Für das zurückliegende Wochenende hatte das Nachbarschaftsnetzwerk Willkommen in Löbtau am Samstag zu einer Fahrraddemonstration unter dem Motto: „Rides & Rights for Refugees – sichere Fluchtwege und ein gutes Leben für alle“ durch den Dresdner Westen aufgerufen. Rund 80 Radlerinnen und Radler nahmen das Angebot an und versammelten sich dazu auf der wenige Tage zuvor umbenannten ehemaligen Columbusstraße mit eigens für die Aktion bedruckten Warnwesten.
Mit der Demonstration für sichere Fluchtwege wollten sich die Beteiligten für die Rechte Geflüchteter und ein menschenwürdiges Leben für alle Menschen einsetzen.
Das Netzwerk, welches seit November 2014 geflüchtete Menschen in Löbtau unterstützt, kritisierte in seinem Aufruf die Politik der Bundesregierung und Europäischen Union für die neuerlichen Asylrechtsverschärfungen und weitere Abschottung. Die Maßnahmen stünden in krassem Gegensatz zum Engagement zahlreicher Initiativen, die seit Monaten Geflüchtete willkommen heißen und auf unterschiedlichsten Wegen unterstützen. Bereits Ende Mai hatte die Internationale Organisation für Migration (IOM) fast 2.900 Todesfälle im Mittelmeer gezählt.
Zu Beginn sprach ein Redner der Gruppe Dresden Postkolonial über Kontinuitäten des historischen Kolonialismus und der heutigen europäischen Grenzpolitik: „Die Grenzen, über die Menschen heute fliehen müssen, wurden größtenteils gewaltvoll von EuropäerInnen im Zuge des Kolonialismus geschaffen“, so der Sprecher. Sie seien Zeugnisse einer blutigen Epoche, die sich bis heute auf die globalen Machtverhältnisse auswirkt. Nach dem Beitrag brach die Demonstration mit Musik in Richtung Amalie-Dietrich-Platz auf. Dort angekommen, wurden in einem Redebeitrag des Internationalistischen Zentrums Dresden Fluchtursachen benannt und zugleich an die Verantwortung europäischer Staaten für die Situation in den Herkunftsländern erinnert: „Die Waffenexporte, die Unterstützung von Diktatoren, die Ausbeutung von Mensch und Natur durch europäische Konzerne sind Gründe für die Lage in diesen Ländern.“
Die Abstimmung über die vor allem in Sachsen geforderte neuerliche Verschärfung des Asylrechts und die damit verbundene Erweiterung der Regelung über sichere Herkunftsstaaten wurde in der vergangenen Woche im Bundesrat vertagt, nachdem sie im Bundestag bereits vor einem Monat mit Stimmen von SPD und CDU verabschiedet wurde. Schon seit Jahren stehen die sogenannten Maghreb-Staaten wegen ihrer Menschenrechtsverletzungen in der Kritik. Öffentliche Kritik an den Herrschenden werde mit Gefängnis bestraft und Menschen gefoltert. Am Ende der Rede wurde gefordert, alle Verhältnisse umzuwerfen, „in denen Menschen unterdrückt, diskriminiert und gedemütigt werden“. Die so genannte Flüchtlingsfrage sei vielmehr Teil einer globalen sozialen Frage. Solidarität dürfe daher nicht an den Grenzen aufhören oder erst anfangen.
Nach der Zwischenkundgebung fuhren die Teilnehmerinnen und Teilnehmer über Südlöbtau zurück nach Altlöbtau, wo die Aktion ohne Zwischenfälle beendet wurde. Im Anschluss fand auf der Berta-Cáceres-Straße ein Straßenfest statt, welches vor fünf Jahren als Reaktion auf einen bis heute folgenlosen Angriff von 300 Nazis auf das damalige Wohn- und Kulturprojekt Praxis entstand und zugleich auch als Gegenpol zu kommerziellen Stadtteilfesten wie der Bunten Republik Neustadt (BRN) dienen soll. Alle Einnahmen aus Spenden werden kollektiv verwaltet und kommen selbstverwalteten Projekten in Löbtau und darüber hinaus zugute.
In diesem Jahr begleitete eine Vortragsreihe zum Thema „Recht auf Stadt“ das Stadtteilfest. Die Forderung nach einem „Recht auf Stadt“ stellte der französische Philosoph Henri Lefebvre in seinem Werk „Le droit à la ville“ auf und ist seitdem zum Slogan vieler Bewegungen gegen Ausgrenzung und Marginalisierung überall auf der Welt geworden. In den Vorträgen wurde neben einer internationalen Perspektive auf „Soziale Zentren für alle“ auch das Thema Prekarität diskutiert sowie über einen Abend die Löbtauer Brücke für das Kurzfilmfestival „Stollinale“ angeeignet. Bereits am Dienstag hatte sich der Dresdner Ableger der Basisgewerkschaft FAU mit den Protesten gegen die geplanten Änderungen des französischen Arbeitgesetzes solidarisiert.
Prima
"Flüchtlinge", Prekariat, Antikapitalismus, Solidarität mit Frankreichs Faulenzern, ihr habt wirklich alles abgedeckt, was wichtig ist oder zumindest so scheint. Daumen hoch! Wie groß war denn der Kreis, als ihr alle hintereinander standet, um euch auf die Schulter zu klopfen?