Flüchtlingsabwehr in Perfektion

Das Abkommen zwischen den 28 Regierungschefs der Europäischen Union und dem türkischen Premierminister Ahmet Davutoglu, das die Massenabschiebung von in Griechenland angekommenen Flüchtlingen erleichtern soll, ist seit Sonntag in Kraft.

Das Abkommen ist ein offener Verstoß gegen das Völkerrecht. Die Grenzen Europas werden für Millionen verzweifelte Flüchtlinge geschlossen, die vor den Kriegen und dem sozialem Elend geflohen sind. Ausgelöst wurde dieses Elend von den Militärinterventionen der imperialistischen Mächte in Europa und den USA. Das Asylrecht wird praktisch abgeschafft, und die Flüchtlinge sind der türkischen Regierung ausgeliefert.

 

Am ersten Tag nach Inkrafttreten der neuen Regeln trafen weitere 1.500 Flüchtlinge auf den griechischen Inseln Lesbos und Chios ein, sodass die Gesamtzahl auf über 50.000 gestiegen ist. Diese Neuankömmlinge und alle, die ab jetzt über die Ägäis ankommen, sollen nach einem Asylverfahren, das innerhalb von 48 Stunden abgeschlossen werden soll, zurück in die Türkei geschickt werden. Im Gegenzug versprach die EU, für jeden Flüchtling, der in die Türkei zurückgeschickt wird, einen der Flüchtlinge aufzunehmen, die sich bereits in der Türkei befinden, allerdings nur maximal 72.000.

 

Wie griechische Regierungsvertreter und Freiwillige Helfer der Flüchtlinge auf den Inseln beschrieben, herrschen in den Lagern chaotische Zustände. Sie warnten außerdem, das Abkommen ließe sich nicht durchsetzen. Giorgios Kyritsis, Koordinator für Einwanderungspolitik in Athen, erklärte vor der Presse, Syriza-Ministerpräsident Alexis Tsipras habe dem Kabinett bei einem Treffen am Samstagnachmittag einen Plan vorgelegt, der die sofortige Umsetzung des europäisch-türkischen Abkommens fordert. „Doch in der Praxis werden Strukturen nötig sein, Personal muss vorbereitet sein, und das dauert länger als vierundzwanzig Stunden,“ erklärte Kyritsis.

 

Militär und Sicherheitskräfte werden eine wichtige Rolle bei der Durchsetzung des Abkommens spielen. Die EU-Mitgliedsstaaten sollen bis zu 1.500 Beamte der UN-Grenzschutzbehörde Frontex schicken, deren Aufgabe die Rückführung der Flüchtlinge in die Türkei sein wird. Am Samstag wurde griechisches Militär auf Lesbos stationiert, um Flüchtlinge in Lager auf dem Festland zu verlegen.

Die Nato-Operation in der Ägäis, deren Ziel es ist, Flüchtlingsboote abzufangen und zurück in die Türkei zu schicken, soll auf einen größeren Teil der Küste ausgeweitet werden.

 

Die gleichen Mächte, die immer wieder die „Menschenrechte“ vorgeschoben haben, um ihre Militärinterventionen im Nahen Osten und Nordafrika zu rechtfertigen, verweigern Flüchtlingen das Recht auf Schutz vor dem Leid und den Kriegen, die diese Interventionen verursacht haben. Als Rechtfertigung dient die fadenscheinige Erklärung, die Türkei, in der ein latenter Bürgerkrieg gegen die kurdische Bevölkerung geführt und politische Gegner rücksichtslos unterdrückt werden, sei ein „sicheres Drittland“.

 

Selbst wenn die neuen Regeln in vollem Umfang umgesetzt würden, wird die schwindend geringe Zahl von 72.000 Flüchtlingen innerhalb weniger Wochen erreicht sein. Die EU hat bereits bekannt gegeben, dass das Umsiedlungsprogramm danach beendet werde. Außerdem bleibt weiterhin unklar, welche EU-Mitglieder die anfänglich 72.000 Flüchtlinge aufnehmen werden, denn das Abkommen beinhaltet keine Verpflichtungen.

 

Die Vereinbarung sieht außerdem vor, dass Asylanträge von Personen, die zuvor illegal versucht haben, in Europa einzureisen, als letztes behandelt werden. Das bedeutet, dass diese Flüchtlinge nach ihrer Rückkehr in die Türkei praktisch keine Chance mehr haben, Europa jemals zu erreichen.

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Ausgelöst wurde dieses Elend von den Militärinterventionen der imperialistischen Mächte in Europa und den USA.

Ihr macht es euch mit dieser Aussage etwas zu leicht. Auch lokale Akteure mischen in den verschiedenen Krisen kräftig mit. Die Türkei führt einen Krieg gegen die kurdische Bewegung und unterstützt dschihadistische Gruppen in Syrien. Genauso Saudi Arabien und die anderen Golf-Diktaturen, welche auch militärisch im Jemen interveniert haben. In Syrien und im Nordirak terrorisieren ISIS und die ganzen anderen dschihadistischen Grupppen die Bevölkerung. Das Assad-Regime geht auch nicht gerade zimperlich mit der Zivilbevölkerung um. Im Irak kooperiert die Regierung mit schiitischen Milizen, welche massenhaft Vertreibungen durchführen. Im Iran herrscht eine authoritäre Theokratie, in Afganisthan eine durch und durch korrupte Regierung. Die Taliban sind auch weiter auf dem Vormarsch. Der Westen hat darauf nur begrenzten Einfluss und ist auch nicht allmächtig. Klar sind koloniale Grenzziehung und die geheimdienstlichen und militärischen Interventionen ein große historische Last für die Gesellschaften im Nahen Osten. Es ist aber eine paternalistische Sichtweise die lokalen Arschlöcher außer Acht zu lassen und nur so zu tun, als ob der Westen vollumfänglich Schuld wäre. Damit tut ihr den Geflüchteten übrigens auch keinen Gefallen, denn nicht wenige haben sich in ihrer Heimat für progressive Ideale stark gemacht und mussten schlussendlich deshalb fliehen.

Denk mal drüber nach, wie die afghanische Regierung an die Macht kam - die wurde auf dem Bonners Petersberge eingesetzt. Wie die USA Ende 2012 noch zu den genannten Jihadis in Syrien und Irak standen, kannste hier nachlesen: http://www.judicialwatch.org/document-archive/pgs-394-398-396-from-jw-v-dod-and-state-14-812/

(Auch) ansonsten sprichst Du überwiegend von Verbündeten der Nato, wie der Türkei und Saudi Arabien, die von hier Waffen und Rückendeckung (auch bzgl. Jemen) erhalten.

Deinen letzten Satz versteh ich nicht: "Damit tut ihr den Geflüchteten übrigens auch keinen Gefallen, denn nicht wenige haben sich in ihrer Heimat für progressive Ideale stark gemacht und mussten schlussendlich deshalb fliehen". Oder verwchselst Du hier progressive Ideale mit "Militärinterventionen der imperialistischen Mächte in Europa und den USA"???

Türkei - NATO - USA

Saudi Arabien - USA

Irakische Regierung - USA

Afghanische Regierung - USA