[TÜ] Satiretheater auf dem Weihnachtsmarkt - Refugees Welcome!

Besucher_innen an der "Grenzkontrolle"

Heut haben sich einige Aktivist_inn_en zusammengetan um auf dem tübinger Weihnachtmarkt ein Straßentheater aufzuführen, mit dem sie ihre Solidarität mit Geflüchteten auszudrücken wollten, die tagtäglich an den Außengrenzen Europas abgewiesen werden. Außerdem stellten die Aktivist_inn_en sich mit ihren Beiträgen klar gegen die rassistischen Aussagen des tübinger Oberbürgermeisters Boris Palmer.

 

Als Weihnachtsmenschen verkleidetet Aktivist_inn_en errichteten "Grenzzäune" und reglementierten den Zugang zum Weihnachtmarkt. Dies sollten den arglosen Besucher_innen einen kleinen Geschmack davon geben, wie es sich anfühlt strukturell ausgegrenzt zu werden.

 

Ein ausführlicher Bericht folgt in den kommenden Tagen.

 

Hier die zwei Texte, die im Rahmen der Aktion in Form von Straßentheaterprogrammen verteilt wurden (Vorder- und Rückseite):

 

Sehr geehrte Weihnachtsmarktbesucher_innen von außerhalb,

 

wir bedauern Ihnen mitteilen zu müssen, dass Sie diesen Weihnachtsmarkt nicht betreten dürfen. Der Zugang ist in diesem Jahr Tübinger_innen vorbehalten. Jahr für Jahr strömen mehr Menschen auf diesen kleinen Weihnachtsmarkt. Aufgrund der daraus resultierenden Überlastung hat der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne) erklärt: „Wir schaffen das nicht!“

 

Um Ressourcen zu sparen sollen in diesem Jahr nur noch echte Tübinger_innen den Weihnachtsmarkt betreten dürfen. Alle anderen müssen leider draußen bleiben. Zivilbeamte (z.T. in Weihnachtsmann-Uniformierung) werden verdachtsunabhängige Passkontrollen durchführen, um diese Neuerung druchzusetzen. Alle, die nicht wie echte Tübinger_innen aussehen, werden gezielt angesprochen, kontrolliert und bei nachgewiesener Nicht-Ansässigkeit in Tübingen, der Innenstadt verwiesen.

 

Sie können gerne die Weihnachtsmärkte in Ihrer Heimat besuchen, die ja auch viel näher liegen, als Nicht-Tübinger_in sind Sie aber leider nicht berechtigt einfach hier her zu kommen. Wir möchten Sie bitten, in Ihrer Heimat zu bleiben und die heimische Wirtschaft zu unterstützen. Für Tübingen jedenfalls gilt: die Obergrenze ist erreicht.

 

Mit bedauernden Grüßen,

 

die Universitätsstadt Tübingen

 

 

Sehr geehrte Weihnachtsmarktbesucher_innen,

 

wie hat sich diese, natürlich satirisch gemeinte Theateraktion für Sie angefühlt? Haben Sie sich ausgeschlossen gefühlt oder waren vielleicht nur genervt von der Verzögerung? Können Sie sich vorstellen, wie Menschen sich fühlen, die an Europas oder Deutschlands Grenzen oder in einem Abschiebelager ausharren müssen, in Ungewissheit, was als nächstes passiert?

 

Leider beruht unser Spielen nämlich auf wahren Begebenheiten, so verkündete Boris Palmer, der grüne Oberbürgermeister der Stadt Tübingen, schon mehrfach: „Wir schaffen das nicht!“ und fordert auf dieser Grundlage mehr Abschiebungen und eine Obergrenze bei der Aufnahme von Geflüchteten, so dass mehr Menschen an Deutschlands Grenzen und den Außengrenzen der EU abgewiesen würden.

 

Für seine Position erhielt Palmer einen – ehrlich verdienten – ausgiebigen Applaus von rechts. Die rechtspopulistische AfD forderte ihn sogar zu einem Übertritt in ihre Reihen auf. Boris Palmer ist dabei ein Teil einer Bewegung, die eine Obergrenze fordert und von der AfD bis zur CSU reicht. Argumentiert wird mit scheinbaren Sachzwängen, wie mangelnde Integrationsmöglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt und zu wenig Geld für die Unterbringung. Dass solche Probleme gelöst werden könnten, wenn finanzielle Prioritäten verschoben werden würden, verschweigt Palmer dabei. So wird Deutschland im Jahr 2015 Militärausgaben von mehr als 37 Milliarden US-Dollar haben, dass bei diesem Etat das Geld für Menschen fehlen soll, die nach Deutschland fliehen, mutet sehr zynisch an. Außerdem zeigen sich nun auch stärker die Folgen eines Jahrzehnte lang vernachlässigten sozialen Wohnungsbaus und einer Steuerpolitik zugunsten von Reichen. Dem kann aber nicht mit einer Obergrenze für Geflüchtete begegnet werden, schließlich verkündete sogar das Bundesverfassungsgericht in einer Pressemitteilung: „Die Menschenwürde ist migrationspolitisch nicht zu relativieren“.

 

Mit seiner Politik repräsentiert Palmer leider auch was auf europäischer Ebene passiert: Europa schottet seine Außengrenzen ab und viele Menschen sterben bei dem Versuch ein besseres Leben zu führen, nur weil sie zufällig keinen Pass eines EU-Landes haben. Wenn Menschen auf legalem Wege einreisen könnten, würde das nicht passieren. Niemand würde sterben oder wäre im Winter in Lagern gefangen.

 

Wir fordern deshalb, dass alle Menschen das Recht haben zu bleiben und zu gehen wohin sie wollen! Stop deportations! Solidarity with Refugees!

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besonders die Vorderseite. Sehr spitzer Stachel in gelungener Verbindung mit Nagel auf dem Kopf getroffen. Bleibt zu hoffen, dass der Stachel noch ein paar Tage weh tut und von möglichst vielen reflektiert wird.

 

erinnert mich an T. Eulenspiegel.

 

Chapeau !