„Dong Dong! Runde 1 zwischen Kiezladen Friedel54 und der Citec Immo Invest GmbH. Auf der einen Seite des Rings der sympathische Kiezladen, beliebt in Stadt und Nachbarschaft, auf der anderen Seite die Wiener Immoklitsche mit Verdrängungsabsichten, die der Friedel die Kündigung zum 30.4.2016 ausgestellt hat, und auch sonst den Menschen im Haus ganz schön auf die Nerven geht. Wir sind da natürlich eindeutig parteiisch.“ (Bündnis Zwangsräumung Verhindern)
Die erste Runde ist vorbei, nun folgt die Wertung der Jury:
In der rechten Ecke die Citec Immo Invest GmbH. Eine Firma, die ihr Geld mit dem Handeln von Wohn- und Gewerberäumen macht. In der Häuser, Kieze und Städte keine lebendigen Orte mehr sind, sondern Zahlen. Bilanzen. Entwicklungsprognosen. Statistiken. Profiterwartungen. Die Menschen die dort leben, tauchen darin nur noch in einer Nebenrolle auf. Als diejenigen, die einige dieser Zahlen sicherstellen. Wenn sie das nicht mehr können, oder ihr Ertrag zu klein ist, werden sie ausgewechselt. Die Citec verweigert bis heute jeden direkten Kontakt mit „ihren“ Mieter*innen, sondern kommuniziert ausschließlich via Anwaltspost. Anstatt, wie die Hausgemeinschaft in einem offenen Brief bereits vor einem Jahr gefordert hatte, gemeinsam über notwendige Renovierungsarbeiten zu entscheiden, wurden diese Bedürfnisse ignoriert. Stattdessen bekamen die Menschen im Haus so profitable, wie ungewollte Modernisierungen aufgezwungen; etwa eine Wärmedämmung, oder einen Schöner Wohnen-Unterstand für die Mülltonnen. Und wäre das nicht schon schlimm genug, sollen darüber hinaus die Mieten, allein dafür, um 40-70% steigen. Als Bewohner*innen sich dem verweigerten und dagegen wehrten, wurden sie verklagt. Und als sich der Kiezladen im Erdgeschoss mit dem Widerstand solidarisch zeigte, wurde er gekündigt. Und nicht einmal hier fand eine direkte Kommunikation statt. Die Kündigung erfolgte durch eine Anwaltskanzlei und einen Gerichtsvollzieher.
Und in der linken Ecke der Kiezladen Friedel54. Seit über 10 Jahren bietet der selbstorganisierte Stadtteilladen einen offenen Raum zum Austauschen, Kennenlernen und Abschalten und mit zahlreichen Veranstaltungen, Voküs, Kneipen- und Filmabenden, Workshops, oder Info-Cafés eine unkommerzielle Alternative zum konsumorientierten Einheitsbrei. Am Ende der ersten Runde zeigten 800 Menschen ihre Solidarität mit dem frisch gekündigten Kiezladen und demonstrierten gemeinsam gegen explodierende Mieten, Verdrängung und für die Stadt von unten. Zuvor wurden weit über 1000 Plakate und hunderte Flyer verteilt, die über die Kündigung und die kommende Demonstration informierten. In der Nachbarschaft wurden viele Läden, Cafés und Kneipen besucht und mit Soli-Wimpeln und Infomaterial versorgt. Zum ersten, ebenfalls breit mobilisierten, offenen Unterstützer*innentreffen kamen über 50 Menschen zusammen, diskutierten über das weitere Vorgehen und die ersten konkreten Ideen und mehrere Arbeitsgruppen fanden sich zusammen. Erste solidarische Grüße erreichten den Laden in Form von solidarischen Redebeiträgen, Transparenten, Fotos oder Graffiti. Dutzende Projekte, Gruppen und Strukturen aus Neukölln und mehreren anderen Bezirken mobilisierten zur Demonstration am 5.12.2015, die den Höhepunkt der ersten Phase nach der Kündigung markierte.
Auftakt war der Platz vor dem Neuköllner Rathaus. Dort begann wenige Stunden zuvor eine Mahnwache im Gedenken an Burak. Der 22-Jährige wurde im April 2012, ohne ersichtlichen Grund oder einen vorausgegangenen Streit, auf offener Straße in Neukölln erschossen. Die Möglichkeit eines rassistischen Motives wurde von den Ermittlungsbehörden, wie so oft, schnell verworfen. Der Mord ist bis heute nicht aufgeklärt und wäre wahrscheinlich schon längst in irgendeiner Schublade verschwunden, würde eine Initiative den Mord nicht seitdem beharrlich weiter thematisieren und seine Aufklärung fordern. Das Ende der Mahnwache und der Beginn der Kiezdemo ging Hand in Hand und viele Teilnehmer*innen der Kundgebung nahmen im Anschluss an der Demonstration teil.
Ab 15 Uhr füllte sich der Rathausvorplatz. Erste Transparente wurden entrollt und die vielen Schilder verteilt, die einige Tage zuvor bei einem öffentlichen Bastelnachmittag gemacht wurden. Die Polizei vermutete hierbei wohl Schlimmstes, so beharrten einige Beamten äußert forsch darauf, jedes Transparent und jedes Schild „auf strafrechtlich relevante Aussagen“ zu prüfen. Was sie dabei zu finden erhofften, wird wohl deren Geheimnis bleiben. Vor etwa 400 Menschen begann schließlich gegen halb 4 die Auftaktkundgebung.
Zunächst erklärte ein Redebeitrag des Kiezladens noch einmal den Anlass der Demonstration und die Hintergründe der Kündigung. Offensiv und kämpferisch wurde ein breiter Protest in den kommenden Monaten angekündigt und deutlich gemacht, dass das F54-Kollektiv in der Friedelstraße bleiben wird.
Es folgten im Laufe der Veranstaltung solidarische Grüße und interessante Redebeiträge von:
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1. der „Initiative für die Aufklärung des Mordes an Burak,
2. dem Bündnis „Zwangsräumung verhindern“, welche entschlossen gegen die Verdrängungsschweinereien in unserer Stadt kämpfen,
3. der „Weisekiez-Initiative“ gegen die Zustände in den nahen Massenunterkünften für Geflüchtete,
4. dem ebenfalls vom Rausschmiss bedrohten, selbstverwalteten Jugendzentrum „Potse“ und „Drugstore“,
5. der Gruppe „SocialCenter4All“, welche bereits zwei öffentliche Besetzungen organisiert hatte,
6. „Bizim Kiez“, welche im Wrangelkiez offensiv, vielfältig und durchaus erfolgreich gegen Verdrängung kämpfen,
7. der „Silvester-Anti-Knast-Demo“ – bzw. Demos, denn dieses Jahr am 31.12. werden wieder zwei Demos zeitversetzt am selben Tag mit unterschiedlichen Zielorten stattfinden,
8. dem bedrohten „Köpi-Wagenplatz“, welcher Dank eines unsozialen Sanierungsgebietes bald einer kapitalorientierten Neu-Bebauung weichen soll,
9. dem „Allmende e.V.“, welcher vor gut 9 Monaten brutal von der Polizei aus seinen Vereinsräumen am Kottbusser Damm geräumt wurde und nun auch noch mit Repressalien und Geldforderungen konfrontiert ist,
10. dem „Kollektiven Zentrum“ in Hamburg, welches gegen seine Räumung kämpft,
11. dem Anti-Gentrifizierungsbündnis „Hände weg vom Wedding“, welche am 30.4. wieder eine große antikapitalistische Kiezdemo organisieren wird,
12. dem „Mieter_innenprotest Koloniestraße“ in Wedding, welche gegen Verdrängung durch enorme Mietsteigerungen und arrogantes Verhalten des Senats kämpft,
13. dem anarchistischen Radio-Kollektiv „Radio Revolt“ aus Griechenland,
14. der Hausgemeinschaft der Friedelstraße 54, welche sich solidarisch für den Verbleib ihrer Kiezladen-Nachbarn im Erdgeschoss aussprach,
15. dem revolutionären Gemischtwarenladen „M99“, welcher durch Kapitalisten und Klassenjustiz in seiner Existenz bedroht ist,
16. Anwohner_innen der Rigaerstraße, welche sich seit einiger Zeit mit polizeistaatlichen Alltagsschikanen und der Besetzung ihres Kiezes durch die Polizei konfrontiert sieht
Diese Beiträge waren allesamt sehr interessant, solidarisch und aktionistisch und wurden von fortwährenden Durchsagen durch den Lauti an die Nachbarschaft über Sinn und Zweck und Hintergründe der heutigen Demonstration untermalt. Zudem wurde die selbstorganisierte Kiezversammlung von Nord-Neukölln am Folgetag beworben und kämpferische Hausgemeinschaften am Wegesrand gegrüßt.
Am Paul-Lincke-Ufer wurde ein großes Soli-Transpi von einem Hausdach herabgelassen, welches von buntem Feuerwerk begleitet wurde und für gute Stimmung sorgte. In der gesamten Friedelstraße war die Demo sehr lautstark und wurde – auch oder gerade hier – wohlwollend von den Anwohner_innen empfangen. Die Wunderkerzen, die innerhalb der Demo angezündet wurden, betonten das Gefühl „zu Hause“ im eigenen Kiez zu sein und hier fest verankert und gewollt zu sein. Einige Nachbar_innen zeigten Soli-Transparente von ihren Fenstern und Balkonen und winkten oder klatschten der Demonstration zu. Ein paar Leute bestiegen das Gerüst vor der Friedelstraße 54 und brachten weitere Transparente daran an. Am Reuterplatz endete die Kiezdemo mit weiterhin bester Stimmung und etliche ehemalige Veranstaltungsteilnehmer_innen begaben sich daraufhin zu Speis und Trank in den nahen Kiezladen F54. Verhaftungen gab es keine.
Insgesamt wurden 3500 Flyer mit Informationen über die Kündigung des Kiezladens F54 durch die Citec Immo Invest GmbH verteilt. Die Leute auf den neuköllner Straßen haben fast durchgängig großes Verständnis für diesen Kampf, denn mittlerweile sind fast alle Menschen von (teils enormen) Mietsteigerungen und von Verdrängung betroffen. Während auf der einen Seite die Profite und Renditen ins Unbeschreibliche steigen, stehen auf der anderen Seite diejenigen, welche keinen eigenen Wohnraum besitzen und zur Miete wohnen (etwa 85% der Berliner_innen) und deren Gehälter nicht annähernd in den Verhältnissen steigen, wie die Mieten und Betriebskosten steigen.
Doch kommen wir abschließend zur Wertung der Jury:
Klarer Punktsieg für den Kiezladen in Runde 1!!!
Der schwache Gegner in der rechten Ecke, die wiener Citec Immo Invest GmbH, versuchte die ganze Partie über sich zu verstecken und schaffte es weder, persönlich dem Anschreiben des Kiezladens zu antworten, noch Anhänger_innen auf die Straße zu bringen. Nicht einmal einer ihrer üblichen Handlanger konnte beim Abfotografieren der Demonstration gesichtet werden (Vgl.: https://linksunten.indymedia.org/de/node/137996), ganz zu schweigen von unterstützenden oder verständnisvollen Stimmen im Kiez. Denn da ist es völlig klar, dass wir in all unserer Unterschiedlichkeit und Heterogenität zusammenhalten:
UNSER KIEZ – UNSER KIEZLADEN!
FRIEDEL KÄMPFT, KIEZLADEN BLEIBT!
Die Spiele haben begonnen, Runde 2 wird bereits geplant…………
Fotos und Presseberichte:
https://www.neues-deutschland.de/artikel/993789.kuendigung-ein-kiezladen-wehrt-sich.html
https://www.freie-radios.net/74062
https://mediagoblin.aurka.com/u/janssen/
https://www.flickr.com/photos/pm_cheung/sets/72157661882078962/with/23517415016/
Upcoming Events:
Offenes Treffen zur Unterstützung des Kiezladens immer am 4. Montag im Monat um 20 Uhr in der Friedelstraße 54.
Nächste Termine: 28.12. / 25.1./ 22.2. / 28.3.
Weitere Demos und Aktionen.
Klassenfahrt nach Wien.
Selbstorganisierte Kiezversammlung Nord-Neukölln immer am 1. Sonntag im Monat um 12 Uhr. Nächste Termine: 3.1. / 7.2. / 6.3.
Mehr Infos:
https://twitter.com/kiezladen_f54
https://www.facebook.com/Kiezladen-Friedel54-1123625261002897/?fref=ts
http://friedelstrasse54.blogsport.eu/
Indymedia-Artikel rund ums Thema:
https://linksunten.indymedia.org/de/node/158117
https://linksunten.indymedia.org/de/node/137996
https://linksunten.indymedia.org/de/node/159483
https://linksunten.indymedia.org/de/node/116042
https://linksunten.indymedia.org/de/node/115683
https://linksunten.indymedia.org/de/node/115646
https://linksunten.indymedia.org/de/node/116371
Gute Sache
aber ich finde nicht das Verhältnis ist das Problem ("Während auf der einen Seite die Profite und Renditen ins Unbeschreibliche steigen, stehen auf der anderen Seite diejenigen, welche keinen eigenen Wohnraum besitzen und zur Miete wohnen (etwa 85% der Berliner_innen) und deren Gehälter nicht annähernd in den Verhältnissen steigen, wie die Mieten und Betriebskosten steigen."), sonder die kapitalistische Arbeitsgesellschaft als solches.
Super Sache
Richtig, das Grundproblem ist natürlich die kapitalistische Gesellschaftsform. Was du betonst, ist die Grund-Struktur, im Text geht es um das gesellschaftliche Produkt dieser Struktur. Beides gehört zusammen, widerspricht sich aber inhaltlich auch nicht. Wichtig ist jedenfalls, dass es diesen (Klassen-)Antagonismus gibt und das man darauf hinweist und betont, dass es auch andere, bessere (revolutionäre) Möglichkeiten gibt.
blabla
Klar, Akkumulation, Profit, Renditen - das hat ja alles nichts mit der mysteriösen "kapitalistschen Arbeitsgesellschaft als solches" zu tun. So ein dummer Kommentar.
Artikel aus dem ND
Etwa 650 Menschen beteiligten sich am Samstag an einer Demonstration durch Neukölln, um für den Erhalt des Mietvertrags für den Stadtteilladen in der Friedelstraße 54 einzutreten. »Im Oktober haben wir die Kündigung erhalten. Am 31. April 2016 sollen wir den Laden nach mehr als zehn Jahren verlassen«, berichtet der Sprecher des Ladenkollektivs Mattias Sander dem »nd«. Er spricht von einer Eskalation durch die Citec Immo Invest GmbH. Das Wiener Immobilienunternehmen benennt auf seiner Homepage neben einem »respektvollen Umgang mit den Mietern« auch die »stetige Werterhöhung durch laufende Verbesserungen und Sanierungen« als Leitziele ihrer Unternehmenstätigkeit.
»Viele österreichische und internationale Investoren entdecken die deutsche Hauptstadt als zukunftsträchtige Investitionsmöglichkeit«, wird auf der Firmenhomepage die Pionierrolle des Unternehmens beschrieben. Kaufen, modernisieren und dann die Häuser schnell wieder verkaufen, denn gute Immobilen seien nicht lange auf dem Markt, wird dort die Unternehmensphilosophie zusammengefasst.
Doch in der Friedelstraße wehren sich nicht nur die Mitarbeiter des Stadtteilladens. Auch die Mieter haben die Zustimmung zur von der Citec geplanten energetischen Modernisierung verweigert. Vor allem Bewohner mit niedrigen Einkommen fürchten, sich die Miete nach der Sanierung nicht mehr leisten zu können. Die Proteste haben die Bauarbeiten um Monate verzögert. Mittlerweile hat die Citec mehrere Gerichtsurteile, nach denen die Mieter die energetische Modernisierung dulden müssen.
Matthias Sander sieht das Agieren des Unternehmens nicht als Einzelfall. »Unsere Kündigung steht exemplarisch dafür, was seit Jahren im Norden Neuköllns schief läuft. Währenddessen bleiben immer mehr Menschen und Gewerbe auf der Strecke.« Auch Betroffene aus anderen Stadtteilen beteiligten sich an der Demonstration.
http://peter-nowak-journalist.de/2015/12/07/kundigung-ein-kiezladen-wehr...
sich nicht in die tasche lügen
es nützt niemandem was, teilnehmerzahlen hochzujubeln. alle genannten zahlen halbieren und dann stimmen sie ungefähr mit der realität überein. im bereich hermannplatz/ sonnenallee waren es vielleicht 450 menschen, nach 1 stunde demo am ende am reuterplatz blieben noch 150 übrig. breiter protest sieht anders aus. bei der kiezdemo ab hermannplatz im märz diesen jahres beteiligten sich auch migrantische familien , diesmal wars ne reine szenedemo
Quark!
Guck dir die Fotos an und du siehst, dass es sehr wohl 800 Leute waren. Das Demoende erkennt man jedenfalls nicht. 800 ist realistisch, manche haben sogar 1000 geschätzt.
Und Szene - ja, aber nicht nur. Im Winter tragen eben auch "normale" Leute gerne mal schwarz. Die vorherigen Demos waren zudem kleiner und hatten andere Schwerpunkte.