

Die rassistische Unterdrückung der Schergen hat einen neuen Höhepunkt erreicht! Wir rufen dazu auf: Kommt heute Abend in den Hafen, beteiligt euch an der Gegenwehr gegen diesen Staatsapparat!

 

Seid kreativ, weicht aus aber nicht zurück!

Fragt euch mal selbst, was ihr da macht. Es geht ja wohl nicht primär um geflüchtete, sondern das unser Viertel voll ist mit Leuten, die Drogen kaufen oder verkaufen wollen. Ist es wirklich besonders politisch, das zu fördern und zu ermöglichen? Hinter dem Drogenhandel stehen kapitalistische krimenelle Organisationen. Und vor Ort nevt es höllisch.

das ist doch bullshit. leute wie menschen zu behandeln und sie nicht aus dem garten zu schmeissen, wenn sie brutal von bullen gejagt werden (als anwohner*in solltest du das ja wohl mehrfach mitbekommen haben) hat noch lange nichts mit foerdern von drogenhandel zu tun. die leute sind in erster linie menschen und nicht dealer und so begegnen die planb-bewohner*innen ihnen anscheinend auch. da sollten sich alle eine scheibe von abschneiden.

...was die Flora weiter unten veröffentlicht hat sieht aber schon nach Förderung der Szene von Drogenhandel und Drogenkonsum aus. Explizit wird sich da z.B. gegen die Forderung nach drogenfreien Spielplätzen, drogenfreien Schutzräumen gewehrt.

Förderung der offenen Drogenszene ohne wenn und aber zur Eskalation der Situation in unseren Vierteln???

Als Anwohner bekomme ich mit, dass Dealer festgenommen werden. Als Anwohner bekomme ich aber auch mit, dass dies nur ab und zu stattfindet und die Situation meist ganz entspannt wirkt. Es handelt sich eben nicht um eine totale und permanente Besetzung unseres Stadtteils. Die Bullen prägen nicht das Bild. Zugegeben, wenn sie mit vielen kommen, wird es laut. Aber so schlimm kanns nicht sein, sonst wäre der Handeslposten bereits wo anders hin verlegt worden. Die sind da ja nicht aus ideellen Gründen, sondern weils an diesem Ort offfensichtlich für sie gut läuft.

Stell dir mal vor es wäre Prohibition und Alkohol wäre verboten du aber gerne ne Flasche bier oder Sekt hättest. Das Angebot besteht ja nur aufgrund der Nachfrage. Zudem ob du nun versteuert irgendwas kaufst oder unversteuert,Kriminelle Strukturen unterstützt du so oder so. Die eine nennt sich nur Staat statt Mafia. Und soweit ich das beurteilen kann unterstützt niemand die Dealer beim dealen...aber sie schutzlos den rassistischen Kontrollen der Polizei aus zu liefern ist auch nicht die Lösung und wider der Einstellung vieler Hafenstraßen Bewohner.

Wenn du schon auf das Thema eingehst. Es ist durch aus auch so politisch. Gibt es nicht schon genug Beispiele dafür, das Drogen entkriminalisiert werden sollten? Menschen haben sich schon immer berauscht und werden es auch weiterhin tun. Menschen tun das aus verschiedensten Gründen. Viele auch auch aus Hilflosigkeit heraus, auf Grund von Problemen.

Der Kampf gegen Drogenhandel ist meiner Auffassung nach also total sinnlos. Drogen sollten legalisiert werden. Das schafft einen ganz anderen Umgang mit den Problemen, die Drogen mit sich bringen und für Konsument*innen mehr Sicherheit. Heroin zum Bespiel wird doch sogar von einigen Ärzt*innen als das nahezu unschädlischste Rauschmittel beschrieben, wenn es denn als reines Heroin genommen wird. Verunreinigt wird es doch nur dadurch, dass es durch eine gewinnorientierte Struktur gehandelt wird. Dadurch werden Drogen zu einer größeren Gefahr und bringen noch mehr Probleme für die Konsument*innen mit sich, wie die gesundheitlichen, die Auslieferung an eine, ich nenne es jetzt mal skrupellose Szene, so wie die Kriminalisierung selbst.

Drogen gehören legalisiert. Und Menschen, egal in welcher Situation, sollten überall Arbeiten dürfen, dann hätten wir nicht diese Probleme.

Heute, 19.07., 20:00, Demo vor der Davidswache! Wenn nichts mehr geht verteilt euch im 1/4! Hamburg fight back! Gegen racial profiling macht die Sxhweine fertig!

Erklärung der Roten Flora zu Drogenkonsum und –handel

Seit einiger Zeit hat der Konsum und Handel illegalisierter Drogen um die Flora herum stark zugenommen. Der Unmut eines Teils der AnwohnerInnen darüber ist groß. Seit Mitte November hat die Polizei unter Federführung der Wache 16 mit der gezielten Verfolgung von Drogenabhängigen und Dealern im Schulterblatt begonnen. Wir haben uns zu dieser Situation bisher noch nicht geäußert. Unter anderem deshalb nicht, weil wir Schwierigkeiten hatten, aus unseren eigenen Unklarheiten und Widersprüchlichkeiten heraus zu einer Position zu kommen und zu einem breit getragenen Umgang mit der Situation zu finden.
 
Unser Hauptanliegen ist es, klarzustellen, dass wir die jetzige Situation an der Flora als Ausgangspunkt nutzen wollen, um endlich der permanenten Vertreibungsroutine gegenüber der Drogenszene etwas entgegenzusetzen.

Die Linke hat eine recht lange und nicht unbedingt rühmliche Geschichte des Umgangs mit (illegalisierten) Drogen, bis vor einigen Jahren wurden diese vor allem als Gefährdung linker Politik und Subkultur betrachtet und "Dealer verpisst Euch" war die dominierende Meinung. Wir hoffen, dass das Umdenken, dass bei vielen von uns und in anderen Teilen der Gesellschaft in letzter Zeit stattgefunden hat, sich auch im Schanzenviertel letztlich durchsetzen und zu einer solidarischeren Diskussion über den Umgang mit der Drogenszene führen wird.


I. Die Drogenpolitik


Die bisherige Drogenpolitik hat mit ihrer widersinnigen und verlogenen Einteilung in legale und illegale Drogen und den zwangsläufig scheiternden Versuchen, den Konsum und Handel von letzteren zu verhindern, zu der heutigen Situation geführt.

Einzig und allein die Illegalisierung bestimmter Drogen ist für die Verelendung – und letztlich: den Tod – eines Teils der KonsumentInnen verantwortlich.
Sie führt zur Kriminalisierung der Abhängigen und HändlerInnen und des zwischen ihnen stattfindenden Handels, der durch Vertreibung und Repression nirgends auf korrekte Art stattfinden kann.

Die Folgen sind zwangsläufig: Der Drogenhandel folgt den eigenen eines illegalen Markts, der Stoff wird teuer und selten. Abhängige müssen für den Erwerb der Drogen viel Geld aufbringen, dessen Beschaffung die KonsumentInnen oft rund um die Uhr beschäftigt. Wohnungen und vernünftige Lebensmittel können kaum noch bezahlt werden. Diese Umstände können die so Betroffenen in die "Beschaffungskriminalität" drängen. Die Engpässe in der Versorgung führen zum Strecken des Stoffes mit teils gesundheitsschädlichen Substanzen und das in stets wechselnden Dosierungen, sowie zum Beikonsum unterschiedlichster Drogen. Erst das bedingt die offensichtlichen, gesundheitsschädigenden Wirkungen des Heroinkonsums; Heroin ist in reiner Form körperlicher Form relativ unschädlich.

Den für die HändlerInnen gefährlichsten Teil des Drogehandels, den Kleinhandel auf der Straße betreiben fast nur noch Leute, die sowieso schon in einer verzweifelten Lage sind: Abhängige, die damit ihren Konsum finanzieren und junge Flüchtlinge, die hier eine Möglichkeit zum Überleben suchten und nun durch Arbeitsverbote und drohende Abschiebung keinen anderen Weg zum Gelderwerb sehen. Die Bereitstellung der Drogen, die auf der Straße gehandelt werden, läuft über GroßhändlerInnen und Handelsstrukturen, die in der Öffentlichkeit nicht auftauchen, jedoch wesentlich die Menge, die Qualität und die Preise des Stoffes bestimmen (und auch die entgegen den üblichen Behauptungen eher geringe Gewinnspanne der Kleindealenden).
Diese Drogenproblematik – eigentlich müsste es heißen: Drogenverbotsproblematik – kann nicht durch weitere Polizeiaktionen gelöst werden. Ganz im Gegenteil wird sie durch jede repressive Maßnahme weiter verschärft. Die einzige Lösung ist eine vollständige Änderung der Drogen(verbots)politik, und eigentlich wissen das alle.


II.Das Viertel


Durch den Versuch der Polizei, die offene Drogenszene um den Hauptbahnhof zu zerschlagen, kam es zu einer teilweisen Vertreibung der Drogenabhängigen und der HändlerInnen in die umliegenden Stadtteile.
[......]

 

Einige Erscheinungsformen der Drogenszene, wir körperliches und soziales Elend und die erzwungene Illegalität des Handels sind im Straßenbild sicherlich sichtbarer, als beispielsweise die steigende Arbeitslosigkeit oder die zunehmende soziale Gewalt. Und wahrscheinlich ist es einfacher, Stimmung gegen durch Polizeiaktionen geächtete "Dealer" und "Junkies" zu machen, als Politik gegen z. B. staatlich verantwortete Ausgrenzung von gesellschaftlichen Gruppen. Die sich aktuell wieder einmal durchsetzende Hierarchisierung von Interessen und zu Gunsten gesellschaftlich Bessergestellter und zum Nachteil Ausgegrenzter und ärmerer Bevölkerungsgruppen im Stadtteil wollen wir nicht. Spätestens, wenn diese Interessen mit körperlicher oder verbaler Gewalt in "Eigeninitiative" verwirklicht werden, entlarven sich scheinbare Sorgen im Stadtteil als Instrument eines politischen Verständnisses: Hier wird die eigene Lebensrealität zum Maß aller Dinge gemacht. Das trägt zum derzeitigen rechtskonservativen Trend bei.


III.Die HändlerInnen


Die Auflösung der bestehenden Konflikte ließe sich nur mit der vollständigen Legalisierung des Drogenkonsums und –handels realisieren.

Eine kontrollierte Abgabe von illegalisierten Drogen würde an den oben beschriebenen Zuständen wenig ändern, da lediglich sogenannte "Schwerstabhängige" in den Genuss eines solchen Programms kommen sollen. Weil selbst diese Änderung staatlicher Drogenpolitik in absehbarer Zeit aber nicht umgesetzt werden wird, bleiben außer Lippenbekenntnissen nur Forderungen nach Polizeieinsätzen und "mehr Härte der Justiz" übrig. In letzter Zeit wurde häufig das eigene repressive Verhalten und die Durchsetzung egoistischer Interessen mit dem Bekenntnis zur (begrenzten) Drogenfreigabe verbrämt. Die kontrollierte von Drogen zu fordern, d. h., die Situation von KonusmentInnen ernst zu nehmen und zugleich ins "Dealer raus"-Geschrei einzustimmen ist widersprüchlich. Schon allein deshalb, weil sich bis zu einer völligen Freigabe der Konsum und der Handel illegalisierter Drogen nicht trennen lassen.


Überhaupt "die Dealer": sie, bzw. die öffentlich sichtbaren Kleindealenden, sind gemeinhin das am schärfsten angegriffene Ziel des Unmuts sowohl der AnwohnerInnen als auch der PolitikerInnen und der Medien, die immer wieder ein noch härteres Vorgehen fordern. Dabei werden die Lebensumstände von Menschen, die dealen, völlig missachtet. Man muss sich doch nur die Bedingungen des Drogenhandels auf der Straße vor Augen führen, um zu begreifen, dass niemand so ganz "freiwillig" dealt, solange er echte Wahlmöglichkeiten hat. Und die oben geschilderten brutalen Geschäftsbedingungen des Dealens auf der Straße sind auf die Illegalität ihrer Arbeit und eben nicht auf "böse" Charakterzüge der Dealer zurückzuführen.

IV. Der Rassismus


In dieser "weißen" Gesellschaft werden schwarze Menschen besonders wahrgenommen. Diese Wahrnehmung ist nie wertfrei, sondern motiviert von Vorurteilen, die zum gesellschaftlichen Rassismus beitragen.

Das zeigt sich zum Beispiel auch in dem Muster, dem aktuell im Schanzenviertel die Diskussionen folgen. Die scheinbare Bedrohung, die vom Drogenhandel für die AnwohnerInnen ausgeht, wird personifiziert in der herrschenden Vorstellung, daß im Stadtteil lediglich Schwarze dealen. Klar gibt es auch Schwarze, die dealen, aber das heißt nicht, daß jeder Dealer schwarz ist. Die Schwarzen, die diesen Job hier erledigen, sind häufig minderjährige unbegleitete Flüchtlinge, deren Asylgesuch abgelehnt wird, die keine Arbeitserlaubnis haben und damit keine Möglichkeit, ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Es dealen also ausgerechnet diejenigen, die in dieser hierarchischen Gesellschaft die schwächste, unsicherste Position haben und für die eine Verhaftung/Verurteilung früher oder später (je nach Alter) die Abschiebung bedeutet.

 

Natürlich wissen wir, daß im Schanzeviertel viele der Ansicht sind, daß Flüchtlinge – zumal wenn ihre Asylanträge abgelehnt sind – in diesem Land nichts zu suchen hätten. Und deswegen sagen wir es auch in diesem Zusammenhang auch noch einmal: Unsere Solidarität endet weder an den Grenzen des Schanzenviertels, noch an denen der BRD oder Westeuropas; wir buchstabieren hier nicht die Frage nach Aufenthaltsberechtigung von Flüchtlingen anhand des "Ausländerrechts" oder des faktisch abgeschafften Asylrechtsartikels. Alle Menschen, egal welcher Herkunft oder Hautfarbe, haben das Recht, in einem der reichsten Länder der Welt sich um ihr Auskommen zu kümmern und zu bleiben. Die häufig geäußerte Meinung, niemand sei "gewzungen" zu dealen, übergeht die konkrete Situation vieler Flüchtlinge hier. Es kann auch nicht angehen, Urteile über dealende Flüchtlinge zu fällen, wenn sie keine Möglichkeit haben ‚legal‘ zu arbeiten. Die Zurückweisung des Rassismusvorwurfs mit der behauptung, man gleichermaßen gegen Dealer aller Hautfarben und könne ja schließlich nichts dafür, daß ausgerechnet Schwarze dealten, ist überhaupt kein Argument.

 

Es unterstllt die gleiche Ausgangslage aller Menschen, die es hier nicht gibt und legt zugleich die schlechten Lebensbedingungen von Flüchtlingen in dieser rassistischen Gesellschaft gegen sie aus ("die wollen ja nicht arbeiten bzw. zur Schule gehen, die kommen doch nur zum Dealen", "fälschen ihr Geburtsdatum und lachen über Polizei und Justiz", usw.). Wir wenden uns deshalb gegen das Sündenbockprinzip, das "die (schwarzen) Dealer" einseitig für die als problematisch empfundene Situation im Stadtteil verantwortlich macht. Und um eines mal klarzustellen: Es geht nicht an, daß die weißen privilegierten BewohnerInnen des Schanzenviertels ihre "Probleme" über die der Flüchtlinge stellen, die aufgrund ihrer alltäglichen Bedrohtheit durch ihre Lebensbedingungen und die alltäglichen Repressionen und Schikanen gegen sie in einem ganz anderen Maße Probleme haben. Zusammen mit der verbesserung der Lebensbedingungen von DrogenkonsumentInnen fordern wir gerade auch die Verbesserung der Lage von Flüchtlingen, deren Bedürfnisse hier tagtäglich missachtet werden. Daraus folgt für uns die Forderung nach Bleiberecht für Alle sowie die Abschaffung aller Sondergesetze gegen MigrantInnen.


V. Die Rote Flora


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Deshalb wollen wir die Situation für alle Beteiligten (also wir, Drogenszene und AnwohnerInnen – das bezieht sich ausdrücklich nicht auf Polizei, Medien etc.) so annehmbar wie möglich machen. Konkret heißt das, daß wir niemanden vertreiben und es auch nicht billigen, wenn andere das tun. Seit dem 14.11 gibt es nach einigem Zögern der Bullen Vertreibungsaktionen gegen die sich vor der Flora aufhaltende Drogenszene. Es sieht so aus, als würde die irrsinnige (aber deshalb noch lange nicht planlose oder gar widerwillig praktizierte) Polizeitaktik sich zum unzähligem Male wiederholen. Gegen eine "Verfestigung" der Drogenszene wird massiv vorgegangen, egal wo die Leute dann hingehen können – und das immer mit dem Verweis auf Beschwerden von AnwohnerInnen.


Wir überlegen uns noch, wie wir uns zukünftig dazu verhalten werden, aber eins ist klar: Wir werden uns gegenüber Vertreibungsaktionenen, Razzien, Festnahmen, Kontrollen etc. nicht passiv verhalten, dieses Vorgehen ist Ausdruck einer menschenverachtenden Politik!
Stattdessen versuchen wir, Kontakt zu DrogenhändlerInnen und –konsumentInnen aufzunehmen und gewisse Absprachen über das Verhalten um die Flora zu treffen – erste positive Erfahrungen in die Richtung gibt es schon, zumal der Wunsch nach Gesprächen beiderseitig war. Daß man nicht nur über die Menschen in der Drogenszene reden kann, sondern auch mit ihnen, musste vielen von uns auch erstmal in den Kopf, die Hemmschwellen sind auch bei vielen von uns ziemlich hoch. Hinter der Flora werden wir zumindest Spritzencontainer aufstellen und vielleich noch mehr, was den Aufenthalt dort etwas erträglicher macht. Das ist nicht als Einladung zu verstehen, sondern als akzeptierende Zurkenntnisnahme der Situation, wie sie nun mal seit Monaten ist (hat lange genug gedauert). Wir wollen einen Umgang finden, der perspektivisch versucht, Ängste und Probleme zu überwinden, antatt sie zu personifizieren. Die Entfernung bestimmter Personengruppen aus einzelnen Straßen oder Umfeldern ist ein falscher Umgang, der sich auf der Suche nach Sündenböcken statt auf die eigentlichen Probleme richtet.


VI. Die Ansprüche


Einige von uns würden es prinzipiell für richtig oder gar für einen notwendigen Ausdruck von Konsequenz halten, die Flora als geschützten Raum zum Konsum und auch Handel illegalisierter Drogen anzubieten,

damit beides unter korrekteren Bedingungen als draußen auf der Straße stattfinden könnte.
Bei realistischer Betrachtung unserer Möglichkeiten und Käfte ist uns aber klar, daß die Rote Flora so ein Experiment nicht tragen könnte. Was den Handel mit illegalisierten Drogen betreffen würde, ist di Flora einfach kein dermaßen "rechtsfreier" Raum, als daß wir sowas wie einen "freien Markt" duchsetzen könnten. Alles weitere (also vor allem die Ermöglichung des Konsums) liefe eher auf den Aufbau einer Entlastung für den Fixstern unter etwas anderen Bedingungen hinaus. In der jetzigen Situation wäre es zwar eine humane Aktion, aber für uns konkret doch eher "Sozialarbeit", in dem Sinne´, daß wir all unsere Energie darein investieren würden, im Mikrokosmos Flora punktuell die Folgen einer gesellschaftlichen Problematik zu bearbeiten. Damit würden wir Staat und Gesellschaft gerade an den Punkten aus einer Verantwortung entalssen, wo sie sich der Lösung selbstverursachter Probleme verweigern – und das wird in Zeiten der Standort-Deutschland-Besessenheit ja immer mehr zum Muster der herrschenden Politik. Da mitzuspielen kann nicht der Sinn unserer Politik sein. Da leben wir dann doch lieber mit einigen offen benannten Widersprüchen, als der Illusion anzuhängen, in unserer kleinen Nische alle gesellschaftlichen Probleme perfekt lösen zu können.


Auch der Forderung der Drogeneinrichtungen um Erweiterung ihrer Kapazitäten, weitere Fixerräume usw. würden wir damit letztlich in den Rücken fallen. Der nötige Druck auf das sich anbahnende drogenpolitische weiter-so-wie-bisher der neuen rot-grünen Regierung (die Koalitionsvereinbarungen hierzu sind, wie in allen anderen Bereichen auch, der rein Hohn), wird nicht größer, wenn wir das Problem "von der Straße holen". Uns ist dabei allerdings auch wichtig, nicht jedes verantwortliche und solidarische Verhalten auf die "bezahlte Sozialarbeit" abzuwälzen. Und deshalb versuchen wir, so weit wie uns zur Zeit möglich, die konkreten Bedingungen an der Flora zu verbessern.


Die Flora hat eine eigene lange Geschichte der Diskussion um Drogen. Die Flora ist als komplett drogenfreies Zentrum gestartet worden (naja, bis auf Kaffee, Zigaretten, usw.), weil wir drogenfreie Räume schon immer für wichtig hielten (wegen der Rolle, die gerade auch legale und halblegale Drogen in dieser Gesellschaft spielen). Das ließ sich auf Dauer nicht aufrechterhalten, zumindest nicht mehr zu dem Preis, den wir zu "zahlen" bereit waren, und inzwischen gibt es – nach erbitterten Diskussionen – auf Veranstaltungen im begrnzten Rahmen auch Alkohol. Aber einige von uns vertreten immer noch die Utopie einer drogenfreien Gesellschaft – auch von hier aus läßt sich nur schwer ei Konsens für ein "Drogenexperiment" in der Flora finden.


VII. Zum Schluss


Nun hören wir schon die Stimmen, die unsere vorläufige, breit getragene kein-Dealen-und-Drücken-in-der-Flora-Entscheidung mit dem gewöhnlichen "Nicht vor meiner Haustür" gleichsetzen:

im Gegenteil, wir billigen das Fixen und Dealen unmittelbar um die Flora.
Und vor allem kritisieren wir an den Fordernugen nach "Schutzzonen vor Drogen" ja auch nicht den Wunsch z. B. nach spritzen- und depotfreien Spielplätzen an sich, sondern andere Aspekte:


daß dies auf Aufenthaltsverbote in Gebieten, die öffentlich sind; für Drogenabhängige (bzw. Leute, die so aussehen) hinausläuft;
daß Spielplätz nur die Spitze des Eisbergs sind, als nächstes kommen Parks und Hinterhöfe, dann die Straße, etc., weil es für jeden dieser Fälle Leute geben wird, die der Meinung sind, wichtigere Bedürfnisse zu haben, als die von "Junkies"; - weil mit dieser Forderung so getan wird, als ab KonsumentInnen sich ohne weiteres irgedein anderes Plätzchen zum Kaufen und Drücken suchen könnten, was jedoch in keinster Wise der Fall ist. "Schutzzonen vor Drogen" würden also zumindest "Schutzzonen für Drogen" voraussetzen und die müssten dementsprechend mitgefordert werden (wie es die Ini 1. Hilfe Sternschanze inzwischen auch tut, wobei die dabei vorgeschlagene Polizeiaufsicht definitiv auf das gegenteil einer Schutzzone hinausläuft); - überhaupt ist es eine nicht sehr konsequente Herangehensweise, Forderungen hauptsächlich gegenüber der Drogenszene zu erheben und dabei die Verantwortlichen für die Entstehung und Lösung der Drogenverbotsproblematik zu schonen oder gar zu unterstützen; - daß die politische und mediale Instrumentalisierung von solchen Forderungen immer mitbedacht werden muß. Das letzte Jahr hat gezeigt, daß so manche Partei, Institution, Zeitung usw. ihr eigenes Süppchen auf solchen bedürfnissen kocht, so manches rassitsisches Geschrei damit gerechtfertigt wird.


Nochmal zur Klarstellung: hiermit sollen nicht prinzipiell andere Interessen denen von DrogenkonsumentInnen und –händlerInnen untergeordnet, auch nicht jedes Verhalten von Menschen aus der Drogenszene gerchtfertigt werden. Es sollte jedoch selbstverständlich sein, die Gewichtung dieser Interessen und Bedürfnisse kritisch zu hinterfragen und zu denen anderer Gruppen in Relation zu setzen. Was wir kritisieren, ist der Übergang von der Wahrnehmung der eigenen Interessen zur Augen-zu-Mentalität, die sich um die Probleme schlechter gestellter Menschen einen Dreck kümmert. Diese ganze Gesellschaft beruht in immer größerem Ausmaß au Spaltug, Hierarchie, Konkurrenz und Egoismus und hier ist mal ein Punkt erreicht, wo es nötig und möglich ist, dem anhand des Umgangs mit der Drogenszene entschieden eine Alternative entgegenzusetzen.


Wir wehren uns gegen das Ausspielen verschiedener sozialer und sonstiger Notlagen gegeneinander und wir bekämpfen den in den letzten Monaten sichtbar gewordenen Rassismus. Wir wollen einen anderen Weg gehen und wir hoffen, daß das Möglichkeiten des solidarischen Umgangs aufzeigt, die auch für andere praktizierbar sind, und wir halten es für notwendig, daß die AnwohnerInnen diesen Umgang mittragen bzw. ihn nicht behindern.


Für einen solidarischen Umgang statt Vertreibung, Rassismus und Ausgrenzung, gegen "Sicherheitspartnerschaften", mobile Wachen und Platzverweise.


Ausbeutung und Herrschaft im Alltag angreifen
Rote Flora, Dezember 1997

https://www.nadir.org/nadir/initiativ/roteflora/texte/zwergenflugblatt.html

Eure Stellungnahme zu dem Thema ist beeindruckend, durchdacht und durchweg richtig! Solidarität mit den Geflüchtet ob legal oder illegal, helft den Opfern der staatlichen Drogenverbotspolitik!

 

Für eine menschliche Gesellschaft!

Beim lesen dieses Textes hatte ich bis auf einige Ungereimtheiten gedacht, dieses Statement wäre tatsächlich eine aktuelle Erklärung der Roten Flora. Dabei ist sie 19 Jahre alt... Traurig...

Das ist definitiv der Punkt, an dem die Sache eine ungute Wendung nimmt. Abgesehen von der Erklärung der Flora (offensichtlich ja nicht so sehr neu durchdacht) läuft die ganze Diskussion in eine Richtung, wo ihr irgendwann allein stehen werdet. 1. Ihr werdet die Drogenpolitik nicht liberalisieren, wenn ihr die illegalen Strukturen unterstützt, die in anderen Teilen der Welt oder bei höchstkriminellen brutalen Organsiationen (gegen die unsere Bullen Waisenknaben sind) Wahnsinnsprofite erwirtschaften. Drogengeld finanziert Kriege und unterdrückereische Strukturen. Der Drogenhandel soll ja aus Sicht dieser Organisationen gar nicht legalisiert werden. Weil man dann nicht mehr so viel Geld damit verdienen könnte. Ihr werdet so keine progressive Politik machen, sondern ausbeuterische Strukturen fördern.

2. Ich werdet ohne Unterstützung der Nachbarschaften, der Viertel dastehen. Der Unmut der Anwohner nimmt zu. Eure politische Glaubwürdigkeit wackelt. Das werden auch noch so viele Bleiwüstenerklärungen von euch nicht ändern. Und achtet mal auf euren Jargon, kleiner Tipp.

sorry Sorry, aber das ist doch sehr einfach von dir (gedacht?), du sprachrohr. behauptungen reihen sich aneinander. in den bleiwüsten der flora, und seien sie noch so alt, wird aber ARGUMENTIERT. was heisst denn illegale strukturen unterstützen? du guckst wohl zu viele drogenkrimis. es geht hier um menschen. gründe erst mal einen anwohnerverein. die politische glaubwürdigkeit der flora nimmt mit jedem jahr ihres bestehens zu! und dein jargon ist, grosser tipp, gossip und legasnetiger.