StudiLeben: Wie deutsch bist du?

Kai-Ming Au
Erstveröffentlicht: 
12.07.2011

Burschenschaften und die Abstammungsfrage

Die Deutsche Burschenschaft hat vor ihrem Jahrestreffen wegen der Äußerung völkischer Abstammungskriterien für negative Schlagzeilen gesorgt. Kai-Ming Au, Mitglied der Burschenschaft Hansea Mannheim, passt wegen seiner chinesischen Eltern nicht ganz ins Konzept des Dachverbandes.

 

Wenn Kai-Ming Au über die Razceks spricht, gibt er sich sehr lässig. Er lehnt sich zurück, streicht eine schwarze Haarsträhne über die linke Stirnhälfte und spricht langsam, mit geschlossenen Augen. Dass es ihm nichts ausmache, was „die“ über ihn denken und dass sie ihn und er sie in Ruhe lasse.

 

„Die“, das ist die Alte Breslauer Burschenschaft der Raczeks, eine Bonner Studentenverbindung, die die Hansea Mannheim gerne wegen der Aufnahme des chinesischstämmigen Verbandsbruders aus der Deutschen Burschenschaft (DB), dem gemeinsamen Dachverband, geworfen hätte. Die DB definiert das deutsche Volk in Artikel 9 ihrer Verfassung als eine „Gemeinschaft, die durch gleiches geschichtliches Schicksal, gleiche Kultur, verwandtes Brauchtum und gleiche Sprache verbunden ist“. Dass dieser Artikel Raum für Interpretationen lässt, zeigt die Mitgliedschaft von Kai-Ming Au in der Mannheimer Burschenschaft. Er hat zwar chinesische Eltern, wurde aber in Mannheim geboren und fühlt sich als Deutscher. Selbst einen kleinen Mannheimer Einschlag kann Au trotz akurater Betonung nicht verbergen.

 

Das „Sich deutsch fühlen“ reicht den Raczeks jedoch nicht aus. „In Zeiten fortschreitender Überfremdung ist es nicht hinnehmbar, dass Menschen, welche nicht von deutschem Stamme sind, in die Deutsche Burschenschaft aufgenommen werden“, heißt es in ihrem Antrag, der den Tagungsunterlagen des Burschentags 2011 zu entnehmen ist, und in dem sie die Neuauslegung des Artikels 9 der DB-Verfassung fordern. Nach ihrer Lesart beinhaltet das „Merkmal des gleichen gemeinsamen Schicksals eine deutsche Abstammung“.

 

Argumentiert wird damit, dass eine „nichteuropäische Gesichts- und Körpermorphologie auf die Zugehörigkeit zu einer außereuropäischen populationsgenetischen Gruppierung und damit auf eine nicht-deutsche Abstammung“ hinweise. Der Antrag wurde noch vor dem Burschentag in Eisenach am 16. Juni zurückgezogen – „aus formalen Fehlern“, wie es in einer Pressemitteilung des Convents Deutscher Akademikerverbände heißt. Dieser vereint die DB mit anderen Dachverbänden deutscher Korporationen.

 

Au sitzt zusammen mit zwei Bundesbrüdern im Schnookeloch, dem traditionellen Stammlokal der Heidelberger Burschenschaften. Alle drei schmückt ein grün-gold-rot-gestreiftes Band. Grün für die Hoffnung, gold für eine goldene Zukunft und rot für die Liebe zur Hansea.

 

Als Au vor fünf Semestern in die Mannheimer Verbindung eintrat, hatte er sich die Frage nach seiner Abstammung gar nicht gestellt. Er habe erst mit seinem eigenen Bund klarkommen müssen, erzählt er. Mit der DB, seinem Dachverband, habe er sich erst später befasst. So hält es Au auch mit dem Neuzuwachs. „Wenn wir einen Fux aufnehmen, ist es uns erstmal wichtig, dass er sich engagiert. Nachdem er das getan hat, können wir ihn in Richtung Deutsche Burschenschaft bewegen. Für uns ist der Dachverband nicht so wichtig.“

 

Au zündet sich eine Zigarette an und legt sein Feuerzeug auf den Tisch. Wenn er länger überlegt, wippt er mit seinen Knien und schnipst mit der silbernen Kappe. Ab und zu interveniert auch Verbandsbruder Adrian Wende – grünes Polohemd, längeres, gescheiteltes Haar, höflich. „Abstammung ist ein neues Thema, das so nicht in den Grundsätzen der Deutschen Burschenschaft steht. Damals lebten nur abstammungsmäßig Deutsche in Deutschland. Deswegen kam das Thema wahrscheinlich nicht auf. Uns war das erst klar, seit wir das Untersuchungsverfahren an den Hals gekriegt haben.“ Das mit der Abstammung komme leider auch in einem Rechtsgutachten vor, sagt er, alle seien überrascht gewesen.

 

Das Gutachten wurde Anfang Februar dieses Jahres vom Rechtsausschuss der DB an alle Mitgliedsvereinigungen geschickt. Seine Verfasser entstammen der Münchener Burschenschaft Arminia-Rhenania – jener Verbindung, die zurzeit den DB-Vorsitz inne hat. In dem Schreiben, das scheint, als hätte es dem Antrag der Raczeks den Weg geebnet, heißt es, die „Abstammung von Angehörigen des deutschen Volkes“ sei für eine Mitgliedschaft in der DB „maßgeblich“. Im Zweifelsfall solle der Rechtsausschuss die Abstammung anhand vorgegebener Kriterien überprüfen. DB-Sprecher Stefan Dobner, ebenfalls Mitglied der Arminia-Rhenania, bemühte sich in einer Pressemitteilung, das Rechtsgutachten sachlich richtigzustellen. „Es ist und war zu jedem Zeitpunkt für jeden deutschen Staatsbürger möglich, Mitglied in einer Mitgliedsvereinigung der Deutschen Burschenschaft zu werden. Die kolportierte Behauptung, dies sei nur Bewerbern möglich, die von sogenannten Volksdeutschen abstammen, ist falsch.“

 

Was Dobner als Fehlinformation bezeichnet, ist für den Convent Deutscher Akademikerverbände Grund genug, die Deutsche Burschenschaft in die Schranken zu verweisen – so der Titel der Pressemitteilung. „Sollte die Deutsche Burschenschaft ihre Ablehnung dieser völkischen Prinzipien ernst meinen, dann erwarten die weiteren Korporationsverbände mehr als Lippenbekenntnisse. Ohne eindeutige Taten wird eine weitere Kooperation mit der DB nicht umsetzbar sein.“

 

Auch innerhalb der DB distanzieren sich einzelne Verbindungen von den Ausführungen im Rechtsgutachten. Die Heidelberger Burschenschaft Frankonia bezieht auf ihrer Internetseite zu der Maßgeblichkeit der Abstammungskriterien Stellung. „Die in dem Gutachten zum Ausdruck kommende rassistische Geisteshaltung ist mit den freiheitlich demokratischen Idealen der burschenschaftlichen Bewegung und den Prinzipien unseres Bundes unvereinbar.“

 

Die Burschenschaft Normannia zu Heidelberg äußerte sich erst auf Anfrage. Sie lehnt das Rechtsgutachten, insbesondere die Einzelfallüberprüfung, „als zu weitgehend ab, vertritt jedoch die Auffassung, dass Artikel 9 der Verfassung eine zumindest teilweise deutsche Abstammung impliziert.“ Diese müsse zwar nicht „Jahrhunderte zurückreichen“ und könne durch „Assimilation der Vorfahren „erworben“ werden“, jedoch scheine es „fraglich, ob dies innerhalb von einer Generation geschehen kann“.

 

Au stützt seine Ellenbogen auf den Tisch und deutet ein Kopfschütteln an. Über die Normannen muss er immer ein wenig lächeln. Auch er findet, dass die Frage der Abstammung im Rechtsgutachten „sehr rassistisch“ begründet worden sei. „Das darf nicht so sein. Das darf man in unserer heutigen Zeit nicht mehr vertreten. 123 Mitgliedsbünde, mehr als 15.000 Mitglieder, da hat jeder seine Meinung, aber da muss man mit der Zeit gehen.“

 

Au klingt, als sei Rassismus aus der Mode gekommen. Man werde mit anderen Verbindungen darüber diskutieren, welche Positionen sie vertreten, sagt er, dann werde sich zeigen, ob man im Dachverband überhaupt noch Platz habe. „Das wird sich wohl in den nächsten vier, fünf, sechs Jahren entscheiden.“ Weder Au noch seine beiden Bundesbrüder distanzieren sich konkret von den Äußerungen aus den höchsten Gremien des Dachverbandes. Vielmehr beeilt er sich, auf die Gemeinsamkeiten zwischen ihm und der DB hinzuweisen: „Die Wahrung unserer Sprache, Kultur, Vaterlandsliebe“. Es sei ihm wichtig, das in der Öffentlichkeit zu äußern.

 

„Folkloristisches Beiwerk“, nennt das Michael Csaszkóczy von der Antifaschistischen Initiative Heidelberg. Die DB gebe sich nicht unpolitisch, wie das andere Korporationsverbände täten. Der Dachverband verfolge eine klare politische Linie, die sich mit dem Zusammenschluss von mittlerweile 43 Verbindungen zur Burschenschaftlichen Gemeinschaft innerhalb der DB und der DB Österreich stark nach rechts verschoben habe. „Mitglieder der Burschenschaftlichen Gemeinschaft berufen sich auf den volkstumsbezogenen Vaterlandsbegriff. An Stelle von Staatsbürgertum setzten sie Abstammung, Schicksalsgemeinschaft und Bekenntnis zum Deutschtum“, sagt Csaszkóczy und verweist auf die Internetseite der DB. Dort wird „das deutsche Vaterland“ als „unabhängig von staatlichen Grenzen in einem freien und einigen Europa, welches Osteuropa einschließt“, beschrieben. Dies weise darauf hin, dass mit dem deutschen Vaterland „noch ganz andere Staatsgebiete“ gemeint seien, so Csaszkóczy.

 

In der Praxis sieht das so aus, dass auch österreichische Verbindungen in die DB eintreten dürfen. Eine von ihnen, die Wiener Burschenschaft Teutonia wird am 16. Juli den Vorsitz der Burschenschaftlichen Gemeinschaft antreten, schreibt die Tageszeitung Neues Deutschland und beruft sich auf interne Papiere. Noch sind es aber die Raczeks, den Vorstand bilden.

 

Au hofft schon, dass sie irgendwann an seine Tür klopfen und das Gespräch mit ihm suchen. Auch wenn er glaubt, dass „da eh nichts bei rum“ käme. „Niemals würden die das tun“, winkt er ab und das silberne Feuerzeug beginnt zu klicken. Er scheint zu ahnen, dass er an den Raczeks wohl nicht ganz vorbeikommen wird. Schließlich hat er noch große Pläne. Für das nächste Geschäftsjahr möchte er für das Amt des Verbandsobmanns für Jugend und Nachwuchswerbung kandidieren. Sein Ziel: Bei der Rekrutierung von Neumitgliedern ein liberaleres Bild der DB vermitteln. „Es wäre doch schön, wenn wir eines Tages von uns behaupten könnten, einen liberaleren Weg eingeschlagen zu haben“, sagt er.

 

Kein leichtes Unterfangen, das sich der chinesischstämmige Patriot da vorgenommen hat: Die Anträge der Raczeks und das Rechtsgutachten waren Interna, die einen Tag vor dem Burschentag in Eisenach vom Internetportal indymedia „geleakt“ wurden und die Aufmerksamkeit prominenter Medien auf sich zogen. Der Convent Deutscher Akademikerverbände selbst weist in seiner Pressemitteilung darauf hin, dass die DB „aufgrund medialen und interkorporativen Drucks“ eingelenkt – und das Rechtsgutachten geändert hätte.

 

Das Amt, das Au im nächsten Geschäftsjahr übernehmen will, wird momentan noch von einem Mitglied der Burschenschaftlichen Gemeinschaft bekleidet. Bis dahin kümmert sich um die jungen Füxe noch jemand anderes – Matthias Brauer, von der Alten Breslauer Burschenschaft der Raczeks zu Bonn.

 

Von Jenny Genzmer

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Einer der übelsten DB-Nazis, Matthias Brauer von der Naziburschenschaft der Bonner Raczeks ("Burschenschaft Alte Breslauer der Reczeks zu Bonn"), arbeitet mittlerweile für Enrico Kom­ning, KOMNING Rechtsanwälte, in Köln.

 

Nazibursche und RA Matthias Brauerarbeitet mittlerweile für Enrico Kom­ning, KOMNING rechtsanwälte, in Köln

Außerdem ist Matthias Brauer Mitglied der AfD in Greifswald.

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